Mein Nervenarzt hat Suizid begangen

Helferlein 74 Bayern W, 39

Hallo,

Anfang Dezember hat sich mein Nervenarzt das Leben genommen. Ich kann es bis heute kaum glauben und ich komme nicht damit zurecht. help2

Im März/April diesen Jahres hat er mich noch von einem Suizid abgehalten und jetzt hat er es selber gemacht. Ich kann mir nicht vorstellen, ohne ihn auszukommen. Medis habe ich noch - aber dann? Ich kann doch nicht alles nochmal einem neuen Arzt erzählen - will ich auch nicht.
Mein Arzt war der einzige, bei dem ich Nähe zugelassen habe, der mich berühren, über Schulter und Arm streicheln durfte. Das darf nicht mal mein Thera - will er auch nicht. Es gibt Menschen, die mag man sofort und bei uns war das so. Er war total lieb und einfühlsam und hat auch meinen Mann mal vorgeladen und sich echt bemüht. WEnn mein Thera Urlaub hatte, ist er immer eingesprungen und ich konnte dann einmal die Woche zu ihm gehen. Wenn es mir schleht ging, konnte ich jederzeit hin. Ich habe mir die Augen ausgeheult...und mache mir solche Schuldgefühle bzw. Vorwürfe. Da sitze ich bei ihm und klage über meine ollen Probleme und er hört mir zu und hat dabei selber schwerwiegendere Probleme. Ich meine, wieso hat er nicht einen leisen Wink gegeben? Hätte ich nicht was merken müssen?
Bei uns gibt es jetzt keinen Nervenarzt mehr. Er hatte soviele Patienten....Wieso soll ich eigentlich leben, wenn selbst mein Nerenarzt das Leben nicht mal für lebenswert gehalten hat? Ich habe Gedichte geschrieben, mit meinen Thera einmal drüber gesprochen, aber der hat jetzt Urlaub. Am liebesten würde ich drauflosschneiden.....ich weiß nicht, wie lange ich das noch aushalten kann. Ich habe nicht nur einen Nervenarzt - er wurde wirklich so bezeichnet - verloren, sondern einen Vertrauten, einen Freund.....Ich bin so traurig .... nixweiss

Vanillivi

Helferlein 66 NRW W, 44

Hallo Vanillivi,
friend

das ist sehr schlimm. Du machst dir Vorwürfe, aber man kann nicht in einen Menschen reinsehen. Mir fehlen die Worte, ich wollte dir nur sagen, er hat einen Weg gewählt, warum auch immer und man kann es nur akzeptieren. Wenn er dir einen "Wink" gegeben hätte, hätte man mit ihm darüber sprechen können, aber er wollte es nicht. Anders als bei dir, du wolltest mit ihm über deine Szu**gedanken sprechen. Ich finde es bemerkendswert von ihm, dass er dich ans Leben halten konnte. Jetzt sieht man vielleicht, wie endgültig, dieser Schritt ist und man besinnt sich. Es ist einfach geschrieben, ich weiß, es verging bei mir oft keinen Tag, an dem ich nicht ans Ster+en gedacht habe, heute ist es (etwas) anders. Ich wünsche dir viel Kraft und dass du ihn seinen Weg gehen lassen kannst. Ich würde bestimmt auch sehr verwirrt und traurig sein, wenn mein Therapeut sich aus dem Leben nimmt. Viele liebe Grüße

Forums-InsiderIn 368 Österreich W, 27

Hallo vanillivi,
das ist wirklich grauenhaft. ertrink

Ich will mir gar nicht vorstellen, dass so etwas wirklich passieren kann. Bitte mach dir auf alle Fälle keine Vorwürfe, wie loslassen schon geschrieben hat, sowas kann man nicht verhindern, wenn es derjenige nicht will. friend

Ich kann dir nur empfehlen, das so schnell wie möglich mit deinem Therapeuten zu besprechen. Wann hast du denn wieder eine Stunde? Auch wenn du deinem Thera nicht so vertraust oder dich mit ihm nicht so verbunden fühlst, so wird er dich doch sicher gut kennen und dir sicher eine Stütze sein können.
Ich wünsch dir ganz ganz viel Kraft...
Karen

[nicht mehr wegzudenken] 1896 unwesentlich W, 30

Hallo Vanillivi,

das ist wirklich unglaublich, schlimm und traurig. Lass dich mal trösten friend

...

Es ist wie Loslassen und Karen es schreiben: Man kann einen Selbstm*** nicht verhindern, wenn es der andere nicht will ... und man kann sowas nicht ahnen, vorhersehen ... man kann in niemanden hineinsehen. Es ist leichter gesagt als getan - aber du brauchst dir wirklich keine Schuldgefühle und Vorwürfe zu machen. Würde er das wollen??? Nein, ich glaube nicht! Er hat dir helfen wollen. Er hat seine Aufgabe trotz seiner Probleme gut gemacht. Es war sein Beruf/seine Berufung, deine Probleme anzuhören.

Wie hättest du merken sollen, dass es ihm selbst nicht gut geht? Und selbst wenn du etwas ahnen hättest können: Du warst in dem Moment diejenige die Hilfe gebraucht hat - auch wenn das etwas "hart" klingt. Suiz** ist NIE eine Lösung für Probleme, und ich finde es auch schlimm und traurig, dass ein Nervenarzt seinen Patienten das Gegenteil zeigt. Rede mit jemandem darüber, auch wenn es schwer fällt. Es ist für jeden schwer, wenn ein lieber Mensch stirbt, aber es hilft, wenn man damit nicht alleine klar kommen muss.

Woher weißt du von dem Suiz**? Vielleicht (ich hoffe es für dich) bist du ja nur einem Gerücht aufgesessen? Menschen reden viel...

Auf jeden Fall wünsche ich dir viel Kraft, Mut und Stärke, dass du keine "Schuld" bei dir suchst und du immer daran glaubst, dass Selbstm*** keine Lösung ist...

Glg

Sternenmeer

Helferlein 35 Duisburg W, 34

Hallo Vanillivi,

das wird seine Zeit brauchen, bis du damit zurechtkommen wirst.

Ich wünsche dir auf jeden Fall alles Gute.

LG
Charlymaus

Forums-InsiderIn 213 Schweiz W, 49

Liebe Vanillivi

Das ist wirklich sehr sehr traurig; ich glaube ein bisschen nachvollziehen zu können, wie du dich fühlst. Aber mach dir bitte keine Vorwürfe, dass du nichts von seinen Problemen bemerkt hast, es ist für dich vielleicht besser so.

Weisst du, bei mir war es anders. Ich hatte am Anfang meiner Therapie gespürt - auch wenn er mir keinen deutlichen Wink gegeben hatte - dass es meinem Therapeuten auch nicht gut ging; die dunklen Ringe unter seinen Augen, sein leerer Gesichtsausdruck und manchmal auch seine gequälte Mühe, bei der Sache sein zu können waren nicht zu übersehen. Ich sprach ihn dann irgendwann darauf an und ich erhielt ausführliche Antworten auf meine Fragen und nach und nach erzählte er mir in seiner eigenen Bedürftigkeit von sich aus viel mehr von seiner Trennung und seiner gescheiterten Ehe, als ich zu fragen gewagt hätte.

Am Anfang war das schön, ich fühlte mich geschmeichelt, weil er mir so viel Vertrauen entgegen gebracht hatte, erst Recht, als er mir mal sagte, dass bei uns manchmal die Rollen ein bisschen vertauscht seien und nicht er mich, sondern ich ihn therapiere und dass er denke, dass ich selbst eine gute Therapeutin abgegeben hätte. Zuerst merkte ich gar nicht, dass sich dadurch eine viel zu grosse Nähe in unsere therapeutische Beziehung einschlich, eine Nähe, die immer mehr weh tat und mit der ich heute, vier Jahre später, immer noch nicht klar komme und mit der ich mich von meinem Therapeuten nun im Stich und alleine gelassen fühle. Er ist der Meinung, dass ich lernen müsse, mit meinen Gefühlen alleine klar zu kommen; damit hat er bestimmt Recht, aber es ist einfach zu schwierig, ich packe es nicht.

Ich habe dir das aufgeschrieben in der Hoffnung, dass es dir vielleicht ein bisschen hilft, besser damit umzugehen, dass du nichts von den Problemen deines Nervenarztes mitbekommen hast.

Ich wünsche dir ganz viel Kraft und hoffe, du nimmst dir die nötige Zeit zum Trauern hug

Alles Liebe

Micky

Helferlein 74 Bayern W, 39

Hallo,

ich möchte Euch alle danken, dass Ihr so lieb geschrieben habt.

Es war schlimm, wie ich es erfahren habe. Mein Mann kam von der Arbeit nach Hause und fragte, ob ich noch einen Termin bei meinem Nervenarzt hätte. Ich sagte nein, aber ich müsse mir noch Termine holen, weil mein Thera ja über Weihnachten/Neujahr ins Urlaub geht. Bräuchte ich nicht. Der wäre tot. Ich habe gesagt, dass sei ein schlechter Scherz. Nein, es würde stimmen. Ein Kollege hätte erzählt, er hätte sich erhängt. Leute, erhängt!!! Es war ein Grauen. Ständig hatte ich ihn vor Augen, aufgeknüpft an einem Dachbodenbalken. Wir haben dann im Internet nach seiner Traueranzeige gesucht und gefunden und dann habe ich es geglaubt. Bei meinm Therapeuten habe ich drüber gesprochen. Er sagte, es sei so schlimm - er hätte sich sofort mit seinen Kollegen in Verbindung gesetzt. Aber mein Nervenarzt habe sich nicht erhängt. Er hat Medis genommen. Er habe wohl viel Stress gehabt, keinen Ausgleich nebenbei - mein Thera hat deswegen wohl oft Meinungsverschiedenheiten mit ihm gehabt, weil er sagt, dass man sowas braucht - und dann kamen wohl so schlimme familiäre Probleme dazu, dass es eine Kurzschlussreaktion gewesen sein muss! Muss deshalb, weil wenn er es geplant hätte, wäre er nicht so kurz vor Ende des Jahres aus dem Leben geschieden. Hier gibt es weit und breit keinen Nervenarzt und die Leute müssen sich jetzt bei den Hausärzten ihre Medis holen und Ihr wißt ja, die Budgets sind zum Jahresende so gut wie aufgebraucht.
Ich war erleichtert, dass ich ihn nicht mehr hängend vor den Augen hatte. Und ich will mir auch keine Vorwürfe machen - aber in einigen Momenten holt einen das halt ein.n Er hat den Suizid nicht zu Hause begangen, man hat ihn erst am nächsten Tag gefunden. Er hatte wohl in dem Werk meines Mannes einiges zu tun - davon hatte er mir auch schon mal erzählt. Er war - so nehme ich es an -, einfach zu gut, zu lieb und zu sensibel und feinfühlig. Ich bin noch im November wegen meines Karpaltunnelsyndroms, dass auch nur ein Neurologe feststellen kann, operiert worden. Auf Wunsch unter Vollnarkose, weil ich es nicht anders ertragen hätte. Er hätte mir auch dafür Gutachten geschrieben, wenn ich es gebraucht hätte.....
Danke, dass Ihr so lieb geanwortet habt....ich hoffe, dass ich mit der Zeit besser damit umgehen kann. Am 19. habe ich die nächste Thera-Stunde und ich werde das Thema nochmal auf den Tisch bringen. Dazu muss ich sagen, dass mein Hausarzt - noch relativ jung -, aufeinmal letztes Jahr auch krank war. Mein Thera sagte mir jetzt, er hätte so einen Krebs, der, wenn man ihn bemerkt, nicht mehr heilbar ist. Er warte jeden Tag auf die Todesnachricht. Schlimm, oder? Mein Nervenarzt hatte mir damals gesagt, da helfe nur noch beten. Ich glaube, dass er eher sterben würde, hat er da noch nicht gewußt. Meine Muttter, sie ist auch psychisch krank, hatte mir erst kurze Zeit vorher erzählt, dass Ihr Hausarzt absichtlich wohl über die Gleise bei Rot "gegangen" ist. Er hatte innerhalb kürzester Zeit seine Mutter, seine Frau und seinen Hund - also seine ganze Familie verloren. Er lag noch 2 Wochen mit schwersten Kopfverletzungen auf der Intensiv - ist dann aber verstorben. Ist doch alles Sch..e oder?
Liebe Grüße Vanillivi

Helferlein 35 Graz W, 27

Es tut mir so leid. Mir fehlen ehrlich gesagt die Worte ...

Als Kind wollte ich unbedingt Rettungssanitäter oder Arzt werden, da ich den kindlich naiven Glauben hatte, ich würde dann nie krank werden.

Verstehst du was ich damit sagen will? Wer denkt denn schon daran, dass sein eigener Nervenarzt selbst psychische Probleme haben könnte?

Ich wünsche dir, dass du dich bald wieder ein wenig fängst!
lG Anna Nym

Helferlein 129 Frankfurt M, 36

...ALL,

es gibt kaum einen nervenarzt/therapeut, der durch seinen beruf nicht selbst auch in mitleidenschaft gezogen wird.

mein thera sagte mir, dass er selbst 2000stunden auf dem buckel hätte und er nach einer arbeitswoche erst wieder am samstag mittag ansprechbar sei.

kann ich verstehen....

draft

Helferlein 74 Bayern W, 39

Hallo,

da fällt mir noch ein: laut Statistik sind Psychotherapeuten, Psychiater, Psychologen diejenigen - beruflich gesehen -, die am häufigsten Suizid begehen. Das hat mir mein Thera bestätigt. Er sagte, danach kommen direkt die Fluglotsen und dann die Feuerwehrleute. Das sind alles Menschen, die ungeheure Verantwortung tragen müssen, weil sie mit Menschen umgehen, denen was passieren kann. Die Fluglotsen haben die Maschinen mit hunderten von Menschen vor Augen und zu den Feuerwehrleuten müssen wir nichts sagen. Daraufhin habe ich meinen Thera direkt gefragt, wie es ihm gehen würde, ob bei ihm auch mit Suizid zu rechnen sei - nein meinte er. Er hätte seinen Ausgleich. Ich habe ihm dann gesagt, er solle ruhig öfter in Urlaub gehen. Ich habe zu ihm auch große Nähe - aber keine körperliche Nähe. Die hatte ich nur zu meinem Nervenazt und wenn man weiß, dass mein Hauptproblem "Grenzen setzen" ist, dann war mein Nervenarzt schon was ganz besonderes.

LG Vanillivi

[nicht mehr wegzudenken] 1896 unwesentlich W, 30

Hallo Ihr,

Draft bzw. Vanillivi wrote:

mein thera sagte mir, dass er selbst 2000stunden auf dem buckel hätte und er nach einer arbeitswoche erst wieder am samstag mittag ansprechbar sei. Bzw.: Da fällt mir noch ein: laut Statistik sind Psychotherapeuten, Psychiater, Psychologen diejenigen - beruflich gesehen -, die am häufigsten Suizid begehen. Das hat mir mein Thera bestätigt.

Da ist sicherlich etwas dran. Es ist aber trotzdem paradox und unglaublich: So wie man von einem Bäcker stillschweigend erwartet, dass er Brötchen backen kann, so geht man bei einem Psycho-Doc eben einfach davon aus, dass er am besten weiß, wie man sich bei psychischen Problemen hilft.

Aber das ist sicherlich für mache eine Gratwanderung: Sich auf der einen Seite in den Patienten einfühlen und Nähe geben - auf der anderen Seite gesunde Distanz wahren können - wohl nicht immer leicht. Klar ist die Verantwortung groß: Konfrontiert man einen professionellen Helfer mit Suizidgedanken, so ist es sicherlich oft schwer abzuwägen, inwieweit der Patient wirklich "stabil" genug ist, davon Abstand nehmen zu können, etc.

Trotzdem sind auch professionelle Helfer nur Menschen, in die man nich hineinsehen kann. Der Suizid von Vanillivis Arzt muss vielleicht nicht zwingend aus beruflicher Überforderung (i.w.S.) geschehen sein. Vielleicht hat er sich finanziell übernommen, Eheprobleme, gesundheitliche Gründe körperlicher Natur und und und. Sicherlich rechtfertigt nichts davon einen Suizid. Denn das ist NIE eine Lösung. Man verletzt dadurch die am meisten, welche einen am dringensten benötigten. Vielleicht war es Scham, selbst professionelle Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen oder oder oder.

was ich noch vergessen hatte (ich hänge es einfach jetzt hier an anstelle wieder ein neues Posting zu eröffnen): Selbst wenn laut Statistik Psychotherapeuten, Psychiater, Psychologen diejenigen sind die - beruflich gesehen - am häufigsten Suizid begehen, so sollte/muss man als Patient (der eben professionelle Hilfe benötigt) davon ausgehen, dass sich insbesondere diese Berufsgruppe abgrenzen kann - auch wenn das vielleicht etwas herzlos klingen mag. Gerade helfende Berufe lernen/müssen lernen/haben gelernt mit schwierigen Situationen/Schicksalen umzugehen. Und ich gehe davon aus, dass der weitaus überwiegende Teil das auch kann.

Es würde wohl etwas grundverkehrt laufen, wenn man als hilfesuchender Patient die Befürchtung haben müsste, man könne dem professionellen Helfer schwierige Dinge nicht mitteilen, weil derjenige nicht damit umzugehen weiß.

@ Vanillivi: Dein Arzt hat dir etwas Besonderes gegeben - und auch wenn er nun tot ist friend

, in deinem Herzen lebt er weiter, solange du willst...

Liebe Grüsse

Forums-InsiderIn 354 Deutschland W, 33

Hallo,

bei jedem professional arbeitenden Therapeuten ist es doch normal, dass Supervision in Anspruch genommen wird. DAs müsste doch auch für Nervenärzte gelten? Vanillivi, weißt Du, ob Dein Nervenarzt Supervision gemacht hat? Es kann natürlich auch wirklich sein, dass die Gründe ganz anders liegen, z. B. im privaten Bereich. Man kann ja darüber nur spekulieren.
Übrigens haben auch Sozialarbeiter und allgemein Personen in helfenden Berufen (z. B. Krankenschwester) ein erhöhtes Suizidrisiko.
Ich kenne einen Soziarbeiter, der im Sozialpsychiatrischen Dienst arbeitet und der hat auch schonmal von jemandem gesprochen, der sich das Leben genommen hat. Und das,obwohl er ihn ein paar Tage vorher noch zu Hause besucht hat und nichts darauf hindeutete. Aber Schuldgefühle darf man sich da nicht machen, sonst hält man diesen Beruf nicht lange durch.

Karola

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