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Lisah
sporadischer Gast
17
Unterpurkersdorf W, 32
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Sat, 24.Feb.07, 16:16 Machtlose Opfer |
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Hallo alle miteinander,
ich freue mich sehr, dass viele Menschen hier ein Medium gefunden haben um sich "auszureden". Anonym sagt sich vieles leichter und man hat hier die wunderbare Möglichkeit die unterschiedlichsten Meinungen und Ansichten zu sammeln um daraus seine persönlichen Schlüsse zu ziehen.
Eine Sache finde ich hier ganz ganz schrecklich. Ein gutes Beispiel dafür ist der Beitrag von der "kleinen Maus" "Der Wahrheit in die Augen sehen". Sie schreibt, dass Sie gegen den Mann, der ihr für sie schlechte Wege zeigte, nichts unternehmen will, weil Sie die Wahl hatte zu ihm zugehen.
Thorn schreibt darauf, dass das alles ganz ganz schrecklich gewesen ist und sie KEINE Wahl hatte, da sie noch ein Kind war (13). Lest euch vielleicht durch, damit ihr wisst, was ich meine...
Wieso Thorn versuchst Du Maus die Selbstbestimmung auszureden? Wieso wird das so oft hier gemacht?
Ich bewundere Maus für Ihre Entscheidungen. Erstens hat sie sich entschieden, sich hier zu öffnen und zweitens hat sie sich entschieden, die Verantwortung für Ihr Leben selbst zu tragen. Und JA, sie HATTE die Wahl.Mit 13 ist man kein Kind mehr und kann bereits Entscheidungen treffen.
Thorn wünscht Ihr viel Mut. Den hat sie, weil sie erkannt hat, dass SIE für sich verantwortlich ist.
Dieses "Mitleid", "das ist alles so schrecklich", "du bist ja so arm", "wie kann jemand nur so gemein sein" ist meines persönlichen Erachtens der falsche Weg.
Mitleid hat nichts mit Veständnis zu tun. Das sind zwei paar Schuhe. Ich hab das schon einmal geschrieben und mache es jetzt nochmal, weil ich gerne Meinungen dazu hätte:
Opfer sind hilflos ausgeliefert und nicht in der Lage, sich zu wehren. Sie haben keine Wahl - was bringt es also, jeden der, zweifellos, schreckliches mitgemacht hat zwanghaft in dieser Rolle zu halten?
Maus ist in dem Moment ausgebrochen, als sie erkannte, dass sie die Wahl hatte. Das ist das wunderbarste, waspassieren kann. Es ist wohl verdammt schwer, aber nur Selbstverantwortung schützt wirklich vor andauernder Gewalt (plötzliche Vergewaltigungen sind ja leider nicht selbst zu beeinflussen - eben weil man opfer ist - aber aus einer Beziehung zB KANN man IMMER irgendwie raus - wenn man die Verantwortung für sich übernimmt!)!
Auch wenn folgendes Beispiel selbstverständlich hinkt und nicht 100%ig passt, trotzdem:
Nehmen wir an Lisah hat Angst vor Spinnen, weil eine spinne ihr mal in den Mund gekrabbelt ist und geht zu XYZ um sich helfen zu lassen. XYZ sagt: ja, wirklich, bäääh, das ist das schrecklichste, was passieren kann - igitt igitt, so eine schreckliche böse Spinne,ich hasse diese Viecher auch. Du arme - aber nimms halt trotzdem mal in die Hand..
glaubt ihr, das würd funktionieren?
Ich wiederhol es noch mal: Mir ist selbstverständlich bewusst dass man Spinnen nicht mit Peinigern vergleichen kann - ich bedanke mich schonim Voraus für die klugen Beiträge, die das extra betonen müssen - das SCHEMA ist allerdings das gleiche - Angst ist Angst.
Ich denke, ihr versteht, was ich meine und nun bin ich wirklich schon sehr sehr neugierig, wie ihr darüber denkt.
Alles Liebe,
Lisah
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_________________ Das Wissen um die Freiheit macht uns gefangen, jedoch erst die Angst vor unserer Freiheit legt uns in Ketten. |
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kleineMaus
Helferlein
132
Österreich W, 25
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Sat, 24.Feb.07, 17:55 Re: Machtlose Opfer |
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ich möchte mich gerne selbst zu wort melden, wenn es dir recht ist.
ich kann dich schon ein stück weit verstehen. jedoch sehe ich hinter deinen beweggründen eine kleine gefahr.
mag sein, ich war damals 13 und hatte in diesem alter theoretisch gesehen schon die wahl, aktiv zu entscheiden was ich tue.
jedoch unterschätzt du einen faktor: die unselbständigkeit und suche nach anleitung.
nicht jeder mensch steht auf den eigenen beinen, weiß wo er hin will, weiß was gut für ihn ist und was schlecht ist.
nachträglich betrachtet scheint es für dich wohl völlig klar, dass das was damals passiert ist, für mich schlecht war.
aber, ob du es nun verstehen kannst oder nicht, ich selbst wusste es nicht.
ich stand da völlig orientierungslos, hatte keine bezugsperson, kein vorbild, niemanden, der mir ansatzweise anleitung oder maßstab gab, was ich tun sollte. ich habe in der betreffenden person eine art anleitung gesehen. ich habe ihm vertraut. ich habe eine art 'platz' für mich gefunden, jemand, der mich sehen WOLLTE, der meine anwesenheit WOLLTE. sonst war nirgens ein platz an dem ich mich erwünscht gefühlt hätte. auch wenn er mir gegenüber gewalttätig war (du wirst das vielleicht nicht verstehen), aber für mich war es immer noch besser, die gewalt zu ertragen, als ziellos herumzuirren, weil ich das gefühl hatte, dieser mensch wird schon irgendwie mir sagen was ich tun soll.
als sich der kontakt zu ihm verloren hat, habe ich das keineswegs aktiv entschieden. es kam von seiner seite. wäre das nicht geschehen, wer weiß wie lange das noch weitergegangen wäre.
und mir ist es in der zeit danach auch sehr schlecht gegangen.
klar, die gewalt war vorbei, die bedrohung war vorbei. aber es war danach alles leer für mich. es klingt völlig unglaublich aber ich habe zeitweise sogar VERSUCHT, wieder zu ihm zu gehen, weil ich sonst nichts hatte.
ich bin dann einfach herumvegetiert und wurde älter und älter, habe andere dinge entdeckt und so weiter.
aber es war ganz bestimmt keine aktive entscheidung.
was ich damit sagen möchte: erst einmal ist ein unterschied, ob ein erwachsener mensch oder ein kind/jugendlicher oder ein erwachsener mit dem geistigen status eines kindes in der gewaltsituation steht. das muss man unterscheiden. ein erwachsener kann vielleicht eher vernünftig abwägen, ein jugendlicher zielloser und orientierungsloser mensch, der nicht mal eine ahnung hat von gut und böse, der nicht mal weiß 'was ist eigentlich unrecht? darf ich überhaupt nein sagen? darf ich mich eigentlich wehren? hat er das recht das mit mir zu tun?', dem kann man nicht einfach sagen 'ja tu doch endlich. es geht dir dort schlecht. geh doch einfach weg'
zum anderen....
die antworten auf meinen beitrag haben mir sehr geholfen, rückwirkend.
ich war 10 jahre nach diesen taten an mir immer noch nicht ganz sicher, ob das nun rechtens war oder nicht. so unglaublich es klingt. ich konnte zu anderen fällen sofort entscheiden, was in ordnung ist und was nicht. zu mir selbst konnte ich das nicht entscheiden weil ich eine falsche verdrehte auffassung hatte und weil mir meine erinnerung nur das zugelassen hat, was mein kopf eben sehen wollte. tatsachen kann man so oder so sehen.
die bekundungen, dass ich eben NICHT schuldig bin, NICHT selbst verursacht habe und dass es tatsächlich schreckliche gewalt war und kein kleines wehwehchen, das man schon wegstecken kann, genau das hat mir sehr sehr gut getan.
ich habe mir selbst nie schwäche oder mitleid zugelassen. niemals!
erst jetzt habe ich das gelernt.
jetzt sage ich mir: es war schrecklich, es war zuviel, ich konnte nichts dafür und ich war einfach ein opfer. ganz einfach.
ich sage mir das ganz bewusst, um mich selbst zu überzeugen, denn so richtig 100% werde ich wohl nie davon überzeugt sein.
aber das ist der einzige weg, wie ich irgendwie zur ruhe kommen kann. und das nach 10 jahren.
bin sehr auf deine meinung über meine ausführungen gespannt!
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kleineMaus
Helferlein
132
Österreich W, 25
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Sat, 24.Feb.07, 18:06 Re: Machtlose Opfer |
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beim nochmaligen durchlesen fällt mir noch etwas auf.
warum hast du gerade diese formulierung gewählt?
Lisah wrote: | gegen den Mann, der ihr für sie schlechte Wege zeigte, |
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Lisah
sporadischer Gast
17
Unterpurkersdorf W, 32
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Sat, 24.Feb.07, 19:34 Re: Machtlose Opfer |
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Hallo kleine Maus,
vorab entschuldige ich mich, ich hab nur ganz kurz Zeit und drum antwore ich nur ganz kurz....
Es ist super, dass die Antworten Dir geholfen haben! Ganz wichtig ist, dass Thorns Antwort nur ein Bsp war und ich gar nicht wirklich von Deiner persönlichen Geschichte geschrieben hab. Mir geht es darum, dass Menschen ermutigt werden sollen, aufzustehen, zu sich zu stehen und zu sehen, das sie MACHT haben!!!!
Natürlich spielen ganz ganz viele Faktoren bei Entscheidungen mit. Du hast das auch sehr schön dargestellt. Entscheidungen - dh man entscheidet. Und in manchen Momenten ist die Angst vor Einsamkeit oder Orientierungslosikeit größer als die Angst vor Gewalt. Es ist eine Entscheidung.
Ich glaub, du verstehst, was ich damit meine.
Wie gesagt, es geht wirklich nicht um Dich, es ist toll, dass Du einen Weg gefunden hast aus den Zweifeln und dem Schmerz - zumindest ein Stück weg.
Die Formulierung habe ich gewählt, weil es ja ein für dich falscher weg war. Andere akzeptieren Gewalt und alkoholprobleme ohne zu erkennen bzw zu fühlen, dass es besseres gäbe. Bei dir war das zum Glück anders! Und deshalb habe ich auch geschrieben, dass Du MUT hattest. Du bist kein wehrloses Opfer mehr, sondern hast Deine Macht erkannt. Und das freut mich, weil es sicher vielen anderen Mut macht.
Ich hoff, ich schaffe es das verständlich auszudrücken, was mir Wichtig ist...
LG
Lisah
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_________________ Das Wissen um die Freiheit macht uns gefangen, jedoch erst die Angst vor unserer Freiheit legt uns in Ketten. |
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kleineMaus
Helferlein
132
Österreich W, 25
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Sat, 24.Feb.07, 20:15 Re: Machtlose Opfer |
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ich glaube ich kann schon ganz gut verstehen worauf du hinausmöchtest.
aber hier muss man auf jeden fall unterscheiden zwischen akuten momentanen situationen, wo eine person simpel ausgedrückt einen 'tritt' in die richtige richtung benötigt, um drauf zu kommen, dass man aktiv handeln kann und sein leben in die hand nehmen kann, und andererseits zwischen personen, bei denen das trauma in der vergangenheit liegt und man daran arbeitet, das zu überwinden und klarzukommen.
außerdem kommt mir da noch ein gedanke: als gesunder starker mensch neigt man dazu, sich zu denken 'ja warum macht er/sie nicht endlich was! das kann doch so nicht weitergehen!'
aber es kann auch situationen geben, in denen es ZUERST wichtig ist, mitgefühl zu zeigen, schmerz und wut und tränen zuzulassen, auch selbstmitleid bis zu einem gewissen grad. das ist eine wichtige phase durch die man manchmal durch muss. danach kann man neue kraft schöpfen und sich überwinden, etwas zu ändern.
das hängt natürlich von der person ab. wenn selbstmitleid und wehleidigkeit bereits ein großes problem ist, dann natürlich nicht.
aber es gibt auch viele menschen in problemsituationen, die sich einfach in die emotionslosigkeit flüchten und sich selbst einreden 'es ist doch alles nicht so schlimm. das geht schon' als überlebensstrategie.
da kann es sicher helfen, wenn man jemand sagt 'hallo! die situation ist WIRKLICH schrecklich. du machst unmenschliches durch. das muss doch wehtun!'
verstehst du, was ich meine?
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Ranjit
Forums-InsiderIn
180
Norddeutschland W, 21
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Sat, 24.Feb.07, 23:04 Re: Machtlose Opfer |
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Mit diesem Thread habe ich mich heute Nachmittag schon einmal beschäftigt, aber ich wollte mir erstmal den Thread durchlesen, auf den du verwiesen hast Lisah!
Das hab ich nun getan und will meinen Gedanken jetzt einfach mal freien Lauf lassen und ein paar Sätze dazu schreiben...
Zu allererst möchte ich sagen, dass ich es bewundernswert finde, wie du trotz deiner Vergangenheit, in deinem heutigen Leben zurecht kommst!
Mir ging es wirklich sehr nahe was du da geschildert hast! Finde es wahnsinn, wo ein Mensch so viel Kraft her nimmt und es ganz alleine versucht zu verarbeiten und damit fertig wird! Ich ziehe meinen Hut vor dir! RESPEKT!!
So, jetzt zum eigentlichen Thema:
Erstmal wollte ich kurz anmerken, dass nicht Thorn, sondern Williams diese zahlreichen Antworten gegeben hat. -Kann natürlich auch sein, dass ich mich irre, aber ich hab keine einzige Antwort von Thorn gelesen! Ihr könnt mich auch gerne berichtigen...
So, nun aber wirklich!
Erstmal frage ich mich, was so falsch daran ist, sein Mitgefühl auszudrücken? Dass man es schrecklich findet, was da passiert ist? Ich weiß nicht, aber ich finde es vollkommen okay, was in diesem Thread für Antworten gegeben wurden und ich glaube, dass sie weitergeholfen- und gut getan haben!
Ich finde es auch ziemlich schwierig, beurteilen zu können, ob man mit 13. Jahren einschätzen kann was einem gut tut und was nicht... Ich konnte das mit 15. noch nicht mal. Irgendwo war ich mir zwar bewusst, dass mir gewisse Dinge nicht gut tun, aber man kann nicht wirklich wissen was richtig und was falsch ist, weil die Erfahrungen fehlen! Ich z.B. habe nach Liebe und Geborgenheit gesucht und glaubte, diese bei einem Menschen zu finden (ebenfalls sehr viel älter als ich), der mir nicht gut tat (das habe ich aber erst Jahre später erkennen können und an schlechten Tagen habe ich noch immer Schwierigkeiten damit).
Ich denke einfach, dass man diesen Menschen schutzlos ausgeliefert ist, wenn besonders aus dem Elternhaus keine schützende Hand über einen ruht.
Wie in dem Fall von der kleinen Maus war sich der Täter (ich hoffe, dass es okay ist, dass ich ihn so betitel?) seiner (Macht-)Position bewusst und hat diese ausgenutzt.
Es war ihm außerdem egal, wie dieses 13. jährige Mädchen momentan damit zurecht kommt und wie sie ihr gesamtes weiteres Leben mit diesen schlimmen Erlebnissen meistern wird!
Man ist in diesen jungen Jahren einfach zu unerfahren und kann noch nicht wissen was speziell bei diesem Thema gut ist und was nicht. Man fängt doch in diesem Alter erst so langsam an sich für Männer und für das ganze drum herum zu interessieren. So traurig es ist, aber manche geraten eben sofort an die falsche Person und ich glaube, dass man, besonders mit 13., zu schwach ist, um sich zu wehren und es ist sicher auch nicht einfach, überhaupt zu verstehen was da passiert (kommt sicherlich auch auf die Art von Mensch drauf an) und man lässt sich außerdem auch noch zu sehr beeinflussen...
So, mach an dieser Stelle erstmal Schluss.
LG Ranjit
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_________________ Ich tanze im Regen, damit mich niemand weinen sieht. |
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