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Julia™
Helferlein
30
England W, 31
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Tue, 06.Feb.07, 2:18 Forschungsarbeit |
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Hallo ihr Lieben,
ich erzaehle euch einmal, was bei mir so passiert ist im letzten Jahr.
Ich habe eine Sozialwissenschaft studiert hier in England. Das hat super lange gedauert, weil ich arbeiten musste (nicht ueblich hier) und Therapie hat mich auch sehr in Anspruch genommen. Also letztes Jahr dann endlich habe ich meine Abschlussarbeit geschrieben. Das ging gut und ich habe mich etwas vorgewagt und etwas beschreiben koennen, das bisher unerforscht war. Meine Dozentin war ganz begeistert und sagte, ich solle mich doch damit weiter beschaeftigen und eine laengere Arbeit schreiben. Sie ginge jetzt aber erst einmal ins Sabatsemester und deshalb sucht sie mir eine andere Dozentin. Die neue Dozentin hatte keine Bock auf meine Arbeit und so habe ich alles alleine und ohne Hilfe gemacht. Das war sehr schwer, ohne bisherige Arbeiten in dem Gebiet und auch keine Theorien, die mich da weitergeleitet haetten. Am Ende war ich so fertig von all dem Stress, dass mein Hausarzt mir Beruhigungsmittel verschrieben hat (ich hatte 6 Jahre lang gar nichts genommen). Ich habe die Arbeit eingereicht und mit ihr eine Theorie, die ich selber entwickelt habe. Auf einmal war die neue Dozentin Feuer und Flamme und hat gesagt, ich solle mich gleich um Gelder fuer einen Doktor bewerben. Die alte Dozentin hat sich in Verbindung gesetzt und gesagt, ich solle mir bloss keinen Job suchen, die Uni will mich anstellen.
Wisst ihr, mir ging es jahrelang sehr sehr schlecht. Ich bin aus Deutschland weg, weil ich meine Familie nicht ertragen konnte. Ich habe mich hier alleine durchgeschlagen, studiert, gearbeitet und Therapie gemacht. Vor 6 Jahren ging es mir mal mit psychosomatischen Beschwerden so schlecht, dass ich nicht arbeiten konnte und so meine Miete nicht bezahlen konnte und die mich auf die Strasse gesetzt haben (habe bei einer Freundin 2,5 Monate lang Unterschlupf gefunden). Meine Mutter hat mir damals kein Geld fuer Miete geschickt, sondern nur gelacht und den Hoerer aufgelegt. Und die ganze Zeit habe ich immer weiter studiert obwohl oftmals nicht einmal klar war ob ich es schaffe es zu beenden, geschweige denn einen guten Abschluss schaffen werde. Und was danach aus mir werden sollte wusste ich nicht. Vielleicht koennte ihr euch vorstellen, was das bedeutet hat fuer mich, dass die Therapie doch so gut gewirkt hat, dass ich mich berappelt habe und dann sogar eine guten Abschluss hinbekam. Ueber das Jobangebot und den Doktor habe ich damals gesagt, dass ich nach 7 Jahren Therapie endlich eine Zukunft sehe und dass meine Eltern nicht Recht hatten, dass ich ein winderwertiges und dummes Stueck Sch***** bin.
Tja, ich habe also den Abschluss letzten Sommer bekommen und bis Oktober gewartet bis mein Job anfangen sollte. Eine Woche vorher sagen sie mir dann, dass sie mich doch nicht wollen. Dass ich ja weiter an meiner Forschung arbeiten kann, aber unbezahlt. Einen Doktor? Ach ja, vielleicht, mal sehen, gib erst einmal Praesentationen ueber deine Theorie. Ich war 3,5 Monate lang wie gelaehmt. Jetzt also habe ich mich berappelt, bereite die Praesentation vor und fuehre auch eine weitere Forschungsreihe dafuer durch. Gestern emaile ich meiner alten Dozentin (jetzt meine Supervisorin) und sie schreibt mir eine ziemlich ekelige email zurueck. So nach dem Motto: was faellt mir ein, einfach Forschung zu betreiben ohne sie zu konsultieren. Ich muesste doch wissen, dass das nicht meine eigene Praesentation ist, dass sie selbst, eine weitere Kollegin im Ausland und eine Studentin jetzt auch daran arbeiten. Und dann noch, dass ich mir nicht einbilden soll, dass nur mein Name auf der Praesentation auftauchen wird.
Ich kann das nicht fassen. Meine Therapeutin hat schon mal angedeutet, dass Forscher auch anderen gerne mal die Arbeiten klauen.
Was meint ihr dazu?
Julia
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candle
[nicht mehr wegzudenken]
1582
Lummerland W, 39
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Tue, 06.Feb.07, 10:07 Re: Forschungsarbeit |
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Julia™ wrote: | Ich kann das nicht fassen. Meine Therapeutin hat schon mal angedeutet, dass Forscher auch anderen gerne mal die Arbeiten klauen.
Was meint ihr dazu?
Julia |
Hallo Julia!
Ja, das gibt es durchaus! Habt Ihr an der Uni nie gelernt Ideen zu dokumentieren, dass man es allein auf Dich zurückführen kann? Bei mir an der Uni war das immer ein großes Thema. Nun ist es für Dich ja eh zu spät, und Du mußt versuchen das beste aus der Situation zu machen.
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_________________ Liebe Grüsse candle! |
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Nachtvogel
Forums-Gruftie
517
Ex-Norddeutsche:) W, 30
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Tue, 06.Feb.07, 10:07 Re: Forschungsarbeit |
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Hallo Julia,
ich kenne mich jetzt nicht speziell in England aus aber generell kann man wohl sagen, dass die Forschung an der Uni ein ziemlich hartes Brot ist. Die Mittel sind generell knapp und darum herrscht ein ziemlicher Konkurrenzkampf um alles Mögliche (vor allem halt Gelder). Da Veröffentlichungen jeder Art immer ein grosser Pluspunkt im CV sind und das Erhalten von Geldern erleichtert, versucht jeder, seinen Namen in eine Veröffentlichung und dann möglichst an erste Stelle zu bekommen. Es ist auch nicht sonderlich unueblich, dass ein/e ProfessorIN seinen/ihren Namen an erste Stelle packt, obwohl die Arbeit eigentlich von einer StudentIN oder DoktorandIN gemacht worden ist. Die Leistung der Professoren wird mitunter auch an Veröffentlichungen gemessen.
Man hilft sich gegenseitig an der Uni, im Hintergrund ist aber immer das Konkurrenzdenken - man will halt auch sehen, was der andere macht und das dann eventuell fuer sich selbst in irgendeiner Form nutzen.
Eine Doktorarbeit geht uebrigens ziemlich auf die Psyche. Ich selbst bin erst am Anfang meiner Doktorarbeit (bzw. weiss ueberhaupt nicht, ob ich sie jemals richtig anfangen werde, da meine Bewerbungen auf Projektgelder/Stipendien noch nichts gebracht haben; zu viele Bewerber). Ich habe vorher aber auch schon eine Forschungsarbeit in einer Arbeitsgruppe gemacht (war fuer ein paar Monate eingestellt) und "darf" sie jetzt unentgeldlich zuende bringen.
Viele meiner Freunde haben jedoch einen Doktor gemacht bzw. sind gerade dabei, fertig zu werden. Die ersten 1-2 Jahre sollen dabei wohl ziemlich genial sein: Man hat einiges an praktischer Arbeit, noch viel Zeit vor sich, lernt interessante Leute kennen, reist eventuell in der Welt herum (Konferenzen etc.) und kann quasi das bis ins Detail erforschen, was einen so richtig interessiert.
Danach bekommt jedoch fast jeder eine Krise. Gruende: Nicht alles funktioniert so, wie es soll und dadurch kommt Stress. Man muss wiss. Artikel schreiben und sich deshalb mit seinen (noch nicht perfekten) Ergebnissen herumschlagen (bzw. ein Teil davon fehlt noch, weil eins der Experimente fehlgeschlagen ist) und hängt monate- jahrelang an seinem Schreibtisch begraben unter irgendwelchen Buechern und Artikeln. Dann ist es schwer, solche Artikel zu veröffentlichen, da sie von Experten aus genau dem Feld beurteilt werden. Dabei spielen dann nicht immer rein objektive Dinge eine Rolle, sondern auch die persönlichen Ansichten und Meinungen dieser Leute.
Dazu kommt noch Stress von Betreuern, die alle so ihre eigene Meinung darueber haben, wie man die Arbeit machen soll (was zum Teil dann widerpruechlich bzw. nicht durchfuehrbar ist).
Dann kommt die Endphase mit den Pruefungen, dem Zeitdruck, dem Druck der anderen. Mehrere meiner Freunde waren ueber 1/2 bis ein Jahr reichlich fertig und gestresst.
Ich möchte dich jetzt nicht abschrecken. Wenn du ein interessantes Thema und den Elan dazu hast, ist eine Doktorarbeit sicherlich eine prima Sache. Du solltest dir aber auch im Klaren darueber sein, dass das gleichzeitig auch eine ziemliche psychische Herausforderung ist und dich dementsprechend irgendwie darauf vorbereiten. Wenn sie dir einen Arbeitsplatz versprechen, wuerde ich auch zusehen, dass du das so bald wie möglich "auf dem Papier" in Form eines Vertrages bekommst. Ich kenne jetzt nicht deine Uni, habe aber die Erfahrung gemacht, dass Leute viel reden, wenn der Tag lang ist ...
Ich persönlich bewerbe mich sowohl auf diese Stipendien (D-arbeit) als auch auf "normale" Arbeitsplätze und Praktika. Alles ist in meinem Gebiet schwer zu bekommen - also mal sehen, welche von den Alternativen das Rennen gewinnt. Vielleicht werde ich aber auch am Ende etwas ganz anderes machen (muessen).
LG, Nachtvogel
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Nachtvogel
Forums-Gruftie
517
Ex-Norddeutsche:) W, 30
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Tue, 06.Feb.07, 10:17 Re: Forschungsarbeit |
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Na, jetzt bin ich ziemlich ausgeschweift. Zu deiner Präsentation: Alles verloren ist es sicherlich nicht.
Du hast einmal die Möglichkeit, auf stur zu schalten und deine Idee dann halt trotzdem alleine zu präsentieren (nicht zu empfehlen, weil eine Professorin ein zu starker Gegner ist und dir ohne weiteres die gesamte Karriere in der Uni bzw. allen Unis, zu denen sie Beziehungen hat, versauen kann).
Dann hast du die Möglichkeit auf "ah, habe ich gar nicht gewusst, sorry" zu machen und die Präsentation mit den beiden anderen in Gruppenarbeit fertigzustellen. Dabei ist dann auch dein Name auf der Geschichte (neben den beiden anderen) und du bekommst zumindest einen Credit. Damit bist du dann allerdings vermutliche nicht mehr die Erfinderin, sondern deine Professorin ist es. Du wärst dann ein Teil der Arbeitsgruppe.
LG, Nachtvogel
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wieseler
Helferlein
46
Steierburg M, 36
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Tue, 06.Feb.07, 12:46 Re: Forschungsarbeit |
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hallo internette,
hat mich beeindruckt dein weg in england. hut ab.
was mir bei deiner beschreibung bzgl in aussicht gestellter doktorartsstelle aufgefallen ist:
vielleicht war vieles auch nur ein kommunikationsproblem.
deine alte dozentin hat dir die dr stelle schmackhaft gemacht.
gab es konkrete offen stellen bzw gelder dafür?
abgesagt hat dann welche stelle?
hat deine alte dozentin von der absage gewußt?
wer hat dir die präsentation und weitere vorgehensweise zugesagt, inwieweit war deine alte dozentin darin involviert oder wußte davon?
wurdest du ausreichend über den umfang dieses projekt informiert?
und wenn ja, von wem?
vielleicht hat deine alte doentin (jetzige supervisorin) nur etwas in die falsche kehle bekommen.
ich würde ihr deine "verwunderung" über ihre reaktion auf alle bestimmt mitteilen.
vor allem, dass du dich auf keinen fall mit dieser präsentation mit fremden federn schmücken möchtest, dass du aber schon darauf bestehst, dass deine dabei geleistete arbeit anerkannt und honoriert wird.
vor allem im hinblick auf deine weitere karriereplanung.
lg wieseler
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iMage
Forums-InsiderIn
191
Chaos W, 23
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Tue, 06.Feb.07, 16:20 Re: Forschungsarbeit |
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Aber wenn deine Arbeit veröffentlicht wurde, das gilt ja auch für Dipomarbeiten, dann ist die Theorie ja zum ersten Mal von dir veröffentlicht worden?!
Kannst du nicht darüber einen Artikel für eine Fachzeitschrift schreiben, oder so?
Gesetzt den Falles es geht an der Uni wirklich schief, kannst du so sicher sein, dass deine Theorie auch als deine Theorie anerkannt wird, und du solltest dir dann vielleicht eine andre Uni suchen. ...
Gibt es keine Möglichkeiten, dich vorsichtig bei Dritten zu erkundigen, was da eingentlich zwischen den Dozenten abläuft?
lg
iMage
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Julia™
Helferlein
30
England W, 31
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Wed, 07.Feb.07, 23:32 Re: Forschungsarbeit |
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Hallo,
die Forschung ist hier auch ein hartes Brot. Wenig Geld und survival of the fittest. Selbst Dozenten werden meist nur auf befristete Zeit angestellt (1-2 Jahre). Und dann geht's weiter, manchmal an eine Uni, die am anderen Ende des Landes ist. Um so ein Zigeunerleben in Kauf zu nehmen muss man die Forschung als Berufung sehen.
Bei mir ist das so, dass es mir halt sehr Spass macht und dass ich mir nach dem Stress der letzten Jahre wirklich gerne die oben erwaehnten ersten 2 Jahre goennen moechte. Viel, viel lesen und die Zeit haben mich einmal ganz genau mit jedem Detail zu beschaeftigen. Dass es danach stressig wird, hoere ich auch immer wieder. Leute sprechen oefter mal von 'intellektueller Isolation'. Keiner interessiert sich dafuer was du so ganz genau eigendlich machst und es ist eh so spezialisiert, dass es auch im Fachbereich kaum noch Leute gibt, mit denen man sich austauschen kann.
Ich fand das sehr interessant zu lesen, dass Veroeffendlichungen auch von persoenlichen Meinungen abhaengig sind. Darueber hatte ich ueberhaupt noch nicht nachgedacht. Ich vermute mal, dass Vitamin B wohl auch eine kleine Rolle spielen kann. Hier ist das so, dass man wohl gar nicht dazu kommt etwas einzureichen, wenn einem kein gestandener Forscher ein paar Tueren oeffnet. Der gaengige Preis dafuer ist, dass sein Name als erster erscheint.
In Sachen 'intellectual property' ist man hier so viel ich weiss wenig geschuetzt. Vor allem wenn es um Profs geht. Ich werde mich diesbezueglich mal schlau machen, aber anlegen kann ich mich ja doch nicht mit ihr, denn wie auch immer es jetzt weiter geht fuer mich, ich brauche ein Zeugnis von ihr.
In Sachen Praesentation habe ich ihr geemailt, dass das wohl ein Missverstaendnis gewesen sein muss. Wie haben uns dann auch heute getroffen. Sie ganz nervoes gelaechelt und von sich aus einige Dinge, die da in ihrer ekeligen email standen angesprochen. Zu aller erst, dass ich das alles ja schliesslich unbezahlt mache. Dann, dass sie weiss, dass ich ja eigenlich noch gar nicht angefangen habe mit der neuen Forschungsreihe. Dass ich ihr ja nur ein Dokument darueber gemailt habe. Dass anderer Leute Namen aus der Praesentation stehen werden wurde nicht angesprochen. Ich denke mal, da kann ich eh nichts machen kann.
Einerseits reisst sie sich also meine Arbeit unter den Nagel. Sie hat mir nur widerwillig gesagt, wie und wo denn das Poster zusammen gestellt wird (von ihr und wird in der Uni bedruckt). Sie erzaehlt mir nicht, wie denn die Forschung der anderen Leute laeuft. Ich habe so eine Ahnung, dass die den Versuchsaufbau veraendert hat, aber ich weiss es nicht.
Andererseits sagt sie mir dann, dass sie eigendlich keine Zeit hat das Poster zusammenzustellen, dass sie das wohl schnell am Nachmittag vor der Praesentation machen wird. Und dann macht sie so Kommentare, dass sie nicht weiss, in wie weit diese Studentin die Versuche ueberhaupt auf die Reihe bekommt. Ich habe ihr (wieder mal) ganz hoeflich angeboten, dass ich ja die meiste Arbeit machen koennte (Statistik, schreiben und Poster-design). Da sagt sie immer nur: 'Ja, ich weiss'. Sie stimmt dem dann aber trotzdem nicht zu.
Ich kann doch nicht meine Karriere anfangen mit einer Praesentation, bei der sofort zu sehen ist, dass sich da niemand wirklich Arbeit gemacht hat (oder hat machen duerfen!). Also ich weiss nicht mehr was ich mit dieser Frau machen soll.
In Sachen Doktor werde ich mich jetzt mit meiner Arbeit bei anderen Unis bewerben. Und auch fuer andere Jobs, denn so langsam muss wirklich etwas passieren mit mir. Wer weiss, ob ich am Ende nicht auch etwas anderes machen werde (muessen).
Nachtvogel, ich drueck dir die Daumen fuer Gelder!
Julia
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Nachtvogel
Forums-Gruftie
517
Ex-Norddeutsche:) W, 30
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Thu, 08.Feb.07, 14:09 Re: Forschungsarbeit |
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Julia™ wrote: |
Ich fand das sehr interessant zu lesen, dass Veroeffendlichungen auch von persoenlichen Meinungen abhaengig sind. Darueber hatte ich ueberhaupt noch nicht nachgedacht.
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Das sind Erfahrungen von meinen Betreuern und Mitgliedern unserer kleinen Forschungsgruppe. Sie beziehen sich hauptsächlich darauf, dass mal selbst wissenschaftliche Ergebnisse halt so oder so auslegen kann. Der eine Prof. mag fuer die eine Interpretationsrichtung sein, der andere fuer die andere. Wenn du dann deine eigene Forschungsarbeit (die ja nur nach einer Richtung sein kann oder halt eine ganz neue Interpretation ist), denen vorstellst, dann verhalten sie sich nicht immer 100%ig objektiv., sondern treten fuer ihre Richtung ein. Im schlimmsten Fall wird dein Artikel dann als Quatsch abgeschmettert. Sendet man einen Artikel ein, weiss man ja nicht, wer ihn rezensiert - das entscheidet der Verleger. Kann also auch dem "Feind" in die Hände fallen. Ist kindisch und sollte nicht so sein, kommt aber anscheinend vor. Ich habe es auch schon mal erlebt, dass mir mein deutscher Prof den Rat gab, meine Mastersarbeit nicht in Zusammenarbeit mit Norwegern zu machen. Er hatte nämlich in seinem Feld eine gegensätzliche Auffassung, als es in Norwegen ueblich ist. Hätte ich also die Arbeit mit ihm und einem norwegischen Betreuer gemacht, wäre ich wohl ins Kreuzfeuer geraten.
Julia™ wrote: |
Einerseits reisst sie sich also meine Arbeit unter den Nagel... Andererseits sagt sie mir dann, dass sie eigendlich keine Zeit hat das Poster zusammenzustellen, dass sie das wohl schnell am Nachmittag vor der Praesentation machen wird.
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Das ist ja echt bescheuert von ihr. Meistens kommt der Name von dem an erste Stelle, der die meiste Arbeit gemacht hat. Vielleicht hat sie das im Kopf. Mag ja sein, dass es fuer sie peinlich oder so wäre, wenn eine Studentin bessere Einfälle hat als sie?!
Schwer zu sagen, wenn man nicht einfach so direkt fragen kann. Ich kenne ansonsten auch die Masche, dass im Zweifelsfall einfach keine Informationen gegeben werden (wie bei dir, wie die Forschung der anderen läuft). Das bremst dann doch ganz schön. Ich habe auch schon von einer gehört, die eine bestimmte Stelle wollte/hätte bekommen können, dazu aber in einem Meeting anwesend sein musste. Die Professorin hat diese Info zurueckgehalten, so dass aus der ganzen Sache nichts wurde. Diese Machtkämpfe werden irgendwie so fies auf stillem Niveau, zum Teil hinter dem Ruecken anderer ausgetragen, so dass man meist gar nichts machen kann.
Ich denke uebrigens ansonsten schon, dass du deine Arbeit auch mit einer nicht ganz perfekten Präsentation anfangen kannst. Irgendwie wird sie die schon schnell zusammengeschustert bekommen, hat ja schliesslich bestimmt jahrelange Erfahrungen damit. So eine erste Präsentation soll ja auch erst mal nur einen losen Einblick ins Thema und die Fragestellung/Theorien geben, da braucht noch nix perfekt zu sein. Und - auch ein nicht ganz perfekter Anfang ist ein Anfang
Julia™ wrote: |
Nachtvogel, ich drueck dir die Daumen fuer Gelder! |
Danke, das kann ich gebrauchen . Ich wäre allerdings auch nicht tottraurig, wenn ich anstatt dessen einen netten, normalen Volltagsjob geangelt bekäme. Habe zur Zeit ein wenig die Schnauze voll von der Uni - bei allem Interesse fuer die Forschung ..
LG, Nachtvogel
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Julia™
Helferlein
30
England W, 31
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Fri, 09.Feb.07, 20:41 Re: Forschungsarbeit |
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Hallo,
nur ein schneller Post um mich auch bei Wieseler, Image und candle fuer die Antworten zu bedanken. Ich habe in meinem zweiten Post versucht auf alle Antworten bezug zu nehmen, aber wenn ich mir den Post jetzt noch einmal durchlese sieht er ein bisschen so aus als haette ich nur Nachtvogel geantwortet.
Hoffe das habt ihr nicht so verstanden,
Julia
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Meli72
neu an Bord!
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Utopia W, 34
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Sun, 18.Feb.07, 2:37 Re: Forschungsarbeit |
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Hallo Julia,
ich kann deine Frustration sehr gut nachvollziehen. Es ist unglaublich, was deine Supervisorin da mit dir abgezogen hat.
Als ich vor, sage und schreibe, 5 Jahren anfing zu promovieren, war ich auch voller Tatendrang und Erkenntnissinteresse.
Ähnliche Erfahrungen wie die deinigen (Betreuerprobleme, Futterneidkämpfe, Intrigen und Ränkespiele am Institut, Existenzängste, Arbeitslosigkeit) haben mich so dermaßen desillusioniert und demotiviert, daß ich es seit 2 Jahren nicht schaffe, die letzten zwei Kapitel meiner Arbeit fertigzuschreiben und das Ding abzugeben (z.T. waren auch Krankheit und Depressionen, Krankheit der Eltern ausschlaggebend). Ich bin wie paralyisiert, diese fehlenden 60 Seiten kommen wir vor wie die Sisyphus'sche Kugel ....
Kommt es nur mir so vor oder sind WissenschaftlerInnen tatsächlich ein extrem übler Menschenschlag?
Und wenn sich in dir alles sträubt, unter solchen Bedingungen zu arbeiten, dann ist dies ein gutes Zeichen, das zeigt, daß du einen gesunden Selbstschutzmechanismus besitzst. Es gibt so viele mittelmässigen DoktorandInnen, die sich allen professoralen Torturen klaglos aussetzen und sich jahrelang durchbuckeln, bloß um den Titel zu bekommen.
Nicht die Leistungsfähigsten, sondern die Leidensfähigsten scheinen am ehesten mit miserablen Arbeits- und Betreuungssituationen zurechtzukommen.
Bei mir kommen halt auch noch andere Zweifel hinzu.
Auch wenn ich das Ding je einreichen und die Promotion abschließen sollte, werde ich mit Sicherheit nicht in Forschung und Lehre bleiben.
Aber was für andere Optionen hat man überhaupt als promovierte Literaturwissenschaftlerin?
Ich sehe da kaum welche (mehr). Meine zahlreichen Bewerbungen (auf Stellen im Bereich Lektorat/Verlag, Studienberatung, Akadem. Auslandsamt) sind trotz einschlägiger Berufserfahrungen und Qualifikationen alle fehlgeschlagen. Auch Aushilfsjobs konnte ich nicht einmal an Land ziehen, man hat mich jedesmal mit dem Urteil "überqualifziert" abgekanzelt (eine Ausnahme: zwischenzeitlich bin ich für 5 Monate putzen gegangen, was nicht weiter schlimm war, wenn ich mich damit einigermaßen über Wasser hätte halten können).
Noch heute, nach 2 Jahren Jobsuche, bin ich fassungslos, daß "Überqualifiziertheit" in diesem Land solch einen Riesenmakel darstellt.
Es ist zum Heulen ....
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Nachtvogel
Forums-Gruftie
517
Ex-Norddeutsche:) W, 30
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Sun, 18.Feb.07, 11:31 Re: Forschungsarbeit |
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Hallo ihr!
Ich bin wirklich froh ueber diesen Thread - ihr sprecht mir sozusagen aus der Seele. "Forscher" ist immer mein Traumberuf gewesen, ist es im Prinzip immernoch - wenn die Arbeitsbedingungen nicht so unmöglich wären. Die grosse Frage ist nun, sollte man einfach weiterversuchen und alle Schwierigkeiten aufsich nehmen/ertragen oder versuchen, einen völlig anderen Beruf zu bekommen.
In letzterem bin ich in den letzten zwei Jahren aber auch nicht sonderlich erfolgreich gewesen.
Meli72 wrote: |
Kommt es nur mir so vor oder sind WissenschaftlerInnen tatsächlich ein extrem übler Menschenschlag? |
Ich denke nicht. Vielmehr sind es wohl die Arbeitsbedingungen, die einem die Hoffnungen rauben und einem spitze Zacken an die Ellenbogen wachsen lassen, mit denen man dann andere aus dem Weg befördert. Geht es ständig um die nackte Existenz, so wird kaum jemand noch ein faires Spiel spielen.
LG, Nachtvogel
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