Author |
Message |
CryingFlower
Helferlein
61
Ruhrgebiet W, 25
|
Fri, 22.Dec.06, 22:47 Kann keine Nähe zulassen |
|
Hallo,
ich bin seit drei Jahren wegen Depressionen in Therapie, habe eine ziemlich besch...eidene Verwandtschaft und auch von meinen Eltern nie erfahren, was Liebe und körperliche Nähe sind. Beziehungen kann man bei mir auch vergessen.
Ich studiere noch und habe seit einem halben Jahr im Büro eines bekannten Unternehmens einen 20 Stunden-Job. Mittlerweile komme ich in meiner Abteilung besser klar, aber vieles ist dort sehr oberflächlich, man kriegt null Unterstützung und gewisse Leute zeigen gerne, daß sie dort fest angestellt sind, ich aber nur die "blöde" studentische Aushilfe bin, obwohl ich meine Arbeit sehr gut mache und in manchen Bereichen am Rechner mindestens genauso gut bin wie andere, die das seit Jahren machen.
Einzige wirkliche Ausnahme ist für mich eine bestimmte Kollegin, mit der ich sehr eng zusammen arbeiten muß (was ich auch gerne tue). Sie ist 42, war aber sofort per du mit mir (was in der Abteilung nur teilweise üblich ist). Sie ist immer nett, spontan, schlagfertig, witzig, genau der Humor, der mir gefällt. Sie lobt meine Arbeit, läßt mir überall freie Hand, vertraut mir und ist sich auch nicht zu schade, die "blöde Aushilfe" um Rat zu fragen - alles Dinge, die für mich bis dahin relativ unbekannt waren. Als ich Geburtstag hatte, war es auch sie, die für mich etwas arrangiert hat.
Weihnachten kam mir daher gelegen, mich mal bei ihr zu bedanken. Diese Woche (wir haben jetzt beide 2 Wochen Urlaub) habe ich ihr eine Kleinigkeit mitgebracht inklusive einer Karte, auf der ich mich dafür bedanke, daß sie mich nimmt, wie ich bin (bin ich auch nicht gewohnt, zumindest der Spruch, warum ich denn so ruhig bin, kommt meist immer, wenn man mich nicht sofort deswegen für unterbelichtet hält), daß sie die einzige auf der Arbeit ist, die mir hilft usw. Ich hatte ja schon gehofft, daß meine Kollegin sich darüber freut, aber sie fing dann erstmal an zu heulen, hat sich 100x bedankt, mich umarmt etc. Ich war echt erstaunt... überfordert, aber das war nicht schlimm, meine Kollegin hat ja die ganze Zeit gequatscht und sich immer wieder bedankt Sie meinte später, sie wollte mich mal zum Frühstück einladen, was ich geschickt umgangen habe mit einer blöden Ausrede. Noch später saß ich wieder bei der Arbeit und ich habe auf einmal nur noch Ekel empfunden vor dieser Nähe, die sie mir öfter, vor allem an diesem Tag gegeben hat, vor der Nähe, die ich ihr gegeben habe und vor ihrer Freude. Meine Thera meinte, das wäre nur ein Zeichen meiner Überforderung, weil ich eine solche Akzeptanz und Nähe generell eher selten gewohnt bin und erst recht nicht so eine emotionale Reaktion auf ein emotionales "Bekenntnis" von mir. Daß ich Ekel empfunden habe, war für mich das erste Mal (aber so eine emotionale Gegenreaktion auch), aber es stimmt schon, daß ich mir immer Nähe wünsche, sie oft nicht bekomme oder aber, wenn ich sie bekomme, diese nicht ausleben kann/will und mich zurückziehe. Ich will diese Bekanntschaft aber nicht wieder im Sande verlaufen lassen, ich würde sie gerne zu mehr (d.h. Freundschaft) ausbauen, weiß aber nicht wie... Ich frag mich eh immer, was meine Kollegin an mir findet, ich bin das Gegenteil von ihr. Ihre Einladung zum Frühstück hat sie später übrigens nochmal wiederholt... ich fürchte, sie will bald auch mal wissen, was mit mir los ist, da ich schon mehrmals Andeutungen wegen meiner Probleme gemacht habe. Ich würde ihr auch davon erzählen, will sie damit aber nicht vergraulen. Jetzt, wo wir beide zwei Wochen Urlaub haben, wünsche ich mir ihre Nähe, aber wenn wir uns wiedersehen, wünsche ich mir wahrscheinlich wieder Distanz, wie immer. Das gleiche Verhaltensmuster lege ich eigentlich auch bei meinen Freunden und meiner Thera an den Tag... Wie kann ich dagegen angehen?
LG, CryingFlower
|
|
|
|
|
Werbung |
|
Finchen187
Helferlein
59
Lübeck W, 18
|
Sat, 30.Dec.06, 1:11 Re: Kann keine Nähe zulassen |
|
hallo crying flower,
dieses verhaltensmuster kommt mir bekannt vor: nur keinen zu nah an mich heranlassen ... bei mir ist es so, dass ich angst habe, meine person nicht mehr von der anderen abgrenzen zu können, angst, die andere person wird mich zurückweisen etc.
ist das bei dir auch so ?
freue mich für dich, dass du so eine nette bekannte getroffen hast, die es dich wirklich zu mögen scheint.
vllt. ist es das, was dir angst macht und dir ekel bereitet, diese unerwartete ehrlich gemeinten gefühle in bezug auf deine person.
kenne das, wenn es jemand wirklich ernst meint, ist zwar unterschwellig freude vorhanden aber auch eine art unwohlsein und abscheu vor so vielen gefühlen, die diese person ausdrücken kann, man selbst aber nicht.
vllt. kannst du, wenn du merkst, dass du aus einer beziehung flüchten willst, dir die ganzen vorteile dieser beziehung für dich selbst vor augen führen:
was dir diese beziehung gibt; ob du es nicht wagen kannst einen schritt in die beziehung zu machen und was dir denn schon verloren gehen könnte; indem du dich z.B. fragst, wie es dieser person geht, wenn du sie zurückweist ; indem du dir bewusst machst, dass du nichts verlierst, sondern eher mehr dazu gewinnst ... ?
hoffe, dass ich dir helfen konnte ... viel mut ...
guten rutsch!
LG
Finchen
|
|
|
|
|
CryingFlower
Helferlein
61
Ruhrgebiet W, 25
|
Sat, 30.Dec.06, 11:19 Re: Kann keine Nähe zulassen |
|
Hallo Finchen,
danke für deine Antwort.
Angst, mich nicht mehr abgrenzen zu können, habe ich eigentlich nicht, Angst vor dem Zurückweisen schon. Daß mich meine Bekannte jetzt schon so nimmt, wie ich bin, find ich zwar (tief in mir drin) schön, aber dann denke ich: sie kennt dich ja bis jetzt trotzdem nur oberflächlich - was ist, wenn du ihr richtig etwas von dir erzählst, deinen Problemen oder nur deinen Ansichten, die andere ja schon "komisch" finden (wobei ich nicht weiß, was an mir komisch ist, nur weil ich Ansichten, Hobbies etc. habe, die halt nicht jeder Zweite hat), wenn du deine Maske richtig fallen läßt? Diese Angst vor Zurückweisung geht eigentlich so weit, daß ich mir jetzt schon teilweise einrede, daß mir meine Bekannte diese Freundlichkeit (ich kann immer zu ihr, sie lobt meine Arbeit, sie findet mich intelligent usw. - also vieles, was ich so nie oder kaum gekannt habe) mir gegenüber nur vorspielt. Dabei hat sie mir bislang null Anlaß dazu gegeben. Allein auf Grund ihrer Person (sofort mit allen in Kontakt, witzig, schlagfertig...), die ja erstmal gar nichts mit meiner zu tun hat, schließe ich darauf, weil meine bisherigen Erfahrungen halt so aussahen, daß die meisten Personen mit einer oder mehrerer dieser Eigenschaften ablehnend auf mich reagiert haben. So ähnlich geht es mir manchmal auch mit meiner Thera, nicht ganz so, es ist noch etwas anderes, aber was gleich ist, ist diese plötzliche Wut, die ich auf beide habe, weil ich mir bei meiner Kollegin denke, sie spielt nur, und bei meiner Thera, sie macht es nur für Geld. Ich führe dann quasi einen Monolog mit mir, an dessen Ende ich erstmal total wütend auf die beiden bin, obwohl real ja gar nichts vorgefallen ist. Kennst du das?
Quote: | was dir diese beziehung gibt; ob du es nicht wagen kannst einen schritt in die beziehung zu machen und was dir denn schon verloren gehen könnte; indem du dich z.B. fragst, wie es dieser person geht, wenn du sie zurückweist ; indem du dir bewusst machst, dass du nichts verlierst, sondern eher mehr dazu gewinnst ... ? |
Ich habe immer eine gewisse Angst davor: ich merke z.B. gerade, daß ich anfange, an meiner Kollegin zu hängen, d.h. sie richtig zu mögen, halt mehr als jemanden, der einen nichts bedeutet. Ja, genau, sie fängt an, mir etwas zu bedeuten. Bevor ich dann den nächsten Schritt auf sie zu mache, denke ich, sie reagiert sowieso ablehnend, und mache den nächsten Schritt erst gar nicht. Verstehst du? Ziemlich blöd von mir... Manchmal frage ich mich, wie ich auf diese Weise überhaupt Freunde finden konnte, aber wie gesagt, selbst gegenüber diesen merke ich auch immer wieder meine Distanz. Ich glaube, nur in der Therapie gelingt es mir manchmal, diese Distanz (dann zu meiner Thera) zu überbrücken und ganz derjenige zu sein, der ich wirklich bin. Alles andere kommt mir so oft wie Schauspierelei vor, obwohl ich wahrscheinlich schon ehrlicher auftrete als die meisten anderen (kommt mir jedenfalls so vor).
Dir trotzdem auch erstmal einen guten Rutsch!
LG,
CryingFlower
|
|
|
|
|
Finchen187
Helferlein
59
Lübeck W, 18
|
Sat, 30.Dec.06, 16:48 Re: Kann keine Nähe zulassen |
|
hallo crying flower,
ja, habe auch diese angst vor zurückweisung: denke, dass wenn mich jemand wirklich kennen würde, mich nicht mögen kann ...
ich glaube das kommt bei mir evtl. daher, dass ich früh gelernt habe, dass es besser ist manche eigenschaften von mir zu verbergen und mich zu verstellen, da ich sonst noch weniger beachtung und zuneigung von meinen eltern erfahren hätte ... jedoch gilt dann die anerkennung nicht mir sondern meinem "falschen" ich ... mein wirkliches ich ist verborgen, verunsichert und kommt nur sehr langsam hervor, da ich es zum schutz, als so eine art überlebensmechanismus, zurückhalte ... und es braucht viel mut und übung, um andere erfahrungen zu machen, nämlich: dass es nicht schlimm ist so zu sein wie man ist ...
ich finde es auf keinen fall dumm, wenn du den ersten schritt noch nicht gemacht hast, sondern auf grund deiner früheren erfahrungen mit beziehungen eher verständlich, dass du da erst vorsichtig bist.
vllt. kannst du aber durch diesen schritt in die beziehung zu deiner kollegin lernen, dass es nicht schlimm ist du selbst zu sein und evtl. erfahren, dass du auch so akzeptiert wirst wie du bist ...
kenne auch das gefühl, dass die anderen nur schauspielern (vllt. da ich selbst auch eine art fassade aufgebaut habe ...??), da ich schon oft erfahren habe, wie oft menschen lästern und schlecht über andere reden ... diese kontakte bleiben aber meist nur oberflächlich ...
da du deine kollegin aber schon recht lange kennst und sie dich sogar gerne öfter sehen möchte, scheint sie dich wirklich zu mögen und die beziehung ernst zu nehmen ... hast da echt glück!
schön, dass du dich in der therapie öffnen kannst ... wie has du die vertrauensbasis zu deiner therapeutin aufgebaut ?
kenne das gefühl der wut und dass si alles nur wegen dem geld macht, es behindert mich aber oft in der therapie, da ich kein vertrauen finden kann ...
hätte aber letztendlcih ein schlechtes gewissen, ihre hilfe anzunehmen, ohne ihr etwas (finanzielles) von mir zu geben... außerdem hätte sie den beruf denn ergriffen, wenn sie wirklich nicht helfen wollte ...?
habe nur angst, dass sie mich nicht mag und ich sie langweile bzw. lästig werde ... und bin eifersüchtig auf andere patienten, da sie die evtl. mehr mögen könnte ... weiß nicht ob das so realistisch ist ...
viel mut bei deinem ersten schritt ...
liebe Grüße
Finchen
|
|
|
|
|
Werbung |
|
CryingFlower
Helferlein
61
Ruhrgebiet W, 25
|
Sat, 30.Dec.06, 19:38 Re: Kann keine Nähe zulassen |
|
Hallo Finchen,
Quote: | ja, habe auch diese angst vor zurückweisung: denke, dass wenn mich jemand wirklich kennen würde, mich nicht mögen kann ... |
Denke ich auch, nur andererseits, wenn ich mich zurückziehe und nichts von mir preisgebe, macht es mich ja auch nicht intressanter...
Quote: | ich glaube das kommt bei mir evtl. daher, dass ich früh gelernt habe, dass es besser ist manche eigenschaften von mir zu verbergen und mich zu verstellen, da ich sonst noch weniger beachtung und zuneigung von meinen eltern erfahren hätte ... jedoch gilt dann die anerkennung nicht mir sondern meinem "falschen" ich ... |
Ich habe mich diesbezüglich zum Glück nicht von meinem Vater verbiegen lassen, der meint, daß seine Interessen die einzig wahren sind und alles andere und alle anderen sind sch... Ich habe aber durch die Therapie gemerkt, daß er mir selbst, wenn ich gehandelt hätte, wie er es fordert, auch nie seine Anerkennung bekommen hätte. Es geht gar nicht darun, daß er einen klaren Standpunkt hätte, den ich nur vertreten müßte - ich könnte tun, was ich will, es wäre immer das falsche. Was heute gut ist, ist morgen schlecht.
Zum Rest in meiner PM.
LG,
CryingFlower
|
|
|
|
|
|
|