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sabel
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Post Fri, 16.Jun.06, 22:08      Die Quater-Life Crisis meines Freundes Reply with quoteBack to top

Hallo.

Nach einem Telefonat mit meinem Freund, bin ich zum wiederholten Male ratlos... es geht ihm seit längerer Zeit sehr schlecht und ich wende mich nun an euch, um Rat zu holen, was man als Freundin in so einer Situation machen kann.

Begonnen hat es nachdem er ein neues Studium begonnen hat. Zuvor war er eher Einzelgänger, hatte einige Leidenschaften und Interessen, denen er sich mit Über-Begeisterung gewidment hat. Die sozialen Kontakte sind damals ein wenig zu kurz gekommen.

Mit dem neuen Studium (in einer engen Klassengemeinschaft) kamen plötzlich immer mehr Bekanntschaften zu Stande. Eine Party nach der anderen - jedes Wochenende zahlreiche neue Telefonnummern usw. Das hat er sehr ausgekostet - ich war selten dabei. Er wollte das richtig für sich haben und genießen.

Das exzessive Socialising hat dann aber dazu geführt, dass er seine Ziele, die Dinge, die ihm wichtig sind aus den Augen verloren hat - und schließlich kaum was getan hat - außer Party und schlafen bis nachmittags. Er hat sich den neuen Bekanntschaften richtig verpflichtet - erklärte mir, er MÜSSE dorthin gehen usw. Ein dementsprechender Konsum an Alkohol kam dazu.

Ich war dann einige Monate im Ausland, um zu studieren und zu arbeiten. In dieser Zeit hat er sich dann noch mehr in die Sache verstrickt. Ich dachte zuerst, es würde besser werden, weil ich ihm auch auf die Nerven gegangen bin -> "wennst so viel weg gehst, kann nix weiter gehen" usw - ich weiß, dass das nicht zielführend war.

Er fühlt sich schlapp
hat keine Ziele
hat Angst vor der Zukunft
"ich bin jetzt 26 und hab noch nichts weiter gebracht"
alles scheint schwer
alles der letzten Jahre unnütz und vertan


Er hat einige kleine Projekte gestartet - also nicht gar nichts getan. Allerdings ist er mit ihnen (egal welches Lob und von wem er es bekommt) unzufrieden. Wertet alles ab, gönnt sich keine Belohnung.

Was außerdem erschwerend dazukommt: Er ist psychologisch ziemlich bewandert - führt also ständig Selbst-Analysen durch und weiß alles besser. Also, ihn zu einer Therapie zu überreden ... sehe ich als unbezwingbares Unterfangen an.

Er öffnet sich prinzipiell nur sehr wenigen Menschen. Seine Familie und ich gehören zur "Insider-Gruppe" - auch nicht immer. Die meisten anderen Freundschaften beschränken sich auf abendliche Unterhaltungen.

In unserem Telefonat vorhin hat er mir gesagt, dass die Situation für ihn noch erschwert wird, weil bei mir "im Augenblick alles gut läuft".

Wie reagiert man auf so eine Situation?
Ich würde ihn gerne unterstützen, Motivation zu finden, etwas für sich zu tun. Allerdings kommt ihm alles, das er für SICH macht, sinnlos vor...

Welche Erfahrungen habt ihr gemacht? Welches Verhalten von Angehörigen hat geholfen?

Ich habe auch Angst, etwas falsch zu machen - er überlegt sich meine Aussagen sehr genau - und hört mir akribisch zu. Natürlich mache ich keine Psycho-Beratung ... aber er erwartet manchmal eben eine Meinung.

Ein positiver Faktor: Er wohnte in einer schrecklichen Wohnung - die Atmosphäre dort war kaum zu ertragen - seine Vermieterin hat die Zimmer als Lagerräume benutzt. Und er zieht aus! Ich glaube, das ist eine gute Gelegenheit, um einen Schritt nach oben zu kommen.

Vielen Dank schon jetzt!
Mit lieben Grüßen
sabel
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sabel
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Post Sun, 18.Jun.06, 3:35      Re: Die Quater-Life Crisis meines Freundes Reply with quoteBack to top

Übrigens bin ich mit meinem Freund 3 1/2 Jahre zusammen und ihm geht es seit ca. 1 1/2 Jahren so, dass er kaum eines seiner Ziele erreichen kann.

Hoffe, auf baldige Nachricht. Denn ich fühle mich wirklich ratlos. Er hat vor einigen Monaten mal Schluss gemacht - ... weil er alles falsch macht usw. Das will ich nicht noch einmal.

Und es ist auch sehr schwer, sich nicht mitreißen zu lassen - wenn es jemandem quasi pausenlos nicht gut geht. Wenn ich immer verständnisvoll und liebevoll usw bin, rutsch ich manchmal in eine Art Mutterrolle ab - und das führt auch zu nichts.

Bitte schreibt mir, wie ich mich verhalten soll. Dass er sich einmal einer professionellen Beratung unterziehen könnte usw - ist klar. Aber was tut man im Alltag? Was tut man jeden Tag? Wie kann man ein Stück Unbeschwertheit und Freude schenken?

Danke. Lg, sabel.
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werschaf
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Post Sun, 18.Jun.06, 20:54      Re: Die Quater-Life Crisis meines Freundes Reply with quoteBack to top

hallali!

das ist echt stark, dass du so lange mitmachst. also, dass du das aushältst. ich bin beeindruckt!

also was sagt man da so... das ist voll schwierig... ich denke, es ist voll wichtig, dass du ihn irgendwie zu einem psychologen schleppst. den folgenden text hab ich auf einer webseite mit tipps zu depressionen gefunden: (http://www.netdoktor.de/thema/depression.shtml -> tipps für angehörige)


"Suchen Sie ärztliche Hilfe: Wie bei anderen schweren Erkrankungen sollten Sie so rasch wie möglich ärztliche Hilfe suchen. Ergreifen Sie als Angehöriger die Initiative und vereinbaren einen Arzttermin. Viele Depressive sehen hierfür keine Veranlassung oder sind dazu nicht in der Lage. Außerdem sehen sie den Grund für den Zustand oft nicht in einer Erkrankung, sondern machen persönliches Versagen und Verschulden dafür verantwortlich. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus legitim, wenn Sie als Angehöriger mit dem Arzt ein Bündnis gegen die Depression schließen. "

ich denke, da ist was dran. ich glaub, ich wär auch nie zum arzt gegangen, wenn mich meine mutsch nicht ohne widerrede hingeschickt hätte. ich denke, dass ist der schwierigste schritt überhaupt, da kann man schon mal bißchen nachhelfen. hilfe zu suchen ist für manche sehr schwierig, weil sie dann eingestehen müssten, dass sie irgendwo unzulänglich sind. aber sobald sie überzeugt sind, dass es eine krankheit ist, sind die meisten ziemlich erleichtert...

schau dir mal die webseite an, ansonsten gibt's sicher noch ne menge bücher oder so. oder frag einfach nen arzt!

alles liebe und viel glück für euch zwei! crazy
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sabel
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Post Mon, 19.Jun.06, 14:37      Re: Die Quater-Life Crisis meines Freundes Reply with quoteBack to top

Danke sehr, werschaf!

Es ist halt ziemlich schwer - so ein Balanceakt zwischen viel Liebe und Verständnis geben und dann wieder eine gewisse Härte und Konsequenz entgegen bringen...

Ich weiß nie, wie weit ich gehen kann - was ich von ihm in seiner Situation erwarten "darf" und was ihn noch zusätzlich belastet.

Ein Bündnis mit PsychologInnen einzugehen ist für mich zugegeben auch schwer. Wenn ich an so einige Bekannte denke, die so eine Ausbildung machen oder gemacht haben - da kann schon oft eine gewisse gemeinsame Basis fehlen. Deshalb bin ich diesbezüglich eher zurückhaltend. Aber, vielleicht könnt ihr mir jemanden in Wien empfehlen (der v.a. auch ein junges Budget nicht übersteigt)?

Wenn jemand von euch Ähnliches erlebt hat, als Partnerin oder Partner bzw. mit jemand anderem - ich wäre sehr glücklich, mich mit euch austauschen zu können.

Lieben Gruß.
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Post Thu, 22.Jun.06, 22:34      Re: Die Quater-Life Crisis meines Freundes Reply with quoteBack to top

Hallo Sabel

nachdem Dein Freund psychologisch bewandert ist und alles, was Du an Ratschlägen und Tipps zur Verfügung stellst, sofort analysiert und bewertet, schlage ich einfach mal

METAKOMMUNIKATION

vor

Was bedeutet das? Das bedeutet, das Du eben nicht sagst "Mach jenes, lass dieses", sondern über Eure Kommunikation kommunizierst, genau wie Du hier schreibst - ihm zum Beispiel zu sagen "Ich möchte Dir gerne helfen, weis aber nicht, wie! Alles, was ich sage, bewertest und analysierts Du - ich habe Angst, was falsches zu sagen. Ich fühle mich hilflos! Welche Rolle teilst Du mir eigentlich zu? Wie kann ich Dir helfen? Welchen Rat brauchst Du? Was machst Du konkret, um was an der Situation zu ändern - und was soll mein Teil sein?

Die Verantwortung für eine Besserung ist bei Deinem Freund - nicht bei Dir! Du bist nicht der Bergführer, der Deinen Freund auf den Gipfel führen kann - aber Du bist mit Sicherheit ein guter Scherpa (keine Ahnung, wie man das schreibt), also jemand, der mit ihm seinen Weg geht und ihn unterstützt.

Oder?

Ben

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Post Fri, 23.Jun.06, 18:17      Re: Die Quater-Life Crisis meines Freundes Reply with quoteBack to top

Hallo Ben, danke für deine Antwort.

Der Großteil unserer Kommunikation läuft eigentlich über Metakommunikation - die "mach dies, lass jenes" Gespräche waren ausschlaggebend für den "Versuch" die Beziehung zu beenden, aber es war eben doch mehr da, was uns aneinander gehalten hat.

Ich kann in ruhigen Minuten/Std gut mit ihm darüber reden und er ist auch bezüglich seiner Gefühle und Ängste mir gegenüber sehr offen. Er sagt, es müsse sich dringend etwas ändern. Und das sagt er mit Sicherheit nicht wegen mir, sondern weil er unglücklich ist, und das sich selbst zuschreibt. Ich glaube, es sind Versagensängste damit verbunden - weil er sich so schwach fühlt, und obwohl er unzufrieden ist, nichts an seiner Situation ändert.

Wenn es darum geht, Vorsätze in die Realität um zusetzen, wird die Situation sehr schwierig. Und vielleicht gibt es ja da eine Möglichkeit ... ihm mal die Wanderschuhe zu besorgen, damit er losgehen kann.

lg, sabel
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Post Sat, 24.Jun.06, 11:02      Re: Die Quater-Life Crisis meines Freundes Reply with quoteBack to top

Hi Sabel,

Das ist dann natürlich komplizierter. Ich denke (und hier spreche ich autobiographisch), das der Leidensdruck bei depressiven Menschen, die auch noch glauben, immer alles selber lösen zu müssen, extrem hoch sein muß, das sie die Wanderschuhe anziehen und losmarschieren. Und vielleicht nimmst Du ihm durch das fürsorgliche Verhalten gerade jenen Leidensdruck immer ein wenig, so das er doch nicht losgehen muß. Da ihr in Eurer Beziehung durchaus auf dieser Ebene kommuniziert, frag ihn doch mal, was er davon hält

Ben

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Post Sat, 24.Jun.06, 19:43      Re: Die Quater-Life Crisis meines Freundes Reply with quoteBack to top

ja, ich werde ihn darauf ansprechen.

mit der fürsorglichkeit hast du wahrscheinlich recht... darauf hat mich meine mutter aufmerksam gemacht, seit ich meine 1. lange beziehung hatte. ich bin ohne vater aufgewachsen - ohne mann im haushalt bis ich 16 war. komisch, dass ich immer wieder dazu neige, mich ZU SEHR um meinen freund zu sorgen.

allerdings waren wir ja auch 7 monate alleine - und in der zeit hat er sich am extremsten überhaupt gehen lassen...

mir fallen viele dinge sehr leicht. ich kann einiges koordinieren. auch wenn ich nach außen vielleicht relaxter erscheine, als ich es tatsächlich bin. scheine in den augen meines freundes "alles zu schaffen".

kann es sein, dass es für ihn besser ist, ihn alleine zu lassen?
aber das kann doch nicht sein!

mich beschäftigt es ehrlich gesagt sehr ... in unseren breitengraden ist alles so individualisiert - jeder alleine - gegen alle - oder eben mit. familienzusammenhalt scheint hinter expertenberatungen gereiht zu sein. ein wirkliches "mitleiden" gibt es anscheinend kaum mehr - man muss ja auf sich selber schauen... sich verwirklichen usw usw - alles auf sich selber konzentriert.

das ist etwas, das sich erst in den letzten jahrzehnten entwickelt hat. ich will jetzt aber keinen gesellschaftskritischen text anfangen...

aber ich glaube nicht, dass man so alleine ist/sein muss. therapie spricht ja eigentlich auch genau dagegen - gegen das alles alleine lösen wollen. nur dass es in geordnet systemischer, spezialisierter form passiert.

ich werde heute mit ihm sprechen - ich werde bald für 2 wochen weg sein und möchte ihm (und auch mir) zeit geben, um einige dinge zu überdenken.

ich wünsch euch noch ein angenehmes wochenende, danke fürs anteil nehmen und nach wie vor freue ich mich sehr, wenn ihr eure erfahrungen mit mir teilt.
sabel
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Post Sun, 25.Jun.06, 4:52      Re: Die Quater-Life Crisis meines Freundes Reply with quoteBack to top

Hallo Sabel

mit ihm sprechen ist sicherlich gut - auch und gerade über die Fürsorglichkeit (eine - wie ich finde - großartige Eigenschaft - das vorweg).

Ich denke nicht, das es besser für ihn ist, alleine zu sein - ich hoffe, ich bin nicht so verstanden worden. Ich denke nur, es gibt in jedem Menschen Potentiale, die auf dem Weg zum echt-sein entwickelt werden müssen und die man/frau nicht auf den Partner deligieren kann. Eine gute Beziehung stelle ich mir zwischen zwei Menschen vor, wenn möglichst wenig Abhängigkeiten da sind - wenn ich meinen Partner nicht "brauche" (im Sinne von gebrauche oder auch missbrauche, um meine eigene Entwicklung nicht mehr vorantreiben zu müssen). Dann und nur dann kann man von Liebe sprechen, alles andere sind Zweckgemeinschaften (harte Worte, ich weis). Und hier sehe ich auch die Chance von vielen Beziehungen - das man die Seiten, wo ich meinen Partner nur brauche ansieht und daran arbeitet, in diesen Bereichen mit und von ihm lernt - und umgekehrt.

Wäre das nicht ein schöner Ansatz?

Schönen Sonntag

Ben

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