Author |
Message |
Julia_B
neu an Bord!
3
Österreich W, 24
|
Sat, 06.Jan.07, 23:06 Sexueller Missbrauch - Wann kamen die Erinnerungen? |
|
Hallo meine Lieben,
Seit Jahren schaue ich nun immer wieder in dieses Forum und lese mit viel Interesse eure tollen Beiträge… heute ist es soweit, und ich hatte das Gefühl, ich sollte mich mal einklinken und euch auch etwas erzählen oder fragen.
Es gibt so viele Threads über sexuellen Missbrauch… Ich habe fast jeden davon gelesen, weil es wirklich interessant ist, was ihr schreibt, und weil mich dieses Thema auch angeht.
Vor meinen Gedanken, die ich versuche, möglichst kurz zu fassen, die Frage, die mich bewegt: Wie habt ihr euch an euren Missbrauch erinnert? Wann? Wieso?
Wieso stelle ich diese Frage? Also, seit 3 Jahren bin ich in Psychotherapie. Hingegangen bin ich, da ich seit ich mich erinnern kann, irgendwelche Probleme habe. Meine Teenagerzeit war schrecklich, die Zeit danach besser, aber rückwirkend hat mir auch da einiges nicht gut getan. Dann… Depressionen mit 21?? Ich habe mich noch nie verstanden, und das hat mich verrückt gemacht. Ich wusste, irgendwas ist, aber ich wusste nicht, was. Dann ist mein Vater gestorben, ich war 21. Totaler Schock und Überforderung. Dann ging irgendwann nichts mehr… ich konnte nicht mehr auf die Uni gehen, Panikattacken, depressive Phasen, die immer länger dauerten, Ängste, und so weiter. Und immer wieder: Probleme im sexuellen Bereich. Ich dachte, das wird sich mit meiner jetzigen Beziehung verbessern, da ER nun wirklich der richtige ist. Aber eigentlich wurde es schlimmer (weil es auch eine Beziehung mit uneingeschränkter Nähe ist, zum ersten mal)… ich disoziierte immer öfters nach dem Sex, es ging mir von einer Sekunde zur nächsten scheisse. Und das alles vor dem Hintergrund, dass meine Halbschwester (aus erster ehe meines Vaters), die erheblich älter ist als ich, sexuell missbraucht wurde. Sie erinnert sich an sehr wenig, aber nach einem Selbstmordversuch und jahrelangen Therapien ist sie überzeugt, dass es mein Vater war.
Es hängt also in der Luft… fast alle Probleme, mit denen ich kämpfe, wären darauf schlüssig zurückzuführen (habe jetzt natürlich nicht alle symptome aufgezählt, da würde ich morgen noch sitzen, das tu ich euch nicht an )… aber ich ERINNERE mich an nichts… ganze teile meiner kindheit sind weg…
Natürlich arbeite ich in meiner Therapie auch mit der Thematik, ich habe ihm von diesem Verdacht von Anfang an erzählt. Die Therapie tut mir sehr gut, und mein Therapeut ist auch genau der richtige dafür… aber bezüglich der Aufdeckung eines möglichen Missbrauchs ist einfach nichts weitergegangen… emdr oder Hypnose habe ich angedacht, aber ich glaube trotz allen schwierigkeiten die mir die Ungewissheit bereitet, dass es einen Sinn hat, wenn man sich nicht erinnern kann… und dass die Erinnerungen kommen, wenn man bereit ist.
… aber wann??
Ich würd mich freuen wenn ihr mir etwas zu diesem Thema mitteilen könnt… eure Erfahrungen… eure Gedanken. Vielen Dank für euer Lesen, ich weiß es zu schätzen… und auf bald…
Julia
|
|
|
|
|
Werbung |
|
rainyday
Forums-InsiderIn
159
below the waves W, 27
|
Sun, 07.Jan.07, 1:53 Re: Sexueller Missbrauch - Wann kamen die Erinnerungen? |
|
Hallo Julia,
ich denke, du wirst dich erinnern sobald du soweit bist die Erinnerung zu verkraften, sofern du zur Zeit des MB alt genug warst um dich erinnern zu können (ca. 2 Jahre denke ich).
Ich habe auch jahrelang meine Symptome durchgekaut und nach einer passenden Erinnerung gesucht. Bin aber nicht fündig geworden, einfach weil nichts passiert ist. Die gleichen Symptome können unterschiedliche Ursachen haben.
Wenn du Teile deiner Kindheit vergessen hast, deutet das aber sehr auf dramatische Erlebnisse hin. Ich habe gehört, dass Kathathymes Bilderleben sehr hilfreich ist. Damit kann man verdrängte Anteile wieder integrieren. Wenn ich selbst nach 3 Jahren Therapie immer noch so große Lücken hätte, würde ich mir darüber ehrlich gesagt auch den Kopf zerbrechen. Leider kann ich das nicht beurteilen. Vielleicht meldet sich noch jemand, der dir mehr weiterhelfen kann als ich.
Alles Gute!
rainyday
|
|
|
|
|
Ranjit
Forums-InsiderIn
180
Norddeutschland W, 21
|
Sun, 07.Jan.07, 3:00 Re: Sexueller Missbrauch - Wann kamen die Erinnerungen? |
|
Hallo liebe Julia!
Hm, eigentlich weiß ich gar nicht so genau wie ich dir am Besten antworten könnte...
Zuerst muss ich dir sagen, dass ich auch gaaaanz lange nur stiller Mitleser war, bevor ich mich getraut hab mal einen Beitrag hier rein zu setzen... Und ich hab festgestellt, dass mir das hier (alle die mir antworten, die sich mit mir austauschen und mir behilflich sind, mich in vielen Situationen etwas besser zu verstehen) wirklich sehr gut tut...
Ich find es toll, dass du dich so mit diesem Thema beschäftigst, viel darüber gelesen hast und dich damit auseinandersetzt. Ich bin diese spezielle Rubrik immer bewusst umgangen... Hab nie einen Beitrag darüber lesen und mich mit dieser Sache befassen wollen. Nur mache ich gerade eine schwierige Phase durch, in der das Ende meiner Therapie eine entscheidene Rolle spielt und aus diesem Grund habe ich mich nun mal dazu durchgerungen, was zu diesem Thema zu lesen, um mir einige Sachen eventuell besser bewusst zu machen...
Ich weiß jetzt gar nicht so richtig wie ich anfangen soll... Ich probiere es einfach mal mit dem "drauf-los-reden"...
Ich glaube, dass mein Papa auch so einige Dinge getan hat, die nicht so ganz korrekt waren... - Er tat Dinge, die erst aufgehört haben als ich mit meinem jetzigen Freund zusammen gekommen bin.
Dann ist vor ganz ganz vielen Jahren etwas bei einem Kuraufenthalt passiert, was mir wohl auch nicht gerade sehr gut tat und worüber ich noch heute oft nachdenke (ganz besonders seit dem letzten Jahr).
Tja, und dann kam vor etwa 1,5 Jahren eine Sache hinzu, für die ich mich komplett verantwortlich mache. Eigentlich weiß ich, dass ich fast gar nicht anders hätte handeln können, aber trotzdem mache ich mir riesen Vorwürfe für das was vorgefallen ist...
Wie du schon merkst, fällt es mir schwer darüber zu reden und ins Detail zu gehen... Aber du fragtest wie diese Erinnerungen kamen. Bei mir tauchte all das wieder auf als ich mit meiner Therapie begonnen habe und noch viel intensiver als zuvor über viele Dinge nachgedacht habe (insbesonder auch über diese Sachen). Und da ich sowieso ein Mensch bin, der über vieles nachdenkt, vorallem darüber, mich anderen Menschen anzuvertrauen, hab ich auch darüber nachgedacht, ob ich das meiner Therapeutin erzählen sollte. Ich habe wirklich sehr oft darüber nachgedacht und irgendwann habe ich mich entschieden, es bleiben zu lassen, weil mir die ganze Sache so absurd, peinlich und unwichtig vorkam. Mittlerweile weiß ich nicht, ob ich es wirklich nicht thematisieren sollte...
Wenn ich mich an meine Kindheit und Jugendzeit zurück erinnere (aus der jedoch nur wenig Erinnerung hängen geblieben ist), sehe ich das was ich sehe nur düster und traurig. Ich meine, dass nicht alles nur finster war, aber so sehen meine ersten Gedanken aus, wenn ich zurück blicke... Nur weiß ich nicht wieso das so ist. Eigentlich führe ich heute ein Leben mit dem ich total zufrieden sein müsste, aber ich fühle mich trotzdem schlecht und bin oft traurig, obwohl ich keinen wirklichen Grund dazu habe, wenn ich meine momentane Situation betrachte... Auch ich verstehe das alles nicht, kann nicht begreifen, warum ich mich manchmal (sehr oft sogar) so schlecht fühle. Das kann doch nicht alles aus meine Vergangenheit kommen?!?
Was mich auch schon einige male erschrocken hat, ist, dass mir nach dem Sex schon oft zum Heulen zu mute war (obwohl es schön war). Vor einigen Wochen hab ich sogar während dessen die Kontrolle verloren und einen totalen Heulkrampf bekommen. Das war mir im Nachhinein ziemlich unangenehm, vorallem, weil ich nicht sagen konnte, was da mit mir passiert ist. Ich weiß einfach nicht was los war!
Es tat gut, das alles mal raus zu lassen und das Dank dir! Das was du geschrieben hast, passte so gut zu dem wie es mir geht und das hat mich u.a. angespornt auch mal was dazu zu "sagen"!
Ich hoffe, dass ich dir mit meinen Erinnerungen, Gefühlen und Gedanken vielleicht ein weinig weiter geholfen habe?!?
LG Ranjit
|
_________________ Ich tanze im Regen, damit mich niemand weinen sieht. |
|
|
|
vita
Forums-InsiderIn
339
Hessen W, 50
|
Sun, 07.Jan.07, 9:15 Re: Sexueller Missbrauch - Wann kamen die Erinnerungen? |
|
Hallo Julia,
bei mir sind auch Teile der Kindheit verschwunden, aber das macht mich nicht so unglücklich.
Ich glaube, je verkrampfter man sich unbedingt erinnern möchte, je weniger bekommt man erinnert. Wenn du auf Erinnerungen wartest, versäumst du vielleicht die Gegenwart und das wäre schade.
Ich habe in einer Selbsthilfegruppe Frauen kennengelernt, die überhaupt keine Erinnerungen hatten, und trotzdem daran gearbeitet haben, ein qualitativ schöneres Leben zu führen.
Es kommt also meiner Meinung nach darauf an, die eigenen Grenzen zu akzeptieren und sich damit auseinanderzusetzen, welche Verhaltensweisen man im "Hier und Heute" verbessern kann.
Es ist also gar nicht schlimm, wenn du dich nicht erinnern kannst und auf dem Heilungsweg auch nicht unbedingt erforderlich.
Was menschliche Nähe betrifft, solltest du nur das tolerieren, was für dich richtig und gut ist und dementsprechend deine Grenzen setzen. Denn hier ist jeder Mensch anders und es gibt kein "richtig" oder "falsch". Auf deine eigenen Gefühle zu hören, wäre ein guter Ansatz.
lg
vita
|
|
|
|
|
Werbung |
|
Julia_B
neu an Bord!
3
Österreich W, 24
|
Sun, 07.Jan.07, 11:49 Re: Sexueller Missbrauch - Wann kamen die Erinnerungen? |
|
Hallo liebe Rainyday, liebe Ranjit und liebe Vita!
Schön, eure Antworten zu lesen, ich freu mich total…
@ Rainyday: Ich stimme dir voll zu. Durch die ganze Auseinandersetzung habe ich versucht zu akzeptieren, dass die Erinnerungen kommen, wenn sie einen Raum haben. Vielleicht wäre es jetzt entgegen meiner eigenen Meinung nach noch zu früh. Es ist nur, wie du sagst, lähmend, all diese Probleme, Ängste und Symptome zu haben, und aus mangelnder Erinnerung heraus immer wieder das Gefühl zu bekommen, vielleicht spinne ich einfach nur.
@ Ranjit: Schön, dass du mir und den anderen hier geschrieben hast. Ich kann mir vorstellen, wie groß die Überwindung war, da es mir selbst lange so gegangen ist, aber lass dir gesagt sein, es ist schön, von dir zu lesen…!
Ich denke, wenn du das Bedürfnis hast, solltest du das auf jeden Fall thematisieren… ich denke gerade in einer Therapie ist Offenheit sehr wichtig, und (hoffentlich!) wird dir niemand sagen, dass es peinlich, absurd oder unwichtig ist, denn das sind deine Gedanken in keinem Fall! In meinem Fall war es so, dass ich es gleich am Anfang gesagt habe, dass auch das für mihc ein Thema ist, und ich denke, ein guter Therapeut hat ein solches Bedenken dann auch bei der Arbeit mit dir (mir) im Hinterkopf und deshalb ist es wichtig.
@ Vita: Du sprichst mir aus der Seele Ich hatte Zeiten, da habe ich alles gelesen, was mir in die Finger gekommen ist… Fachbücher, Dissertationen, Ratgeber, Artikel, Inet – Sites… weil ich dachte, irgendwann muss ich mich doch erinnern, wenn schon alles so stark JA schreit, aber es kommt nichts Konkretes an Erinnerungen. Damit habe ich aufgehört, weil es mir nicht gut getan hat, diese zwanghafte Suche, die Suche nach einer Lösung und nach dem Verstandenwerden… was es für mich so schwierig macht ist die Tatsache, dass ich es nicht schaffe, zu sagen: Ja, es ist passiert. Obwohl alles darauf hindeutet, schaffe ich es nicht, weil ich mich als Lügnerin sehen würde, da ich keine Erinnerung habe.
Ich arbeite weiter mit meiner Vergangenheit, aber natürlich auch jeden Tag in der Gegenwart, da, wie du sagst, das „Hier und Heute“ niemals vergessen werden darf. Das klappt auch meistens ganz gut, leider passieren dann oft Dinge, die mit dem „Hier und Heute“ irgendwie nichts zu tun haben scheinen und wo ich komplett aufgeschmissen bin.
Meine jetzige Lebensweise diesbezüglich ist: Weiterhin wachsam sein, weiterhin offen sein. Aber nicht mehr suchen, sondern zulassen. Trotzdem ist es teilweise sehr sehr schwierig, vor allem, wenn diesbezüglich Probleme auftreten, die mich an mir selbst zweifeln lassen.
Danke für eure Zeilen und Gedanken und auf bald,
Julia
|
|
|
|
|
Yeti
Forums-InsiderIn
273
weit weg W, 34
|
Sun, 07.Jan.07, 14:27 Re: Sexueller Missbrauch - Wann kamen die Erinnerungen? |
|
Hallo Julia
Ich habe auch ewig gesucht, warum ich gewisse Schwierigkeiten habe. Mittlerweile bin ich an einem Punkt, wo mir klar ist, ich werde es nie 100% wissen.
Wenn es stimmt, war ich 2,5 und es war wahrscheinlich "nur" ein nicht massiver Übergriff außerhalb der Familie.
Ich weiß, das mich damals etwas verstört hat, auch wenn ich nicht genau weiß was.
Also gibt es ja einen Grund für meine Probleme. Dieses Ereignis kann ich nicht mehr ändern, aber gesund werden kann ich trotzdem.
Es ist mir sehr wichtig, bewußt mit diesem "NIchtsogenauwissen" umzugehen. Immer vor Augen behalten, ich habe einen sehr konkreten Verdacht, aber keine gesicherten Fakten.
Das hilft mir, mit mir selbst Verständnis zu haben, mich nicht für überdreht zu halten, aber nicht ungerechtfertigterweise jemandem zu Unrecht mit Dreck zu bewerfen.
Mal soweit.
LG Yeti
|
|
|
|
|
Werbung |
|
mitplauderin
Forums-Gruftie
626
wohnort W, 50
|
Sun, 07.Jan.07, 15:27 Re: Sexueller Missbrauch - Wann kamen die Erinnerungen? |
|
liebe Julia_B!
bei mir war/ist es so. ich habe meinen missbrauch jahrelang verdrängt, hatte überhaupt keine erinnerungen daran. ich fühlte nur, dass ich anders bin/war als die anderen. mit ca. 20 jahren kam die erinnerung. den auslöser oder grund dafür kenne ich nicht. die bilder waren ganz klar und ich hatte überhaupt keinen zweifel daran, dass meine erinnerungen stimmen. erleichternd kommt bei mir dazu, dass ich zwei betroffene schwestern habe, die sich auch erinnern können. interessanterweise unterscheiden sich unsere erinnerungen. eine der schwestern erinnert sich z.b. an missbrauchssituationen, wo sie sagt, alle drei wären wir dabei gewesen und ich erinnere mich absolut nicht. die andere schwester meint, nun ja, da war schon etwas. aber war es wirklich sooo arg?
du siehst, drei betroffene - drei verschiedene wahrnehmungen, drei verschiedene erinnerungen. und jede wahrnehmung hat ihre berechtigung. es gibt nicht die eine wahrheit. vertrau deiner intuition.
ich schließe mich vita an. für mich ist es heute auch nicht mehr wichtig, genau zu wissen, was passiert ist. aber den wunsch hatte ich auch längere zeit sehr stark.
zum schluß möchte ich aus dem buch trauma-heilung von peter a. levine zitieren, das ich im moment lese:
"falls sie unter merkwürdigen symptomen leiden, die niemand zu erklären vermag, könnte die ursache eine traumatische reaktion auf ein in ferner vergangenheit liegendes ereignis sein, an das sie sich vielleicht nicht einmal mehr erinnern. sie sind aber nicht der einzige mensch, dem das so geht. und sie sind auch nicht verrückt. es gibt eine rationale erklärung für das, was mit ihnen vor sich geht."
geholfen hat mir auch, meine erlebnisse und die daraus entstehenden symptome in einem größeren zusammenhang zu sehen: jedes traumatische geschehen (nicht nur sex. missbrauch) kann diese symptome auslösen.
mlg
mp
|
_________________ it´s time to say good bye |
|
|
|
Julia_B
neu an Bord!
3
Österreich W, 24
|
Sun, 07.Jan.07, 23:29 Re: Sexueller Missbrauch - Wann kamen die Erinnerungen? |
|
Liebe Mitplauderin und liebe anderen,
Ich freu mich dass du etwas schreibst… mir bist du ja fast durch das viele Lesen hier bekannt, ist ein schönes Gefühl, und ich freu mich dass du mir auch deine Sicht geschildert hast.
Ich verstehe deine Sicht gut. Ich sehe es bei meiner Schwester: Obwohl sie keinen eindeutigen „Beweis“, keine „klaren Fakten“ hat, sagt sie, ihr / unser Vater habe sie sexuell missbraucht (In dieser Familie kein Wunder… da gab es bei den Vorfahren angeblich schon diesbezügliche Neigungen). Sie weiss es einfach. Sie spürt es, hat vielleicht ein oder zwei Bilder, und eine lange Therapie hinter sich.
Ich stehe am Anfang, und ich habe viele Bedenken, viele Probleme, viele Symptome, und viele Bedürfnisse… und ich habe einfach keine Erinnerung! Das ist ja mein Problem… ich leide mit dir, ich leide mit anderen, denen *es* = Sexueller Missbrauch passiert ist, nur nicht mit MIR, denn ICH kann nichts belegen, ICH habe keine Erinnerung, kann NICHTS beweisen. Und trotzdem bricht alles über mich ein??? Ich verstehe es einfach irgendwie nicht.
Liebe Grüsse… gute Nacht… bin irgendwie aufgewühlt…
Bussis
Julia
|
|
|
|
|
mitplauderin
Forums-Gruftie
626
wohnort W, 50
|
Mon, 08.Jan.07, 21:32 Re: Sexueller Missbrauch - Wann kamen die Erinnerungen? |
|
liebe julia_b!
Quote: | bin irgendwie aufgewühlt |
ja, es wühlt auf. und wie! fast kein stein bleibt mehr auf dem anderen, wenn frau bereit ist hinzuschauen und das, was ihr angetan wurde an- und auszusprechen.
darum möchte ich dich bitten, gut auf dich zu schauen. deine gefühle ernst zu nehmen. jedes gefühl hat seine berechtigung. suche dir "tankstellen". wo kannst du kraft tanken, ausruhen, dich an- und ernstgenommen fühlen.
Quote: | Ich stehe am Anfang |
irgendwie scheint jetzt, nach langem stillen mitlesen, die zeit reif dafür zu sein den weg zu gehen. den ersten schritt hast du bereits gemacht. von mir kann ich dir sagen, der weg lohnt sich!! er ist nicht leicht. viele tiefs, aber auch hochs. du mußt den weg nicht alleine gehen. suche dir hilfe: shg, thera!
Quote: | ich leide mit dir, ich leide mit anderen, denen *es* = Sexueller Missbrauch passiert ist, nur nicht mit MIR |
noch nicht! ich bin mir sicher, dass auch du über das was dir geschehen ist trauern kannst.
liebe grüße
mp
|
_________________ it´s time to say good bye |
|
|
|
rainyday
Forums-InsiderIn
159
below the waves W, 27
|
Wed, 10.Jan.07, 1:38 Re: Sexueller Missbrauch - Wann kamen die Erinnerungen? |
|
Hallo Julia,
ich habe auch alles mögliche gelesen in der Hoffnung etwas zu finden was mir sagt, was mit mir los ist. Die Erinnerungen an meine Kindheit kamen aber letztendlich dadurch, dass ich viel nachgedacht habe, Fotoalben angesehen, meine alten Schatzkisten durchforstet und mich mit Verwandten über früher unterhalten habe. Ich habe aufmerksam in mich reingeschaut und kann mich jetzt sehr weit zurückerinnern.
Ich verstehe dich gut, meine Nerven wurden auch oft dünn, man will weiter und es scheint sich überhaupt nix zu bewegen! Aber die Seele hat eben ihr eigenes Tempo.
Du darfst ruhig mit dir selbst mitfühlen, dazu musst du nichts beweisen. Es genügt wenn du darunter leidest. Wenn du mit anderen bei bestimmten Themen mitfühlst, zeigt dass, das es dich aus irgendeinem Grund betrifft. Ich habe bei Familienaufstellungen schon oft Zuschauer erlebt, die urplötzlich in Tränen ausgebrochen sind ohne zu wissen wieso. Das Dargestellte hatte etwas mit ihren Problemen zu tun.
Alles Gute!
|
|
|
|
|
Werbung |
|
Liebegrün
sporadischer Gast
7
NRW W, 43
|
Fri, 12.Jan.07, 12:28 Re: Sexueller Missbrauch - Wann kamen die Erinnerungen? |
|
Quote: | ich leide mit anderen, denen *es* = Sexueller Missbrauch passiert ist, nur nicht mit MIR, denn ICH kann nichts belegen, ICH habe keine Erinnerung, kann NICHTS beweisen. Und trotzdem bricht alles über mich ein??? Ich verstehe es einfach irgendwie nicht.
|
Hallo Julia,
du hast genau meine Zweifel und Bedenken aufgeschrieben.es ist schon erstaunlich,wie ich mich in deinem Beitrag wiederfinde.
Bei mir ist es so:Ich habe schon immer gemerkt,dass ich mich von den anderen Kindern,später auch Erwachsenen unterscheide.So lange ich mich zurückerinnern kann,spielten gedanken an Missbrauch immer eine Rolle.Meine kindheitserinnerungen fangen ab ca.meinem 12. Lebensjahr an.
Je älter ich nun wurde,desto verschlossener wurde ich und ich wurde immer mehr zu einem Einzelgänger.depressionen und Selbstmordgedanken begleiteten mich.
Dann vor 3 Jahren,starb mein Vater an Krebs.Das war eine harte Zeit der Krankheit. Ich brach zusammen und entschloss mich eine Therapie zu machen.Was dabei herauskam,war für mich nicht leicht anzunehmen.
Ich bin Borderlinerin,habe eine Angststörung und eine dissoziative Störung.
Diese dissoziative Störung macht mir die meisten Gedanken.Ich habe einige Persönlichkeitsanteile,die ein reges,selbständiges Leben führen.
Tja,bei mir stellt sich nun auch,genau wie bei dir die große Frage:Warum?
Mein Vater hat recht viel getrunken,ich habe auch Schläge von ihm bekommen,aber ansonsten bin ich in einer ganz normalen Familie aufgewachsen.Aber von solchen "Kleinigkeiten" bildet man nicht solche Störungen. Oder doch?
Ich brauche Erinnerungen ganz dringend für mich,um eine Berechtigung zu haben so zu sein wie ich bin.
Ausserdem habe ich ein unsagbar schlechtes Gewissen,dass ich vermute,mein Vater könnte mich missbraucht haben.
So,erst mal genug geschrieben.
Viele Grüße
Liebegrün
|
|
|
|
|
ichbinich
Forums-InsiderIn
153
österreich W, 35
|
Sat, 13.Jan.07, 17:59 Re: Sexueller Missbrauch - Wann kamen die Erinnerungen? |
|
hallo julia und alle anderen, die das thema betrifft!
ach, ich habe mich in so vielem wiedererkannt.
in dieser rastlosen frage nach was war und was war überhaupt.
im keine erinnerungen haben.
im schlechten gewissen, so etwas überhaupt zu denken.
dann wieder in dem wunsch, einen grund für meine probleme zu finden.
im durchforsten von foren und büchern.
immerwieder diese frage.
und dieses gefühl, das der frage vorausgeht, diesem gefühl, da war etwas.
reaktionen, die ich mir nur so zu erklären glaube.
...
ich habe keine erinnerungen.
und, zumindest im moment, ist mir das auch sehr recht.
ich habe nach jahren der therapie auch so sehr viel erreicht. es geht mir jetzt gut, mit ein paar eigenarten muss ich eben leben .
ganz lässt es mich selbst in diesem jetzigen zustand der zufriedenheit nicht in ruhe.
meine therapeutin und mein psychiater haben unabhängig voneinander dann auch noch diese vermutung geäußert. mensch, ich war damals auf meine therapeutin so sauer. nur die erwähung des themas hat mich damals komplett umgehauen. ich habe sie gehasst. dann habe ich begonnen, mich ziemlich in das thema hineinzusteigern, und die selbe therapeutin hatte dann alle hände zu tun, mich am boden zu halten.
es half mir sehr, dass sie mir sagte, es müsse nicht unbedingt das schlimmste sein, was man sich eben gemeinhin gleich vorstellt... sie nannte mir ein paar beispiele, was AUCH als missbrauch empfunden werdne kann. ich verlor damit einiges an angst. und irgendwann wurde ich auch gelassener, und dachte mir (das liest man ja auch immer wieder): nun gut, wenn es kommen will, soll es kommen. wenn nicht, wird es seinen grund haben, dort zu bleiben, wo es ist.
ich habe lange diesen wunsch verspürt, dass da etwas war, dass ich einen beweis habe für mein verkorkstes ich. (und dann wieder das schlechte gewissen: wie kann man sich so etwas "wünschen"???!!!)
zur zeit habe ich mehr distanz, eigentlich will ich gar keine erinnerungen mehr. ich will nicht, dass etwas passiert ist. die vorstellung, dass es weniger war als in den schlimmen vorstellungen, beruhigt mich. dass dieses weniger, so es stattgefunden hat, schlimm gewesen sein muss, ist mir trotzdem bewusst.
meine therapeutin meinte gegen ende der therapie: jetzt, wo es mir so gut ginge, gäbe es keinen anlass die geschichte anzurühren. vielleicht müsse es nie sein, vielleicht in zehn oder zwanzig jahren. auch wenn es mich nicht ganz in ruhe lässt, kann ich damit sehr gut leben.
lg
ichbinich
|
_________________ werde der, der du bist (nietzsche) |
|
|
|
Liebegrün
sporadischer Gast
7
NRW W, 43
|
Sun, 14.Jan.07, 0:23 Re: Sexueller Missbrauch - Wann kamen die Erinnerungen? |
|
Hallo Ichbinich,
Quote: | es half mir sehr, dass sie mir sagte, es müsse nicht unbedingt das schlimmste sein, was man sich eben gemeinhin gleich vorstellt... sie nannte mir ein paar beispiele, was AUCH als missbrauch empfunden werdne kann |
Es würde mich sehr interessieren,was deine Therapeutin gesagt hat,was auch noch als Missbrauch empfunden werden kann.
Vielleicht haben die Szenen die bei mir mit meinem Vater stattgefunden haben ja auch ausgereicht um mich so werden zu lassen wie ich jetzt bin.
Du hast geschrieben,dass du jetzt auch Probleme hast.Warst sogar in Therapie.Was sind denn deine Hauptprobleme?
Ich meine von nichts kommt nichts.Es muss doch Auslöser gegeben haben.
Liebe Grüße
Liebegrün
|
_________________ Gemeinsam sind wir stark |
|
|
|
Werbung |
|
Ranjit
Forums-InsiderIn
180
Norddeutschland W, 21
|
Sun, 14.Jan.07, 0:51 Re: Sexueller Missbrauch - Wann kamen die Erinnerungen? |
|
Hallo ichbinich und alle anderen!
Wie Liebegrün würde auch mich interessieren, wie die Beispiele aussahen, die deine Therapeutin erwähnt hat.
Ich glaube nämlich manchmal, dass ich einiges vielleicht zu überbewerte und traue mich u.a. deshalb nicht über ein paar Dinge zu sprechen...
LG Ranjit
|
_________________ Ich tanze im Regen, damit mich niemand weinen sieht. |
|
|
|
ichbinich
Forums-InsiderIn
153
österreich W, 35
|
Sun, 14.Jan.07, 11:47 Re: Sexueller Missbrauch - Wann kamen die Erinnerungen? |
|
hallo liebgrün und ranjit,
eigenartigerweise erinnere ich mich nicht wirklich an die beispiele, sondern mehr an die beruhigung, die diese ausgelöst haben.
es war aber in die richtung:
- eine zu lange umarmung, oder eine umarmung, die du nicht willst.
- anzügliche blicke und bemerkungen.
- sexualisierte sprache mit dem kind.
- aller arten von küssen und berührungen in einer art und weise, die für dich unangenehm sind.
- alle arten von körperlicher grenzüberschreitung
- wie etwa am schoss festgehalten werden, festgehalten werden.
- und so fort.
...also auch einigermaßen "harmlose" berührungen und körperkontakte, ja teilweise nicht einmal der körperkontakt können in einem kind sehr viel auslösen. entscheidend ist ja nicht nur welche art von grenzüberschreitung, sondern auch wer das gemacht hat, wie oft, und wie ist die sicherheit und situation des kindes überhaupt. ich glaube, wir dürfen nicht den fehler machen, das aus unserer erwachsenwarte heraus zu beurteilen. aus der kindperspektive kann etwas in der wertung vollkommen anders wahrgenommen worden sein, als wir es jetzt aus der erwachsenenposition einschätzen würden. wenn wir uns sagen, dies und das war "nicht schlimm genug", werten wir die wahrnehmung des kindes ab. offensichtlich war es für das kind "schlimm genug", auch wenn es für uns selbst und erst recht oft von außen und aus der erwachsenenposition nicht (mehr) nachvollziehbar ist...
nun ja, ich habe ja eher die erinnerung, dass mich NIE jemand in den arm genommen, berührt, geherzt oder geküsst hat...
das hat sowieso einen gewichtigen anteil an meinen problemen...
meine probleme?
ich hatte zwei mal eine schwere depression, leicht depressiv und selbstwertgestört war ich davor immer schon, seit ich denken kann. (das kann ich erst jetzt feststellen, da ich endlich auch andere zustände, leichtere und glücklichere, freiere und zufriedenere kennengelernt habe. )
ich habe große beziehungsschwierigkeiten, sprich ich kann keine beziehungen zu männern eingehen (zu frauen auch nicht), auch und schon gar keine rein-körperlichen. ich hatte in meinem leben bisher eine einzige beziehung, die zweieinhalb jahre gedauert hat, aber leider war die furchtbar. mein körper und ich haben da ziemliche ängste. erst seit kurzem bemerke ich auch hier eine gewisse öffnung und ein wenig mehr lockerheit. sprich, ich kann mittlerweile einem mann in die augen sehen.
ich habe körperliche berührungen auch sehr lange zeit gänzlich vermieden. wenn es dann dazu kam, ist es für mich oft sehr schwierig gewesen. schön habe ich es eigentlich noch nie gefunden. selbst umarmungen empfinde ich als unangenehm, obwohl ich sehnsucht danach habe. weinen nach dem sex kenne ich auch. die behandlung durch einen shiatsu-masseur, der massiv grenzüberschreitend war, hat in mir etwas sehr unangenehmes geweckt, was ich unter körpererinnerung eingeordnet habe und sehr lange spürbar war. auch seither nicht mehr ganz verschwunden ist.
meine sexualität, so sie denn vorhanden ist, kann ich jedenfalls unter ziemlich gestört einstufen.
ich habe prinzipiell große probleme, jemandem zu vertrauen, bin sehr misstrauisch. das grenzt manchmal schon an verfolgungswahn, was ich mir dann alles so ausdenke. das hat natürlich auswirkungen in meinem privat- und berufsleben.
ja, das sind so die kernpunkte. doch etwas ausführlicher geworden als ich dachte.
lg
ichbinich
|
_________________ werde der, der du bist (nietzsche) |
|
|
|
|
|