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BulldogNose
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Post Thu, 01.Jun.06, 11:39      Selbsterschaffene Negative Erfahrungen Reply with quoteBack to top

Hiho!

In letzter Zeit habe ich mir aus verschiedenen psychologischen Konzepten und Beobachtungen eine eigene Theorie fusioniert. Wahrscheinlich ist es nur eine Umformulierung von Bekanntem. Ich nenne sie die

Selbsterschaffenen Negativen Erfahrungen

(und weil ich cool wirken will kürz ich das noch ab: SNE. hehe Cool )

Im Prinzip geht es dabei um Wahrnehmung, (unter)bewußtes handeln, interpretieren und selbsterfüllende Prophezeihung. "Selbsterschaffen" deswegen, weil man vor, während, und nach der Erfahrungssituation selbst einen größeren Teil dazu beiträgt, als man sich vielleicht eingesteht. Dabei geht es nicht um "Schuld", sondern vielleicht vielmehr um Selbstverantwortung.

Welchen Teil trägt man zu einer sozialen Situation bei (die in einer Erfahrung resultiert)?

Vorher:

  • Eigene Einstellung
  • unterbewußte selektive Auswahl
  • Zulassen / Ablehnen einer Situation
  • Vorbewertung
Währenddessen:

  • Aktives / passives Gestalten
  • Eigene Interpretation
  • Zulassen von Gedanken und Gefühlen
  • Reaktion auf Verhalten des anderen
Danach:

  • Konzentration auf pos. / neg. Aspekte
  • Eigene Interpretation
  • (unterbewußtes) Filtern
  • gezogene Schlußfolgerungen


Ich sehe es so, daß durch eigenes Verhalten, Denken und Interpretation man sich die Erfahrung zu großen Teilen selber schafft und damit die daraus gezogenen Erkenntnisse / Schlußfolgerungen. Diese Dinge sind nämlich unabhängig von der Umwelt, sondern unterliegen der eigenen Kontrolle: dem eigenen Kopf.

Als Extrembeispiel nehmen wir eine Partnerbeziehung, die von Gewalt geprägt ist, und in der jahrelang ausgeharrt wurde. Die Erfahrung könnte dann sein: "Männer (im allgemeinen) sind Schweine und nicht vertrauenswürdig." (oder umgekehrt auf Frauen bezogen)

Was ist an dieser Erfahrung "selbsterschaffen"? Einfach: er / sie hat die Situation dauerhaft zugelassen (anstatt aus der Beziehung rauszugehen). Somit ist man, für sich selbst, mitverantwortlich, nur das wird in der Interpretation ausgeblendet. Daraus resultiert eine verzerrte Erfahrung. Unterbewußt hat man evtl. sogar ein Muster ausgebildet, wodurch man sich solch einen Partner quasi gezielt ausgesucht hat.

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Post Thu, 01.Jun.06, 11:45      Re: Selbsterschaffene Negative Erfahrungen Reply with quoteBack to top

Das Prinzip der SNE sehe ich auch, wenn man sich dauerhaft an Körben von Frauen, deren Schlechtigkeit oder anderen Theorien aufhängt. Sowohl der Gedankengang, als auch das Verhalten und die anschließende Interpretation sind falsch (im Sinne von nicht konstruktiv).

Zum Beispiel eine, jetzt eher untypische Situation, die man so-oder-so sehen kann: Merke nicht, wenn Frauen was von mir wollen

Worauf ich hinaus will: Zum einen sollte man alte Erfahrungen grundsätzlich überdenken. Wo hat man seinen eigenen Teil dazu beigetragen? Was hätte man besser machen können? Wie würde ich heute darauf reagieren?

Vor allem bei Kindheitserinnerungen: man befand sich in einer ganz anderen, abhängigeren, schwächeren Position. Außerdem finde ich Kinder / Jugendliche oft ziemlich gemein. Diese Erfahrung kann man aber auf das hier und heute nicht mehr übertragen - man ist ein anderer, erwachsener Mensch geworden. Alte Hänseleien sollten eigentlich keine Rolle mehr spielen. Man hängt trotzdem noch fest.

Hinterfragt man alte Situationen mit den eigenen, neuen Erkenntnissen, kann man sich intellektuell davon lösen, und vielleicht später emotional. Dafür muß man sich natürlich mit dem ganzen auseinandersetzen und einen konstruktiven Blickwinkel erlangen. Man muß auch versuchen, sich von alten Schuldgefühlen, Scham etc. zu befreien.

Ich denke alte, negative Erfahrungen sind meistens kontraproduktiv, wenn sie auf die "falsche Weise" entstanden sind - wenn man sich des eigenen Mitwirkens daran nicht bewußt wird und folglich daraus nichts gewinnen kann. Ich sehe allgemein eine Tendenz, daß je mehr Beziehungen jemand hatte, desto mehr nehmen die negativen Erfahrungen überhand.

Müßte es nicht umgekehrt sein: mit mehr Beziehungserfahrung müßten zukünftige Erfahrugen doch immer besser werden?! Weil man besser gelernt hat zu selektieren, Anzeichen zu erkennen, Grenzen zu ziehen, Konsequenzen durchzuführen etc. Stattdessen fühlen sich viele der Situation hilflos ausgesetzt: ist halt so, Männer / Frauen sind so etc. Sie nehmen eher eine passive Opferrolle ein.

Dagegen setzte ich das Konzept der

Selbsterschaffenen Positiven Erfahrung (SPE)

Zum einen natürlich durch die entsprechende Interpretation der Situation, die man evtl. selbst herbeiführt (Stichwort: "Übungsfrauen"). Zum anderen unterscheidet es sich vom "reinen positiven" Denken, daß man tatsächlich positive Erfahrungen sammelt. Also quasi Beweismaterial, daß man immer wieder gegen seine eigenen falschen Gedanken entgegenhalten kann.

Positive Erfahrungen kann man immer sammeln. Man muß sie nur Anerkennen können (zB Komplimente annehmen). Eventuell muß man dafür sehr niedrig ansetzen, kann sich aber von dort aus "hocharbeiten". Das geht schon stark in Richtung von Verhaltenstherapie. Das finde ich aus dem einen Grund wichtig, daß keine Theorie oder Gedankengang die praktische Erfahrungen ersetzen kann.

Kurz zusammengefasst:

nicht hinterfragte Erinnerungen
+ negative Interpretation / Denkweise
+ Passivität
+ beibehalten bisheriger Strukturen
------------------------------------------
SNE


Positives Denken
+ Reframing
+ angeeignetes Wissen
+ Aktion
---------------------------
SPE


So, ich bitte um Diskussion!

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Post Thu, 01.Jun.06, 14:09      Re: Selbsterschaffene Negative Erfahrungen Reply with quoteBack to top

ich bin nicht entsprechend ausgebildet - aber ich denke, das entspricht eigentlich total den psychologischen lehren - bzw. auch dem therapeutischen ansatz. bei mir ist das zumindest so. das, was mir mein leben schwer macht ist MEIN WERTedenken - und nicht das leben an sich. und die therapie setzte darauf an, sich auf gegenteilige erfahrungen "einzulassen". denn der mensch hat oft vor neuen (positiven) erfahrungen mehr angst als vor alten (negativen) weil ihm sicherheit liegt. das alte/negative hat er unter kontrolle. der neuen situation stünde er ohne verhaltensmuster gegenüber, das bedeutet stress.

ich habe im prinzip dieselbe erfahrung gemacht, beschreibe das alles aber komplett von der anderen richtung. vielleicht "weiblich". zwinkernd..
ich denke es so, das kein mensch im besitz der absoluten wahrheit ist und auch keine situation so wahrnehmen kann, wie sie IST. jeder kommt von wo her und trägt davon eine gewisse haltung in sich, mit welcher er jede situation wahr nimmt, bewertet. selbst wer sich noch so objektiv wähnt kann dennoch nur nach seinem eigenen inneren pool sehen und werten. somit ergibt sich, das kein mensch einen anderen so sehen kann wie ein anderer - oder einen anderen wirklich kennen kann.
und - je gegensätzlicher erfahrungen sind - umso ein lockereres, offeneres und weitläufigeres bewerten ermöglicht dies.

bei deinem beispiel mit der gewalterfahrenen frau. ich denke das nennt man "erlernte hilflosigkeit". denn solche menschen sind ja nicht WIRKLICH hilflos in der situation gefangen sondern so frei wie jeder andere mensch auch. aber sie haben die erfahrung von ausweglosigkeit und sinnlosigkeit erlernt und halten es für wahr.

also. hm. deine erkenntnis mit anderen worten zwinkernd..

aber vielleicht ist jemand ja geschult und kann uns die fachbegriffe oder überbegriffe der psycholoie dazu nennen.

ich finde es auf jeden fall toll, das du hier angekommen bist. viele menschen reagieren fast beleidigt wenn sie das hören, weil sie sich in ihrer opferrolle doch zu geborgen fühlen.

als für mich die erkenntnis frisch war, verstand ich all die selbstgewählten opfer nicht - wo es doch scheinbar so einfach ist, heraus zu kommen. mein lieblingsparadebeispiel: meine mutter. ein glanzbeispiel. mittlerweise aber bin ich wieder weiter - und ich kann verstehen warum sie so "gerne" opfer ist und auch in zukunft alles dafür tun wird, eines zu bleiben. vermutlich auf lebenszeit. und gerade an meinen eltern ist deine aufstellung so herrlich abzulesen. aber auch mein eigenes leben, muss ich sagen. ich habe eine ziemliche wandlung vom misantrophen zum philantrophen gemacht zwinkernd... und letzteres bringt mich zu einem augeglicheneren, glücklicheren, harmonischeren leben.

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Post Thu, 01.Jun.06, 17:36      Re: Selbsterschaffene Negative Erfahrungen Reply with quoteBack to top

@Bulldognose: das sind in der Tat interessante Ansaetze, die allerdings - wenn auch unter anderem Namen - schon vor Jahrzehnten im Konstruktivismus reflektiert, und in der therapeutischen Arbeit vor allem von der Systemischen Therapie genutzt werden.

Vielleicht sind fuer Sie die diesbezueglichen Uebersichtsartikel auf meiner Website interessant, v.a. fuer das Finden weiterfuehrender Literatur.

mfg und danke fuer einen anregenden Beitrag
R.L.Fellner

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Post Fri, 02.Jun.06, 0:52      Re: Selbsterschaffene Negative Erfahrungen Reply with quoteBack to top

Sehr interessant, wie du das schreibst. Ist so ähnlich auch in meinem Kopf, nicht zuletzt, seit ich mich ein wenig mit NLP beschäftigt habe. Auch dort finden sich sehr ähnliche Ansätze zu deinen Ausführungen. (und auch im alten Griechenland und in der Bibel, wenn auch nicht so dezidiert)

Finde ich sehr gut, dass du das mal zusammenfasst. Merci!

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