Aus der Tiefe schöpfen, anstatt darin zu ertrinken

neu an Bord! 4 Bayern W, 26

Hallo erstmal, wer immer das liest!
Um zu beginnen- und das ist bereits ein Teil meiner "Symptomatik"-, womöglich hätte ich diesen Beitrag einem anderen Thema anheften können. Jedoch ist genau das mein Problem: mein "Problem" zu beschreiben, ja, ernstzunehmen. Und dann auch die umfassende Energielosigkeit, sich in Themen zu vertiefen.

-Ich versuchs einfach mal so.
Eigentlich weiß ich auch gar nicht, was ich hier erreichen will.
Ich kämpfe seit gefühlten Ewigkeiten verzweifelt mit mir....an so vielen Fronten...nun habe ich bei einer Beratungsstelle des Studentenwerkes eine Kurztherapie (5 h) begonnen, und werde danach eine feste Therapiestelle suchen (o. hofftl. Hilfe bei der Suche danach bekommen).

Bereits jetzt habe ich allerdings schon gar keine Hoffnung, dass mir das Ganze was bringt...alles was ich momentan spüre, ist nur eine abgrundtiefe Erleichterung, denke ich an die bereits absolvierten 2 Stunden. Das ist, als müsste ich mich in diesem geschützten Raum mich endlich nicht wie Dreck fühlen, indem ich all den Dreck verbalisieren kann. Aber wirkliche Hoffnung? Nein.

Eines meiner Probleme: ich reflektiere mich zu Tode. Grüble. Ängstige mich. Über alles und jede Kleinigkeit, am meisten jedoch über mich. Und dazu kommen dann Schuldgefühle ob meiner Egozentrik. Ein teufelskreis. Und es kostet so viel Energie....
Nicht dass ich ein schwacher Mensch wäre, das hab ich bereits erkannt (so wie ich vieles schon erkannt habe- aber dann etwas zu ändern, ist ein komplett andres Paar Schuhe). Im Gegenteil-so schwer, wie ich es mir selbst immer mache, muss ich ganz schön zäh sein, es bis hierher geschafft zu haben. Es ist sehr ernüchternd, mittlerweile wirklich einiges über seine eigenen Verhaltensweisen, Denkweisen, und inneren Fallen herausgefunden zu haben- und dann aber mit allem Wissen sich einfach nicht umprogrammieren zu können, wenn auch nur nach und nach. Das funktioniert kein bisschen. Fazit: ich weiß wirkl. nicht, was ich erwarte, was ich noch hoffen soll?

Eine dieser bescheuertzen Denkweisen ist diese: eine Verinnerlichung, ich müsste es schwer haben, um mir irgendwas (seien es kleine materielle Dinge, oder auch Ideelles, wie Anerkennung, Freunde, Zuneigung) zu verdienen, ja, um mir "ES" zu verdienen, eine Daseinsberechtigung, irgendwie. Gleichzeitig: die Selbstvorwürfe. Ich strenge mich nicht genug an, bin nur schwach und selbstmitleidig, kann es mir kaum zugestehen, dass ich diese Hilfe in Form einer Therapie verdient habe.
Dinge die ich kann, die ich bereits erreicht habe, werden sofort wieder entwertet ("das war ja wohl das mindeste", "pures Glück"). Als mich mein Freund einmal gefragt hat, was ich denn wirklich gut könne, wusste ich ihm nichts zu sagen. Es hat mir regelrecht, und das war sehr seltsam, körperliche Schmerzen bereitet, diese Frage.

Ein weiteres Fragment: ich weiß, dass einiges in mir steckt. Ich hab mal einen Satz dafür gefunden: "Wenn ich nur aus meiner Tiefe schöpfen könnte, anstatt immer wieder darin zu ertrinken." Ich lebe nur einen winzigen Bruchteil meines Potentials aus. Der Rest bleibt unter der Oberfläche. Meinen Alltag dominieren Erschöpfung, ein diffuser Nebel im Kopf, permanente Schuldgefühle, u. die ewigen "Müssen´s". Alles ist ein Müssen. Nichts ist ein Vorwärtskommen, alles ein Hintersichbringen.

Stattdessen: Kompensationsversuche o. stumpfe Ablenkung, einfach nur abschalten u. sich von den bunten TV-Bildern zuballern lassen(was ich verabscheue; theoretisch bin ich begeisterte Leserin- doch der Nebel macht es mir unmöglich). Dass ich in zwei Monaten meine Diplomarbeit fertig haben muss, und noch zwei Prüfungen Anfang Februar macht alles nicht einfacher....

Nun hör ich erstmal auf...weiß gar nicht, was ich mir erwarte. Egal- allein das Formulieren hilft etwas...schafft Kontakt zu sich selbst, wenn man sich sonst so oft gar nicht spüren kann vor lauter...was weiß ich.

Herzl. Grüße,...
Cleo.

sporadischer Gast 9 DD W, 22

hallo cleome

ich habe gerade deinen text durchgelesen und finde die formulierung "aus der tiefe schöpfen, anstatt darin zu ertrinken" echt schön.

einige deiner probleme kann ich gut nachvollziehen.
bevor man sich zu einer therapie aufrafft, muss vorerst der schritt getan werden, sich selbst und seine problematik ernstzunehmen. daran scheitern viele. ich finde es also gut, das du diesen schritt schonmal getan hast.

dann muss man natürlich sein vertrauen in die hände des therapeuten legen... eine sache, die mir persönlich große schwierigkeiten bereitet. und damit verbunden die hoffnung, das derjenige helfen kann. ..
es tut gut zu reden, die gedanken und schwierigkeiten in worte zu fassen und zu merken, das jemand (zwangsweie, auf grund seines berufs) zuhört.
aber auch wenn das nicht viel ist - es kann helfen. zumindest bin ich dieser meinung.

ach ja.. die erkenntnis. ich habe auch schon vieles erkannt. warum bin ich so? wieso verhalte ich mich in dieser situation so und in jener anders?
aber hat das geholfen? nicht wirklich.. und das ist wirklich gemein. zu wissen, was man falsch macht, aber es nicht ändern zu können...
tantalosqualen sozusagen...

du denkst also, du hast keine daseinsberechtigung verdient?
naja... meine gedanken gingen auch mal in eine ähnliche richtung.. ich würde das mal als ein extremes selbstunwertgefühl bezeichnen.

hmm.. das fernsehen ist wirklich perfekt, um abzulenken.. man kann völlig passiv sein, muss sich keine gedanken machen.. eine wirklich verlässliche methode, um nicht nachdenken zu müssen.

ich konnte dir nicht helfen.. aber du siehst, es geht mir ähnlich.
und wenn du schon die erkenntniss gewonnen hast, das dir das formulieren deines textes geholfen hat, dann kannst du vielleicht den folgenden therapiegesprächen etwas hoffnungsvoller entgegensehen
Wink

lg vom trauerklößchen

Forums-InsiderIn 389 Mönchengladbach M, 28

Quote:

Dinge die ich kann, die ich bereits erreicht habe, werden sofort wieder entwertet ("das war ja wohl das mindeste", "pures Glück"). Als mich mein Freund einmal gefragt hat, was ich denn wirklich gut könne, wusste ich ihm nichts zu sagen. Es hat mir regelrecht, und das war sehr seltsam, körperliche Schmerzen bereitet, diese Frage.

Hast Du vor einiger Zeit einen Menschen verloren, der Dir sehr nahe stand?

Ich hatte nämlich nach dem Tod meines Bruders ähnliche Gedankengänge.

Es fing damit an, daß ich eine 1er Klausur zurückbekam, kurz nachdem er gestorben war. Ich konnte mich nicht mehr darüber freuen, auch über geschenke nicht mehr, denn ich hatte das gefühl, sie nicht verdient zu haben.

lG,
Alex

Helferlein 118 Niedersachsen W, 22

Hallo,

@Alex:

Quote:

denn ich hatte das gefühl, sie nicht verdient zu haben.

weil Du Dich schuldig gefühlt hast? (woanders habe ich gelesen, dass Dein Bruder sich das Leben genommen hat, was mir sehr leid für Dich tut)

@Cleome:
ich hatte Deinen Text schon am Erstellungstag gelesen und fand ihn sehr gut. Ich weiß nur nicht, was ich darauf antworten soll, er ist ein guter Beitrag "zum Durchlesen", finde ich. Etwas zum Drübernachdenken.
Bei mir persönlich ist es so, dass mich dieser Gedanke "aus der Tiefe schöpfen/von ihr profitieren, anstatt darin zu ertrinken (wobei ich persönlich für mich das Wort "ersticken" lieber wähle)" schon länger beschäftigt.
Ich habe sehr starke Gefühle, auch Ängste und arbeite gerade daran, mich ihnen zu stellen, sie zu reflektieren und sie zu nutzen, anstatt vor ihnen wegzulaufen. Denn irgendwie wird alles nur größer und schlimmer, wenn man davor weglaufen will. Dann holt es einen doch ein. Also denk ich mir: vorher hol lieber ich es ein...

Forums-InsiderIn 389 Mönchengladbach M, 28

Quote:

weil Du Dich schuldig gefühlt hast? (woanders habe ich gelesen, dass Dein Bruder sich das Leben genommen hat, was mir sehr leid für Dich tut)

Ja, weil er die letzten drei Wochen in der Klinik war, und ich nicht so oft da war. Ich hatte das aber extra so gemacht, weil ich dachte, er reißt sich dann am Riemen und arbeitet an sich, damit er wieder raus kommt.

neu an Bord! 4 Bayern W, 26

Liebes Trauerklösschen, Alex, Zwielicht:

So ein Mist aber auch, jetzt habe ich gerade eine ellenlange Antwort/Reaktion geschrieben, und der Browser schmeisst mich raus.
Ich will nachher versuchen, nochmal meine gedanken dazu zusammenzukriegen.
Als fiele es mir nicht ohnehin schwer genug, etwas greifbares zu erfassen.
"Sie fliegen vorbei, wie nächtliche Schatten".

Liebe Grüße einstweilen...

Forums-InsiderIn 389 Mönchengladbach M, 28

Deswegen markier ich vorm Abschicken immer alles und Drück auf STRG-C, damit es im Speicher bleibt. Falls es nicht geschickt wird, kann man es dann mit STRG-V erneut einfügen.

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