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zwielicht
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Post Mon, 13.Nov.06, 1:53      Fantasien von "Rettern" Reply with quoteBack to top

Hallo,

vielleicht hört sich das, was ich jetzt schreibe, ein bisschen blöd an. Das ist auch etwas, das ich ganz geheim in mir drin herumtrage, ohne das irgendjemand davon weiß. Es ist nämlich wirklich etwas oder sehr peinlich... Embarassed

Also: seit meiner Kindheit habe ich Fantasien von Rettung und Rettern. Ich träume, seit ich ein Kind bin davon, gerettet zu werden.
Inzwischen ist es nicht mehr ganz so schlimm, weil ich allmählich kapiere, dass nur ich selbst mir wirklich helfen kann. Aber trotzdem sind da diese Fantasien, mich total fallen zu lassen.
Ich kann mit bestimmten Personen auch einfach nicht in Kontakt treten, wenn da jemand ist, der den “Retterkriterien” entspricht, bekomme ich kaum ein Wort raus.
Ich denke, es könnte irgendwie daher rühren, dass meine Schwester als Kind mehrmals sehr krank war und auch fast gestorben wäre. Ich glaube, meine Oma hat die Ärzte vergöttert, so genau weiß ich das aber auch nicht mehr.
Andererseits steht meine Mutter bestimmten Ärzten sehr kritisch gegenüber, wie Psychiatern und anderen “Psycholeuten”, außerdem wollte ihr Gynäkologe, dass ich abgetrieben werde, wegen Lebensgefahr. Sie hat meine Geburt durchgesetzt. Von daher kann es denke ich nicht sein, dass dieser “Retterfaible” irgendwie von meiner Mutter beeinflusst wurde, eher im Gegenteil, wenn sie auf Ärzte nicht gut zu sprechen war (und teilweise ist). Oder hat mich Oma mehr beeinflusst als Mama? nixweiss

Ich habe immer zu Ärzten und Rettungskräften aufgesehen, Retteruniformen flößen mir sehr großen Respekt ein (und törnen mich jetzt auch sexuell an).
Auch mit Leuten, die so eine Uniform tragen, kann ich kaum vernünftig sprechen, geschweige denn, sie überhaupt ansehen.

Dann habe ich aber eine Ausbildung zur Ergotherapeutin angefangen (und mittlerweile abgebrochen) und nach und nach wurde dieser Respekt weniger, weil ich selbst zur “Fachfrau” wurde und Einblick in den medizinischen Bereich bekommen habe.
Aber wenn ich eben nicht “fachlich” bin, sondern als Privatperson, fühle ich mich wieder schwach und klein dem “Profi” gegenüber. Versteht Ihr? Er oder sie (aber meist Männer) ist der/die Große, “Allmächtige” und ich bin die Kleine, Schwache.
Weil das eben bei Männern überwiegend so ist, gehe ich nur zu Ärztinnen.
In der Schule hatte ich aber eine Medizindozentin, die mehr Mann als Frau war Shocked , mit ihr konnte ich auch kaum reden (und hatte entsprechende Resultate auf dem Zeugnis).
Auch kann ich solchen Leuten nicht in die Augen schauen. Mein Kopf erlaubt mir gar nicht, mit diesen Menschen einen “gleichberechtigten” Augenkontakt zu halten, auch wenn ich eigentlich will.
Das fing damit an, dass ich einmal dachte, vor zwei bis drei Jahren, jemand würde mich total durchschauen und mir direkt in die Seele gucken, weil er mich immer so traurig angeguckt hat. Ich hab das dummerweise ganz auf mich bezogen. Tja, und einige Zeit später hat er sich von seiner Frau scheiden lassen, er litt unter großen Eheproblemen (daher sein trauriger Blick).
Sch**** gelaufen... kopfwand hammer

Fakt ist jedenfalls: einerseits kann ich diese Fantasien genießen, weil ich sonst immer stark sein muss und in diesen Fantasien schwach sein darf. Gleichzeitig ekel ich mich aber auch richtig vor der Vorstellung, die Verantwortung abzugeben, also “gerettet” zu werden. Ein Albtraum wäre es für mich z.B. im Krankenhaus liegen zu müssen, was aber in den Fantasien eher was Schönes ist.
Ich habe Angst vor Hilfe, die ich eigentlich will... Rolling Eyes

Mein Problem ist jetzt eben, dass es mir unmöglich ist, zu bestimmten Personen (Typ “Retter”) Kontakt zu haben, mit ihnen zu sprechen, sie anzusehen.
Ich habe auch die Befürchtung, dass mir das in einer Psychotherapie passieren würde und ich mich auf diese seltsame Art und Weise “verknalle” (auch in eine Frau).

Könnt Ihr mich einigermaßen verstehen? Ich jedenfalls versteh mich nicht... verwirrt nixweiss help2

Das ist sooo peinlich! Embarassed Embarassed Embarassed
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zwielicht
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Post Mon, 13.Nov.06, 1:56      Re: Fantasien von "Rettern" Reply with quoteBack to top

Da ist auch noch eine Sache (kurz):
früher habe ich es gehasst, wenn mich jemand deutlicher angesprochen hat und mir damit helfen wollte, heute fühl ich mich gut, wenn jemand in schrofferem Ton mit mir spricht, weil er mir damit helfen will.
Ist das gut oder nicht gut? verwirrt
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Post Mon, 13.Nov.06, 23:45      Re: Fantasien von "Rettern" Reply with quoteBack to top

Hallo Zwielicht!

Ich bin ganz neu hier und echt froh dieses Forum gefunden zu haben.

Da mir dein Beitrag irgendwie bekannt vorkommt (könnte so ähnlich von mir sein Shocked ) ist das also eine gute Gelegenheit für meinen ersten Beitrag.

Ich habe diese "Retterfantasien" auch schon lange. Als ich ein Kind war ist meine Mutter oft sehr krank gewesen und ich habe mir damals richtig Sorgen um sie gemacht. Außerdem habe ich mich schon damals irgendwie alleine gefühlt.

So eine Fantasie von einem Retter kann schon etwas Tolles sein. Mir geht es schlecht und ohne das ich etwas dazu beitragen muss ist der Retter da und tröstet mich, gibt mir genau das was ich brauche (obwohl ich oft selber nicht weiß was ich eigentlich brauchen würde). So als hätte diese Person in einer Sekunde verstanden/erfühlt wie es mir genau geht. Diese Retter sind bei meinen Fantasien meist reale Personen aus meiner Umgebung und selten ausgedacht. Diesen Menschen dann in die Augen zu schauen fällt mir auch oft schwer.

Bis jetzt habe ich aus diesen Fantasien folgendes gelernt:

*Sie können niemals echt werden, weil niemand sofort und ohne meine Hilfe erkennen kann was in mir vorgeht

*Solche Fantasien sind ok, solange sie nicht zu viel werden

PS: Ich bin in Therapie und habe zuerst auch Angst vor solchen Fantasien der Thera gegenüber gehabt. Sobald ich ihr aber genaueres von mir erzählt habe und sie mir deutlich gesagt hat das nur ich etwas ändern kann sind meine Fantasien ihr gegenüber irgendwie "uninteressant" für mich geworden. (weil sie bei ihr definitiv nicht wahr werden können)

Liebe Grüße, Lichtstrahl
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Post Tue, 14.Nov.06, 19:09      Re: Fantasien von "Rettern" Reply with quoteBack to top

Hallo Lichtstrahl,

ja, mich überrascht es auch total, dass hier soviele Texte verfasst werden, die von mir sein könnten Shocked . Deshalb bin ich auch froh, dass ich auf dieses Forum gestoßen bin. Hätte nicht gedacht, dass es soviele Menschen mit ähnlichen Problemen und Erfahrungen gibt.

Das ist interessant, dass Deine Mutter krank war und Du Angst um sie hattest und ich eine Schwester habe, die fast gestorben wäre. Da muss doch der Ursprung dieser Fantasien liegen, oder?
Allerdings ist da ein Unterschied: Du hast viel von der Krankheit Deiner Mutter mitgekriegt (wenn ich das richtig verstanden habe), ich allerdings wurde von der Krankheit meiner Schwester abgeschirmt (war allerdings auch viel bei meiner Oma, die den Ärzten ja sehr, sehr dankbar war)
Einmal war ich mit im Krankenhaus, wo ich mich gar nicht wohl gefühlt habe.

Meine "Retter" lesen mir auch alles von den Augen ab. Sind daher auch sehr unrealistische Fantasien.
Dein Satz "obwohl ich oft selber nicht weiß was ich eigentlich brauchen würde" bringt mich in dem Punkt zum Nachdenken.

Bei mir sind es aber in der Regel Personen aus dem Fernsehen (niemals ein Schauspieler, sondern immer die gespielte Figur), hin und wieder auch reale Personen aus dem Umfeld.

Wie sehen eigentlich Deine Fantasien aus, also worum geht es da (nur, wenn Du auch darauf antworten willst, ich kann total verstehen, wenn Du dazu nichts schreiben willst Wink )?

Meine Fantasien handeln inzwischen fast ausschließlich von Suizidversuchen Shocked Embarassed (wenn ich das so schreibe, wirkt das plötzlich ganz schön ernst) . Ich weiß nicht, was ich mir dabei denken soll, ob es bedeutet, dass ich mich ernsthafter mit mir auseinandersetze, oder ob ich gefährdet sein könnte (Fantasien real werden lassen)...
Wobei ich ja auch Angst davor habe, dass es real werden könnte (Angst vor Hilfe) nixweiss .

Es ist außerdem so, dass die Fantasien gewaltsamer werden ("gewaltsame Rettung"), der "Retter" dominierender ist, je mehr mir klar wird, dass nur ich mir selbst wirklich helfen kann verwirrt .

Wie kannst Du "gekennzeichneten" "Rettern" gegenübertreten, z.B. in Uniform oder Arztkittel, wie sieht das bei Dir aus?


LG
z.l.
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Lichtstrahl
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Post Tue, 14.Nov.06, 23:06      Re: Fantasien von "Rettern" Reply with quoteBack to top

Hallo Zwielicht!

Von der Krankheit meiner Mutter habe ich vieles auch nur am Rand mitbekommen, weil am Tag immer meine Großeltern auf mich aufgepasst haben. Aber es war natürlich nicht zu übersehen, dass es ihr schlecht ging. Mir ist damals nicht genau erklärt worden was eigentlich mit meiner Mum los ist, nur das es ihr nicht gut geht und ich sie in Ruhe lassen soll. Confused

Genaue Fantasien möchte ich nicht unbedingt beschreiben, ist mir ehrlich gesagt ein bisschen peinlich Embarassed Embarassed

Wenn ich auf "gekennzeichnete Retter", wie du sie nennst treffe (Ärzte usw.) bin ich meist nervös und überlege mir vorher ganz genau was ich zu ihnen sagen werde. Außerdem presentiere ich mich meist nicht selbstbewusst sondern eher als jemand der Hilfe nötig hat.

Was ich ein bedenklich finde ist, dass deine Fantasien immer gewaltsamer werden. Bei meinen Fantasien gibt es zwar auch immer wieder Steigerungen aber Suizidfantasien habe ich nicht.

Ich weiß, dass es verdammt schwer ist, aber vielleicht solltest du versuchen mit jemandem darüber zu reden. Mir war es zuerst total peinlich mit meiner Therapeutin zu reden aber es wird immer besser und das Reden tut echt gut, ähnlich wie das Schreiben hier, aber ich würde trotzdem nie auf das persönliche Gespräch verzichten wollen!

Lg Lichtstrahl
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Post Wed, 15.Nov.06, 21:16      Re: Fantasien von "Rettern" Reply with quoteBack to top

Hallo Lichtstrahl,

ich bin ja nur zwei Jahre jünger als meine Schwester und war damals selbst noch ein kleines Kind. Eigentlich bin ich in einer "perfekten" Welt (jedenfalls rein äußerlich) aufgewachsen und bin kaum mit Krankheit, Krankenhaus (und (Beinahe-)Tod) konfrontiert worden. Inzwischen habe ich aber den Eindruck, dass ich mehr mitbekommen habe, als mir das eigentlich klar ist...

Mir wird auch bei vielen Sachen erst beim Schreiben klar, dass sie teilweise ganz schön extrem sind, wie z.B. mit den Suizidfantasien.
Ich bin aber auch davon überzeugt, dass ich meilenweit davon entfernt bin, mir etwas anzutun (das ist eine Schätzung). Ich würde mich nicht als akut suizidal bezeichnen, vielleicht aber als chronisch etwas lebensüberdrüssig...

Zur Zeit ist es mir unmöglich, mit jemandem zu reden, das geht einfach nicht. Das hat viele verschiedene Gründe, ich werde dazu aber wahrscheinlich bald einen eigenen Thread aufmachen.
Das Problem, das ich habe: ich weiß ja eigentlich, dass eine Therapie zu machen KEIN Zeichen von Schwäche ist, sondern eher von Mut. Aber in meiner Familie ist es so, dass immer gern eine einzelne Person als "durchgeknallt" abgestempelt wird und alle anderen "normal" "bleiben". Das jedenfalls mal so kurz und knapp geschildert, aber dazu werde ich wie gesagt wahrscheinlich später noch mehr schreiben.
Weil ich persönlich mit niemandem reden kann, bin ich ja auch so froh, dass es dieses Forum gibt. Ich hoffe, der Austausch mit anderen "Leidensgenossen", bzw. Leuten, die mich verstehen können, hilft mir wenigstens als Übergang (oder auch als Vorbereitung), bis ich mich wirklich zur Therapie traue, was ich definitiv vorhabe.

Letztlich muss sich jeder selbst helfen und das versuche ich. Ich glaube, sonst wäre ich nicht mehr hier (hätte ich mich anders entschieden).

Lichtstrahl wrote:
Genaue Fantasien möchte ich nicht unbedingt beschreiben, ist mir ehrlich gesagt ein bisschen peinlich Embarassed Embarassed
Lg Lichtstrahl

...aber klar, kann ich verstehen, ich hätte das wohl auch nicht gemacht... Embarassed Embarassed Wink

LG,
zl.

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