Ich bin innerlich höchst akressiv....

neu an Bord! 4 Wien W, 56

Hallo,
ich brauche eure Hilfe. Ich gehe zwar zu einen Neurologen und in eine Gruppentherapie, aber ich finde nicht das, was ich suche.
Ich bin 56j. und habe zuviel durchgemacht. Um das niederzuschreiben, würde ich Bücherseiten brauchen. Ich bin mit 9 Jahren mißbraucht worden. Der Mann: Geliebter meiner Mutter!

Trotzallem bin ich immer freundlich und zuvorkommend, hilfsbereit und habe für jeden ein Ohr. Ich war immer das gehorsame Kind, dann war ich die gehorsame Ehefrau, bis ich erfahren habe, dass mein Mann mit meiner eigenen Mutter ein Verhältnis hat.
Ab da nahm ich zu und zu und zu. Ich wiege jetzt 104kg.
Ihr müßt euch vorstellen: ich war nie meiner Mutter böse, weil sie ja meine Mutter war. Sie hat mir sogar leid getan, dass ich zwischen ihnen stand. Auch jetzt, wo ich schon viel verarbeitet habe, liebe ich meine Mutter.
Ich war schon 10 Jahre geschieden, als meine Mutter starb, voher sagte sie noch: "Ich werde mir Erich holen, wenn ich gestorben bin". Meinen Exmann. Ihr Geliebter. Und wirklich er starb unerwartet 3 Monate nach ihr!
Ich habe zum Essen angefangen, als ich von dem Verhältnis zu meinen Mann erfuhr. Ich aß alle Sorgen und Kummer runter.

Heute leite ich sogar eine Selbsthilfegruppe für psychischkranke Menschen, ehrenamtlich. Ich werde von den Leuten geliebt. Ich denke, ich bin zum Helfen geboren worden.

Aber seit einigen Jahren leide ich an Angst und Panikattaken. Ich verspüre oft so eine Wut in mir, das ich die Fäuste palle. Ich würde sogerne irgendwo hinhauen mit aller Wucht und Haß. Aber das ist gegen meine Natur. Ich hasse Gewalt, aber wie kann diese Wutausbrüche, die ich nicht rauslassen kann, in den Griff bekommen?
Wie läßt man sowas raus?
Mein Neurologe sagt, wenn ich die Wut rauslasse wird auch das Übergewicht verschwinden.
Wisst ihr mir einen Rat?

Liebe Grüße Leilah

Forums-InsiderIn 242 neben der Spur W, 27

Liebe Lailah,

sicher gibt es in Deinem Leben sehr vieles, was Du aufarbeiten müsstest, damit Du mit Deinem Leben und Schicksal ins Reine kommst. Das kann man natürlich mit Hilfe eines Therapeuten machen, aber die Seele hilft sich auch selbst, aber nicht immer so, dass es dauerhaft von Vorteil ist. Essen z. B. ist so eine Strategie, aber eben auch wütend werden.
Du schreibst:

Quote:

Ich verspüre oft so eine Wut in mir, das ich die Fäuste palle. Ich würde sogerne irgendwo hinhauen mit aller Wucht und Haß. Aber das ist gegen meine Natur.

Das zeigt doch, dass es nicht gegen Deine Natur ist, sondern im Gegenteil, es ist Dir ein Bedürfnis. Es ist nur gegen die Wunschnatur, die Du Dir aufzwingen willst, es entspricht nicht dem Bild von Dir, wie Du gerne wärst, aber das ist ja etwas anderes. Wut und Aggression haben schon auch eine positive Funktion für die menschliche Psyche, und wenn man sie kontrolliert rauslässt, dann schadet das auch keinem anderen. Jeder Mensch wird auch immer mal wütend, und wenn man die Wut dauerhaft "in sich hineinfrisst", dann kann man sogar krank werden. Oder andersherum formuliert:

Quote:

Mein Neurologe sagt, wenn ich die Wut rauslasse wird auch das Übergewicht verschwinden.

Wut als Reaktion ist erst einmal nichts Schlechtes oder Böses. Natürlich ist es nicht schön, aber da das Leben nie nur aus Harmonie bestehen kann, sind auch negative Gefühle wie Angst, Wut, Trauer ganz normal und auch sehr wichtig als Reaktionen auf Ereignisse, die das eigentlich Schlimme sind. Und man kann diese Gefühle auch äußern, ohne dass es Schaden anrichtet. Man kann auch mal auf eine Person wütend sein, ohne dass man sie deshalb nicht weniger liebt.
Wenn es Dir gelingt, Deine Wut zu akzeptieren, dass sie verständlich, ja normal ist und dass es lediglich darauf ankommt, wie Du sie rauslässt, dann wäre viel gewonnen. Klar, Wut ist nicht schön, aber gerade um sie unschädlich zu machen, muss man sie auch rauslassen, nur halt nicht in Form von Gewalt gegen andere . Aber Abreagieren ist gut und kann sogar in gewissem Sinne konstruktiv und kreativ sein. Dass Künstler so oft in eine "Raserei" verfallen, wenn sie Kunstwerke erschaffen, ist kein Zufall. Oder man lässt beim Sport Dampf ab und erzielt dadurch aber gute Leistungen.
Es gibt bestimmt auch für Dich ein Ventil, mit dem Du Deine Wut ablassen kannst. Es ist sogar sehr wichtig, eines zu haben bzw. zu finden. Wenn Du Dich mal dazu durchringst, dass Deine Wut nichts Böses ist, dann kannst Du auch einfach experimentieren, was Dir Erleichterung schafft. Tut es Dir gut, Sport zu machen? Oder Dich alleine in den Wald zu stellen und einfach mal zu schreien? (Selbst beim Beseitigen hartnäckiger Kalkflecken oder auch sonst beim Putzen kann man gut seine Wut rauslassen Wink

) Was spricht gegen einen Boxsack, an dem man sich mal abreagieren kann. Oder man flucht einfach mal vor sich hin, wenn einen was ärgert. Das alles sind ganz harmlose Methoden, seine Wut loszuwerden, ohne dabei schlimme Gewalt anzuwenden.
Vielleicht ist es aber auch keine schlechte Idee, wenn Du Dir spezielle Hilfe suchst, um einen Zugang zu Deiner Wut zu finden und sie rauslassen zu können.
Wenn therapeutisch bisher noch nicht das Richtige dabei war, musst Du vielleicht einfach noch mehr ausprobieren, leider kenne ich mich da aber nicht aus.
Viele liebe Grüße
Selene

neu an Bord! 4 Wien W, 56

Danke liebe Selene,

sehr lehrreich, deine Worte. Danke!
Ich plage mich zwar, die Wut zu akzeptieren, doch ich will daran arbeiten. Mein Neurologe sagt, ich soll meine Träume malen und zu jeden Gespräch Bilder mitnehmen. Das ist eine wunderbare Sache, denn ich male für mein Leben gerne. Und mein Problem wird auch gleich damit behandelt.
Ich plage mich ebenfalls mit dem NEIN sagen herum. Aber das bearbeite ich gerade mit meinen Therapeuten. Ich habe es ja jahrelang zugelassen, dass man alles auf mich abladen kann und ich habe zu allem JA gesagt. Heute den 17.11.2006 habe ich heftig und bestimmt NEIN zu meiner Nachbarin gesagt. Sie benutzt mich, wo es nur geht. Heute habe ich nein gesagt, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben, und das tut soooooo gut.
Ich hab so eine Freude. Ihr werdet euch denken, die hat einen Vogel, aber das ist mir egal. Ich schreibe es mir auf, jedesmal wenn ich es geschafft habe.

Danke Selene lg Leilah

Helferlein 45 Salzburg M, 32

Hallo Leilah!

Ich kenne Dein Problem, ich hatte es selbst, wenn auch nicht mit so erschreckend ... brutalen Folgen. Selene hat absolut Recht, ein Ventil ist ZWINGEND nötig. Du frisst Deine Wut buchstäblich in Dich hinein, daher wohl auch die Aussage Deines Neurologen.

Wichtig ist, zu erkennen, dass Deine Wut ein Teil von Dir ist, so wie von jedem Menschen. Helfen zu wollen (und zu können) ist etwas sehr schönes und kann aufbauen. Aber Deine "dunkle" Seite, Deine Wut, Deine Ablehnung, ja auch Deine Aggession brauchen Raum. Sonst zerfrisst es Dich von innen.

Ich habe den Zugang zu meinen unterdrückten Gefühlen durch eine Therapie gefunden, in der ich u.a. auch Bilder malte. Immer zu Hause nach den Stunden. Ich sollte die Eindrücke aus den Sitzungen auf Papier bringen. Das hat mir auch geholfen.

Du hast allen Grund, Stolz auf Dich zu sein. Zu erkennen, dass Du ausgenutzt wirst UND sich dagegen aufzulehnen ist ein sehr guter und wichtiger Schritt in Richtung Selbstbestimmung.

Menschen, die sehr gerne helfen, werden sehr schnell fremdbestimmt. Ihre selbst auferlegten Pflichten nehmen sie so in Anspruch, dass sie für sich selbst keine Zeit mehr haben. Sie sehen ihre Selbstverwirklichung in der Hilfe für Andere ... und vergessen dabei ganz, dass sie auch Bedürfnisse haben. Das es auch mal "NEIN" heißen darf, und dass sie sich auch mal aufregen, ja wütend sein dürfen.

Woher ich das weiß? Ich bin selber so.

Viel Erfolg bei Deiner Selbstfindung!

wünscht
Diogenes

neu an Bord! 4 Wien W, 56

Lieber Diogenes,

danke für deine Worte. Es tut gut zu hören, dass es da auch noch andere Menschen gibt, die an solchen Problemen arbeiten und herausfinden aus der Situation. Eure Aufmunterung hilft mir sehr. Ich werde daran arbeiten.
Vor 1 Stunde hab ich wieder mal NEIN gesagt, ich habe zwar am ganzen Körper gebebt, aber ich freue mich riesig darüber. Das sind richtige Glücksschübe.
Was ich ziehmlich komisch finde ist: Ich kann seit x Jahren nicht mehr weinen und auch nicht trauern. Aber freuen und Liebe geben kann ich in Hülle und Fülle. Ich finde das irgendwie paratox. Hoffentlich schreibt man es so. Ich weiß nicht , wie ich dass wieder herstellen kann, denn ich habe mir das Weinen einmal selbst verboten, weil es so weh getan hat.
Ich male auch darum sehr viele Tränen. Vielleicht kommt es wieder, ich hoffe es.

Liebe Grüße und besten Dank für jedes Wort und jede Anregung.

Leilah

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