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glolobolo
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Post Thu, 09.Nov.06, 15:57      Identifizierung mit Aggressor Reply with quoteBack to top

So, es ist leider etwas blödes passiert...ich wollte mich immer anpassen und ein strebsamer junger Mann sein. In der Schule habe ich sehr viele Aggressionen unterdrückt um den schulischen Erfolg nicht zu gefährden. Nun ist die Schulzeit schon länger vorbei und das Mobbing dort war so anstrengend, dass ich jetzt nur geschafft bin. Ich habe noch nichts gelernt. Ich leide an psychosomatischen Störungen und komme bald nach langer Therapie in stationäre Behandlung. Ich hätte da mal eine Frage. Wenn man von einer Person bedroht wird und man starke Aggressionen empfindet, diese aber nicht gegen die genannte Person abführen kann, Was passiert dann? Ich glaube, ich habe mich mit dem Aggressor identifiziert. Es scheint, als wenn ich mich übermäßig angepasst hätte, um die damalige Situation ( Schule) zu bestehen. Wieso identifiziert man sich?
Ich habe dort im Körper lokal Schmerzen, wo ich mit der Person in Kontakt kam.
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grundbacher
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Post Fri, 10.Nov.06, 9:59      Re: Identifizierung mit Aggressor Reply with quoteBack to top

Du fragst: "Wenn man von einer Person bedroht wird und man starke Aggressionen empfindet, diese aber nicht gegen die genannte Person abführen kann, Was passiert dann?"

Wenn man von einem Menschen bedroht wird und sich nicht wehren darf, dann wird man von dem Stress krank.

Warum identifiziert man sich mit Menschen, die einem Gewalt antun und eine Bedrohung sind? Um die Angst zu bewältigen und um die Wahrheit über diese Menschen nicht verstehen zu müssen, weil die zu schmerzlich ist, wenn man doch eigentlich auf die Hilfe und Unterstützung dieser Menschen angewiesen ist oder war.

Grüße

Grundbacher
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Post Mon, 13.Nov.06, 15:35      Re: Identifizierung mit Aggressor Reply with quoteBack to top

Danke für deinen Beitrag. Ja, deine Worte klingen sehr interessant und es wird wohl auch so stimmen. Man trägt für sich Verantwortung und wenn man doch nur versucht sich zu schützen, und dann dabei Dinge über sich ergehen lassen musst. Kann der Körper den Versuch sich schützen zu wollen, missdeuten und glauben, man wolle sich schaden? Ich habe das Gefühl, als wenn mein Körper das Vertrauen zu mir verloren hat. Ich habe Ich-Störungen und identifiziere mich ständig mit Leuten aus meiner Umgebung. Wenn ich Schauspieler zum Beispiel im Fernsehen sehe, ist es so, als ob ich die Welt aus deren Augen sehe. Wenn mich jemand ohne Grund angreift, dann gibt er sich doch auch auf, denn er riskiert verletzt zu werden. Wenn ich mich dann wehre, folgt die Vergeltung. Also lebe ich in Angst und wenn ich dann wieder angegriffen werde, reagiere ich noch aggressiver und so weiter. Ich bin in einer Art Zwickmühle und mein ganzes Leben ist verlangsamt worden. Wenn ich mich wehre, dann riskiere ich verletzt zu werden. Wenn ich mich aber nicht wehre, dann verliert mein Körper das Vertrauen in das " Ich".
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Post Mon, 13.Nov.06, 17:08      Re: Identifizierung mit Aggressor Reply with quoteBack to top

Ich möchte Dir ein Buch empfehlen: "Die Revolte des Körpers" von Alice Miller. Vielleicht hilft es Dir zu verstehen, wie es zu dieser Zwickmühle gekommen ist und wie Du da heraus kommst. Ich schreibe Dir das, weil Du selber schon die Frage gestellt hast, ob Du Dich vielleicht zu sehr angepasst hast (anpassen hast müssen, weil sonst Terror drohte?) in frühen Jahren und ob Dein Körper Dir zu dieser (erzwungenen) Selbstaufgabe etwas sagt durch seine Schmerzen.
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glolobolo
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Post Sat, 25.Nov.06, 23:21      Re: Identifizierung mit Aggressor Reply with quoteBack to top

Danke für den Buchtipp, wird mir sicher gut helfen. Kennst Du das Buch " Das Fremde in Uns"?

Ich habe ein wenig recherchiert und fand diese Idee ganz gut:

Licht und Schatten ist ein elementarer Baustein, nach dem die Seele strebt. Wenn wir bewusst alles ausleben, dann leben wir im Licht und alles was wir leugnen gerät ins Dunkeln. Wenn wir also körperliche Symptome haben, dann lebt das Unbewusste im Dunkeln alles aus, was wir im Licht nicht dulden. Der Körper versucht quasi die Psyche/Geist zu heilen. Damit wären wir beim Problem. Ich habe sehr viel Hass nicht ausgelebt und nun scheint der Körper es im Dunkeln weiter auszuleben. Ich sehe nur zwei Alternativen. Entweder ich hasse nicht mehr oder ich lebe ihn aus. Wie kann man aufhören zu hassen? Wie damit umgehen? Das Ausleben wäre wesenlich einfacher und vielleicht auch männlicher.
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Post Sun, 26.Nov.06, 14:37      Re: Identifizierung mit Aggressor Reply with quoteBack to top

Du fragst: "Wie kann man aufhören zu hassen? Wie damit umgehen?"

Es kommt darauf an, was ein Mensch aus diesem Gefühl macht oder machen kann. Latenter Hass kann zur Rache führen und damit destruktiv sein (so wie bei Amokläufern und Mördern). Verstandener Hass kann aber auch eine Tür zu sich selbst öffnen und der Beginn von Erkenntnis und Wahrheit sein.

Ich glaube, der Hass, der sich bewusst gegen den Peiniger richtet und nicht auf "Sündenböcke" verschoben wird, ist zunächst ein Gefühl, dass eine berechtigte Reaktion ist. Dieser Hass ermöglicht mir, das Unrecht zu verstehen, mich vom Peiniger zu distanzieren und mich zu beschützen. Der Hass kann wie jedes Gefühl abklingen, wenn es (zB in einer Therapie) durchlebt wurde und verstanden wurde. Dieser Hass, der so wahrgenommen wird, ist nicht gefährlich, sondern er ist eine Reaktion auf die Misshandlung gegenüber dem Misshandelnden. Wenn ich diese Intensität meiner Reaktionen verstehe, dann kann sie auch abklingen.

Ein Ausleben des Hasses, der dann in Rache mündet und nicht in einem "Sich-Beschützen" ist keine Lösung! Genausowenig wie der Versuch, sich einfach dieses Gefühl von Zorn und Wut gegenüber dem wirklichen Aggerssor zu verbieten.

Ich meine, Arno Gruen hat gerade in dem von Dir angegebenen Buch "Der Fremde in uns" sehr gut erklärt, wie ein Mensch aus der Spirale der Destruktivität heraus kommen kann.

Ich glaube, dass eine Bewältigung der eigenen Verletzungen zunächst über das Erspüren und Zulassen der berechtigeten Wut gegenüber dem wahren Peiniger möglich ist. Diese lässt auch erkennen, dass man ein Opfer war dessen zugelassener Schmerz über das Angetane oder Vorenthaltene ein Mitgefühl zu sich selbst fördert. In der dann anschließend möglichen Trauer über die Verletzung löst sich der Wunsch nach Rache auf. Und wenn alles gut geht, dann kann ein Mensch vielleicht die Verantwortung für sich soweit übernehmen, dass er sich angemessen beschützt, ohne sich für das, was ihm angetan wurde rächen zu müssen. Ein Mensch, der so eine Bewusstsein über sich erlangt, wird vermutlich nicht mehr das Bedürfnis haben, seinen Schmerz durch Rache erträglich zu machen. Der Teil des Hasses, der nicht der Rache gilt und der eine berechtigte Empörung über das erlittene Unrecht wach hält, ist der konstruktive Teil. Denn der ermöglicht es nicht nur die eigene Integrität zu bewahren, sondern er schärft auch den Blick für Ursachen und Auslöser von Destruktivität.

Das "Dunkle" ausleben wird Dir nicht helfen, glaube ich. Es wird nur neues Unrecht in die Welt setzten. Das "Dunkle" verstehen in sich selbst und in anderen Menschen könnte helfen andere Handlungsspielräume als den einer Rache zu erkennen und Dir Sicherheit geben.

Viele Grüße

Grundbacher

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"Es gibt Menschen, die in Erfahrungswelten leben, die wir nicht betreten können." John Steinbeck
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