Author |
Message |
AnnoEisbaer
neu an Bord!
2
München M, 24
|
Thu, 20.Apr.06, 21:17 Selbsthilfegruppen und ein bisschen was zu mir |
|
Hallo Leute,
Ich suche Leute in meinem Alter mit denen ich reden kann. Am besten Raum München. Habe schon im Internet gesurft, aber die meisten Selbsthilfegruppen sind 35 und älter.
Nun zu mir:
Ich bin 23 und studiere Mathematik in München. Eigentlich war ich nie besonders unglücklich. Habe immer viel unternommen und bin auch sehr sportlich und eigentlich heißt es ja dass Sport gut gegen Depris ist. Stimmt bei mir anscheinend nicht.
Angefangen hat alles wahrscheinlich so 12 oder 13 Klasse, obwohl mir das erst jetzt langsam bewusst wird. Denn damals waren diese Phasen noch sehr kurz und nicht so tief.
Dann so mit 21 ging es los. Ich war in England und habe Magic Mushrooms genommen. Bevor mich jetzt einer als Junkie abstempelt: Das war meine einzige Begegnung mit Drogen und wird sie wahrscheinlich auch bleiben, so negativ wie sie war. Selbst Alkohl trinke ich sonst eigentlich kaum. Naja ich war halt einfach neugirig und wollte mal wissen wie das wirkt.
Ich hatte zwei Wochen lange übelste Panikattacken und Angstzustände. Und hätte mich mehrmals fast umgebracht in der Zeit. Aber innerhalb des nächsten Jahres habe ich das gut in den Griff bekommen.
Bin deswegen auch in Therapie gegangen. Also im nachhinein waren die Drogen wohl doch zu was gut. Denn meine Depressionen hätte ich nie zugegeben. Das war mir peinlich. Aber wegen Panikattacken durch Drogen Hilfe aufzusuchen war schon wesentlich einfacher.
Mittlerweile (zwei Jahre später) habe ich so gut wie keine Panikattacken mehr. Aber ich leide an immer schlimmeren Depressionen. Ich habe zu nichts Lust und kann mich zu nichs motivieren. Selbst Fernsehen oder Weggehen fällt mir immer schwerer.
Auch Snowboarden, Joggen und Fitness mache ich kaum noch. Eigentlich Dinge, die ich immer gern gemacht habe. Und das schlimme daran ist, dass ich jedes mal, nachdem ich mich aufraffe und versuche aus dem Loch zu kommen, in ein noch tieferes Loch falle. Mittlerweile bin ich wieder soweit, dass ich Suizid Gedanken habe, die mir selbst Angst machen.
Und ich habe das Gefühl nichts dagegen tun zu können. Bin ja schließich schon seit zwei Jahren in Therapie. Aber habe trotzdem diese Antriebslosigkeit und innere Unruhe. Mittlerweile ist es so schlimm geworden, dass ich auch schon ein Semester verloren habe. In der Zeit habe ich mich viel abgelenkt. Bin viel mit Freunden unterwegs gewesen und habe halt andere Dinge gemacht die mir noch Spaß gemacht haben. Aber das alles macht mir immer weniger Freude. Mittlerweile sind mir selbst einfache Tätigkeiten eine große Last und ich brauche immer mehr Überwindungskraft überhaupt was zu tun. Am liebsten würde ich den ganzen Tag nur schlafen, aber selbst das kann ich nicht, weil ich dann zuviel nachdenke und ich wieder unruhig werde oder sogar Panikattacken bekomme.
Manchmal habe ich das Gefühl, dass sowieso alles sinnlos ist. Was kann ich denn noch tun. Ich versuche ja immer mich nicht aufzugeben und meinen Hobbies nachzugehen, für die Uni zu lernen etc. Aber es erfordert jedes mal mehr Kraft und wenn ich dann wieder in ein noch größeres Loch zurückfalle, gebe ich manchmal die Hoffnung auf. Alle guten Vorsätze bringen ja doch nichts. Und dann bin ich wochenlang in diesem Loch (manchmal einfach nur antriebslos, manchmal eine fast unterträgliche innere Unruhe, die mich lähmt) und wenn ich dann wieder über den Rand hinausspähe, sehe ich wieder so viel unbewältigte Dinge. Ein paar Tage geht es dann wieder gut, nur um dann in ein noch tieferes Loch zu fallen.
Alles ist dunkel und trüb um mich, selbst wenn die Sonne scheint.
Plz hlp me
|
_________________ Unerschrift unleserlich |
|
|
|
Werbung |
|
Philipp1982
Forums-InsiderIn
169
Groningen M, 23
|
Thu, 20.Apr.06, 21:48 Re: Selbsthilfegruppen und ein bisschen was zu mir |
|
Sehr bewegend, deine Geschichte. Ich hatte dasselbe mit sechzehn: Depression. Habe dann gleich mit psychoanalytischer Therapie begonnen und bin jetzt nach ca. sechs Jahren 98% symptomfrei. Ich weiss, wie sich Depression anfühlt. Ich hatte sie fast zwei Jahre ununterbrochen und danach einige Rückfälle. Ich werde dir eine Liste mit Tipps machen, die mir selber geholfen haben:
1. Versuche Leute zu vermeiden, die dich aufheitern wollen à la: Mach doch das. Das ist doch sehr schön. Das ist genau das, was du im Moment nicht brauchst! Wenn es nicht geht, geht es nicht.
2. Die Leere ist schwierig zu ertragen. Wenn Fernsehen auch nicht mehr hilft, dann mach nichts. Und versuche auch nicht gewaltsam an nichts zu denken, denn das verstärkt die Gedanken. Falls du mal ne Nacht nicht schlafen kannst, sei am anderen Morgen besonders verständnisvoll/liebevoll mit dir selber und verurteile dich nicht. Viele Menschen haben Depression. Das ist eine Krankheit und also kein Grund, sich dafür zu verurteilen, wenn man Aktivitäten die man früher konnte vorübergehend nicht mehr machen kann.
3. Oft sind es Schlüsselsituationen, die in die Depression führen. Sie bedeutet in erster Linie, dass dein Handlungsspielraum eingeschränkt ist. Wo schränkst du dich ein? Wie steht es mit Sex/Beziehung? Sind Freundschaften/Familiensituationen in die Brüche gegangen?
.
.
.
Was ist genau passiert, als du 21 warst? Das scheint mir das Alter für das Schlüsselerlebnis zu sein. Ich glaube nicht, dass die Mushrooms nach vier Jahren noch Wirkung haben oder bleibende Schäden hinterlassen haben Es muss um etwas gehen, das ungefähr zeitgleich passiert ist: Eine enttäuschte Beziehung - Kontaktabbruch mit einer wichtigen Person -sexuelle Schwierigkeiten - etwas, wo ich jetzt nicht drauf komm, weil ich dich auch nicht wirklich kenne ...
4. Suche das Schlüsselerlebnis! Falls es gar nicht anders geht, scheue auch nicht vor dem Psychiater und Medikamenten. Remergil hat mich damals ziemlich runtergebracht. Es hatte bei mir keine Nebenwirkungen bis auf gelegentliche Kopfschmerzen, was ich jedoch dankbar hingenommen haben, weil die Gefühle der Leere zeitweise nicht mehr so stark waren. Als ich stabil war, habe ich eine psychoanalytische Therapie gemacht.
Mehr habe ich im Moment nicht. Ich wünsch dir viel Glück! Und falls du noch auf einzelne Aspekte näher eingehen möchtest, schreibe mir ne Privatnachricht.
PHILIPP
|
_________________ Wir rennen vor dem Leben weg. (Erich Fromm) |
|
|
|
AnnoEisbaer
neu an Bord!
2
München M, 24
|
Thu, 20.Apr.06, 22:25 Re: Selbsthilfegruppen und ein bisschen was zu mir |
|
hallo Philipp1982 (wenn 1982 dein Geburtsjahr ist: meins ist es auch:-))
du hast mir sehr geholfen. Das schlimmste ist nämlich, dass ich manchmal das Gefühl habe, dass sich die Depression schon in mein Seele eingebrannt hat und dort nie wieder weggehen wird. Denn umso mehr Zeit vergeht, umso weniger glaubt man dass sich jemals wieder etwas ändern wird. Aber da du es nach einer langen Zeit (2 Jahre wenn ich das richtig verstanden habe) auch geschafft hast, habe ich noch Hoffnung.
Am meisten habe ich auch Angst vor einem Rückfall. Denn das erste mal gegen eine Depression zu kämpfen geht noch. Man ist voller Zuversicht, dass man es schaffen kann. Aber umso öfter sie kommt, desto schwiriger ist es. Das ist wie mit den guten Vorsätzen im neuen Jahr. Je öfter man diese Vorsätze bricht, desto schwieriger wird es sie im nächsten Jahr einzuhalten und irgendwann nimmt man sie sich gar nicht mehr vor. Und so fühle ich mich zur Zeit. Ich will gar nichts mehr gegen meine Depressionen tun, weil ich denke dass es sowieso nichts bringt und ich ja doch wieder in ein Loch fallen werde.
Ist es bei dir jetzt komplett weg oder kommen immer wieder solche Phasen? Und wie lange bist du schon geheilt?
|
_________________ Unerschrift unleserlich |
|
|
|
Philipp1982
Forums-InsiderIn
169
Groningen M, 23
|
Thu, 20.Apr.06, 23:20 Re: Selbsthilfegruppen und ein bisschen was zu mir |
|
Hallo,
ja, ich bin auch ein 82er ... Die müssen zusammenhalten! ... Guter Jahrgang ...
Was kan man dagegen tun?
- Also "dagegen tun" ist schon mal - ehrlich gesagt - der falsche Blickwinkel. Du musst dir die Depression vorstellen wie einen Puppenspieler und du bist die Marionette. (Ich nehme jetzt mein eigenes Bild.) Wenn du sagst, ich will allein laufen, kriegt der alte Mann sorgen, dass er seinen Job verliert und hält die Fäden nur noch fester in der Hand. Deswegen kannst du allein gar nichts tun, außer das mitzuspielen, was der Puppenspieler (die Depression) mit der Marionette (mit dir) macht.
Jedoch kannst du eine psychoanalytische Therapie machen. Du schreibst, du willst nicht, weil du nicht an den Erfolg glaubst. Dann eine Frage, die dich hierzu zum Nachdenken bringen soll. Wenn Therapie wirklich unwirksam ist, wieso bezahlt dann die Krankenkasse (die ja sowieso sehr knausrig sind mit dem Geld wie wir ja alle wissen) dafür? Du glaubst doch nicht, dass die jährlich Millionen in heiße Luft stecken. Wieso gibt es dann Psychologen, wenn sie einem nicht helfen können? Wären sie dann nicht überflüssig? Aber sie stehen im Telefonbuch, seitenlang. Also gibt es scheinbar doch Leute, die dort anrufen.
Und ich studiere Psychologie. Wäre ich nicht vollkommen überzeugt, dass man damit Depression heilen kann, würde ich meine Zeit lieber in was anderes stecken, einen anderen Beruf.
Bin ich geheilt? Rückfälle?
Ich selber bin geheilt. Bis die sehr starken Selbstmordgedanken und die Panikattacken weggingen hat es ca. 3 Jahre gedauert (Mit Therapie! Allein bezweifle ich, dass man es schafft, es war mit Therapie schon schwierig genug ...). Bis die Symptome auf nahezu Null waren, hat es 6 Jahre gedauert. Rückfälle habe ich keine. Ich weiss jetzt, wie es soweit kommen konnte.
Ich möchte dir hier auch empfehlen: Suche dir jemanden (einen Freund) mit dem du reden kannst. Der dir zuhört und Raum gibt (keine dummen Ratschläge!). Es ist eine Zeit, wo auch manchmal die Wahrnehmung nicht ganz gut funktioniert. Beobachte dich selber. Schreibe auf, was dir durch den Kopf geht. Und gehe bitte mal zum Psychologen/Psychiater. Nicht, weil du krank bist oder weils der besser weiss, sondern weil du dein Vorurteil überprüfen möchtest, dass Psychologen Depression nicht heilen können. Mal sehen, wer am Ende Recht hat. Achso, du hast geschrieben, dass du schon in Therapie bist zwei Jahre. Was ist es denn für eine Therapierichtung? Ist es ein Psychologe, Psychiater oder ein Wunderheiler?
PHILIPP
|
_________________ Wir rennen vor dem Leben weg. (Erich Fromm) |
|
|
|
Werbung |
|
schnute69
sporadischer Gast
12
Deutschland W, 37
|
Mon, 24.Apr.06, 9:35 Re: Selbsthilfegruppen und ein bisschen was zu mir |
|
Hallo AnnoEisbaer und Philipp,
eure Worte haben mich sehr berührt. Vor allem die Tips von Dir Philipp fand ich sehr weise. Und herzlichen Glückwunsch, dass Du die Depression in den Griff bekommen hast. Das gibt mir Hoffnung aus meinem Sumpf heraus zu kommen.
AnnoEisbaer ich wünsche Dir, dass es Dir bald besser geht.
Was ich aber noch mal fragen wollte ist, was so schlimm daran ist, dass die Menschen in den Selbsthilfegruppen älter sind als Du?
LG schnute
|
|
|
|
|
|
|