Wie soll man wissen was man will? Kann man das lernen?

Forums-InsiderIn 333 niederlande M, 49

Ich hätte gerne gewuβt wie man eigentlich wissen soll was man will.

Selbsthilfe-bücher scheinen alle den Willen vorauszusetzen, davon ausgehend daβ der Leser selbstverständlich einen solchen hat, sowie er Augen hat: er lieβt ja, also hat er Augen. Wie gelangt man zu seinem Willen? Ist das eine Schicht in mir, ein Kern? Habe ich mit Sicherheit einen und muβ ich ihn nur auf die Spur kommen?

Forums-InsiderIn 368 --- W, 44

Hallo gompert,

interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Frage, wann der Wille abhanden gekommen ist bzw. von den engsten Bezugspersonen (meistens Eltern) beschnitten wurde.

Aber darum ging es Dir ja nicht. Du wolltest wissen, ob Du überhaupt einen Willen hast.

Ich denke schon. Kannst Du Dich zurückerinnern in Deiner Kindheit, wo Du etwas u n b e d i n g t wolltest ? Dort war der Wille noch vorhanden, und zwar bedingungslos.

Du hattest einen Willen als Kind. Nun, offensichtlich gibt es eine Zwischenzeit bis zum heutigen Tag, wo Du 49 bist und keinen Willen mehr hast (haben durftest ?).

Die Aufgabe dürfte jetzt wohl sein, den kindlichen Willen aufzuspüren und eine Entwicklung nachzuholen, die 30-40 oder noch mehr Jahre umspannt.

Wahrlich kein leichtes Unterfangen.

Cantadora

Helferlein 105 NRW W, 55

Hallo gompert,

ja, das Gefühl - diese Situation kenne ich auch = das nicht wissen was ich will
und genau wie du, habe ich versucht, in Büchern Anleitungen oder Hinweise zu finden - aber irgendwie war/ist es nicht das, was ich will

- und dadurch bin ich auf die Idee gekommen, erstmal festzustellen, was ich nicht will
mir regelrecht zu erlauben - etwas nicht zu wollen
das hört sich jetzt komisch an - aber es war für mich ein erster / der erste Schritt in die richtige Richtung

das heißt nicht, dass man sofort alles verwirft und sich von allem "befreit", es ist erstmal ein wertfreies feststellen, was ich nicht will
dabei kommen einem schon seltsame, bemerkenswerte und eigenartige Gedanken - aber wenn man sie zuläßt, kann man weiterdenken und feststellen, dass es nicht schlimm ist, wenn man etwas nicht will, wenn man etwas anderes will, wenn man etwas anderes als bisher will

es dauert seine Zeit - und ich bin noch lange nicht "fertig" - aber in kleinen Schritten habe ich schon das eine oder andere ändern können, z.B. nein sagen, wenn ich etwas nicht will - freundlich aber bestimmt.
und siehe da - es geht
da kann auch so aussehen, dass ich etwas nicht tue, was ich eigentlich sollte - das ist auch eine Form des nein-sagens.

es klappt nicht immer, aber immer öfter Very Happy

vielleicht ist es im Moment mein "Wille" etwas nicht zu wollen.

ich fühle mich ein bißchen wie auf einer Wanderung mit unbekanntem Ziel - spannend und langwierig und abwechslungsreich und langwierige . . .

Forums-Gruftie 944 BRD W, 24

Hi gompert,

bei mir führt(e) der Weg zu meinem Willen übers Nicht-Müssen. Meine Therapeutin hat mir den Satz "Sie müssen gar nichts" förmlich eingetrichtert ... Wie wahr oder unwahr dieser Satz ist, ist dabei für mich völlig irrelevant, weil es um das Gefühl und das Wissen geht, eine Wahl zu haben. Wenn ich mir selbst glaubhaft versichern kann, dass ich nicht gegen meine Ängste kämpfen brauche, keine Ziele haben muss, weglaufen darf ... dann verschafft mir das ein Gefühl von innerer Freiheit, durch das ich mich irgendwann ganz von selbst frage: "Hey, vielleicht will ich ja gegen meine Ängste ankämpfen? Vielleicht will ich mir Ziele setzen? Vielleicht will ich nicht mehr weglaufen?". Dann kommt der Wille für oder gegen etwas von ganz allein .. und aus mir selbst.

Bei dir klingt das auch ein bisschen an, wenn du sagst, nichts zu wollen sei nicht "salonfähig". Lässt du dir das von außen diktieren? À la "Man muss doch wollen"? Nöö, muss man gar nicht Wink

Wie sehr bist du denn sonst so "die Gesellschaft"?

Und was meinst du eigentlich mit "Fluchtwunsch"?

LG,

thron

[nicht mehr wegzudenken] 1071 Bayern W, 32

Mein Therapeut hat mir auch "Sie müssen gar nichts!" eingetrichtert. Das hat bei mir zunächst zu einer unglaublichen Entspannung geführt. Bis ich 29 war war ich extrem ehrgeizig und bin in Bezug auf mich selbst "über meine eigene Leiche gegangen" vor lauter Ehrgeiz und dem Willen meine Eltern und andere Leute beeindrucken zu müssen. Dann bin ich zusammengeklappt und habe ganz schön verduzt geguckt als das neue "Mantra" hiess dass man GAR NICHTS muss! Und auch nichts wollen muss.
MEin Therapeut meinte auch immer ich soll nichts übers Knie brechen sondern einen Wunsch in mir wachsen lassen wieder etwas zu wollen. SO dass die Motivation eine positive wird und man sich nicht antreiben lässt von dem Druck man MUSS doch ein Ziel haben.
Warum kann man nicht einfach mal SEIN und kein Ziel vor Augen haben. So langsam entwickelt sich wieder ein Wunsch in mir (nach 3 Jahren!!). Vorher wollte ich auch etwas: Meine Ruhe haben! Das hab ich mir 3 Jahre gegönnt (auch wenn ich nciht immer glücklich war)

Ich glaube ausserdem dass man herausfinden kann was man möchte wenn man möglichst viel ausprobiert und möglichst viel Input von Aktionen ausserhalb der 4 Wände hat. Man probiert etwas und merkt es gefällt einem nicht, gut dann wiess man schon mal dass man das nicht will.
Ich bin eigentlich ein schlechtes Beispiel, weil ich sehr verkopft bin und mir versuche in meinen eigenen 4 Wänden was auszudenken. Besser ist es aber man macht echt Erfahrungen, probiert aus, macht Fehler, macht gute&schlechte Erfahrungen. um zu wissen was man will muss man einen Weg gehen.
Ich habe gemerkt dass wenn ich nur zuhause sitze und mir überlege was ich will, dann kommt da nix bei raus ausser VErmutungen. Man muss DInge probieren und auch scheitern und dann was anderes probieren.

Forums-InsiderIn 333 niederlande M, 49

Hallo Contadora, Gerbera, Thorn und Lisa29,

Echt toll daβ Ihr so seriös auf meine Frage eingegangen seid. Ich will Euch erstmal herzlich dafür danken.

Nichts müssen ist mir ein noch unverdaulicherer Gedanke als einen Willen durchzusetzen. Ich weiβ, ich bin autonom, kann alles machen, nix muβ. Aber frei zu sein jeden Unfug anzustellen kommt mir kindisch egoïstisch vor.

Eure Worte haben mich sehr bewegt, gerührt auch. Ich wäre nie auf solche Gedanken gekommen. Ich scheine mein eigenes Tabu auf Freiheit und Wille geschaffen und bewacht zu haben. Diesen Gesichtspunkt will ich erst mal versuchen mir selbst einzutrichtern.

Schönen Gruβ vom Nordseestrand,

Gompert

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