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Deminor
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Post Thu, 03.Nov.05, 15:00      Missbrauch: Persönlichkeitentwicklung und Rachegedanken Reply with quoteBack to top

Hallo,

nach mehr als 20 jahren weiss ich nicht, ob ich den Geschehnissen mit zunehmendem Abstand nicht eine übersteigerte Bedeutung beimesse.
Ich war 11 Jahre alt. Bis dahin war meine (sexuelle) Entwicklung- zumindest aus meiner heutigen Sicht- relativ normal verlaufen. Doktorspielchen im Kindergartenalter, erste Erfahrungen mit körperlichen Gefühlen...

Meine Eltern beherbergten für einige Tage einen Mann, einen Klavierspieler, der an meiner damaligen Schule ein Gastspiel gab. Da wir recht beengt wohnten, schlief dieser Mann in meinem Zimmer. Es bestand ein freundschaftliches Verhältnis zu meinen Eltern. Er berührte mich nachts so, wie ein 11 jähriger Junge nicht von einem über 30-jährigen berührt werden sollte- ohne explizit darauf einzugehen.
Dieser Mann besuchte uns mehrmals, wie oft sich das wiederholte, weiss ich nicht mehr, beschenkte mich mit teuren Geschenken, Videospielen- Schweigegeld.
Ich verstehe nicht, dass meinen Eltern damals nichts daran auffiel- aber sie waren wohl auch zu sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt, ihre Ehe stand kurz vor dem Ende. Es war eine sehr chaotische Zeit. Meine Mutter erkrankte und ist seit damals wegen Depressionen fast ununterbrochen in psychiatrischer Behandlung.

Ich wurde in der Trennungsphase meiner Eltern für einige Wochen bei Mitschülern untergebracht. Dort erkrankte ich an einer eitrigen Harnröhreninfektion, heute nehme ich an, das es sich dabei um einen Tripper handelte. Die Infektion kam vermutlich von diesem Mann, der unmittelbare zeitliche Zusammenhang legt es nahe (woher sonst?).

Zu den psychischen Folgen, wobei ich in keiner Weise sagen kann, ob ich mich unter "normalen" Umständen nicht genauso entwickelt hätte: Ich zweifelte lange an meiner sexuellen Orientierung- wobei ich mich nie von Männern angezogen fühlte, aber das erlebte liess mich doch über einige Zeit denken, ich sei schwul.

Ich empfand irgendwie Schuld an dem Geschehenen, betrachtete es als Makel, den es unter allen Umständen zu verbergen galt.
Man (der Mann) hatte mich ja zu nichts gezwungen.
Es liegt zulange zurück, die Gefühlwelt des 11-jährigen kann ich nicht mehr richtig nachvollziehen.
Habe ich mich damals in meiner Wesensart so sehr verändert - rückblickend empfinde ich es so, aber ob das wirklich darauf zurückzuführen ist, oder ob sich die Trennung meiner Eltern nicht viel stärker ausgewirkt hat- ich weiss es nicht.
Ich weiss nur, dass ich davor auch einige Freundinnen (Kinderfreundschaften) hatte, und danach nicht mehr, wobei es ja schon normal ist, das sich die Geschlechter mit der beginnenden Pubertät erstmal etwas distanzieren- ich kann mich bloss überhaupt nicht mehr erinnern, wie das aufgehört hat.

Ich war (und bin es immer noch) jedenfalls seitdem gegenüber Frauen/körperlicher Nähe extrem gehemmt, nur 2 sehr hartnäckige konnten seitdem auch auf dieser Ebene initiativ an mich rankommen, was bei der 2. in einer 6 jährigen Beziehung mündete. Ich mag Nähe eigentlich sehr, habe aber noch nie diesen ersten Schritt getan.
Nach der Trennung von dieser Frau (vor mehr als 8 Jahren) arbeitete ich einige Zeit in Bayern, in der Nähe des Ortes, in dem dieser Mann immer noch wohnte- ich war damals da, und war mit der Absicht hingefahren, dem Typ nach dieser ganzen Zeit zu begegnen. Er war nicht da.
Ich trage den Gedanken jetzt schon viel zu lang mit mir rum- der Kerl hat mich zwar damals zu nichts gezwungen, ich denke aber, dass er mein Leben zumindest nicht vereinfacht hat. Ich sehe mich nicht als gewalttätigen Menschen, aber wenn ich an ihn denke, würde ich ihm schon gerne die Fresse einschlagen- um es auf den Punkt zu bringen, und das hab ich bisher noch bei keinem Menschen gemacht.

Rachegedanken. Ich weiss auch nicht, ob ich dabei nicht ganz andere Probleme auf ihn projeziere und mich mit diesen Gedanken davon ablenke.

Falls sich jemand den ganzen Sermon durchgelesen hat, schreibt doch mal bitte eure Meinung dazu - dankeschön

gruss Deminor
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karen
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Post Thu, 03.Nov.05, 15:47      Re: Missbrauch: Persönlichkeitentwicklung und Rachegeda Reply with quoteBack to top

Hallo Deminor,
ich kann deine Gedanken gut nachvollziehen und finde sie mehr als gerechtfertigt, ja mehr noch, ich finde sie sogar mehr als beherrscht angesichts dessen, was dieser Mann dir angetan hat.
Mir scheint, du nimmst noch sehr viel davon auf dich, schützt ihn noch irgendwie mit deinen anderen Erklärungen die du für dich findest etc.

Er hat dich gezwungen. Man braucht dazu keine Waffe und keine Gewaltandrohung. Ein 30jähriger hat genug Mittel und Wege, um einen 11jährigen soweit zu bringen, dass er sich nicht wehrt und schweigt. Er hat dein Schuldgefühl benutzt um sich zu schützen. Wegen all dieser Dinge ist es ja Mißbrauch - er hat das Machtgefälle ausgenutzt um dich zu benutzen.

Ich verstehe aber deine Gedankengänge, wie gesagt, und kann auch nachfühlen dass du wissen willst, was jetzt Projektion ist und welches Problem woher rührt etc. Mir ging und geht es genau so (Menschen mit verletzten oder zerstörten Grenzen wissen oft nicht, wo sie aufhören und andere anfangen, denke ich), und ich habe auch deswegen eine Therapie begonnen.

Schon mal darüber nachgedacht? Ich kann's nur empfehlen. Wink

LG!
Karen
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Guinevere
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Post Thu, 03.Nov.05, 16:02      Re: Missbrauch: Persönlichkeitentwicklung und Rachegedanken Reply with quoteBack to top

Hi Deminor

Ich weis nicht ob das jetzt nach all den Jahren noch möglich ist, aber kann man den Typ nicht jetzt noch dafür anzeigen was er getan hat?
Wenn ja, dann würde ich mich informieren wie vor Gericht meine Chancen stünden und es dann auch tun.

Und natürlich hat er dich gezwungen! Kinder wissen nicht wie sie sich in so einer Situation verhalten müssen, sind völlig überfordert- das bedeutet nicht das du es auch wolltest, nur weil du dich nicht gewehrt hast.

Ich finde einfach er hat Strafe verdient, so ein Schwein, ganz ehrlich, ich wäre tatsächlich hingegangen und hätte ihm so richtig ein paar reingehauen wie er es verdiehnt hat.
Allerdings könnte das auch Strafe nach sich ziehen, jenachdem wie schwer er verletzt ist, wenn er deinen Namen kennt... Also überleg dir das gut was du machst und ob es dir wert ist.

Eine Therapie könnte für dich persönlch auch sehr hilfreich sein, so das du selbst in der Lage bist ein zufriedenstellendes Leben zu führen.

alles Gute
Guinevere
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Deminor
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Post Thu, 03.Nov.05, 17:45      Re: Missbrauch: Persönlichkeitentwicklung und Rachegedanken Reply with quoteBack to top

Hallo Karen,

danke für deine schnelle Antwort.

Über Therapie habe ich schon oft nachgedacht, auch in anderem Zusammenhang- aber wie ich oben bereits angedeutet hatte, bin ich in der Hinsicht durch meine Mutter familiär "vorbelastet".

Ich habe sie im laufe der Jahre so oft in psychatrischen und auch anderen Kliniken besucht, im Zusammenhang damit auch ihre- aus meiner Sicht- weitestgehend vergeblichen Versuche (ich kann nur das "Ergebnis" beurteilen), mit therapeuthischer Hilfe "Gesund" zu werden (was immer das heissen mag, ich bevorzuge lebensfähig), das ich dem ganzen System ziemlich skeptisch gegenüberstehe.

Dazu kommt auch noch, das sie mir vor einiger Zeit erzählt hat, das sie von ihrem Vater missbraucht wurde- mein Opa, ein Mensch, an den ich bis dahin nur gute Erinnerungen hatte, der auch noch ausgerechnet in der Zeit gestorben ist, als ich selbst in dieser Situation war.
Ich habe dieses Gespräch sofort abgeblockt und kann ihre Motivation, mir davon zu erzählen, immer noch nicht verstehen- der Mann war mal für mich die letzte gute Erinnerung aus einer halbwegs heilen Zeit.
Wie sie ausgerechnet darauf kam, dass ich der richtige Gesprächspartner für ein solches Gespräch sein könnte... meine Vermutung geht in die Richtung, dass der Anstoss dazu von ihrer Therapeutin ausging, ich habe sie aber nicht gefragt und ihr auch damals klar gesagt, dass ich das nicht mit ihr aufarbeiten kann und eigentlich gerne die Erinnerung bewahrt hätte. Ich weiss, das dies eine sehr grobe Reaktion war.

Meine eigenen Erinnerungen beschäftigen mich vor allem dann, wenn ich eh schon durch andere Umstände in Streß komme.
Meine Lebensplanung- was man so darunter versteht- ist schon seit einiger Zeit ziemlich aus den Fugen, hatte und habe auch regelmässig Probleme mit depressiven Phasen- aber gerade der Krankheits/Behandlungsverlauf bei meiner Mutter lässt mich vor Therapie und in Bezug auf die Depris ganz weit weglaufen, wenn von Psychologen/Psychiatern die Rede ist.

Ich hatte letztes Jahr vor Weihnachten mal so eine üblere Phase, da hab ich mein bisheriges Leben und meine Situation- wenn auch etwas durcheinander- zusammengefasst- wobei sich meine eigene Situation zumindest momentan zum positiven gewendet hat, habe Uni, Fach und Ort gewechselt- ist jetzt meine letzte Chance, und die im Eröffnungsbeitrag beschriebenen Gedankengänge könnten nicht unpassender kommen.

Um das noch etwas zu komplettieren- die Frau, mit der ich 6 Jahre zusammen war, ist auch ein Opfer, bei ihr war es Vergewaltigung- was auch letztendlich zum zerbrechen unserer Beziehung mit beigetragen hatte. Ihre Therapeutin empfahl ihr damals, sich von mir zu trennen.
Zu viele Narben auf der Seele, und meine Involvierung in die Krankheiten meiner Mutter waren damals zuviel, wobei der letzte Anstoss ein anderer war. Sie hat einige Jahre danach unglücklich geheiratet, 2 Kinder zur welt gebracht und ist schon wieder geschieden.

Soviel zu meinen bisherigen persönlichen Erfahrungen mit Therapeuten, trotz ihrer Ausbildung sind das letztendlich nur Menschen...

Das normale Gesundheitssystem hat mich im Laufe der Jahre wohl zu sehr desillusioniert... ich weiss nicht, wie ich es angehen soll, sowohl das Threadthema als auch den Rest meines Lebens.
Zumindest das wird mir beim schreiben immer deutlicher...

deminor

@Guinevere
den Gedanken an juristische Strafverfolgung hatte ich auch schon oft, vor allem, um anderen ähnliches zu ersparen- bisher habe ich davon aber nur einem einzigen Menschen mal im Reallife davon erzählt, und das fiel mir schon so extrem schwer.
Dazu kommt auch noch, das meine Eltern dann auch davon erfahren würden, und das will ich unbedingt vermeiden, die sind eh nicht besonders glücklich, und das könnten sie sich nie verzeihen.
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vita
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Post Wed, 09.Nov.05, 11:32      Re: Missbrauch: Persönlichkeitentwicklung und Rachegedanken Reply with quoteBack to top

Hallo Deminor,

es tut mir leid, deine Geschichte zu lesen. MB in der Kindheit scheint außerordentlich oft vorzukommen in irgendeiner Form, nur schweigt eben jeder darüber, so dass es so aussieht als wäre alles "in Butter".

So glaube ich persönlich, dass es das Schweigen ist, was einem so zu schaffen macht und freue mich, dass du dich hier im Forum geäußert hast.

Es gibt Menschen, die mit Therapien schlechte Erfahrungen gemacht haben, jedoch gibt es auch die, die gute Erfahrungen gemacht haben. Ein Therapeut ist natürlich kein Wunderdoktor, der einem mal kurz einen Lebenstipp gibt. Wirklich helfen kann man sich letztendlich nur selber, will heißen: Man muss es tatsächlich wollen und auch einiges dafür in Kauf nehmen, nämlich die Unbequemlichkeit der Auseinandersetzung mit sich selber.

In anderen Worten: Der Therapeut ist lediglich ein Begleiter, jedoch gehen muss man den Weg selber.

Bei MB in der Kindheit würde ich immer eine therapeutische Behandlung empfehlen, da die Zusammenhänge zwischen jetzigem Verhalten und den Kindheitserfahrungen meist nicht von einem selber erkannt werden. Jedoch macht es nur dieses Erkennen möglich, einen anderen für sich qualitativ besseren Lebensweg einzuschlagen.

Ich wünsche dir alles Gute auf deinem Weg.

lg
vita
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SensibleLionQueen
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Post Wed, 09.Nov.05, 19:23      Re: Missbrauch: Persönlichkeitentwicklung und Rachegedanken Reply with quoteBack to top

Hi alle zusammen!

@ Deminor

das ist wirklich schlimm was du erlebt hast. Die Kindheit prägt einen sehr stark und alles was einem in der Kindheit an traumatischen Ereignissen passiert wirkt sich auf die Persönlichkeit und das Verhalten und Denken in und über bestimmte Situationen im Erwachsenen leben aus.

Viele Erwachsene erinnern sich auch nicht mehr wirklich dran, und es Missbrauch scheint wirklich häufiger vorzukommen als man denkt. Das traurige ist das es meistens keiner merkt, die Kinder nicht sprechen, und die Täter oft Menschen sind von denen man es nie vermuten würde, wie z.b. der Vater, sprich der Ehemann der Mutter.

Ich weiß leider auch nciht recht was ich dir raten soll. Aufjedenfall solltest du den Missbrauch in Gesprächen mit einer vertrauensperson aufarbeiten. Das muss nicht unbedingt ein Psychologe sein. Hast du vielleicht schonmal an einen Pfarrer gedacht? Pfarrer sind ja nicht nur dazu da um einem was von Gott zu erzählen, sondern sind auch psychologisch geschult und können auch helfen. Überleg dir das mal.

LG
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mesme
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Post Thu, 10.Nov.05, 23:17      Re: Missbrauch: Persönlichkeitentwicklung und Rachegeda Reply with quoteBack to top

Hi,

Du fragst Dich, wieso Deine Mutter Dir von ihrem eigenen Mißbrauch erzählt hat - viellicht hat sie ja auch so ne Ahnung, was damals passiert ist bei Dir?

Bei uns in der Verwandtschaft gab es auch so einen Mißbrauchsfall, und auch da überlege ich, ob bei den Eltern der Betroffenen selber auch so was ähnliches vorgefallen sein könnte.

Ich denke, seit diese Geschichte bei uns aufs Tapet kam, (wobei die Frau, der es damals passiert ist, sehr stark ist und einfach alle informiert hat, die möglicherweise mit drin gesteckt haben) dass sich solche Sachen in Familien wiederholen, wenn sie nicht irgendwie verarbeitet werden. Zumindest ist die Gefahr dann deutlich größer.
Deswegen würde ich Dir raten, auch Deiner Familie gegenüber offen damit umzugehen. Es kann zwar sein, dass sie damit nicht klarkommen, aber z. B. die Abfuhr, die Du Deiner Mutter gegeben hast, als sie Dir etwas für sie schmerzhaftes mitgeteilt hat,ist auch etwas, mit dem sie sicher nicht gut klarkommt.

Dass Du dem Gesundheitssystem skeptisch gegenüberstehst, kann ich verstehen. Aber ich würde trotzdem versuchen, wenn Du dann doch so sehr von den Geschehnissen beeinflusst wirst, einen Therapeuten zu suchen. a) sind nicht alle schlecht b) ist Deine Mutter sicher ein Extremfall (vielen mit Depressionen kann ganz gut geholfen werden) c) bist Du Dir selber nicht wenigstens den Versuch schuldig und wert?

Zu der Strafverfolgung: Ziemlich sicher kannst Du das vergessen, sowas verjährt leider. Die Fristen sollten leicht rauszukriegen sein, aber 20 Jahre reichen da sicher aus. Mehr als einen Schrecken wirst Du dem Burschen bei dem Versuch sicher nicht einjagen können.

Ich hoffe, ich konnte Dir ein wenig weiterhelfen.

mesme
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Comrade Pajandrasayarthi
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Post Tue, 15.Nov.05, 4:08      Re: Missbrauch: Persönlichkeitentwicklung und Rachegedanken Reply with quoteBack to top

Hallo Deminor,

ich weiß zwar nicht ganz genau, wie alt du bist (rechnerisch komme ich auf 31) ... aber egal, wie kurz oder lange derartiges zurückliegt - ich (m)kenne ähnliches leider von mir selbst. Du schreibst, du wurdest "zu nichts gezwungen" ... du seist heute Frauen gegenüber irgendwie gehemmt oder blockiert (falls diese Formulierung zutrifft). Genau das scheint das Heimtückische an diesen "unklaren" Missbrauchsgeschichten zu sein: man weiß, dass viele Schwierigkeiten (v. a. im sexuellen Bereich) mit dem "Damaligen" irgendwie zu tun haben. Aber man weiß nicht wirklich, auf welche Weise, woher genau und warum konkret. Oder vielmehr: Was damals passierte, weißt du. Was DADURCH aber weiter passierte (und zwar schon in der sich eben erst entwickelnden -sexuellen- Gefühlswelt des 11-jährigen!), das weißt du nicht. Du schreibst ja sogar ganz explizit:

Quote:
Es liegt zulange zurück, die Gefühlwelt des 11-jährigen kann ich nicht mehr richtig nachvollziehen.


Genau das wäre vermutlich aber nicht schlecht, könntest du es. Eine regelrechte Vergewaltigung, die mit Zwang und offener Brutalität einhergeht, ist wahrscheinlich noch weniger ein Honiglecken als die "zwanglose Verführung". Aber sie ist vielleicht "eindeutiger". Das Opfer könnte eine Vergewaltigung zumindest als klare, schwere Misshandlung benennen. Kannst du nicht, weil es das damals für dich eben nicht war. Es war etwas Verschwommenes, schwer Definierbares, das in einem Gefühlsleben wohl eher eine diffus vernebelnde, schleichend verstörende Wirkung hatte und nicht so sehr eine unmittelbar verletzende. Genau damit habe heute auch ich Schwierigkeiten, weil es vielleicht nicht ganz unähnlich lief ... allerdings über mehrere Jahre hinweg (ca. 10-15. LJ). Die einzelnen Tathandlungen waren für mich alles andere als grauenhaft oder schwer schmerzvoll. Eher waren sie vielleicht beschämend, demütigend, dann fand ich sie aber auch "neutral", gleichzeitig aber auch lästig und interessant oder so ... schwierig zu sagen heute, was damals wirklich in mir vorging. Ich sah das Geschehene sehr lange Zeit ja nichtmal als Missbrauch! Das einzige, was heute ganz klar ist: Es war in seinen Auswirkungen VIELLEICHT katastrophal für mich. VIELLEICHT hat das, was damals passierte, extrem viel mit meinen heutigen Problemen zu tun:

Quote:
Zu den psychischen Folgen, wobei ich in keiner Weise sagen kann, ob ich mich unter "normalen" Umständen nicht genauso entwickelt hätte: Ich zweifelte lange an meiner sexuellen Orientierung- wobei ich mich nie von Männern angezogen fühlte, aber das erlebte liess mich doch über einige Zeit denken, ich sei schwul.


Inwieweit dir eine Therapie helfen kann, muss ich offen lassen. Erstens habe ich bereits einige (wenig ermutigende) Therapieversuche hinter mir, andererseits aber befinde ich mich derzeit erst ganz am Anfang einer erneuten Therapie, zu der ich noch nicht viel sagen kann. Da du offenbar in Deutschland wohnst (NRW), macht es auch wenig Sinn, dir zu einem Versuch an der Uni-Klinik Wien zu raten.

Auch weiß ich nicht, ob die Befriedigung der "Rachegedanken" zu einer Lösung deiner Probleme beitragen würde - zunächst wohl eher nicht. Hinsichtlich einer Anzeige wird es wohl stimmen: Die Tatbestände sind längst verjährt, denn die neuerlich eingeführte Regelung, dass die Verjährungsfrist erst mit dem 18. Lebensjahr des Opfers zu laufen beginnt, gilt nicht rückwirkend (Du warst schon längst vor der Gesetzesnovelle 18 ).
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