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crippled plaything
neu an Bord!
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Traum[a]welt W, 22
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Sat, 04.Nov.06, 20:24 He came at night .. |
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Hallo, liebes Forum.
Vor vierzehn Jahren wurde ich missbraucht, seit zehn Jahren lebe ich nun mit den Erinnerungen. Davor waren sie irgendwo tief in mir begraben, im Alter von zwölf Jahren kamen sie schlagartig wieder zum Vorschein.
Ab da häuften sich die Probleme - in der Schule, mit Drogen, Depressionen, mit dem Essen, in Beziehungen, Freundschaften, mit mir selbst. Wenn ich wollte könnte ich diese Liste endlos weiterführen - verzeiht, aber das will ich eigentlich nicht. Dafür ist mir meine und eure Zeit zu kostbar (:
In den letzten Jahren lebte ich scheinbar in dem Irrglauben, darüber endlich hinweg zu sein. Alles lief halbwegs geregelt, doch plötzlich ist wieder alles präsent, die Folgen überdeutlich zu spüren. Ohnmacht, Wut, Hass, Ekel, Verzweiflung, Hilflosigkeit .. Es gab keinen bestimmten Auslöser, plötzlich beherrscht meine Kindheit wieder mich, nicht umgekehrt.
Täter: älterer Bruder
Dauer des Missbrauches: etwa zwei Jahre
Art des Missbrauches: sexuell, erzwungen durch Drohungen
Folgen: vielfältig
Diagnosen: chronische posttraumatische Belastungsstörung, Anorexie, Borderline (?)
Dauer der Folgen: lebenslänglich
Das was ich hier schreibe macht für euch wohl nicht viel Sinn. Für mich auch nicht. Ich weiß nicht mal, was ich hier will. Vielleicht nur meine Gedanken ordnen. Ich bezweifle, dass es wirklich jemanden interessiert. Ihr kennt mich nicht, Einzelfall bin ich sowieso keiner.
Trotzdem habe ich eine Frage: Darf ich ihn überhaupt hassen? Er war doch selbst noch ein Kind! Vielleicht kann er gar nichts dafür? Kann man in diesem Fall überhaupt von einem Missbrauch sprechen? Immer wieder liest man nur der Erwachsene trägt die Schuld. Von Kindern oder Jugendlichen steht nirgendwo etwas. Trotzdem ist da dieser Hass und ich weiß nicht wohin ich ihn lenken soll. Auf ihn oder doch lieber auf mich? Übertreibe ich nur?
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cremoso
Forums-InsiderIn
173
Leibnitz M, 19
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Sat, 04.Nov.06, 21:02 Re: He came at night .. |
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Hmm....Das ist sehr schlimm. Hast du jemanden an deiner seite der dich in dieser Lage unterstützt?
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crippled plaything
neu an Bord!
3
Traum[a]welt W, 22
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Hm. Nein, nicht wirklich.
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cremoso
Forums-InsiderIn
173
Leibnitz M, 19
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crippled plaything wrote: | Hm. Nein, nicht wirklich. |
Wenn du mit jemanden Reden willst biete ich mich gerne an. Ich hab dir auch schon eine Nachricht geschrieben.
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alalie
sporadischer Gast
16
austria W, 26
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Sun, 05.Nov.06, 0:20 Re: He came at night .. |
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Hallo cp,
das tut mir leid was du erleben musst(est)!
Und ja, das ist auf jeden Fall Missbrauch, egal ob dein Bruder selber noch Kind war. Er hat dich zu Sachen gezwungen die du nicht wollest!! Für dich ändert sich ja nichts dadurch, ob er sich dessen voll bewusst war was er da tut oder nicht, nichts - die Konsequenzen und das Leid sind für dich dasselbe!
Wenn es auf beidseitigem Einverständnis beruhende "Doktorspiele" gewesen wären, wäre es nicht als Missbrauch zu sehen, aber dann würde es dir auch nicht so beschissen gehn, wie ich es deinem posting entnehme.
Deine Verwirrung und Verzweiflung ist verständlich. Es ist ja auch Selbstschutz und somit (noch) wichtig, das alles zu verharmlosen und deinen Bruder zu schützen, indem du an seiner Schuldfähigkeit zweifelst.
Aber du bist nicht für ihn verantwortlich, sondern für dich. Deshalb sollst und darfst du auch alle Gefühle zulassen, aber bitte nicht auf destruktive Art, verletzte niemanden und auch nicht dich selber, und such dir bitte UNBEDINGT Unterstützung, am besten eine Therapeutin.
Vielleicht hast du auch zusätzlich eineN guteN FreundIN mit der/dem du reden kannst, dem du vertraust und auch zutraust damit klar zu kommen und für dich dazusein?
Ich rate dir wirklich dringend eine Therapie zu machen, denn sowas alleine durchzustehen ist m.E. nach schwer möglich!
Du übertreibst nicht, und du hast KEINEN Grund auf dich wütend zu sein, DICH trifft keine Schuld, halt dir vor Augen dass du ein KIND warst! Du warst ein Kind!!
Vertrau deinen Gefühlen, und sei gut zu dir! Werde AUF KEINEN FALL zerstörerisch, d.h. verletzte weder dich noch andere! Schlag auf Polster ein oder geh laufen, lass alles raus an Gefühlen, aber mach es am besten mit therapeutischer Unterstützung und in einer für dich sicheren Umgebung!
Ich wünsche dir alles Liebe und viel Kraft (aber die hast du ja, denn du hast es überlebt und berichtest hier darüber, du hast also Kraft und Willen für dich zu kämpfen - RESPEKT)!
LG, alalie
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crippled plaything
neu an Bord!
3
Traum[a]welt W, 22
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Danke dir nochmal, cremoso!
Das ist wirklich sehr nett von dir.
Dir auch ein Riesen Danke, alalie, für deine ausführliche Antwort und für den Knuddler (: Es stimmt, die Schuldfrage ändert nichts daran wie es mir geht, dass es mir schlecht geht dadurch. Darauf versuch ich mich auch eher zu konzentrieren, trotzdem bin ich ständig auf der Suche nach dem "Warum?" .. Ich möchte verstehen lernen was ihn ihm vorgegangen ist, warum er mir auf diese Art soviel meines Lebens genommen hat ): Warum, warum, warum?
Die Sache wird nicht einfacher dadurch, dass er mit einer leichten geistigen Behinderung auf die Welt kam.. mh.. Doktorspiele.. das ist das, was ich auch großteils von meinen Eltern dazu höre. "Es waren doch sicher nur Doktorspiele".. am Anfang hätte man das auch noch fast so bezeichnen können Aber dann die Drohungen: "Er bringt mich sonst um, er bringt meine Mutter um, wenn ich etwas sage, meine Eltern hassen mich wenn ich es ihnen sage ..." und die körperliche Gewalt. Die Schläge, das festhalten.
Bei einvernehmlichen Doktorspielen hätte ich doch nicht geweint? Geschrien? Geblutet? Mich mit Händen und Beinen gewehrt?
Selbstverletzung .. das habe ich seit zwei Jahren ganz gut in Griff, nur ein Rückfall in dieser Zeit (: :stolzbin: Zum Thema Therapie könnte ich viel sagen. Ja, ich war bei mittlerweile etwa zehn Therapeuten/innen in Behandlung, großteils nur kurzfristig, da irgendwas nie gepasst hat, und wenn dann doch - dann waren keine Plätze frei oder es war keine Thera auf KK ): Ich war auch zwei mal stationär (Gugging/AKH) und gestern war es echt so schlimm, dass ich kurz vor dem nächsten Aufenthalt in einer Akutpsychiatrie war.
Ende des Jahres bekomme ich vielleicht (hoffentlich!!) einen Therapieplatz bei einem Mann. Da waren meine Erfahrungen auch deutlich besser als mit Frauen. Seltsam, oder? Aber ich komme auch im Alltag mit Männern besser zurecht als mit Wesen des gleichen Geschlechts. Die Skills habe ich in den Therapien und Psychiatrien alle gelernt. Hab auch mittlerweile eine große Sammlung an Igelbällen, Gedichten, Kissen die ich verprügle, Sportvideos (Selbstverteidigung), Fitnessgeräten etc.
Zum Thema sichere Umgebung. Es ist schwer: ER wohnt im selben Haus wie ich. Ich bin seit Jänner 2004 arbeitsunfähig geschrieben aufgrund meiner Psyche, kein Anspruch auf finanzielle Unterstützung - keine Möglichkeit auszuziehen. Mein Freund, den ich seit einem halben Jahr kenne, und ich arbeiten beide hart dafür und sparen jeden Cent, damit ich hier bald rauskann. Denn das erdrückt mich. Jede Nacht Angst, Angst, dass er erfährt, dass ich mich nicht an die Abmachung gehalten habe. Dass er seine Drohungen doch noch wahr macht. Alle sagen mir er hat sich geändert - ich seh in ihm nur die tickende Zeitbombe.
Momentan spiele ich übrigens mit dem Gedanken mich in Ybbs für die Bordi-Station vormerken zu lassen. Ich bin es leid, dass die Menschen in meinem Umfeld durch meine Depressionen leiden, dass ich ihnen immer wieder unbeabsichtigt weh tue.. und dass ich mich selbst nicht schätzen kann.
Heute geht es mir übrigens schon wieder etwas besser als gestern (:
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Hasenfuss
Forums-InsiderIn
444
A Country near Germany M, 41
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Mon, 06.Nov.06, 1:58 Re: He came at night .. |
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Hass und Wut sind wichtige Gefühle, diese zuzuschütten hiesse, dass du dir eine Option nimmst.
Im übrigen ziehen bestimmte Menschen den Hass an, es würde also nichts nützen, wenn du ihn ableitest.
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_________________ Fusselhirn! |
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spätzündi
Forums-InsiderIn
305
Ostholstein M, 43
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Mon, 06.Nov.06, 8:29 Re: He came at night .. |
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Hallo CP!
Willkommen im Forum!
Es tut mir leid, dass du bisher kaum oder keine Hilfe finden konntest, denn du brauchst sie! Mach dir klar, dass kein Therapeut perfekt sein wird, auch T. sind Menschen! Habe allerdings gelesen, dass das Teil der Borderline-Symptomatik ist, dass man andere Menschen beim geringsten "Makel" gleich total ablehnen soll. Ist das so?
Dass du mit Frauen nicht kannst, könnte daran liegen, dass du dich von deiner Mutter in der Sache besonders verraten fühlst. Vielleicht hat sie besonders stark versucht, deinen Bruder gegen deine berechtigten Vorwürfe in Schutz zu nehmen?
Als Nahziel würde ich auch sagen, dass Rauskommen aus dem Elternhaus dir sicher Entlastung bringt. Dort bist du der ganzen familiären Belastung viel zu nah!
Ich stimme mit Hasenfuß überein, dass Wut nicht nur legitim ist, sondern auch ein Ansatzpunkt sein kann, deinen eignen Gefühlen nahe zu kommen. (Geht mir nicht viel anders, denk ich an meine Eltern, fühl ich im Moment nur Wut.) Unterdrücken solltest du sie nicht, sie gehört zu dir. Und dein Problem ist ja nun mal, dass man dir in deiner Familie deine Gefühle und Selbstachtung genommen hat. Lass das nicht mehr zu!
Ach ja, eins noch: du äußertest das so im Zweifelston, ob das nicht vielleicht doch nur Doktorspiele waren!? Ich denke du weisst ganz genau, dass sie das NICHT waren! Von deinem Einverständnis kann man ja wohl kaum reden. Und bei Drohungen und Gewalt hört absolut jeder Spass auf!!
Wehr dich, du hast ein Recht dazu! Aber ohne Gewalt gegen Dich und andre! Versuche, FÜR DICH zu sorgen, auch wenn das anfangs sehr schwer fällt!
Ich wünsche dir viel Kraft und dass du Beistand findest!
Rainer (auch SMB-Opfer)
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Diogenes
Helferlein
45
Salzburg M, 32
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Mon, 06.Nov.06, 11:39 Re: He came at night .. |
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Hallo cp!
Es macht mich sehr traurig und betroffen, Deinen Leidensweg zu lesen. Aber ich denke, dass Du auf einem ... nun, guten (?) Weg befindest. Du schaust bereits auf Dich (sonst hättest Du all die Dinge und Erfahrungen nicht, die Du beschrieben hast) und versuchst AKIV Deinen Problemen Frau zu werden.
Meiner Meinung nach tragen Deine Eltern, wie schon von Spätzündi vermutet wohl Deine Mutter die Hauptlast der Verantwortung für Deine Probleme. Vielleicht findest Du einen Weg, sie ihnen zu geben. Und wenn es "nur" innerhalb der Therapie ohne ihr Beisein ist.
Auch ich finde es sehr, sehr gut für Dich, aus dem direkten Umfeld deines Bruders zu kommen. Vielleicht findest Du danach einen Weg, Deine Familie mit Deinem Schicksal zu konfrontieren UND dabei nicht unterzugehen. Ein großes Lob auch an Deinen Freund, dass er zu Dir hält und den Weg mit Dir gemeinsam gehen will!
Viel Glück und Erfolg für Euren erfolgreichen Auszug und den gemeinsamen Start ins Leben!
Wünscht
Diogenes
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