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kleineMaus
Helferlein
132
Österreich W, 25
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Thu, 22.Mar.07, 9:45 Vormals opfer - nun selbst gewalttätig? |
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hallo!
viele werden mich noch kennen, mein älterer thread ist hier etwas nach unten gerutscht.
ich möchte ein neues thema starten, weil sich meine gedanken momentan nun um etwas ganz anderes drehen.
ich arbeite noch an meiner vergangenheitsbewältigung, dabei bin ich sehr launisch. an manchen tagen gehts mir gut, ich bin unbeschwert und locker, an anderen tagen flüchte ich mich in die arbeit, manchmal bin ich asozial, manchmal bin ich lieb, manchmal bin ich aggressiv etc... ich schätze mal, das ist halbwegs normal.
in letzter zeit beobachte ich aber, dass ich selbst aggressiver werde und auch gewalttägiter. ich habe auch manchmal gewaltphantasien, wo ich selbst der täter bin. aber nur situationen wie etwa im kampfsport, also keine kriminelle 'gewalt' an sich, sondern eher so phantasien, dass ich im ring einen mann so richtig vermöble.
ich hatte ftüher schon mal kampfsport gemacht, habe dann meinem freund zuliebe aufgehört und nun habe ich wieder angefangen weil ich mir dachte, das ist ein sehr guter ausgleich für die psyche und da kann ich in kontrolliertem rahmen dampf ablassen.
letztens war ich krass schockiert: der trainer hat mich beiseite genommen und mich gebeten, etwas zurückzustecken weil er den eindruck hat, dass ich manchmal sinnlos und übertrieben auf meinen gegner draufbretter.
ich bin ohnehin schon das einzige mädel in der gruppe, ich bin in der heftigsten vollkontakt stufe. gegen frauen mag ich sowieso nicht kämpfen.
aber ich beobachte immer mehr, dass es mir einfach spaß macht, meinem gegner zu zeigen dass ich überlegen bin. ich trainiere wieder sehr hart, ich arbeite daran 'über-weibliche' muskeln zu bekommen, damit mir jeder am ersten blick ansieht: die hat mehr drauf als eine durchschnittsfrau!
soweit ist das alles noch im sportlichen bereich.
was mir eher sorgen macht ist dass ich auch im alltag immer mehr lust auf gewalt habe. vor kurzem wurde ich in der ubahn von einem sandler angepöbelt, er hätte mich fast auf die gleise geschubst, ich habe ihm einfach nur gedroht, war kurz davor zuzuschlagen, die situation konnte aber noch verbal aufgelöst werden.
und hinterher habe ich mich ertappt, dass ich gedacht hab 'schade dass er mir nicht mehr anlass gegeben hat. ich hätte ihm gern eine gescheuert. einfach so.'
das macht mir sorgen.
ich habe mich soweit unter kontrolle. mir 'rutscht' nichts aus. auch meinem freund gegenüber bin ich stets liebevoll, auch wenn wir streiten bleibt es verbal. aber diese phantasien machen mir sorgen.
vor allem seit mich der trainer drauf hingewiesen hat, dass er den eindruck hat, ich schlage über alle stränge, ich würde ausufern.
ist das eine phase, die wieder vergeht?
teste ich meine grenzen?
warum hab ich so sehr diesen wunsch, männern zu beweisen dass ich stärker bin und härter zuschlagen kann?
ich kann nicht so recht damit umgehen.
ist das ein normaler prozess wenn jemand körperliche gewalt verarbeiten will?
soll ich etwas unternehmen, daran arbeiten dass das vergeht oder soll ich es zulassen? soll ich die phantasien zulassen? ich schäme mich dafür. und ich darf nicht erlauben, dass ich meiner lust jemals lauf lasse.
ich will kein gewalttätiger mensch sein!
ich will irgendwie nur zeigen: lass mich in ruh. ich kann mich wehren und ich kann dir sehr sehr wehtun wenn du mir zu nahe kommst.
ist das gesund oder bedenklich?
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Williams
Forums-Gruftie
531
Germany W, 39
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Thu, 22.Mar.07, 10:06 Re: Vormals opfer - nun selbst gewalttätig? |
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Hallo kleine Maus,
erstmal meine ehrliche Bewunderung, dass Du in der heftigsten Vollkontaktstufe bist. Ich habe früher auch Kampfsport gemacht,
weil ich das Training super fand, aber den Kampf selbst,
habe ich im Grund nicht gesucht.
Du mußt wirklich sehr fit sein. Hut ab.
Mich wundert es nicht, dass Du die Fantasien hast.
Du hast die Möglichkeit Dich zu wehren,
also tust Du es im Fall der Fälle.
Wir haben ja schon früher viel miteinander geschrieben und ich
denke Du verarbeitest auf diese Weise,
was Dir selbst früher angetan wurde.
Das kann einen ja auch wütend machen!
Das ist in jedem Fall viel gesünder, als es in sich hineinzufuttern.
Was die Trainingsgeschichte angeht:
Frauen sind, wenn sie mal auf der Ebene angekommen sind,
in der Regel härtere Gegener. Hemmungsloser und kämpferischer.
Da Du sehr trainiert bist, ist es wahrscheinlich, dass Du eine richtig
gefährliche Gegenerin bist.
Auf einer anderen Ebene sehe ich so etwas im Beruf.
Sind Frauen in einer Machtpostion, wo bis heute eher Männer zu finden sind, dann sind sie oft besser und kämpferischer als ein Mann in dieser Position.
Diese Aussage stammt von meinem Mann, der viel mit Führungskräften arbeitet. Das nur nebenbei erwähnt.
Du trägst offenbar viel Wut in Dir.
Frag Dich doch mal:
Wen geht die eigentlich an?
Liebe Grüße
Williams
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_________________ Alles, was uns an anderen mißfällt, kann uns zu besserer Erkenntnis führen. C.G Jung |
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kleineMaus
Helferlein
132
Österreich W, 25
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Thu, 22.Mar.07, 10:17 Re: Vormals opfer - nun selbst gewalttätig? |
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hallo williams!! *mich riesig freu dich zu sehen*
ja.. ich habe sehr sehr viel wut in mir. die richtet sich hauptsächlich gegen mich selbst. ich habe jetzt einen moment lang drüber nachgedacht, was der grund dieser wut ist.
ich glaube es kommt daher, dass ich wütend auf mich selbst bin, dass ich erst so spät angefangen habe, zu entdecken wieviele möglichkeiten ich habe, mich zu wehren. nicht nur auf körperlicher ebene, ich entdecke jetzt erst so viele jahre später, dass ich mich auch verbal sehr gut wehren kann und dass ich nie wieder zulassen werde, dass jemand etwas mit mir macht, womit ich nicht einverstanden bin.
nur leider etwas spät, diese einsicht.
und das macht mich wütend. und durch diese wut kommt die lust, richtig zuzuschlagen.
es ist nicht so dass ich männer generell vermöbeln will, sondern ich hab einfach riesenlust irgendwo draufzuhauen und da bieten sich männer besser an als frauen *blöde formuliert*
es ist auch ein teil des trainings, dass man sich vor dem kampf emotional drauf einstellt, dass der gegner da nicht der lustige typ ist, mit dem man eben noch geplaudert hat, sondern dass das ein feind ist, der mich einfach ausgedrückt, platt macht wenn ich nicht in die offensive gehe. man anonymisiert den gegner. und dann habe ich nicht einen netten jungen burschen vor mir, sondern einen mann, einen gegner, der mir wehtun will, also muss ich aus mir rausgehen und ihm zeigen dass er keinen erfolg haben wird.
dazu noch die wut gegen meine eigene blödheit von damals und der gewaltcocktail ist perfekt.
ich habe es selbst nicht bemerkt, ich hab auch die rufe meines trainers nicht bemerkt, bis er mich am tshirt beiseite gezogen hat und mir erstmal die leviten gelesen hat.
ich denke, so ein verhalten kann man nur gewalttätig nennen. oder?
es kommt mir so vor, als hätte ich insgeheim lust darauf, wieder in so eine situation wie damals zu kommen und es diesmal besser zu machen. daher auch meine heimlichen wünsche, dass ich auf offener straße angegriffen werde. ich will wieder in die selbe gefahr kommen und es diesmal besser machen!
das ist doch verrückt!
ich weiß, dass ich nicht unbesiegbar bin. mag sein dass ich im sport hart zuschlage, aber ich weiß genau dass ich wenn ich wirklich auf der straße angegriffen werde, nicht automatisch als sieger hervorgehen würde. ich bim immerhin immer noch ne frau und von daher schwächer als die meisten männer.
also gehe ich wieder in die kraftkammer und stemme gewichte bis ich so müde bin, dass mir die knie zittern.
ich bin so unausgeglichen...
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Williams
Forums-Gruftie
531
Germany W, 39
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Thu, 22.Mar.07, 13:48 Re: Vormals opfer - nun selbst gewalttätig? |
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Ich freue mich auch sehr Dich zu lesen!
Quote: | ich denke, so ein verhalten kann man nur gewalttätig nennen. oder? Sad |
Oder einen Rausch. Vielleicht Gewaltrausch...
Du beschreibst doch sehr gut, was in Dir vorgeht.
Ich finde das hört sich schlüssig an.
Mir hat mal eine Frau meinen Freund ausgespannt, die Verkäuferin ist.
Das war für mich damals sehr schmerzhaft.
Was tat ich also? Ich fing unbewußt an, mich an Verkäuferinnen zu
rächen. Bis heute habe ich zu Verkäuferinnen mit einer bestimmten Optik ein schwieriges Verhältnis. Das nennt man wohl Prägung.
Darauf hat mich mein Therapeut damals aufmerksam gemacht.
"Aha", meinte er, "diesmal haben sie also gewonnen!"
Du liegst also mit Deiner Theorie wahrscheinlich richtig, dass Du diesmal gerne erleben würdest zu gewinnen.
Ich finde das ist verständlich.
Allerdings ist es nicht ratsam, eine Art Selbstbestrafungsaktion zu starten und nun eine Situation zu provozieren, in der Du selbst wieder zum Opfer werden könntest.
Wie wäre es, wenn Du aufhörst auf die kleine Maus von damals wütend zu sein? Hinterher ist man immer schlauer.
Ich verstehe Dich auch da gut und kenne es von mir selbst.
Das ist aber eben die Entwicklung, die Erfahrung und die muß man erst einmal durchlaufen, bis man schlauer ist.
Es ist natürlich schlimm, wenn man viel erleiden mußte.
Da kommt glaube ich immer so eine Komponente ins Spiel, die Dich innerlich zerissen macht. Hättest Du wirklich etwas bewirken können und etwas anders machen können? Oder wäre es doch alles passiert, nur eben etwas anders. Und wenn Du hättest aussteigen können, warum hast Du den Glauben an Dich selbst nicht in Dir finden können?
War das damals eine Selbstbestrafungsaktion, weil Du Dir die Schuld an der Trennung Deiner Eltern gegeben hast?*spekulier*
Für die Zukunft heißt das nun aber eher mehr Vorsicht mit sich selbst,
als mehr Risiko, um es dann vielleicht besser zu machen.
Ich springe ja auch nicht nochmal in den Fluß, den ich durchqueren möchte, um diesmal weniger weit abgetrieben zu werden, sondern geh vielleicht besser gleich über die Brücke, hm?
Ich glaube wenn Du Dir selbst verzeihen könntest, wärest Du ausgeglichener.
Vielleicht auch, wenn Du mehr Verständnis entwickelst, warum Du damals so hineingerutscht bist.
Liebe Grüße
Williams
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_________________ Alles, was uns an anderen mißfällt, kann uns zu besserer Erkenntnis führen. C.G Jung |
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kleineMaus
Helferlein
132
Österreich W, 25
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Thu, 22.Mar.07, 18:07 Re: Vormals opfer - nun selbst gewalttätig? |
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ich weiß nicht wie ich es schaffen soll, mir selbst zu verzeihen.
ich schaffe es nicht! heute noch erinnere ich mich manchmal und dann fällt mir wieder ein, wie diese und jene situation abgelaufen ist und ich bekomme sofort magenkrämpfe und unglaubliche aggressionen. ich werde so wütend wenn ich daran denke, was ich alles falsch gemacht habe. das will einfach nicht vergehen.
ich vermute mal, aus dieser wut schöpfe ich die kraft, mich weiterzubringen. ich habe das gefühl, alles was ich derzeit erreiche und meinen ganzen arbeitswillen habe ich nur durch die wut, die mich innerlich treibt. ich weiß nicht was ich dagegen tun soll.
zu deinem beispiel mit der brücke: ich glaube so wie ich derzeit drauf bin, würde ich wieder in den fluss springen und sogar an einer anderen stelle wo die strömung noch stärker ist, nur damit ich mir beweise: ICH SCHAFFE ES!
in mir drin ist alles so unglaublich böse und wütend und aggressiv. und nach außen hin bin ich stets lieb und nett.
außer man gibt mir boxhandschuhe und stellt mich in den ring einem mann gegenüber...... da gehts rund!
und was noch schlimmer ist: wenn ich im kampf einen schlag abbekomme.
was in mir vorgeht, wenn ich einen richtig dollen schlag ins gesicht erwische, dann raste ich erst richtig aus. dann erinnere ich mich wieder, ich hab für kurze moment bilder aus meiner vergangenheit vor augen, ich beginne blut zu schmecken obwohl da keines ist, und ich werde unglaublich wild. ich schlage nur noch um mich, bin nur noch wütend wütend wütend, ich beginne mich selbst und alles zu hassen und kann mich selbst nicht mehr stoppen. ich erinnere mich dann plötzlich wieder, wie es damals war, schläge abzubekommen und denke mir dann, 'so jetzt reagierst du aber RICHTIG'
meistens sage ich meinen sparringspartnern ja immer schon vorher, dass sie mich nicht schonen sollen obwohl ich ein mädel bin. immer feste druff.
ich bin fast schon richtig geil drauf.
manchmal gehe ich einen kampf auch bewusst langsam an, lass mich erstmal erwischen, blocke nicht ab und warte drauf, dass mir mein gegner richtig einschenkt bis es schon heftig wehtut. passiert es dann, öffnet sich in mir ein ganzes meer an wut und aggressionen und ich walze alles nieder.
und hinterher sitze ich dann wieder zuhause mit einem blauen auge oder blutiger lippe und denke mir 'das war's wert'
alle anderen halten mich für völlig bekloppt.
wie schaffe ich es, mir selbst wirklich aufrichtig zu verzeihen? da helfen anscheinend keine fakten mehr, keine vernünftigen gründe, ich kann mich selbst einfach nicht überzeugen. ich denke immer noch nach wie vor dass ich es selbst hätte verhindern können.
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vita
Forums-InsiderIn
339
Hessen W, 50
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Sun, 25.Mar.07, 8:25 Re: Vormals opfer - nun selbst gewalttätig? |
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Hallo KleineMaus,
interessanter Nick übrigens.
Gegen wen kämpfst du eigentlich wirklich?
Was ist der Sieg?
Ich weiß nicht, ob man in der Gegenwart gegen die Schatten der Vergangenheit boxen kann.
Was wäre, wenn du einfach los lässt?
lg
vita
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Tarengrim
Helferlein
100
Österreich M, 26
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Sun, 25.Mar.07, 12:14 Re: Vormals opfer - nun selbst gewalttätig? |
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Es geht wohl weniger darum dir selbst zu verzeihen und vielleicht eher darum dir selbst etwas zu beweisen? Also wie du bestimmt schon selbst herausgefunden hast, dir selbst zu beweisen dass du dich jetzt beschützen kannst. Diese junge Version von dir ist immer noch in deinem Weltbild und du versuchst ihr die angst vor andern zu nehmen indem du ihr beweist wie stark und kräftig du bist.
Alternative könnte es vielleicht auch daran liegen, dass du im privat leben immer nett und freundlich bist und du deshalb öfters im Ring ein wenig übertreibst. Eine art Ventil vielleicht um „Dampf abzulassen“
Sich seinen eigenen Ängsten (auch der Wut) zu stellen ist ein sehr schwieriger Prozess, aber es ist die arbeit und zeit bestimmt wert. Den ersten Schritt, des Erkennens hast du ja schon gemacht, das heißt der Rest wird auch bald kommen.
Das klingt nun sehr stereotypisch, doch stelle dich deiner Vergangenheit und akzeptiere sie als Teil von dir. Es ist passiert und nichts was du tust wird es ungeschehen machen.
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