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kunigunde
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Post Mon, 25.Dec.06, 14:03      Wie umgehen mit Sozialphobiker? Reply with quoteBack to top

Ich habe lange überlegt wo und wie ich mein Problem hier darlegen soll, habe in einem anderen Beitrag schon von meinem schlechten Gewissen meinem (Ex-)Lebensgefährten gegenüber berichtet. Ich wollte, dass er auszieht weil ich es nicht mehr ausgehalten habe, dass er an meinen sozialen Kontakten keinen Anteil genommen hat, ist mir auch wirklich nicht leicht gefallen diese Trennung durchzuziehen. Menschlich gesehen ist er mir (immer noch) wertvoll aber sein Verhalten konnte ich mit der Zeit nicht mehr akzeptieren.

Durch Zufall habe ich eine TV-Sendung über Sozialphobie angeschaut und mich dann im Internet über diese Phobie informiert. Erstmals habe ich begriffen, dass mein Ex an einer Sozialphobie leidet und es nicht einfach nur Desinteresse mir gegenüber war. Bislang hatte ich keine Ahnung von dieser Krankheit und konnte sein Verhalten auch nicht verstehen weil ich mich selbst doch pudelwohl unter Bekannten, Freunden, Familie, ... fühle und spontane oder geplante Feiern sehr lustig und unterhaltend finde. Anfangs ist er mir zuliebe (das hat er auch gesagt) mitgegangen, meist aber nach kurzer Zeit gegangen. Mit den Jahren ist es immer schlimmer geworden bis er die letzten Jahre jeglichen Kontakt zu "meinen" Leuten vermieden hat. Mir gegenüber hat er erklärt, dass ich ihn doch nur vorführen will und an allen und jedem hatte er etwas auszusetzen. Das tat mir weh und Streit war vorprogrammiert. Dabei wollte ich doch nur gemeinsam mit ihm und Bekannten/Verwandten etwas erleben. Ich konnte mit ihm später nicht mehr über "meine" Leute sprechen, sie wurden für ihn nur mehr zu Namen.

Also habe ich mein Leben zweigeteilt, eines mit ihm in dem er mir versicherte, dass man doch niemanden braucht außer dem Partner, und ein zweites, indem ich Kontakte pflegte und quasi als Single auftrat. Das ging so lange, bis ich nervlich völlig am Ende von ihm verlangt habe, dass er ausziehen soll, was er auch getan hat.

Vielleicht ein paar Beispiele um zu verdeutlichen was ich meine:
Nach ewig langer Zeit hat er sich bereit erklärt gemeinsam mit mir meiner Mutter einen Besuch abzustatten, inkl. Mittagessen. Im Vorfeld hat er allerdings einige Bedingungen gestellt unter andern nur!! meine Mutter, er und ich, sonst niemand. Es kam aber, dass mein Bruder anrief und er kurzfristig zum Essen kam. Nach regelrecht fluchtartigem Aufbrechen habe ich mir Vorwürfe anhören müssen, wir hätten meinem Bruder absagen sollen.
Ein anderes Mal kündigte sich eine Freundin zu einem Kurzbesuch an, worauf er eine viertel Stunde vorher die Wohnung verließ und später per Handy nachfragte, ob sie schon weg wäre.
Bei Besuchen von Familienmitgliedern und Freunden blieb er im Arbeitszimmer und begrüßte sie nicht einmal, nur wenn diese zu ihm kamen, wobei er sich aber jedesmal unhöflich wortkarg und ablehnend zeigte.
Meine Schwester berichtete mir mehrmals, dass sie es unangenehm empfand, dass er sie beim Sprechen nicht ansah.
In unvermeidlichen Situationen benützten wir zwei Autos, damit er früher gehen konnte.

Es gäbe noch tausend andere Situationen zu berichten. Unser Kontakt jetzt beschränkt sich auf ein paar Handysms in denen er meist schreibt, dass er mich bzw. die Katzen vermisst. Was soll ich davon halten? Klar vermisst er mich, ich ihn eigentlich auch. Aber eine Wiederannährung ist für mich unter diesen Umständen kaum möglich. Ich könnte nicht wieder dort weiter machen wo wir aufgehört haben, würde auch nichts ändern. Habe ich ihn jetzt sozusagen in den Abgrund gestürzt, ihm sozusagen den letzten Rest an Sicherheit und Glauben an die Menschheit genommen?
Ist es überhaupt möglich mit ihm soweit in Kontakt zu bleiben, dass ich ihm eine Hilfe wenigstens in Alltagsangelegenheiten sein kann? Könnte ich ihm irgendwie klar machen, dass er professionelle Hilfe braucht oder würde er das von mir nur ablehnen?
Auf keinen Fall könnte er wieder bei mir einziehen, nicht so, nicht wenn ich wieder zwei Leben führen müsste.
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Nachtvogel
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Post Mon, 25.Dec.06, 19:33      Re: Wie umgehen mit Sozialphobiker? Reply with quoteBack to top

kunigunde wrote:

Habe ich ihn jetzt sozusagen in den Abgrund gestürzt, ihm sozusagen den letzten Rest an Sicherheit und Glauben an die Menschheit genommen?
Ist es überhaupt möglich mit ihm soweit in Kontakt zu bleiben, dass ich ihm eine Hilfe wenigstens in Alltagsangelegenheiten sein kann? Könnte ich ihm irgendwie klar machen, dass er professionelle Hilfe braucht oder würde er das von mir nur ablehnen?
Auf keinen Fall könnte er wieder bei mir einziehen, nicht so, nicht wenn ich wieder zwei Leben führen müsste.


Schwer zu sagen so als völlig Aussenstehende, die weder ihn noch dich kennt ... . Ich kenne aus meiner eigenen Familie auch einen Fall, in der der "Sozialphobiker" nach dem Tod des Ehepartners ganz alleine war und dann im Laufe eines Jahres ein wenig Kontakt zu Leuten gesucht hat. Nicht so viel, wie man es "normal" kennt, aber doch ein Treffen jeweils in ein paar Monaten. Ich hatte mir sehr grosse Sorgen gemacht, doch er scheint das jetzt fuer sich selbst geregelt zu bekommen.
Mag sein, dass eure Trennung ähnlich funktioniert, ihn also auf lange Sicht eher aktiviert als in den Abgrund stuerzt. Solange er dich hatte, brauchte er ja auch niemand anders zu treffen, er hatte ja jemanden zuhause.
Vielleicht reagiert er aber auch anders, keine Ahnung. Ich wuerde ihn mal fagen.
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kunigunde
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Post Wed, 27.Dec.06, 13:47      Re: Wie umgehen mit Sozialphobiker? Reply with quoteBack to top

Es ist vielleicht für manche nicht zu verstehen, warum ich gerade wo die Beziehung geendet hat, mich mit ihm und seinen Problemen auseinandersetze aber ich möchte verstehen lernen um mich und mein Handeln selbst besser zu begreifen. Ich hatte immer das Gefühl, dass er sich in Gegenwart anderer minderwertig vorkommt, versucht sich vor anderen zu schützen, versucht möglichst wenig von sich preiszugeben. So hat er sich auch zum Teil mir gegenüber verhalten.

Nachtvogel wrote:

Mag sein, dass eure Trennung ähnlich funktioniert, ihn also auf lange Sicht eher aktiviert als in den Abgrund stuerzt. Solange er dich hatte, brauchte er ja auch niemand anders zu treffen, er hatte ja jemanden zuhause.
Vielleicht reagiert er aber auch anders, keine Ahnung. Ich wuerde ihn mal fagen.

Danke für deine Antwort. Kann schon sein, dass es ihn motiviert aber ich kann nicht einfach sagen, ich glaube du leidest unter einer sozialen Phobie und du solltest professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.
Als er ausgezogen ist habe ich gesagt, er wird vermutlich mit der Zeit den Kontakt zu mir abbrechen, womit ich (leider) auch recht behalten habe. Er zieht sich in sein Schneckenhaus zurück.
Kann schon sein, dass er einige kurze, eher sexuelle, Kontakte pflegt. Er ist im Sozialbereich tätig und da dürfte es auch im sozialen Bereich funktionieren aber privat hatte und hat er sicher auch jetzt keine Freunde. Es gab bei ihm immer nur Kurzbekanntschaften, eher zu Frauen, die er dann von sich aus relativ bald versanden hat lassen. Mich hat das immer verwirrt, wie kann jemand, der beruflich damit zu tun hat privat so entgegengesetzt sein?

Hier im Forum sind einige die an dieser Phobie leiden. Eine Trennung löst fast immer eine Krise aus, das verstehe ich aber wird es mit der Zeit möglich sein, dass er mein Handeln versteht? Ich habe mir gewünscht, dass wir in Kontakt bleiben können. Egoistischer Weise wollte ich mein Leben in dem auch meine Freunde / Familie eine wichtige Rolle spielen wieder in den Griff bekommen. Durch seinen sozialen Rückzug sind auch meine Freunde verunsichert worden.
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Hormic
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Post Sat, 06.Jan.07, 1:12      Re: Wie umgehen mit Sozialphobiker? Reply with quoteBack to top

ich glaube schon, dass er dein handeln sehr gut versteht, wenn er sich selber halbwegs ehrlich analysiert.

und auch glaube ich, dass du richtig erkannt hast, wo das problem liegt, nämlich sich minderwertig in gegenwart anderer zu fühlen bzw. so starke ängste innerlich in solchen situationen aufzubauen, dass ein normales ungezwungenes gespräch in gesellschaft gar nicht mehr möglich ist.

ich selber hab mich heute hier angemeldet, weil ich auch erst vor ein paar tagen zu der vollen erkenntnis gekommen bin, dass auf mich obiges auch voll zutrifft.
wenn ich in gesellschaft bin, in der ich mich nicht hundertprozentig wohl fühle (also wenn personen dabei sind, die ich nicht kenne, am ärgsten natürlich wenn es frauen sind), dann baut sich eine dermassen ängstliche spannung im magen auf, die meine ganze energie absorbiert, sodass ich gerade noch in der lage bin, einzelne wörter rauszupressen.
dazu kommt dann noch die verkrampfte haltung und die empfindung überall anders auf dieser erde sein zu wollen, nur nicht hier.
dass das auf aussenstehende dann schroff und wortkarg wirkt, steht ausser frage.
woran das liegt, ist wohl im detail verschieden, aber im prinzip denke ich ist es so, dass man mit sich selber nicht zufrieden ist und deswegen minderwertigkeitsgefühle aufbaut, die dann in gesellschaft zutage treten.


was er jetzt daraus macht, kann man wohl nur beurteilen wenn man ihn besser kennt. entweder er rafft sich auf und versucht seine ängste zu ergründen sich damit zu konfrontieren und zu überwinden, oder er bleibt in dem loch (in welchem er momentan sicher ist, da er nachdem was du geschrieben hast, mit dir seine letzte 'vertrauensperson' verloren hat, in deren gegenwart er sich sicher und geborgen gefühlt hat).
eines ist jedenfalls sicher, in diesem zustand eine neue partnerin zu finden, halte ich für fast unmöglich. (bezieht sich auf mich Wink, keine Ahnung ob das bei ihm auch zutrifft)
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kunigunde
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Post Sat, 06.Jan.07, 18:23      Re: Wie umgehen mit Sozialphobiker? Reply with quoteBack to top

Hormic wrote:
ich glaube schon, dass er dein handeln sehr gut versteht, wenn er sich selber halbwegs ehrlich analysiert.

Einerseits glaube ich, dass er mein Handeln versteht, andererseits war ich jahrelang für ihn da, habe zwischen der sozialen Umwelt und ihm vermittelt und ihn auch be-/ge-schützt. Angefangen von Ausreden warum er nicht mitgekommen ist bis dahin, dass ich fast nie jemanden eingelanden habe.
Er brachte mich auch oft in peinliche Situationen, denn war jemand da, dann hat er sich im Zimmer nebenan verschanzt, zeitweise sogar die Mahlzeiten dort eingenommen und waren wir eingelanden, dann hat er dort schweigend gegessen, um nach dem letzten Bissen sofort zu verschwinden.
Mit dieser Verhaltensweise hat er aber die Aufmerksamkeit erst recht auf sich gelenkt. So mancher Gast oder Gastgeber war beleidigt oder vor den Kopf gestoßen, da er nicht einmal die grundlegensten Höflichkeitsformen eingehalten hat.

Mit den Jahren habe ich schon bemerkt, dass er sich in Gesellschaft anderer nicht wohl fühlt aber ich kann mir bis heute nicht erklären wovor er wirklich Angst hat, was ihn so verunsichert. Wenn ich ihn fragte hat er immer abgeblockt, auch ich konnte da nichts aus ihm herausbringen.

Gleich zu Anfang unserer Beziehung hat er ca. ein Jahr lang eine Therapie gemacht und mir gesagt, er mache das nur wegen mir. An dem habe ich sehr lange genagt, denn wenn man frisch verliebt hört, der Partner braucht wegen mir eine Therapie, da beginnt man doch relativ bald an sich zu zweifeln.
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