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sha_manic
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Post Mon, 28.May.07, 2:33      Vater gestorben - Verarbeitung/Perspektivenlosigkeit Reply with quoteBack to top

Mein Vater starb an Krebs, als ich 14 Jahre alt war.

Geistig waren wir "seelenverwandt"; ich kann heute noch deutlich spüren, welche Charakterzüge ich von ihm geerbt habe oder mir ausmalen, über was für Dinge wir diskutieren würden, wenn er noch leben würde.

Seit damals geht´s in meinem Leben drunter & drüber.

Der Zeitpunkt, als es passierte - die Pubertät, also die Phase der Persönlichkeitsfestigung - war schon sehr chaotisch gewählt.

Meine Mutter war überfordert in ihrer Aufgabe als "Alleinerzieherin" 2er rebellischer Jugendlicher. Heute kann ich das nachvollziehen & so verrückt es klingt, auch verzeihen - es ist ja nicht so, als wäre es ihre "Schuld" gewesen, aber objektiv gesehen hätte ich damals wahrscheinlich eine "starke Schulter" gebraucht, & das gab es bei uns nicht. Ich verstehe mich eigentlich sehr gut mit ihr, sie ist eine tiefgründige, weise Frau & ich konnte immer ganz gut mit ihr über "das Thema" reden. Aber weil JEDER von uns in der Familie betroffen war & unterschiedlich damit umging, waren wir nicht immer fähig, einander zu helfen..& manchmal hätte ich einfach gerne jemanden gehabt, der "nur mir" zugehört hätte, bei dem sich mein Gewissen nicht zusätzlich mit anderen Sorgen um sein Wohl geplagt hätte. Was für reichlich Konflikte sorgte damals..

Die erste Zeit danach war ich kaum daheim.
Ich verstand mich mit den meisten, hatte damals auch noch viele Freunde, allerdings nur 2 richtige "Seelenschwestern". Sie waren die einzigen, mit denen ich wirklich reden konnte damals.. & geistig waren wir auf einer Ebene, man könnte sagen, ein bisschen frühreif. Mit ihnen fing ich an, das Nachtleben kennenzulernen..damals, mit 14.
Sehr früh hatten wir eine feucht-fröhliche Wochenendroutine. Damals lernte ich auch meinen 1. & bis jetzt einzigen Freund kennen. Er weihte mich ins Kiffen ein, womit ich ab ~16 regelmäßig begann.

Ich bereue nichts. Aus jedem Fehler habe ich gelernt, aus jedem Tief habe ich doch unendlich viel Kraft schöpfen können. Gewisse Zeiten habe ich auch einfach nur genossen. ^^

Manchmal scheint es aber, als hätte ich die Suche nach Lebensfreude doch zu sehr mit Ablenkung verwechselt.
Ich habe mich von den Wochenenden davontragen lassen, irgendwann fast nur noch dafür gelebt, die Schule verkackt (Matura/Abi habe ich immer noch nicht, kämpfe da sehr mit meiner Willenskraft)..

Eigentlich vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht an meinen Vater denke. Er erscheint mir in meinen Träumen, ich vermisse ihn immer noch sehr.

Was geblieben ist? Leere & Perspektivenlosigkeit. Eigentlich bin ich ziemlich lebensfroh, neige aber dazu, wirkliche Probleme nicht zu konfrontieren.
Seit Jahren habe ich das dumpfe Gefühl zu stagnieren, in einer Phase steckengeblieben zu sein. Ich werd mit der Schule nicht fertig, hab kaum Selbstdisziplin & aus "mysteriösen Gründen" auch deutlich weniger soziale Kontakte als früher.
Mit meinen 2 besten Freundinnen rede ich eigentlich auch nicht mehr darüber. Aber ich wüsste auch nicht, was es bringen würde & ich will nicht immer irgendeinen seelischen Müll auf Menschen, die mir sehr viel bedeuten, abladen.
Also schlucke ich alles runter.

Dabei würde ich GERADE JETZT so gerne endlich mein Leben genießen!
In den Jahren davor habe ich das AUCH getan, war damals sogar sehr viel auf Reisen & habe viele neue Leute kennengelernt.
Aber irgendwie..fehlt mir momentan die Fähigkeit, "frei" Kontakte mit Menschen zu knüpfen.

Ich war eigentlich in emotional SEHR viel extremeren Phasen zufriedener mit mir selbst. So vieles würde ich gerne ändern, aber weiß momentan nicht so recht, WIE!

Danke für die Geduld!
Vllt hat jemand ähnliche Erfahrungen mit "Verlust" gemacht & erzählt, wie er/sie es geschafft hat, das Leben wieder auf die Reihe zu kriegen?
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Whoopie
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Post Mon, 28.May.07, 8:47      Re: Vater gestorben - Verarbeitung/Perspektivenlosigkeit Reply with quoteBack to top

Hallo Sha-Maniac,

vorab: ich kenne das Thema nicht persönlich. Zwar ist mein Vater auch tot, aber wir hatten keine so innige Bezeihung. Trotzdem möchte ich sagen, dass Du den Beitrag sehr schön geschrieben hast. Lässt sich gut lesen.

Das mit Deinem Vater tut mir sehr leid. Es muss besonders wehtun, wenn man - wie Du schreibst - seelenverwandt war oder besser ist, denn das vergeht ja nicht. Die Beziehung ist ja noch da, Ihr "redet" miteinander.

Es muss sehr schlimm gewesen sein.

Auch das die Mutter überfordert war ist nachvollziehbar, für Dich aber wenig hilfreich. Ich kann gut verstehen, dass Du immer das Gefühl hattest, sie schonen zu müssen. Eigentlich wäre ein außenstehender Gesprächspartner für Dich hilfreich gewesen. Jemand, der nicht im Schmerz gefangen ist. Aber dem war leider nicht so.

Das ausschweifende Leben war sicher eine Flucht, um sich nicht noch weiter damit beschäftigen zu müssen, aber auch der Wunsch zu leben, das leben zu genießen, wie es in dem Alter doch auch wichtig ist. Ein Austesten.

Quote:
Ich bereue nichts. Aus jedem Fehler habe ich gelernt, aus jedem Tief habe ich doch unendlich viel Kraft schöpfen können.


Du hast nicht nur Eigenschaften Deines Vaters, sondern auch die Tiefe Deiner Mutter. Schön, wie Du das beschrieben hast. Schön zu sehen, welche Stärke Du hast.

Quote:
Eigentlich vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht an meinen Vater denke. Er erscheint mir in meinen Träumen, ich vermisse ihn immer noch sehr.


Das kann ich sehr gut verstehen. Du sollst ihn auch im Herzen behalten, aber Du musst ihn auch ein Stück weit loslassen, um selbst leben zu können. Dein eigenes Leben. Was könnte Dir dabei helfen? Was meinst Du?

Quote:
neige aber dazu, wirkliche Probleme nicht zu konfrontieren.


Aber Du tust es doch hier. Und ich finde, Du hast das alles doch sehr gut erkannt.

Quote:
Aber ich wüsste auch nicht, was es bringen würde & ich will nicht immer irgendeinen seelischen Müll auf Menschen, die mir sehr viel bedeuten, abladen.


Hast Du schon einmal von Familienaufstellungen gehört? Wenn ja, kannst Du Dir vorstellen, dass Dir das hilft.

Quote:
Dabei würde ich GERADE JETZT so gerne endlich mein Leben genießen!


Das würde Deinen Papa bestimmt auch freuen.

Quote:
fehlt mir momentan die Fähigkeit, "frei" Kontakte mit Menschen zu knüpfen.


Wenn das gerade jetzt der Fall ist, dann will sich jetzt was lösen, auf welchem Wege auch immer.

Quote:
Ich war eigentlich in emotional SEHR viel extremeren Phasen zufriedener mit mir selbst. So vieles würde ich gerne ändern, aber weiß momentan nicht so recht, WIE!


Genau. Du weißt nicht wie. Du kamst mit den anderen Situationen besser klar, weil Du da wusstest, worum es geht. Du konntest das Problem direkt angehen. Du hattest eine Aufgabe. Nun weißt Du nicht, was zu tun ist und "weißt" es irgendwie tief drinnen doch oder? Die Loslösung. Ich meine nicht vergessen, aber soweit loslassen, dass Du Deinen Weg gehen kannst.

Ich würde mich freuen, wieder von Dir zu lesen.

LG

Whoopie
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victim
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Post Sun, 03.Jun.07, 23:51      Re: Vater gestorben - Verarbeitung/Perspektivenlosigkei Reply with quoteBack to top

Hallo,
ich habe meine Mutter mit 16 verloren, danach gings irgendwie nur noch bergab. Von meinem Vater bekam ich diesbezüglich keine Unterstützung, er wurde schwer depressiv und landetet in der Psychiatrie(aus der er heute Gott sei Dank wieder raus ist). Viele Menschen haben mir gesagt, der Schmerz wird mit der Zeit vergehen, doch ich spüre ihn noch wie am ersten Tag. Ich habe damals den wertvollsten Menschen meines Lebens verloren. Ich denke jeden Tag an meine Mutter, träume öfters von ihr und gehe 2 mal in der Woche ans Grab.
Leider kann ich dir nicht wirklich weiterhelfen, aber ich weiß, wie du dich fühlst.
lg victim
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