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Suneater
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Post Sat, 01.Apr.06, 0:39      Was ist Mitleid? Reply with quoteBack to top

Hi

Ich würde allen Hobbyphilosophen, Querdenkern und Interessierten gerne mal eine Frage stellen, die mir seit kurzen auf den Nägeln brennt: Was ist eigentlich Mitleid und welche Mechanismen stecken dahinter?
Eine blöde Frage, ich weiß, aber ich finde sie eigentlich, vor allem im Bezug auf solch ein Forum, interessant.

Ist Mitleid etwas, das wir als echte Empathie am Schmerz anderer empfinden oder ist es etwas, was wir aus moralischen Gründen fühlen, um unseren gesellschaftlichen Erwartungen gerecht zu werden? Empfinden wir es als Sorge, oder aus Selbstzweck? Vergangenes Beispiel: Jemand hat für die Flutopfer von Südostasien gespendet und rennt anschließend zu jedem, um ihm von seinem Beitrag zu erzählen…ist das Mitleid oder versucht dieser jemand nur seinen eigenen Stellenwert zu verbessern, in der Hoffnung Nachts mit einem beruhigten Gewissen einzuschlafen? Oder leiste ich mir alleine durch Aussprüche wie: „Das tut mir Leid!“ oder „Das wird schon!“ einen aktiven Beitrag oder versuche ich dadurch eigentlich nur, nicht als „herzloser Drecksack“ dazustehen? Oder muß ich leise sein, damit mein Mitleid ernsthaft wirkt? Aber wie soll das wieder funktionieren? Ist man böse, wenn man nicht automatisch Mitleid empfindet das es für jeden sichtbar ist? Was denken wir uns eigentlich wirklich dabei?

Eine lächerliche Frage (obwohl es mehrere sind, sorry Wink ), vielleicht, aber mir wurde beigebracht das es angeblich keine blöden Fragen gibt…nur blöde Antworten!! Das hab ich nie geglaubt, also würden mich verschiedene Meinungen wirklich interessieren. Lasst mich bei meinem ersten Thread bitte nicht hängen. Smile
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sisyphus
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Post Sat, 01.Apr.06, 12:44      Re: Was ist Mitleid? Reply with quoteBack to top

Also ich schreib einfach mal was ich so denke brain

Mitleid glaub ich entsteht - so meine "Theorie" - dort, wo einem ein anderer Mernsch etwas erzählt, oder eben dort wo uns die Geschichte anderer Menschen erzählt wird und wir gleichzeitig das Gefühl oder das Wissen haben, dass uns das selber auch passieren könnte. Mitleid ist dann, glaub ich, um so´"authentischer" je besser wir diese Person kennen bzw. je mehr uns diese Person bedeutet

Was aber für mich nicht heißt, dass ich für Personen, die ich nicht kenne kein Mitleid empfinden kann Wink

Naja, und das mit der Moral ist so eine Sache: Ich glaub, dass Moral nur dort entstehen kann, wo es Mitleid gibt. Dieses Gefühl: oh wie traurig und im geheimen dann "das könnte mir auch passieren" gibt uns glaub ich erst die Möglichkeit auf den anderen einzugehen.

........was dann eigentlich nix anderes heißt als: Moral entsteht aus "Egoismus" -also aus der Angst, dass mir das auch passieren könnte und dem Wunsch, dass dann andere Menschen auch verständnisvoll und emphatisch mit mir umgehen...... gruebel

Also weiter: Moral beruht auf Egoismus und dieser Egoismus macht in getarnter Form soetwas wie Mitleid möglich.

Versteht mich irgendjemand?

Ich glaub das ist sowas wie die "Mitleidsethik" bei Schoppenhauer. Vielleicht sollt ich das mal irgendwo nachlesen lesen

Ach ja und was ich noch ganz interessant finde wäre der Unterschied zwischen Mitleid und Mitgefühl..........ich finde Mitleid ist "übertrieben" - es reicht wenn der Betroffene selbst leidet Wink

Ich denk es ist auch für den Betroffenen hilfreicher wenn der andere mitfühlt und nicht mitleidet............da kriegt man dann vielleicht auch noch Schuldgefühle, weil man möglicherweise mit dem eigenen Leiden auch noch andere Menschen zum "leiden" bringt - das muss nicht sein, glaub ich zumindest.

Ähm ja, das war jetzt meine "pseudophilosophischer Entladung" zum dem Thema. Meine "Theorie" braucht wahrscheinlich noch eine kleinere oder größere Modifikation.

Also dann, sisyphus hallo
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Kleine Fee
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Post Mon, 03.Apr.06, 13:33      Re: Was ist Mitleid? Reply with quoteBack to top

Hallo Suneater,

ich denke, man muss unterscheiden zwischen echtem und falschem Mitleid.

Mitleiden an sich bedeutet ja, dass man das Problem eines anderen nicht nur kognitiv betrachtet, sondern mit ihm das Leid durchlebt, mit ihm ebenso leidet. Anders gesagt, man fühlt sich in den Prozess des Leides hinein, man lässt sich davon emotional anrühren, beteiligt sich innerlich daran. Das heißt, man beobachtet das Leid des anderen nicht unbeteiligt, ohne Gefühle, sondern spürt, wie schlecht es dem anderen geht. Außerdem würde ich das auch mit Verständnis gleichsetzen, man versteht, warum es dem anderen so schlecht geht, man zeigt dem anderen, dass man sein Problem ernst nimmt. Das nenne ich echtes Mitleid.

Falsches Mitleid wäre dann das, was du auch genannt hast. Dass jemand nur dem Schein nach Mitleid mit einem anderen hat; hier zeigt sich die negative Seite des Mitleides. Wie oft denken wir uns, wenn der und der jetzt Mitleid mit uns hat, dann ist das etwas Negatives, dann wollen wir das nicht. Mitleid klingt dann so, als stelle sich der andere über uns, als stände derjenige auf einem Podest und bewertet das, was uns bedrückt. Das zeigt sich dann in ironisch klingenden Aussagen wie "Oh, das tut mir aber leid", darin hört dann der Leidende eher ein "Haha, das tut mir überhaupt nicht leid, selber Schuld" oder dergleichen.

Mitleid als moralischer Fehlschuss, nur den eigenen Selbstwert betreffend, darauf achtend, dass man höher steht als der Leidende, dass man darüber urteilen kann. Dabei geht es dann eben nicht um den Leidenden, nicht darum, demjenigen zu helfen, sondern nur um die eigene Person. Sich selber profilieren, so zu tun, als hätte man die bessere Position, weil es einem ja besser geht und man demnach auch mehr "richtig" gemacht haben muss. Eben dem Leidenden die Schuld für sein Leid geben. Oder wenn man dann dem anderen hilft und durch die Gegend rennt und es jedem erzählt, wie toll man doch war.

Wobei ich bei Sätzen wie "Das tut mir leid" nicht unbedingt immer sagen würde, dass es sich um falsches Mitleid handelt. Man könnte den Satz auch umformen in "Das tut mir jetzt genauso weh wie dir", "ich spüre deinen Schmerz". Ich denke, es kommt auf das sonstige Verhalten desjenigen an, der Mitleid äußert. Klingt die Stimme ehrlich, handelt derjenige auch dementsprechend oder denkt er nur egoistisch.

Viele Grüße von der Kleinen Fee
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Suneater
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Post Wed, 05.Apr.06, 1:10      Re: Was ist Mitleid? Reply with quoteBack to top

Hallöle

Erstmal: Kein Mitleid mit den Programmierern von Trojanern…hab jetzt lange genug gebraucht um diesen Schweinepriester von meinem System zu fegen. Es fällt mir jetzt wirklich schwer, mir vorzustellen das Hacker auch nur Menschen sind. axehit

Ausgegangen war meine Frage eben von dieser Geschichte mit der Spende, die sich so zugetragen hat. Wir haben es gehört, wir waren entsetzt und wütend, aber…hat diese Person mit ihrem Beitrag, trotz allem, nicht mehr geleistet als wir mit unseren bloßen Mitleidsbekundungen!? Nicht, das sie nicht ernst gemeint waren, aber was haben wir dadurch schon bewegen können!? Nicht viel. Wollten wir nur unser Gewissen damit beruhigen? Bewegen wir uns im selben Rahmen wie eine Person, die kein „wirkliches“ Mitleid empfindet, aber trotzdem einen aktiven Beitrag leistet?

Es scheint mir nur, das man, aus gesellschaftlicher Sicht, Mitleid empfinden MUSS. Nicht, das man es sollte oder kann. Und hier scheinen auch Vorgaben zu Stande zu kommen, WEM wir jetzt Mitleid entgegenbringen müssen und wem nicht. Somit wird das eigene Empfinden doch diktiert.

@ sisyphus (&all)
Laut Wikipedia ist Mitleid die Teilnahme an den Schmerz anderer. Mitgefühl das Hineinversetzen in den Schmerz anderer (da musste ich erstmal nachsehen, bin hirntechnisch nicht so hammer ). Deine Ausführung finde ich interessant. Mitleid wäre somit nur ein Teil der Angst, dasselbe Schicksal zu haben. Das kann man natürlich niemanden übel nehmen. Wer will schon mit jemanden schlechter Gestellten tauschen? Niemand! Also handeln wir beim emphatischen Empfinden anderen gegenüber moralisch. So wie wir es gelernt haben. Aber ich denke auch das zwischen Moral und Angst dadurch kein wirklicher Unterschied herrscht. Wir antworten, wie wir sollen. Hier fließt sicher auch Egoismus mit ein. Aber wir machen das, was von uns verlangt wird.

@ Kleine Fee (&all)
Wie gesagt, ich habe das nicht auf mich bezogen, im Gegenteil, ich nehme mich hier nicht heraus. Ich fand nur das Thema interessant. Wieso, weshalb, warum, wer nicht fragt…ect. Aber du siehst es so wie ich. Wenn man allerdings das Leid eines anderen zum eigenen Höhepunkt nimmt: Wäre das doch Schadenfreude? Etwas das wir alle fühlen und gerne darüber lachen, egal ob dieser Schaden nimmt oder nicht. Schadenfreude…das Gegenteil von Mitleid. Da stellen wir uns doch auch über deren „leiden“.
Ist auch für mich ein kompliziertes Thema. Wie schon gesagt, ich bin nicht der große Denker. Ich bin nur manchmal interessiert, das ist alles. Ich will nur lernen, nicht erlernen.

Ciao
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Miscarriage
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Post Wed, 05.Apr.06, 14:48      Re: Was ist Mitleid? Reply with quoteBack to top

also, ich denk mir, dass das auf die jeweiligen personen ankommt. je mehr "mitleide" es gibt, desto unterschiedlicher sind ihre definitionen und gefühle, die damit verbunden sind.

in den fall, den du beschreibst, würde ich auf jeden fall "fishing for höheren stellenwert" interpretieren. denn wenn ich was gutes tu, dann erwart ich mir keinen kniefall oder ein "mah super bist!".

ich persönlich kann nur für menschen, die mir nahe stehen oder bekannte empfinden. auch tiere gehören dazu. manchmal jedoch, wenn mich mein schutzmantel verlässt, dann hab ich mit alles und jedem mitleid, ich fühl mich so, als würde mir das selbst angetan werden. das sind dann nächte, die ich durchheul.. keine schöne sache.

generell find ich, dass mitleid eine gute sache ist, da sie die menschen etwas menschlicher macht und ihnen das bild der grausigen bestie wegnimmt..

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~~Blood is sexual. Blood is violent. Blood means something exteme to everyone.~~
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Traum
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Post Fri, 26.May.06, 14:54      Re: Was ist Mitleid? Reply with quoteBack to top

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Hm...
Was ist Mitleid?
Berechtigte Frage.
Meiner Meinung nach ist es ein Gefühl. Man spricht in diesem Zusammenhang nicht umsonst davon, daß man "Mitleid empfindet".
Trotzdem dürfte es, wie alles im Leben, durch eigene Erfahrungen und Erziehung definiert und geprägt sein.
In der Gesellschaft gehört es eigentlich dazu, daß man Mitleid empfindet oder sein Beileid ausspricht. Diese beiden Termini bringe ich bewußt in Zusammenhang, da es sich im Prinzip um dieselbe Art dreht, einem Menschen zu bekunden, daß man ihn versteht bzw eben mit ihm leidet.
Oft jedoch kann man das nicht wirklich ausdrücken. Ohne "es/das tut mir leid" als Floskel hinstellen zu wollen, ist es doch oft genug der Hilfsausdruck dafür, wenn man es selbst nicht verstehen kann und eigentlich rat- und sprachlos ist, jedoch trotzdem bekunden will, daß man mitfühlt, mitleidet, mitweint, wenn auch nur innerlich, oder sogar soweit gehen würde, den Schmerz auf sich zu nehmen, wenn es denn ginge, damit die Person, die leidet, nicht leiden müßte, weil man zu eben jener Person eine Beziehung aufrechterhält, die diese Vorgehensweise rechtfertigen würde.

Das ist der nächste Punkt.
Für Menschen, die man nicht leiden kann, würde man mit Sicherheit auch nicht MITleiden wollen. Genauso kann man für jemanden, den man nicht kennt, kein Mitleid empfinden. Also bezieht sich das Mitleid zumindest meistens auf Menschen, die man kennt und mag/liebt.

Genau wie der Humor ist auch die Empfindung generell sehr individuell. Manche Menschen lachen über Witze, die andere nicht lustig finden, manche Menschen leiden mit einem Menschen, den andere für verachtenswert halten. Manchen ist es auch egal. Manche wurden vielleicht dadurch abgestumpft, daß sie selbst kein Mitleid erhalten haben, egal, ob sie das wollten oder nicht.
Manche freuen sich über alles, was anderen an Leid angetan wird. Die erfreuen sich dann eher an der Schadenfreude, auch wenn diese fehl am Platz zu sein scheint für andere.
Manche Menschen empfinden einfach anders als andere und können diese Empfindung dementsprechend eben mitteilen oder nicht.
Manche können die Empfindung nur in die vier berühmten Worte fassen, obwohl oder vielleicht sogar weil sie so oder ähnlich niedergeschlagen darüber sind wie die leidende Person.

Mitleid kann man nicht definitorisch und definitiv in eine DIN- oder EU-Norm pressen. Jeder Mensch geht anders damit um.

Ist es nun falsch nicht mitleiden zu können oder zu wollen?
Das muß jeder mit sich selbst vereinbaren.
Wenn du allerdings lachst, während dir jemand erzählt, daß etwas wirklich schlimmes passiert ist, wäre das blanker Hohn.
Man lacht auch nicht auf Begräbnissen. Zumindest die meisten Menschen lachen eher nicht.

Zum angesprochenen Fall:
Wenn jemand prahlt, daß er für die Flutopfer etwas Kleingeld gespendet hat, glaube ich schon eher, daß er nur seine Prestige steigern will. Und selbst, wenn er soviel gespendet hätte, daß er allein es ermöglicht hat, daß die Opfer jetzt im Luxus leben; wenn jemandem etwas daran liegt, wird er nicht damit "hausieren" wollen. Ob die Spende selbst jedoch als ernstgemeinte Hilfe gelten soll, ist auch nicht in der Zahl / im Wert beschrieben. Aber das würde zu weit führen und das Thema sprengen.
Selbst, wenn er es erzählen will, um andere zu einer Spende zu bewegen, weil es den Seelenfrieden sichert oder einen Platz an der Sonne, den Schaukelstuhl neben Gott, ist das kein Grund jeden damit zu konfrontieren.

Mitleid ist meistens still.
Und ob etwas tief vom Herzen gemeint ist, wird man erkennen, wenn man genau zuhört, auch wenn es nichts zu hören gibt.
Und das ist der aktive Beitrag.

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Traum
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Post Mon, 29.May.06, 20:51      Re: Was ist Mitleid? Reply with quoteBack to top

Etwas allerdings interessiert mich noch, Suneator: Was ist der Grund für diesen Thread? Hast du das Gefühl, dass dir etwas fehlt, weil du nicht in der Lage bist, Mitleid zu empfinden? Willst du wissen, was andere fühlen, verzweifelst du an der Welt oder ist's die unsägliche Heuchelei allüberall, die dir auf die Nerven geht? Wäre nett, wenn du etwas dazu schreibst.

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