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dizzy
sporadischer Gast
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Big City W, 30
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Fri, 03.Mar.06, 22:19 Identitätsfindung |
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Hallo,
seit einiger Zeit lese ich hier mit. Nun habe ich mich auch angemeldet und bitte Euch um Hilfe.
Am Besten fange ich wohl damit an, dass ich nunmehr 30 Jahre alt bin und niemals einen festen Freund hatte. Ich bin weder hässlich noch hübsch. Auch bin ich nicht schüchtern und kann durchaus auf Männer zugehen.
Ein wesentliches problem von mir ist, dass ich mich irgendwie nicht als Frau sehe. Als Kind wurde ich immer für einen Jungen gehalten, habe Fussball und Raufereien geliebt, fand Mädchen blöd weil die geheult haben...
Als Teenie ist dann die ganze Teenager Zeit an mir vorbeigegangen, nie verliebt gewesen, die Bravo fand ich blöd, dafür habe ich den "Spiegel" oder was anderes "ernsthaftes" gelesen. Hatte keinen Ärger mit meinen Eltern, und keine Freunde. Die Freizeit habe ich mit Lesen verbracht und war eigentlich auch damit zufrieden.
Sexualität war ein Tabuthema in meiner Familie, so habe ich mich eher zufällig mittels Büchern und Lexika aufgeklärt. Da ich mich anders verhalte als "der Rest" bin ich dann zu dem Schluss gekommen, dass ich wohl asexuell oder so bin.
Ewig lange, bis Mitte 20 habe ich mich nicht zum Frauenarzt getraut weil ich mir sicher war dass ich dann höre ein Zwitter oder sonstwie keine Frau zu sein. Ich habe mir die Pille verschreiben lassen weil ich hofft so irgendwie weiblicher zu werden.
Neulich habe ich erstmals meinen Hormonspiegel testen lassen (vorher habe ich mich das nicht getraut) und ich bin immer noch erstaunt: ganz normal. Dabei meinten Freunde von mir (inzwischen habe ich sowas) dass ich so aussehe als hätte ich viele männl. Hormone, was auch immer das heisst, ich schätze das liegt daran dass ich eher kleine Brüste habe.
Inzwischen ist meine "Optik" (Klamotten/Schminke/Frisur usw...) einigermaßen weiblich, aber wenn ich dann in den Spiegel schaue denke ich: da steht eine Frau im Spiegel, das kann nicht ich sein. Dabei fühle ich mich eigentlich gar nicht unwohl mit dem Outfit, ich finde es nur irgendwie "falsch".
Ich habe darüber nachgedacht, ob ich nicht lieber ein Mann wäre oder ob ich lesbisch bin, aber beides kann/muss ich verneinen.
Sehe ich ein turtelndes Paar, denke ich dass ich auch gerne so wäre, für mich sind das aber zeitlebens "die anderen" gewesen die so leben. für mich ist das absolut unvorstellbar.
Ein paar Affären hatte ich, da habe ich "verliebt gespielt", ich habe es genossen dieses Gefühl zu haben, wenn auch nur künstlich. Allzulange konnte ich diese Fassade jedoch mir gegenüber nicht aufrechterhalten, ich hatte schon fast das Gefühl ein zweites ich zu entwickeln wenn der Lover da war. War er weg war er mir sch..egal.
Wie bekomme ich endlich eine Identität als Frau? Ich weiss nicht mehr was ich machen soll. Ich habe das Gefühl dass ich mich immer mehr von mir selbst entferne. Wenn mich ein Mann sympathisch findet möchte ich ihm am Liebsten sagen: Such Dir eine richtige Frau.
Liebe Güße
dizzy
P.S. Sorry, ist recht lang geworden
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plutarch
Helferlein
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Erde M, 28
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Fri, 03.Mar.06, 23:39 Re: Identitätsfindung |
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Hallo Dizzy,
um dir gleich am Anfang zwei Tipps zu geben, von denen ich denke, dass sie dir helfen. Ersten akzeptiere dich so, wie du bist und tu nur das, was dir gefällt. Jeder ist einzigartig und Geschmäcker sind verschieden. Zweitens,versuche auch zu akzeptieren, dass dich Männer so mögen wie du bist und vielleicht nicht irgendwelche Heulsusen . Sie werden schon wissen, mit wem sie ihre Zeit verbringen wollen. Da solltest du ihnen(ihm) schon vertrauen. Für mich ist Vertrauen eine der wichtigsten Grundlagen einer guten Beziehung.
Ich habe ähnliche Gedanken gehabt. Sexualität war bei mir zu Hause auch nicht unbedingt Thema. Ich habe auch nicht unbedingt viele Erfahrungen diesbezüglich gesammelt. Ich dachte auch mal, ich wäre vielleicht asexuell. Bravo fand ich auch blöd. Aufklärungsversuche seitens der Erwachsenen fand ich deplatziert und andere Themen haben mich auch wesentlich mehr interessiert. Ich mach mir darüber keine Gedanken mehr, da ich kein Interesse habe irgendwelche Rollen für andere zu spielen.
Du kannst natürlich mal darüber nachdenken, ob du transsexuell bist, also ob du dich im falschen Geschlecht wiedergefunden hast. Ich finde das persönlich Quatsch, da jeder den Körper annehmen sollte, den er nunmal hat. Ich meine, ich würde gerne mal als Delphin durch die Ozeane schwimmen und als Adler fliegen. Ein breiteres Kreuz hätte ich vielleicht auch gern. Aber im Endeffekt muss ich mich mit dem arrangieren, was ich habe. Und das geht glaube ich jedem so, der das etwas nüchtern sieht.
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plutarch
Helferlein
123
Erde M, 28
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Sat, 04.Mar.06, 11:45 Re: Identitätsfindung |
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Mir ist da nochmal was durch den Kopf gegangen. Die Gesellschaft verlangt von uns in vieler Hinsicht Konformität nach bestimmten Regeln. Wir sind regelrecht darauf konditioniert, Regeln zu beachten und auch nach Regeln zu suchen, selbst wenn es keine Regeln gibt. Nach Regeln zum Beispiel, wie man sich als Frau oder Mann zu verhalten hat. Konformismus ist weder als globaler Lebensgrundsatz geeignet, noch als Grundlage für das Paarungsverhalten geschlechtsreifer Großstädter (Liegt die große Stadt an der Spree und fängt mit B an und hört mit lin auf?), wage ich zu sagen. Für die Partnerwahl möchte man was Individuelles. Naja, es gibt auch Menschen, die ihre Freunde fragen, mit wem sie gehen sollen. Ich jedenfalls will was Individuelles, was Besonderes, jemanden der Identität und Authentizität hat.
Du bist vom Typ her keine Britney, keine Christina, sondern eher eine Pink ("stupid girls"). Na und. Jungs, die was anderes als Raufereien und Fußball mögen, galten früher auch als schwul(von gay - bunt,lebenslustig), was damals eher was Negatives war. Heute gibt es den Begriff der Metrosexualität für Jungs, die genauso lange oder länger mit Körperpflege befasst sind wie/als Frauen. Ich will damit sagen, dass das alte Rollenverständnis den Menschen sowohl des weiblichen als auch des männlichen Geschlechts nicht gerecht wird.
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dizzy
sporadischer Gast
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Big City W, 30
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Sat, 04.Mar.06, 23:58 Re: Identitätsfindung |
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Hallo nochmal,
dass mit dem "sich selbst annehmen" klappt glaube ich schon recht gut bei mir, das war mal schlimmer. Jedoch versuche ich nun gerade nicht mehr so sehr mich dem Konformitätsdruck auszusetzen. Ich meine klar, im Job usw da sehe ich halt ordentlich aus und meinen Freunden will ich auch nicht vor den Kopf stossen. Aber ich kann es z.B. nur für mich geniessen American Football oder Boxen anzuschauen, und das nicht wegen den hübschen Jungs (Im Ggt, ich finde Boxer hässlich...),
sowas macht einsam.
Und vielleicht nochwas: inzwischen raufe ich nicht mehr mit anderen das habe ich mir seit der Grundschule abgewöhnt , nur beim (Kampf-)sport da kann ich diese aggressive Seite von mir gesteuert rauslassen
Transsexuell bin ich nicht, da habe ich lange drüber nachgedacht.
Zumal ich, wenn ich die freie Wahl hätte, z.B. lieber einen Anzug als da "kleine Schwarze" tragen würde. Aber ich will kein Mann sein, da bin ich mir sicher, ziemlich zumindest
Ich stehe halt nur irgendwie aussen vor, weder Frau und noch Mann. Dieses ganze "normale" Balzverhalten geht vollkommen an mir vorbei, ich will das nicht und wenn ich es durchziehe spiele ich nur. Mein sexuelles Verlangen stille ich mit gelegentlichen Affären.
Meine Hoffnung war halt mein Hormonspiegel, da hätte ich dann eine Tablette genommen, und schwups.. alles wird normal.
Quote: | Paarungsverhalten geschlechtsreifer Großstädter |
Woody Allen würde ich sofort heiraten, unbesehen. Der ist noch viiieel krasser als ich ich
Quote: | Na und. Jungs, die was anderes als Raufereien und Fußball mögen, galten früher auch als schwul |
Und Frauen die nicht dem Bild entsprechen gelten als Kampflesben... Ich erzähl ja schon niemandem was für Sport ich mache...
Ich meine, ich hätte gerne eine Beziehung, aber das geht halt nicht solange ich
a) mich nicht als Frau sehe oder aber
b) der Mann nach einer "richtigen" Frau sucht,
Darum meine Frage wie kann ich meine Identität finden?
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Last edited by dizzy on Sun, 05.Mar.06, 0:30; edited 1 time in total |
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dizzy
sporadischer Gast
6
Big City W, 30
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Sun, 05.Mar.06, 0:04 Re: Identitätsfindung |
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Nachtrag:
Es gibt doch diese Theorie dass die Geschlechtsidentität ein Kontinuum zwischen den Extrempunkten "Mann" und "Frau" ist und jeder irgendwo dazwischen liegt. Kann man sich auf diesem Kontinuum bewegen und wenn ja, wie?
Ich tippe bei mir mal auf die Mitte aber dazwischenzustehen ist halt ätzend.
Oder verrenne ich mich gerade ganz gewaltig?
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plutarch
Helferlein
123
Erde M, 28
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Sun, 05.Mar.06, 2:11 Re: Identitätsfindung |
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Hallo dizzy!
Ob du dich verrennst, das kann ich wirklich nicht sagen. Ich versuche einfach dich anhand des von dir Geschriebenen zu verstehen, mit meiner Logik und meinen Erfahrungen zu bewerten. Ich habe keine besondere psychologische Ausbildung. Die entscheidenden Fragen, insbesondere die normativen Fragen, kannst und solltest du dir als freier Mensch selbst beantworten.
Willst du wissen, ob du dich verrennst,dann solltest du erstmal wissen, wohin du willst. Du willst ein Beziehung. Du willst deine Identität finden. Andererseits scheinst du für mich deine Identität gefunden zu haben, da du dich selbst sehr präzise beschreiben kannst. Du hast den Widerspruch deiner Identität mit einem Ideal einer weiblichen Frau festgestellt und bist der Meinung, dass deine Identität deinem privaten Glück im Weg steht.
Wenn man anders ist, als man sein möchte, dann hat man zwei Möglichkeiten. Erstens, man ändert sich, was meistens schon schwer genug ist. Wenn man sich nicht ändern kann oder will, bleiben einem wiederum zwei Alternativen, entweder, man nimmt sich an, oder man hadert permanent. Von diesen insgesamt drei Möglichkeiten finde ich, wie du schon gelesen hast, die zweite am besten, sich annehmen. Aber letztlich ist das deine ganz eigene Entscheidung, da du mit den Konsequenzen leben musst. Die Bewertung der Konsequenzen ist deine Aufgabe.
Sich zu ändern und einem Ideal hinterherzujagen ist ein Michael Jackson Leben. Ich glaube, damit machst du dich unglücklich. Sich annehmen heißt noch lange nicht, dass einen andere so annehmen. Deine Freunde und ja selbst der Arbeitgeber könnten das zu deinem Nachteil auslegen. Und wie es ist, mit sich zu hadern, das kennst du ja. Vielleicht ist der Kompromiss, in dem du jetzt lebst ja schon optimal.
Mich jedenfalls hast du neugierig gemacht. Ich würde dich gerne mal kennenlernen, weil mich interessiert, was für ein Mensch hinter dieser Problematik steckt. Sag mal, kann es sein, dass du aus dem Osten kommst? Dann wäre dein Verhalten als Folge der DDR-Ideologie der starken Frauen erklärbar.
"Dieses ganze "normale" Balzverhalten geht vollkommen an mir vorbei, ich will das nicht und wenn ich es durchziehe spiele ich nur."
Das ging mir genauso und wird mir durch meine Art zu denken wohl auch immer so gehen. Ich habe dann beschlossen, dass will ich nicht, das mach ich nicht. Und nun bin ich wieder offen für "Balzverhalten", wobei ich es als ganz authentisch wahrnehme. Leider bieten sich mir nicht so ausreichend viele Gelegenheiten.
Das mit den Freunden und dem Hobby American Football. Wenn du pragmatisch genug bist, dann suche dir für dieses Interesse einen Fanclub. Es ist doch dabei wirklich egal, ob da mehr Männer oder Frauen sind. Big City Life!!!
Ach ja, und diese Theorie des Geschlechterkontinuums und des Unterschiedes zwischen Mann und Frau. Man kann es so sehen, dass die Menschen sich dort igendwo zwischen den Extremen Mann und Frau einsortieren lassen. Ich halte solche Überlegungen für überflüssig. Es gibt klare biologische Unterschiede zwischen Mann und Frau. Diese sind für mich maßgeblich. Dann gibt es aber auch das Rollenverständnis von Mann und Frau, dass Teil der Kultur einer Gesellschaft ist. Schaut man sich verschiedene Kulturen an, so variiert dieses Rollenverständnis stark, von der patriarchalen bis zur matriarchalen Gesellschaft. Das ist sicherlich ein interessantes Thema, wird dir aber nicht weiterhelfen. Ich glaube, wenn du dein Leben in etwa so weiterführst wie bisher und du bei deinen Affären mal die Augen nach einem Lebenspartner öffnest, ohne deine Prämisse anzulegen (du seiest keine richtige Frau), dann bist du auf einem guten Weg.
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