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~Mia~
Helferlein
85
deutschland W, 26
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Thu, 11.Jan.07, 17:01 Angst vor meinen starken Seiten |
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Ich war nun einige Wochen nicht im Forum, das Schreiben und Lesen hier ist oft so bewegend und anstrengend, dass ich eine Pause brauchte. Aber heute habe ich eine Frage und hoffe, dass jemand von euch mein "Problem" versteht.
Es ist so, dass ich, je länger ich in Therapie bin, mich immer stärker, mutiger und selbstsicherer fühle. Ich kann fühlen und auch sagen, was ich brauche und mich besser abgrenzen, wenn ich etwas nicht will. Das klingt ja eigentlich sehr gut, aber das Schwierige ist, dass ich auch irgendwie Angst habe, diese Stärke zu zeigen und dazu zu stehen. Wenn es mir zum Beispiel schlecht geht und ich aber spüre, dass ich einen Weg finde, mir selbst zu helfen, und dann jemand kommt und mir Hilfe anbietet, kann ich so schwer sagen "Ich schaff das allein". Und das Hauptproblem ist, dass ich mich extrem schäme, meiner Therapeutin von "Erfolgen" in meinem Leben zu erzählen. Es ist mir peinlich mich vor ihr stark zu zeigen. Das genaue Gegenteil zu früher (Bloß keine Schwäche zeigen!). Kennt das jemand von euch? Könnt ihr mir sagen, was der Grund für sowas sein könnte? Habt ihr in der Therapie darüber gesprochen und wenn ja, wie war die Reaktion der Therapeuten?
Danke für eure Antworten!
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vallée
Forums-Gruftie
514
Wolkenkuckucksheim W, 27
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Thu, 11.Jan.07, 22:55 Re: Angst vor meinen starken Seiten |
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Hi Mia,
in etwas anderer Weise kenne ich das auch. Ich kann Erfolge allgemein vor der Thera nicht zeigen, es nicht einfach so sagen. Ich schweige darüber oder erwähne es derart beiläufig, das es dann halt auch untergeht. Zum Beispiel, kann ich immer besser im real life zu meinen Gefühlen stehen, sie überhaupt erst mal wahrnehmen, mich aber auch von Menschen abgrenzen, die mir nicht gut tun, jedoch ohne die dann runter zu machen. Der Therapeutin erzähle ich eben kaum was davon und vor ihr kann ich auch am aller schlechtesten zu meinen Gefühlen stehen und ganz besonders nicht zu den guten und schönen! (Geht mir aber nicht nur in der Therapie so.)
Darüber geredet habe ich nicht, aber ich denke ich weiß bei mir woher das kommt. Es hat was von nicht teilen, ganz bei sich bleiben zu tun. Der andere (wer immer es ist) könnte einem ja was wegnehmen oder es kaputt machen. Und kaputt machen ist ja schon, wenn man sich total freut und vom gegenüber ein lahmes: "Iss ja schön," kommt, also kein wirkliches mitfreuen.
Und das wiederum, denke ich mir Widerholung, Übertragung pur.
Das gemeine ist ja: Wenn man gerade seine Erfolge und guten gefühle zurück hält, stellt sich beim gegenüber irgendwann eine Unzufreidenheit ein, die man dann noch so interpretiert: "Hab ich doch gewusst, die/der weiß es eh nicht zu würdigen, also behalte ich es ganz für mich."
Bei dir könnte es ja auch sein, dass du Angst hast, die Therapeutin verlässt dich, wenn du dich stark zeigst. Ich meine, dass du diese Stärke erst entwickeln musstest, deutet ja an, dass du sie früher nicht haben durftest, bzw. sie mit Liebesentzug bestraft wurde.
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Last edited by vallée on Fri, 12.Jan.07, 8:48; edited 1 time in total |
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carö
Forums-InsiderIn
456
Deutschland W, 38
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Fri, 12.Jan.07, 0:18 Re: Angst vor meinen starken Seiten |
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hallo mia,
ja, mir ging es sehr lange in der therapie so ähnlich wie dir. als irgendwann die positiven veränderungen langsam kamen, habe ich mich meistens gleich selbst wieder runtergemacht vor dem therapeuten und mich kleingemacht oder in erst gar nicht teilhaben lassen und es erst sehr viel später - beiläufig - erzählt. vallée hat das gut erklärt, das trifft es auch bei mir ganz gut. erstens die angst davor, dass MEIN eigenes gutes gefühl/erlebnis vor den - vermeintlich - überkritischen augen des thera nicht standhält... das es zu unwichtig, zu banal sein könnte, um gewürdigt zu werden und mir damit kaputtgemacht würde. ich habe ihn damit auch sehr überhöht, weil ich dachte, dass ich kleines würmchen mit meinen vielen problemen, ihn tollen "therapeutenmenschen" damit ja sicher gar nicht berühren kann und freuen wird er sich für mich schon dreimal nicht. dachte ich. ist aber nicht so, wie sich gerade für mich immer mehr herausstellt... das waren meine ängste, die ich in ihn hineinprojeziert habe. vallée hat das so schön mit dem wort übertragung auf den punkt gebracht
es war aber ebenso auch das vorenthalten der positiven dinge, weil ich ihn aussschliessen wollte... auch als kleiner sadistischer akt, um es etwas überspitzt auszudrücken, um ihn auch SEIN erfolgserlebnis/freude mit mir nicht zu gönnen.
ich bin sehr froh, dass ich das mit ihm irgendwann auch überwinden konnte und es ist mir mittlerweile eine große freude, wenn ich ihm von meine großen und kleinen erfolgserlebnissen berichten kann. und ich freu mich, weil er sich auch so für mich freut. aber klar, es gibt bei mir immer noch diese ängste, er könne meine schönen gefühle kaputtmachen. aber wir könne viel besser darüber sprechen inzwischen. und ich kann sie besser als das erkennen, was sie sind: meine ängste.
wünsche dir alles gute!
caroline
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~Mia~
Helferlein
85
deutschland W, 26
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Fri, 12.Jan.07, 9:29 Re: Angst vor meinen starken Seiten |
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Eure Antworten haben mir einen riesigen Denkanstoß gegeben! Lag zwar die halbe Nacht wach und bin heute extrem müde, aber ich bin so viel weiter als gestern abend noch. Manchmal wirklich erstaunlich, wie man auf relativ einfache Dinge nicht kommt....
@ vallée: Ich glaube, es ist bei mir beides, was du angesprochen hast. Zum Einen, dass ich Angst habe, dass das Mitfreuen des anderen ausbleibt. Vielleicht würde ich dann denken, dass es total banal und nichtig ist, worüber ich mich freue, was mich selber ja wieder seltsam wirken lässt (in meinem Kopf natürlich). Und vielleicht auch, dass ich gar nicht das Recht habe, mich zu freuen, stolz auf mich zu sein. Zum Anderen spielt die Angst vor dem Verlassenwerden sicher auch eine Rolle, obwohl mein Verstand ganz genau weiß, dass diese Therapieerfolge ja gewollt und das Ziel sind und nicht das sofortige Ende bedeuten. Manchmal schade, dass ich nicht nur meinen Verstand habe...
@ caroline: Dieses Verschweigen oder Beiläufig-Erwähnen kenn ich von mir. Und es steckt genau diese Angst dahinter, es könnte sie nicht "beeindrucken". Bei mir steckt wahrscheinlich ein ziemliches Gefühl von Minderwertigkeit dahinter, dass ich meine Erfolge als so nichtig ansehe.
Aber es freut mich zu lesen, dass du dabei bist, das zu überwinden! Sowas macht mir Mut. Alles Gute auch dir!
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Zwiebel
Forums-InsiderIn
176
Hessen W, 48
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Sun, 14.Jan.07, 12:58 Re: Angst vor meinen starken Seiten |
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Liebe Mia,
die starken Seiten herauszuarbeiten ist doch Therapieziel? Wer in Therapie geht fühlt sich an irgendeiner Stelle seines Lebens hilflos einem Problem gegenüber. Oder zumindest im selbst und allein Bewältigen nicht erfolgreich, trotz oft langer Bemühungen.
Was die Gefühle angeht bin ich das genaue Gegenteil von dir: ich wirke immer "stark" während der Stunde und mein Psychologe würde gerne mal erleben wie ich bin wenn ich "schwach" bin - traurig, wütend z.B. . Da ist immer noch die Kontrolle stärker als der Wille zur Öffnung ihm gegenüber. Insofern bist du auf dem richtigen Weg, ein Gefühl von Minderwertigkeit kannst du ganz schnell vergessen.
Gruß
Zwiebel
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_________________ »In der Natur gibt es weder Belohnungen noch Strafen. Es gibt Konsequenzen.«
(Robert G. Ingersoll) |
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~Mia~
Helferlein
85
deutschland W, 26
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Sun, 14.Jan.07, 21:39 Re: Angst vor meinen starken Seiten |
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Ja, es ist das Ziel, das sage ich mir auch immer wieder und wenn ich dem Ziel näher komme, ist das ein Erfolg. Und denn muss ich mir auch gönnen.
Du schreibst etwas sehr Interessantes, nämlich dass dein Therapeut dich gerne mal schwach, wütend, traurig erleben würde. Ich glaube, das würde meine auch gerne mal, denn: Ich habe es bisher immer als Stärke gesehen, zum Beispiel wütend zu sein und konnte es deshalb schwer zulassen. Vielleicht gelingt es, wenn ich mal aus deinem Blickwinkel es zu sehen versuche.
Liebe Grüße!
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