Erfundener sex. Missbrauch - wie damit umgehen?

Helferlein 85 deutschland W, 26

Wie würdet ihr damit umgehen, wenn euch eine Person, die euch nahe steht, erzählt, sie habe fälschlicherweise behauptet, als Kind missbraucht worden zu sein? Wie würdet ihr reagieren, was würdet ihr ihr sagen?
Meine Gefühle fahren im Moment Achterbahn. Ich selbst bin als Kind missbraucht worden und wenn ich darüber geredet oder gelesen habe, fiel in diesem Zusammenhang immer der Satz "Sowas denkt sich keine Frau aus". Trotzdem hatte ich immer Angst, dass man mir nicht galubt. Ich wäre aber nie auf die Idee gekommen, dass jemand sich WIRKLICH so etwas ausdenkt, erst recht nicht meine Freundin. Sie hat mir nun also erzählt, dass sie es getan hat, sie hat es sogar gleich zu Beginn ihrer Therapie ihrer Therapeutin erzählt. Sie begründet es damit, dass sie Angst hatte, ihre Probleme seien nicht schlimm genug. Sie meinte, nur durch so ein "krasses" Problem könnte sie Mitgefühl bekommen. Jetzt kommt sie mit dieser Lüge nicht mehr zurecht, sie ist wirklich verzweifelt und einerseits tut sie mir auch leid und ich würde ihr gern sagen, dass es nicht "so schlimm war", aber irgendwie kann ich das nicht so richtig. Was soll ich ihr jetzt raten? Sie hat wahnsinnige Angst davor, wie ihre Therapeutin reagieren wird, dass sie sie sogar rauswirft. Aber mit ihrer Lüge kann sie auch nicht weiterleben...

Forums-Gruftie 982 wien M, 31

~Mia~ wrote:

Sie begründet es damit, dass sie Angst hatte, ihre Probleme seien nicht schlimm genug. Sie meinte, nur durch so ein "krasses" Problem könnte sie Mitgefühl bekommen.

Hallo, ich würde deiner Freundin raten diesen erfundenen Mißbrauch sofort in der Therapie anzusprechen. Deine Freundin kann beruhigt sein, die Therapeutin wird sie weder hinauswerfen oder sonst schlechtes von ihr denken.
Im Gegenteil ich finde sogar, dass diese Geschichte förderlich für die Therapie sein kann eine Basis herzustellen wo sich deine Freundin mit ihren Problemen ernstgenommen fühlt.
Es gibt in dem Sinne keine großen und kleinen Probleme, ein Problem bleibt immer ein Problem und in der Therapie entscheidet der Klient nicht der Therapeut was ein Problem ist.
Ich denke deine Freundin hatte bloß Angst "zuwenig bieten" zu können deshalb diese Lüge, ist wohl eine typische Selbstwertproblematik die soweit geht sich sogar für die Therapie als "nicht selbst wert" zu fühlen. Sad

Also unbedingt ansprechen, da gegenseitiges Vertrauen der Grundpfeiler erfolgreicher Therapiearbeit ist.

LG
comus

Helferlein 85 deutschland W, 26

Hallo comus, danke für deine schnelle Antwort, ich fühl mich grad so allein und bin echt froh, dass es das Forum gibt! traurig

comus wrote:

Hallo, ich würde deiner Freundin raten diesen erfundenen Mißbrauch sofort in der Therapie anzusprechen. Deine Freundin kann beruhigt sein, die Therapeutin wird sie weder hinauswerfen oder sonst schlechtes von ihr denken.

Ich bin mir da nicht so sicher, ich kenne die Therapeutin zwar nicht, aber ich könnte mir schon vorstellen, dass sie vielleicht sauer ist, jahrelang belogen worden zu sein, oder?

Forums-Gruftie 982 wien M, 31

~Mia~ wrote:

Ich bin mir da nicht so sicher, ich kenne die Therapeutin zwar nicht, aber ich könnte mir schon vorstellen, dass sie vielleicht sauer ist, jahrelang belogen worden zu sein, oder?

Uups, jahrelang Shocked

belogen, na das hab ich dann falsch aufgefasst. Dachte deine Freundin ist erst seit kurzem bei dieser Therapeutin.
Na ja, dann schaut die Sache anders aus. Wurde dieser gefakten Mißbrauchsgeschichte in der Therapie viel Zeit gewidmet, war das die Hauptgeschichte oder ein Thema von vielen?

Weil da stellt sich bei mir jetzt auch die Frage inwieweit die Therapeutin da zuwenig achtsam und emphatisch in all den Jahren gearbeitet hat. Ich denke, das ist etwas von Anfang an sehr schief gelaufen was die Bereitschaft zur Öffnung betrifft.

Helferlein 85 deutschland W, 26

Sie ist seit fast drei jahren bei dieser Therapeutin. So genau hat sie mir nicht erzählt, wie das in der Therapie besprochen wurde, sie hat gesagt, dass sie nicht irgendwelche Details zu dem Thema erfunden hätte, sondern nur so ungefähr gesagt hat "Ich wurde als Kind missbraucht". Sie haben dann wohl eher an den "Auswirkungen" des Missbrauchs gearbeitet, der halt andere Ursachen hat als die Therapeutin vermutet. Ach, es ist echt blöd alles.

comus wrote:

Weil da stellt sich bei mir jetzt auch die Frage inwieweit die Therapeutin da zuwenig achtsam und emphatisch in all den Jahren gearbeitet hat. Ich denke, das ist etwas von Anfang an sehr schief gelaufen was die Bereitschaft zur Öffnung betrifft.

Du meinst, sie hätte das merken müssen?

Forums-Gruftie 982 wien M, 31

Ja, ist echt blöd alles da hast du recht. Das Problem was ich jetzt sehe ist weniger die Frage, ist die Therapeutin sauer oder nicht, sondern welche Auswirkungen die Geschichte auf die Therapie hat. Wieweit hat sich deine Freundin selbst geschadet, indem da etwas "bearbeitet" wurde was gar nicht existent?
Ich befürchte, dass da viel Zeit und Ressourcen unwiederbringlich verloren gingen. Das ist doch so wie wenn ich zum Zahnarzt gehe und sage dieser Zahn tut mir weh, der Zahnarzt beginnt zu bohren und dann geh ich mit Zahnschmerzen nachhause weil es der falsche Zahn war.

Was ich meinte die Therapeutin hätte das merken müssen, Mißbrauch hinterläßt doch tiefe Spuren in der Seele eines Menschen dass da nie Zweifel kamen wundert mich. Vor allem jahrelang zu lügen, ohne dabei ertappt zu werden ist eine reifliche Leistung. Dass es da nie Widersprüche gab, die der Therapeutin auffallen hätten können? Neutral

Helferlein 85 deutschland W, 26

comus wrote:

Ich befürchte, dass da viel Zeit und Ressourcen unwiederbringlich verloren gingen. Das ist doch so wie wenn ich zum Zahnarzt gehe und sage dieser Zahn tut mir weh, der Zahnarzt beginnt zu bohren und dann geh ich mit Zahnschmerzen nachhause weil es der falsche Zahn war.

Vor allem jahrelang zu lügen, ohne dabei ertappt zu werden ist eine reifliche Leistung. Dass es da nie Widersprüche gab, die der Therapeutin auffallen hätten können? Neutral

Das mit dem Zahnarzt ist ein gutes Bild. Sie hat ihre echten Schmerzen immer wieder mit nach Hause genommen. Sie sagt, die Therapie ist ihr trotzdem sehr wichtig. Ich weiß nicht, vllt gab es ja Zweifel auf seiten der Therapeutin, die sie nicht angesprochen hat. Das ist bei diesem Thema ja irgendwie "verboten". Wenn meine Therapeutin jemals an meinem Missbrauch zweifeln würde, würde ich komplett zusammenbrechen. Diese Sache hat bei mir heute vor allem eins ausgelöst, eine Wahnsinnsangst, jemand könnte mir nicht glauben.

Sad

auch wenn´s Quatsch ist...

Forums-Gruftie 982 wien M, 31

Ja, ich meinte das ja auch nicht so, dass die Therapeutin irgendwann von ihrem Sessel aufspringen hätte sollen und Lüge schreien. Das ist ein verdammt heikles Thema und da du diese schreckliche Erfahrung des Mißbrauchs am eigenen Leib erfahren hast, weißt du natürlich wie wichtig es ist damit "ernstgenommen" zu werden.

Eine weitere Möglichkeit wäre, die Therapeutin vermutet etwas, aber sagt eben aus diesem Grund nichts um die Vertrauensbasis nicht zu gefährden. Deshalb würde ich unabhängig von dem erfundenen Mißbrauch schauen, inwieweit die Therapie für deine Freundin hilfreich ist. Trotzdem glaube ich, es führt kein Weg daran vorbei zu sagen was Sache ist bzw. auch die Therapeutin wechseln. Wenn deine Freundin schon jahrelang bei ihr ist, wäre es vielleicht gar nicht unklug sich mal woanders einen neuen Input zu holen. Denn irgendwie zweifel ich daran, ob deine Freundin wirklich die richtige Therapeutin gefunden hat. Auf der Vetrauensbasis fehlt meiner Meinung zu viel, ja ich würde mir mal eine andere Therapeutin suchen.

Helferlein 85 deutschland W, 26

comus wrote:

Ja, ich meinte das ja auch nicht so, dass die Therapeutin irgendwann von ihrem Sessel aufspringen hätte sollen und Lüge schreien.

haha, allein die Vorstellung!

Ich denke auch, eine neue Therapeutin wäre nicht schlecht. Dann müsste sie der jetzigen auch gar nicht sagen, was Sache ist. Also ICH würde mich das nicht trauen. Eher sterben Embarassed

Naja, es ist schön zu lesen, dass sie im Prinzip auch arm dran ist. Ich hatte mit ganz anderen Reaktionen gerechnet. Und ich mag meine Freundin trotzdem noch, auch wenn ich etwas schockiert bin.

[nicht mehr wegzudenken] 1312 Dtld W, 29

Liebe Mia,

anfangs hast du geschrieben, deine Gefühle machen eine Achterbahnfahrt. Welche Gefühle sind denn da noch außer Mitleid für sie und die Erinnerung an deine Angst, dir würde nicht geglaubt werden? Vielleicht kannst du noch ein bisschen in dich spüren? Nur wenn es geht natürlich.

~Mia~ wrote:

Wie würdet ihr reagieren, was würdet ihr ihr sagen?

Zuerst würde ich versuchen, ihr meine Gefühle mitzuteilen. Das kann von Dankbarkeit für ihr Vertrauen bis hin zu Ärger reichen. Ich könnte mir eine ganze Palette von Gefühlen vorstellen...

~Mia~ wrote:

sie ist wirklich verzweifelt und einerseits tut sie mir auch leid und ich würde ihr gern sagen, dass es nicht "so schlimm war", aber irgendwie kann ich das nicht so richtig. Was soll ich ihr jetzt raten?

Fühlst du dich denn momentan in der Lage, ihr überhaupt etwas zu raten? Ich wäre emotional total zerrissen und könnte ihr an deiner Stelle wegen der eigenen Betroffenheit nicht so wie bei anderen Themen zur Seite stehen, auch wenn ich Mitgefühl empfände und ihr helfen wollen würde. Vielleicht kannst du es eher als ich/andere... Aber entscheide das nicht mit dem Kopf oder aus einem Gefühl der Verantwortung, Pflicht oder Schuld heraus.

... und manchmal ist "Ich kann dazu im Moment nichts sagen" oder "Ich weiß nicht, was ich dazu sagen kann. Ich bin zu sehr durcheinander" alles, was man sagen kann.

Sei in erster Linie dir die beste, liebste, verständnis- und rücksichtsvollste Freundin der Welt. Erst dann ist sie dran, okay?

Alles Liebe,
Toughy

Forums-Gruftie 982 wien M, 31

~Mia~ wrote:

Ich denke auch, eine neue Therapeutin wäre nicht schlecht. Dann müsste sie der jetzigen auch gar nicht sagen, was Sache ist. Also ICH würde mich das nicht trauen. Eher sterben Embarassed

Ja, ich würde einen Neuanfang bei einer anderen Therapeutin auch besser finden. Und ICH würde es mich sicher auch nicht trauen zu sagen was Sache ist, aber das muss deine Freundin ja auch gar nicht.

~Mia~ wrote:

Naja, es ist schön zu lesen, dass sie im Prinzip auch arm dran ist. Ich hatte mit ganz anderen Reaktionen gerechnet. Und ich mag meine Freundin trotzdem noch, auch wenn ich etwas schockiert bin.

Ja, ich würde es mir niemals anmassen deine Freundin deswegen zu verurteilen, sie ist arm dran und sie hat sich sicher leider selbst in der Therapie damit behindert. Doch das ist jetzt egal, passiert ist passiert, jetzt liegt es daran das Beste daraus zu machen und für die Zukunft zu lernen.
Einer meiner wichtigsten Grundsätze den ich in meinem Leben lernte ist, "Jedes Verhalten macht Sinn" und was deine Freundin machte hatte (in dem Moment) genauso Sinn.

Also, sei lieb zu ihr und unterstütze sie weiterhin sie wird es dir danken. bussi

LG
comus

Helferlein 85 deutschland W, 26

Liebe Toughy,

vielen Dank für deine Antwort! Es hat mir gestern abend echt geholfen, darüber schreiben zu können, denn ich hab mich so allein gefühlt und kann darüber ja auch mit niemandem, den ich kenne, reden. Nachdem ich nun eine Nacht drüber geschlafen habe, bin ich zu dem Entschluss gekommen, meiner Freundin zu sagen, dass ich sie auf keinen Fall verurteile oder schlecht von ihr denke, dass ich ihr aber auch keine wirkliche Hilfe bei diesem Thema sein kann.

Toughy wrote:

Welche Gefühle sind denn da noch außer Mitleid für sie und die Erinnerung an deine Angst, dir würde nicht geglaubt werden?

Also. diese beiden sind die stärksten, daneben gibt es aber noch ein Gefühl, das ich eigentlich total unangemessen und unfair von mir selber finde. Ich bin irgendwie sauer auf sie, dass sie sich da etwas "genommen" hat, was sie eigentlich, da sie ja nicht wirklich missbraucht wurde, nicht "verdient" hat. Ich weiß, das ist total gemein, denn natürlich hat sie Hilfe und Aufmerksamkeit verdient und sie hat mir ja nichts weggenommen, aber dieses Gefühl ist trotzdem da, auch wenn es mir echt peinlich ist.
Und ich bin auch total wütend auf sie, weil sie sich selber in eine so schreckliche Situation gebracht hat, die mir selber schon so auswegslos erscheint, dass ich mich auch ganz hilflos fühle.
Und dann ist da noch die Befürchtung, dass ich mir bei allem, was sie sagt in Zkunft, unsicher bin, ob ich ihr glauben kann.

@ Comus: "Jedes Verhalten macht Sinn". Da hast du recht und ich bin froh, dass du diesen Satz geschrieben hast, denn das Wissen, dass meine Freundin nicht schlecht ist, weil sie das gemacht hat, hilft mir im Moment sehr.

Helferlein 72 !! W, 19

hi

ich bewundere dich (euch) echt wahnsinnig....ich wär zu beginn wahrscheinlich ersteinmal vor wut durchgedreht...ich bin auch missbraucht worden und ich finde es echt schrecklich wenn jemand sich so eine geschichte nur ausdenkt um mitleid/aufmerksamkeit oder was auch immer zu bekommen...aber so eine reaktion hätte natürlich gar nichts gebracht weder dir noch deiner freundin

sie kann echt froh sein einen so verständnisvollen menschen wie dich als freundin zu haben...aber auch wenn es für dich wichtig ist deiner freundin zu helfen, schau auch darauf das die geschichte dich nicht zu sehr runterzieht...wenn es dir zu viel wird darfst du ruhig die notbremse ziehen und deiner freundin sagen wo deine grenzen sind

noch einmal: echt respekt

vor deiner reaktion

lg jusi

Helferlein 85 deutschland W, 26

Hallo Jusi,

eigentlich wusste ich gar nicht so richtig, wie ich reagieren soll. Bei dem Thema ist immer mein Denk- und Sprachzentrum etwas blockiert. Rolling Eyes

ich hätte ihr gern mehr hilfreiche Sachen gesagt und Tipps gegeben, v.a. was ihre Therapie angeht, aber vieles ist mir auch erst danach klar geworden. Wenn ich sie nächste Woche wieder sehe, kann ich vllt mehr sagen.

Lg, Mia

Forums-Gruftie 982 wien M, 31

jusi18 wrote:

ich bin auch missbraucht worden und ich finde es echt schrecklich wenn jemand sich so eine geschichte nur ausdenkt um mitleid/aufmerksamkeit oder was auch immer zu bekommen

Das halte ich im speziellen Fall von Mia`s Freundin jedoch nicht als das eigentliche Ziel dieser "Intervention", eben von der Therapeutin Mitleid zu erhaschen. Ich vermute eher, dass sie ihr eigentliches Problem welches sie in die Therapie brachte als zu klein empfand, zu lächerlich, die Lüge sozusagen ihr Selbstwertgefühl widerspiegelt. "Ich bin nicht berechtigt Hilfe zu bekommen wenn ich nicht mehr zu bieten habe". Hinter all dem steht eine tiefe Angst nicht angenommen zu werden.

Gleichzeitig verstehe ich dich wenn du mit Wut darauf reagierst, weil mit dieser Lüge deine persönliche Leidenserfahrung genauso angegriffen wird. Das Mißbrauchsopfern oft Mißtrauen von der Gesellschaft entgegengebracht wird was den Wahrheitsgehalt ihrer Leidensgeschichte betrifft ist traurige Realität. Da sind dann wirklich erfundene Geschichten ein Fressen für die, "die es eh schon immer gewusst haben", das solche Frauen ja nur die Männer vernadern wollen.

LG
comus

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