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Schattenmensch
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Post Sun, 30.Jul.06, 0:56      Aus dem Teufelskreis ausbrechen - aber nur wie? Reply with quoteBack to top

Hallo!
Vielleicht kann das Form mir hier weiterhelfen.
Nur noch wenige Stunden, dann ist meine "Woche Isolationshaft" in meiner eigenen Wohnung vorbei und ich kann wieder unter die Leute gehen. Nur hatte ich diese Woche über viel Zeit zum nachdenken und habe festgestellt, mich wahrscheinlich selbst in eine Krankheit hinein gedrängt zu haben.

So. Nun aber von Anfang an. Ich hoffe, einige von euch lesen den wahrscheinlich langen Text und können wir einen Rat geben:

Ich lebe in ländlicher Umgebung; in einer Kleinstadt in der nähe vn Suttgart. Ich bin fast 30, sozial durchaus etabliert, sehr engagiert bei einer freiwilligen Feuerwehr und dort auch geschätzt. -- Nur ich habe einen einzigen Markel: Ich bin ohne Job, arbeitslos!

Es ist meine größte Angst, dass genau das rauskommt. Irgendwie (und deshalb meine ich auch, dass ich KRANK bin) habe ich Angst davor, dass sich viele Menschen abwenden, mich wie zweite Wahl behandeln und ich gesellschaftlich usw. nicht weiter komme. Der Grund ist unter anderem darin finden, dass allgemein (in meinem Bekannten und Kameradenkreis ist keiner arbeitslos) auf dem Land schelcht über die Leute gesprochen wird oder schlechte Witze gemacht werden.

Das hat mich (wohl) dermaßen abgeschreckt, dass ich seit gut fünf Jahren (leider Langzeitarbeitslos) in zwei Welten lebe; mir praktisch für alle anderen eine Scheinwelt aufgebaut habe. Nach außen bin ich freier Künstler (Fotograf und freier Journalist). Mein Alias wird dadurch gestärkt, dass ich tatsächlich bischen für ein Blättchen schreibe und Artikel auch veröffenticht werden. Anscheinend spiele ich meine Rolle so "gut", dass es mir jeder abkauft. Es kamen nie Fragen oder so.

Schwieriger ist da schon der finanzielle Apsekt: Anfangs ging es noch, weil ich etwas Rücklagen hatte, später fing es an, dass ich mir lieber weniger zu Essen kaufte, nur damit ich mit meinem Kreis um die Häuser ziehen konnte.

Der absolute Hammer ist aber jetzt die von mir eingangs erwähnte "Isolier-Haft" in der eingenen Wohnung. Die Wahrung meines Scheins geht jetzt sogar so weit, dass ich mich mit haufen Videos, PS2-Spielen und Computer in der Wohnung einsperre, um EINEN URLAUB in Amerika vorzugauklen! Leider gibt es ja im Internet inzwischen Seiten, wo man dazu alles kaufen kann, was man braucht: Von der Postkarte (die in dem Land dann auch weggeschickt wird) bis zu Soviniers, etc.) GUT, wieder mal fast 50 Euro in meine Scheinwelt gesteckt. Was solls!

Nein. Ich will langsam nicht mehr! Könnt ihr mir helfen?
Kann ich da nach fünf Jahren noch raus? Was sagen meine Freunde,
Bekannte, Kameraden usw. Werden die mir verzeihen, wenn ich
mal mit der Wahrheit rauskomme?

Und: Was mich sehr interessiert (hab im Internet nichts gefunden):
Weiss jemand, wie die Krankheit heißt, die ich habe, wenn ich denn eine habe? Bin ich mit meinem Zwang allein oder kennt ihr ähnliche Fälle?

Bin gespannt. Schon mal vielen Dank!

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Danke für eure Hilfe!
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Post Sun, 30.Jul.06, 21:05      Re: Aus dem Teufelskreis ausbrechen - aber nur wie? Reply with quoteBack to top

Quote:
Anscheinend spiele ich meine Rolle so "gut", dass es mir jeder abkauft. Es kamen nie Fragen oder so.


Hallo Schattenmensch.

Im Prinzip treibst du hier auf die Spitze, was die meisten Menschen tun, sie leben für ein Bild von sich selbst. Dein Bild von dir selbst ist perfekt, wie du sagst, um so schlimmer der Makel mit der Arbeit.

Merkst du, dass sich genau dann keiner für dich interessiert, wenn du perfekt funktionierst? Die meisten Menschen merken das nicht, sie müssen immer neue Reize in die Umwelt setzen, um im Meer der immergleichen „Konsum-Individualisten“ noch aufzufallen und ihr Bild zu füttern, mit Anerkennung u.ä.

Ich vermute, du wirst dich entscheiden müssen, ob du dein Leben weiter diesem Schein opfern willst. Oder anfangen magst zu leben. Du beschreibst dich als nahezu perfekten Typen. Ich meine, dass in dir etwas ist, was dich als das komplette Gegenteil sieht, dich vielleicht auch als Versager oder so was sieht. Deine Isolierhaft klingt wie ein Bild aus (d)einem Traum, was dir im übertragenen Sinne deutlich machen will, was du hier treibst, was du hier einsperrst. Und so verstehe ich deine neuerliche Aktion mit dem Urlaub auch nicht als Zufall.

Das Gespenst, (k)ein „Versager“ zu sein, treibt viele Menschen erbarmungslos an, ebenso wie das, nicht allein zu sein. Das Wort "Versager" ist m.E. ein grauenhaftes Symptom einer kranken Gesellschaft, die Leben an Bedingungen knüpft, speziell an Leistung. Es gleicht dem sinnfreien religionsgeborenen Wort "Sünde", wenn man Leistung als die Religion der Neuzeit verstehen will. Es ist nonsens. Wenn du nichts leistest, darfst du nicht leben. Das ist einer der Grundirrtümer unserer Welt, damit müsstest du dich beschäftigen. Ich vermute aber, du wirst dem Gespenst genau in die Augen schauen müssen, um zu erkennen, dass diese sich gar nicht bewegen, weil es nur aus Pappe ist, genauso, wie die vielen vielen tollen Sachen, die uns die gesellschaft als erstrebenswert mit auf den Weg gibt. Wenn du bei den erstrebenswerten Sachen mal nahe dran und muxmäuschenstill bist und hinhörst, wirst du merken, dass die kein Herz haben, was in ihnen schlägt.

Dass sich die Angst in dir so krass steigert, ist nicht sehr ungewöhnlich, nur 5 Jahre sind schon recht lang. Ich vermute, dass es Sinn macht, du klingelst mal das Telefonbuch durch und suchst dir Hilfe von einem Psychotherapeuten. Nach 5 Jahren Versteckspiel wird es besser sein, fremde Hilfe anzunehmen, es täte mir leid, wenn du dich weiter so quälst.

Es tut richtig weh, wenn dieses schöne Bild vom tollen, fast perfekten Mann zusammenfällt. Ich fürchte nur, es muss zerfallen, damit du wieder lebendig sein kannst. Es tut mir sehr leid, dir keinen einfacheren Weg vorschlagen zu können.

Darauf, dass Arbeitslosigkeit kein Makel ist, sondern heute leider beinahe normal, gehe ich bewußt nicht ein, weil ich denke, dass ich dich bei diesem Thema nicht erreiche, bevor du dich nicht der Angst gestellt hast. Das Problem mit der Arbeitslosigkeit als Makel, wird danach von selbst in sich zusammen fallen...und danach werden sich auch ganz neue Ideen einstellen, wie du deine berufliche Zukunft erneut angehen kannst. Damit würde ich warten.

Viele Grüße
Hiob
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Post Mon, 31.Jul.06, 5:36      Re: Aus dem Teufelskreis ausbrechen - aber nur wie? Reply with quoteBack to top

Hallo Hiob!

Erst einmal vielen Dank für Deine sehr ausführliche Antwort.

Du hast Recht. Du kannst mich (leider) mit dem Argument, dass arbeitslosigkeit kein Markel ist in der heutigen Zeit, nicht erreichst. Leider ist es im ländlichen Bereich nicht so "normal" wie etwa in der Stadt. Hier hat (fast) jeder eine Tätigkeit...

Sicher wird es besser sein, wenn ich mal zum Therapeuten gehe. Das werde ich auch in Angriff nehmen. Ich muss etwas tun!

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Danke für eure Hilfe!
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