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Zauberfrau
neu an Bord!
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NRW W, 49
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Fri, 15.Dec.06, 1:34 Mein Psychotherapeut verstorben |
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Hallo,
vor eineinhalb Jahren begann ich meine Therapie. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten faßte ich großes Vertrauen zu meinem Therapeuten und eine Woche, in der ich keinen Termin hatte, war für mich eine Verlorene. Nach einem Jahr Therapie ging es mir schon wesentlich besser, obwohl mir der Therapeut nie das Gefühl gab, mich zu therapieren. Anfang September, als er von seinem Urlaub zurückkam, sagte er mir, dass er in seinem Urlaub einen Bericht über mich geschrieben habe. Da er nie auf meine Fragen einging, die ich bzgl. seiner fachmännischen Einschätzung zu meinem *Fall* hatte, war ich natürlich sehr neugierig und bat um eine Kopie. Er war sichtlich amüsiert, als ich ihm sagte, dass ich mit einem Textmarker alles kennzeichnen würde, wo er falsch liege und wir dann darüber reden müßten. Ich habe oft mit ihm gelacht und manchmal hatte ich das Gefühl, er freue sich auf die Stunde genauso wie ich. Natürlich gab es auch Stunden, die nicht so heiter waren! Das waren die Gespräche, in denen er sehr viel über ich erfahren hat.
In der nächsten Woche sollte ich also diesen von ihm geschriebenen *Befund* erhalten und ging neugierig und gutgelaunt an diesem Morgen in die Praxis. An der Tür hing ein Zettel, den ich zig Mal fassungslos durchlas. Die Praxis war geschlossen, weil mein Therapeut an diesem Morgen vor seiner Praxistür tot zusammenbrach. Er war Anfang 50. Auf dem Rückweg und den ganzen Tag habe ich nur geweint. Ich hatte das Gefühl, er hat mich verlassen. Ich war todtraurig und wütend zugleich und dachte, das kann er doch nicht machen! Das war Anfang September und meine Traurigkeit läßt nicht nach. Ich fühle mich hilflos und irgendwie betrogen, dass die Therapie, die mir so gut tat, plötzlich und ohne Vorwarnung zu Ende war. Ich fühle mich mal wieder verlassen! Ich vermisse diese Gespräche, die ich mit keinem anderen Menschen in der Art führen konnte und kann.
Ich habe eine Überweisung für einen Kollegen meiner Wahl bekommen und habe es bis heute nicht geschafft, bei irgendwem eine neue Therapie zu beginnen. Alles wieder von vorne? Das Ganze nochmal? Einerseits glaube ich nicht, dass ich das schaffe, andererseits befürchte ich, ohne Therapie irgendwann wieder da zu stehen, wo ich vor eineinhalb Jahren war. Deutliche Anzeichen sind schon da und ich rutsche Richtung schwarzes Loch! Ich glaube auch nicht, dass ich nocheinmal das Vertrauen zu einem Therapeuten haben könnte, das ich *meinem* entgegengebracht habe. Er hinterläßt in mir eine riesige Lücke. Sein Bericht wurde mir nach mehrmaligem Nachfragen in der Praxis übrigens nicht ausgehändigt, weil angeblich nicht auffindbar.
Hat jemand von euch das auch schon erlebt und kann nachvollziehen, was in mir vorgeht?
Sorry, ich mußte das mal los werden - Danke fürs Lesen!
Gute Nacht wünscht Zauberfrau
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_________________ Gar nicht verrückt ist auch nicht normal |
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Pepperoni
Helferlein
100
München, BRD W, 28
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Fri, 15.Dec.06, 2:31 Re: Mein Psychotherapeut verstorben |
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hallo!
nein, mir ist das noch nicht passiert, aber ich fühle mit dir! kann ich verdammt gut nachvollziehen, wie schwer das für dich ist:
1.weil ein mensch, der dir nahestand, den du sehr gemocht hast, gestorben ist.
2. weil es eh ein verdammt schwerer schritt ist, überhaupt erstmal zu nem therapeuten zu gehen.
3. weil es so wehtut, alles zu erzählen, was einen quält.
aber bedenke doch bitte:
1. zu ihm musstest du auch erst vertrauen entwickeln, das war auch nicht von anfang an da. aber du hast es geschafft
2. es schadet sicher nicht, wenn du alles ein zweites mal revue passieren lässt und nochmals erzählst - du hast sicherlich mittlerweile durch die therapie neue gedanken und gefühle entwickelt. ist doch auch spannend, oder?
3. die wahrscheinlichkeit ist hoch, dass dir der erstbeste nicht zusagen wird, sondern dass du erst suchen musst. das ist mühsam und kraftraubend, aber du sagst selbst, du spürst, wie du wieder abdriftest - ein leben im tief ist doch noch anstrengender, oder? das weißt du doch.
4. sieh es doch mal so: auch freunde kommen und gehen. du kannst keinen ersetzen durch einen neuen, es bleibt immer eine lücke, die nicht gefüllt werden kann und auch nicht soll. sieh einen neuen therapeuten nicht als ersatz! sieh ihn als einen neuen menschen auf deinem lebensweg an, der dir helfen will! vergleiche ihn nicht mit den alten!
5. sei ihm nicht böse, dass er gegangen ist ohne sich bei dir zu verabschieden! das wollte er sicher nicht so, aber man kann auf dieser welt sich nicht alles aussuchen. es war seine zeit. vll kannst du ihm ja in aller stille eine kleine abschiedszeremonie widmen? dich für dich bei ihm nochmal verabscheiden, ihn fragen, warum er gegangen ist, ihm auch sagen, wie wütend und enttäuscht du darüber bist usw. das klingt vll erstmal lächerlich, aber sowas hilft! er hätte sicher nicht gewollt, dass du dich jetzt hängen lässt! sei stark und gehe den weg weiter, den du mit so viel kraft und mühe und schmerz begonnen hattest!
6. dass du die aufzeichnungen nicht bekommst, hat - denke ich- damit zu tun, dass du sie a) nicht richtig verstehen würdest und b) vll falsches daraus lesen würdest. ich denke, ein arzt schützt seinen patienten auch davor. ausserdem ist es nicht sinn einer therapie, dass der therapeut dir sagt, was du hast und wie du denkst und was du machen musst. der schlüssel ist doch, dass er dir fragen stellt und du dir diese selbst beantwortest -mit seiner hilfe- und so selbst zu der erkenntnis und überzeugung kommst. er hilft dir dabei, dich selbst zu heilen.
ich kann dir aus meiner erfahrung sagen, ich habe 3 theras getestet - 1 mann und 2 frauen. der mann lag mir nicht, was aber an seiner ausstrahlung lag, nicht am geschlecht. die beiden frauen waren beide sehr nett und nach paar sitzungen hatte ich verrtauen zu ihnen gefasst. ich habe ihnen von anfang an gesagt, wie viel angst ich davor habe, mit ihnen zu sprechen. die wissen das doch auch. ausserdem testest du anfangs ja und erzählst noch nicht so intimes. das kommt erst nach und nach, wenn das vertrauen wächst, weil die wellenlänge stimmt.
es gibt sicherlich einen passenden arzt für dich. bitte lass dich jetzt nicht hängen! und deine angst und die schwierigkeiten wg. seinem tod- das kannst du denen doch sofort sagen, die nehmen dir das sicher nicht übel.
bedenke: entweder du gibst dir einen ruck und startest nochmal durch - auch wenn es sicher verdammt schwer ist- oder du wirst wahrscheinlich noch größere probleme bekommen, wie du ja bereits merkst - und der tod ist ja ein weiterer punkt, der deine seele belastet-zusätzlich zu deinem eigentlichen problem.
alles gute und alles liebe!
pepp
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Stöpsel2
Forums-Gruftie
917
Deutschland W, 35
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Fri, 15.Dec.06, 3:51 Re: Mein Psychotherapeut verstorben |
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Hallo Zauberfrau,
es tut mir leid, was Dir passiert ist. Ich kann mir vorstellen, wie fertig Dich das macht.
Warum rutschst Du in Richtung schwarzes Loch? Hauptsächlich, weil Du mit dem Schmerz, daß Du ihn verloren hast, nicht klarkommst oder aufgrund anderer Lebensumstände?
Es ist die Frage, ob es Dir hilft, jetzt woanders eine neue Therapie zu versuchen...
Ich weiß nicht, ob man nicht gerade in solch einer Situation viel mehr dazu neigt, mit dem früheren Therapeuten zu vergleichen und umso schmerzlicher wird man ihn vermissen. Das hängt bestimmt auch vom eigenen Typ ab. Aber vielleicht hilft es Dir, nicht eine Therapie zu machen, um die Probleme zu lösen, wegen denen du die Therapie bei ihm angefangen hast, sondern einfach, damit Du jemanden hast, der Dir hilft, mit Deiner Trauer umzugehen. Also, nicht jemand neues STATT ihm, sondern jemand, bei dem Du dich JETZT ausweinen kannst. Vielleicht erwächst daraus mehr, vielleicht auch nicht, dann ist es auch ok.
Ich denke, man braucht auch einfach Zeit, um zu trauern, um darüber einigermaßen hinwegzukommen. Man sollte sich diese Zeit auch zugestehen. Aber wenn es zu arg kommt oder zu lange dauert, sollte man irgendwann doch der Vernunft nachgeben und sich neue Unterstützung in Form von Therapie holen, wenn man bis dahin lieber alleine geblieben ist. Mit "der Vernunft nachgeben" meine ich nicht, daß Du aufhören sollst zu trauern (denn sowas wird einem dann ja häufig gesagt), sondern eben wirklich Dir Unterstützung suchen, die Dir hilft, mit Deiner Trauer besser umzugehen.
Hast Du denn Familie oder Freunde, die Dich etwas auffangen können?
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Jenny Doe
Forums-Gruftie
536
BRD W, 39
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Fri, 15.Dec.06, 7:44 Re: Mein Psychotherapeut verstorben |
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Hallo Zauberfrau!
Ich finde mich in den Gefühlen, die du beschreibst, wieder. Ich habe eine Therapeutin zwar nicht durch den Tod veloren, sondern anders. Siie war plötzlich weg, einfach weg und hinterließ ein große Lücke, ein tiefes Loch, Wut und Trauer.
Quote: | Ich glaube auch nicht, dass ich nocheinmal das Vertrauen zu einem Therapeuten haben könnte, das ich *meinem* entgegengebracht habe. |
Das hätte ich damals auch nicht gedacht und in den ersten Monaten nach dem Verlust hatte das auch tatsächlich nicht geklappt. Ich hatte einen neuen Therapieversuch gestartet, doch da ich mich noch nicht von meiner alten Thera innerlich verabschiedet hatte, klappte die Therapie nicht. Ich war nur damit beschäftigt meine neue Thera mit der alten zu vergleichen. Die neue hatte eigentlich gar keine Chance, denn sie war ja schließlich nicht wie meine alte Thera.
Ich musste erst innerlich einen Schlussstrich ziehen, bis ich mich wieder auf eine neue einlassen konnte.
Das ist ähnlich wie nach einer Beziehung, wenn man den Partner verliert durch Tod oder Trennung. Dann klappt das erst mal auch nicht, sich sofort wieder auf etwas Neues einzulassen. Nach einem Verlust kommt erst mal eine Zeit der Trauer und auch Wut darüber, dass der andere gegangen ist.
Quote: | Alles wieder von vorne? Das Ganze nochmal? |
Das habe ich auch gedacht. Aber als die Zeit für mich reif war und ich mich dann doch noch mal einließ, hmm, wie soll ich das erklären? Also, es war nicht das Gefühl "alles noch mal", denn ich begann die neue Therapie nicht so, wie ich meine alte Therapie begonnen hatte, sondern vom neuen Entwicklungsstand aus. Klar, Vertrauen aufbauen ist immer das gleiche, aber inhaltlich war die neue Therapie anders als die alte. Ich hatte nicht das Gefühl des "Noch mal alles das selbe". Es ar anders und auch ich war anders, hatte mich entwickelt und so.
Lass dir die Zeit, die du brauchst, setz Dich nicht unter Druck. Trauer und das Gefühl der wut, sind ganz normal und gehören - manchmal leider - irgendwie dazu. Irgendwann wird der Punkt kommen, wo Du wieder offen bist, wo Du das Bedürfnis verspürst, auch anderen Therapeuten Dein Vertrauen zu schenken und von anderen Therapeuten etwas anzunehmen.
Gruß und viel Kraft!
Jenny
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_________________ Forum für falsche (induzierte) Erinnerungen, erfundener Missbrauch und Fehldiagnose DIS:
www.induzierte-erinnerungen.com |
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Zauberfrau
neu an Bord!
3
NRW W, 49
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Sat, 16.Dec.06, 1:56 Re: Mein Psychotherapeut verstorben |
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Vielen Dank an euch! Ja, es ist richtig, ich brauche noch etwas Zeit und möchte erst eine neue Therapie beginnen, wenn mir klar geworden ist, dass es eine völlig andere und neue Therapie sein wird und ich mich dem stellen möchte und kann.
Mir ist noch eingefallen, dass ich mit meinem Therapeuten einmal über den Tod und was danach kommt, wie es sein wird, was wir da oben oder wo auch immer dann machen werden, gesprochen habe. Er hatte mir gesagt, genau könne er mir das sagen, wenn er da oben angekommen sei. Gedanklich führe ich mit ihm Gespräche und erzähle ihm, wie es mir geht und wie sehr er mir fehlt. Es hilft mir ein wenig über meine Trauer hinweg und oft habe ich sein schelmisches Lächeln vor Augen, höre seine weisen Zitate und schmecke immer noch den Espresso, den er persönlich für mich gekocht hat. Er hat mich ein Stück eines Weges begleitet hat, der für mich kein leichter war. Dafür bin ich ihm sehr dankbar! Einem nächsten Therapeuten werde ich sicher davon erzählen, aber auch ein Therapeut hat die Chance verdient, dass ich ohne Altlasten und unvoreingenommen in die nächste Therapie gehe - das ist mir nach eueren Beiträgen klar geworden. Danke nochmal!
LG Zauberfee
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_________________ Gar nicht verrückt ist auch nicht normal |
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Dompfaff
Helferlein
31
NRW W, 50
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Sat, 16.Dec.06, 6:13 Re: Mein Psychotherapeut verstorben |
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Hallo Zauberfrau,
Durch das Lesen Deiner Beiträge ist mir wieder einmal bewusst geworden wie wichtig uns doch der Mensch als Therapeut geworden ist.
Welches Loch der Tod dieses "Partners" doch reißen kann.
Das merkt man schon daran, dass es nicht so einfach eins zu eins zu ersetzen ist.
Ich habe mir überlegt, wenn mir sowas passieren würde, dass ich gar nicht so einfach von heut auf morgen zu einem anderen Therapeuten gehen möchte.
Das ist doch wie eine Beziehung, die langsam gewachsen ist und nicht wie ein Frisör, den man einfach wechselt.
Ich finde es gut und hilfreich, dass Du in Gedanken mit ihm sprichst.
Da ich persönlich an ein Weiterleben nach dem Tod glaube, so glaube ich auch fest, dass uns die Verstorbenen, die uns im Leben nahe waren auch noch hören können.
Und so bin ich auch sicher, dass man noch eine gedankliche Verbindung aufrecht erhalten kann.
Ich spreche auch wenn ich zu Hause bin mit meinem Therapeuten, weil ich ihm in der knappen Stunde gar nicht alles erzählt kriege.
So ist eigentlich immer eine Verbindung vorhanden.
Und wenn man wirklich glaubt, dass die Menschen im Jenseits weiterexistieren, dann kann man sich ja auch auf ein Wiedersehen irgendwann einmal freuen.
Mir helfen solche Gedanken.
Ich hoffe, dass Du den Velust nach und nach immer besser verarbeiten kannst.
Sei ihm dankbar, was er Dir alles gegeben hat, in der Zeit in der Du zu ihm gegangen bist.
Liebe Grüße
Dompfaff
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Jenny Doe
Forums-Gruftie
536
BRD W, 39
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Sat, 16.Dec.06, 6:32 Re: Mein Psychotherapeut verstorben |
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Quote: | Und so bin ich auch sicher, dass man noch eine gedankliche Verbindung aufrecht erhalten kann. |
Das denke ich auch.
Die Therapeutin, von der ich oben erzählt habe, hat die Therapie damals aus gesundheitlichen Gründen beenden müssen. Ich hatte viele Monate nichts mehr von ihr gehört. Dann ging es ihr wieder besser und es entstand eine Freundschaft zwischen uns. Dann holte die Krankheit sie wieder ein. Gestern rief sie an, das vermutlich letzte Mal, das ich etwas von ihr gehört habe. Ich sagte zu ihr: "Ich werde dich auf dem Friedhof besuchen kommen und Dir erzählen, wie es mir geht, was ich so erlebt habe und ich werde Deine Stimme hören". Sie hat mir viel gegeben und das wird in mir weiterleben. Doch die Trauer wird groß sein, denn ich werde einen sehr lieben Menschen verlieren.
Gruß
Jenny
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