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Naibaf
neu an Bord!
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DA - Deutschland M, 22
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Fri, 28.Oct.05, 16:25 Mir fehlen wortwörtlich die Wörter |
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Hallo,
ich bin ein Soziologiestudent im 3. Semester und eigentlich mit einem dementsprechend großen Wortschatz ausgestattet, habe damit auch kein Problem bei schriftlicher Kommunikation, bei der ich nicht unter dem Druck unmittelbaren Handelns stehe wie in der face-to-face Kommunikation. Da kann ich auch mal kurz inne halten und nach Wörtern suchen.
Das klappt bei Gesprächen in letzter Zeit immer schlechter (oder mir fällt es nur mehr auf?). Ein flüssiges Reden über längere Zeit wird damit fast unmöglich, etliche Gedanken und Bilder, die in meinem Kopf rumschwirren finden keine zu ihnen passende Wörter - Wörter, die ich aber kenne! Also ich denke nicht, das es bei mir um die Unausdrücklichkeit von Emotionen oder dem Innersten geht, ich bin vielleicht einfach durch Stress von meinem semantischen Teil des Gehirns blockiert.
Besonders prekär wird das natürlich in Diskussionen in Uniseminaren, bei denen man noch unter dem Druck der Intellektualität steht. Das dumme dabei ist, das dort gerade solch ein Verhalten - Nicht-Verständlichkeit durch das Unvermögen klar und deutlich zu formulieren - noch belohnt wird, weil dann wohl viele schnell denken, SIE wären zu dumm zu verstehen und vor ihnen steht ein "verrückter Professor", der sich einfach auf einer höheren Ebene der Erkenntnis bewegt. Anders kann ich mir das fehlende negative Feedback in der Uni nicht erklären, das im Privaten öfter auftaucht.
Allgemein hab ich oft einfach nur diffuse Gedanken, wo ich Zusammenhänge eher ahne oder "fühle", als dass ich sie so greifen kann, in Wörter kleiden und kommunizieren kann. (Ich hoffe, dieser Beitrag zählt nicht dazu)
Ich will es erstmal dabei belassen und euch nicht gleich mit einen ellenlangen Artikel belästigen .
Ich würde gerne mich einfach wieder verständlich, flüssig und bedeutungsschwanger ausdrücken können. Musstet ihr damit auch schon Erfahrungen sammeln?
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Black XistenZ ™
Forums-InsiderIn
395
München M, 22
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Sat, 29.Oct.05, 3:16 Re: Mir fehlen wortwörtlich die Wörter |
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Naibaf wrote: | bin eigentlich mit einem dementsprechend großen Wortschatz ausgestattet, habe damit auch kein Problem bei schriftlicher Kommunikation, bei der ich nicht unter dem Druck unmittelbaren Handelns stehe wie in der face-to-face Kommunikation. | erster großer fehler. du setzt dich selbst der ewartungshaltung aus, mündlich genauso präzise und wohlformuliert zu kommunizieren wie im schriftlichen. das kann einfach nicht klappen. durch den selbstgemachten druck aber schaffst du dir obendrein auch noch blockaden.
Quote: | Besonders prekär wird das natürlich in Diskussionen in Uniseminaren, bei denen man noch unter dem Druck der Intellektualität steht. Das dumme dabei ist, das dort gerade solch ein Verhalten - Nicht-Verständlichkeit durch das Unvermögen klar und deutlich zu formulieren - noch belohnt wird, weil dann wohl viele schnell denken, SIE wären zu dumm zu verstehen und vor ihnen steht ein "verrückter Professor", der sich einfach auf einer höheren Ebene der Erkenntnis bewegt. Anders kann ich mir das fehlende negative Feedback in der Uni nicht erklären, das im Privaten öfter auftaucht. | verständlich. allerdings frage ich mich, ob du im privaten auch ständig so diffizile themen anschneidest; themen bei denen deine sprachfertigkeit überfordert wird. nach deinen schilderungen kommst du ja gerade bei uniseminaren in die zwickmühle und flüchtest dich in kompliziertes gerede.
ich weiss natürlich nicht genau wie deine problemsituationen so ablaufen, aber wäre es nicht im privaten eine lösung, dich selbst ein wenig zu bremsen sobald du ins stocken gerätst? also nicht im privaten auch die flucht nach vorne antreten hinein in völlig konfuses gebrabbel. wie wäre es einfach mal mit innehalten, deine gesprächspartner fragen, ob sie vllt erahnen können was du sagen willst. das gibt dir selbst feedback darüber, wie gut sie es verstanden haben und dürfte auch sympathischer rüberkommen.
Quote: | Allgemein hab ich oft einfach nur diffuse Gedanken, wo ich Zusammenhänge eher ahne oder "fühle", als dass ich sie so greifen kann, in Wörter kleiden und kommunizieren kann. (Ich hoffe, dieser Beitrag zählt nicht dazu) | ich fürchte doch, für leute ohne dieses problem wirds schwer aber um dich zu beruhigen: geht mir genauso.
Quote: | Ich würde gerne mich einfach wieder verständlich, flüssig und bedeutungsschwanger ausdrücken können. Musstet ihr damit auch schon Erfahrungen sammeln? | wie gesagt, habe im prinzip das selbe problem, aber wesentlich weniger stark ausgeprägt als bei dir. meine umwelt kriegt davon meistens gar nichts mit.
noch eine frage: woher kommt bei dir der wunsch nach sehr hoher eloquenz auch in alltäglichen, privaten gesprächen? stammeln tun sie doch alle irgendwann und immer wieder mal
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_________________ Gib einem Menschen Macht und du wirst sein wahres Wesen erkennen. |
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Naibaf
neu an Bord!
2
DA - Deutschland M, 22
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Sat, 29.Oct.05, 9:23 Re: Mir fehlen wortwörtlich die Wörter |
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Ich mag Deinen Ansatz sehr, vor allem, weil er mir so völlig fremd wäre, wäre ich selbst auf dem Problemlösungskurs .
Ich hab es jetzt so verstanden, dass es nicht der Punkt ist, dass mir Wörter unerreichbar sind, sondern, dass ich nach den falschen suche. Nach denen nämlich, die etwas ausdrücken sollen, was ich (noch) nicht zu sein im Stande bin - meinetwegen ein Intelektueller mit der Eloquenz eines Politikers.
Dieses gewollte Selbstbild hat, befürchte ich, tiefe Wurzeln. Ich erinner mich noch an die Grundschule, wo ich mich regelrecht selbst dafür bewunderte, einerseits die besten Noten zu haben, aber kein "langweiliger Streber" zu sein, sondern auch im Sport sehr gut war. In meinem Milieu galt wohl einfach die Gegenüberstellung von Strebern und Sportlern - kleiner Rekurs auf die Simpsons -
Bart (?): "In der Schule gibt es zwei Arten von Schüler, die Streber und die Sportler. Die Aufgabe der Sportler ist es, den Strebern das Leben so schwer wie möglich zu machen!"
Naja, aus der (durchaus realistischen) Zwickmühle war ich ja fein raus.
Im gegenwärtigen Leben drückt sich das in einer inneren Selbstbeschreibung aus, in einer Identität, deren Verteidigungsstrategien sich fast ausschließlich auf das Geistige, auf den Verstand beziehen. Mein Jugendsport, den Fußball, hab ich nach 14 Jahren aufgegeben, unter anderem, weil mir das bauernhafte Soziale daran zuwider wurde. Wenn Leute ihr Selbstvertrauen auch nur teilweise auf dem Äusseren aufbauen oder sich über ihren Körper anbieten (fängt beim Schminken schon an), dann les ich schon die Zeichen der Schwäche heraus --> Das Vertrauen auf das Vergängliche (Schönheit, gut gebaute Körper).
Ich will als intelektuell erkannt, behandelt und gemocht werden, mit Kommentaren wie "Heute siehst Du gut aus!" kann ich nichts anfangen, sie lösen kein Selbstvertrauensschub bei mir aus.
Wie erkennt man Intelektuelle oder solche die es gerne wären? Schulbuchantwort: An ihrem Willen zur Abgrenzung gegen alles ordinär, vulgär durchschnittliche. Leider gibt es da keine Grenzen nach oben, abgrenzen kann man sich so lange, bis man irgendwo alleine auf einem kalten und windigen Gipfel steht. Da muss auch einen niemand verstehen, dort oben ist ja keiner.
Puuh, langer Anlauf, kurze Antwort auf Deine letzte Frage: Da das Intelektuelle, bezeichnenderweise ein Begriff, den ich mich kaum traue zu benutzen, da jemand "von oben" sagen könnte: "Intelektuell? Das fängt erst hier oben an!", also da das Intelektuelle die dominierende Rolle meines Lebens ist, versuch ich damit auch bei meinen ausser-akademischen Kontakten mich selbst darzustellen.
Ein Letztes: Wenn man alle negativen Auswüchse sieht, die mein Verhalten nimmt, dann muss man auch auf rationaler, nicht-emotionaler Ebene sagen, dass ich weg kommen muss von dieser einseitigen Dominanz des intelktuell-sein-Wollens. Aber - wenn das Selbstbild keinen Anlass mehr gibt, an sich selbst zu arbeiten, wenn es keine Unterscheide zwischen dem Soll- und dem Ist-Zustand gibt, dann fehlt mir doch jegliches Feuer für ein Geisteswissenschaftliches Studium
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Stern*
Forums-InsiderIn
157
@ home W, 29
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Sun, 30.Oct.05, 22:12 Re: Mir fehlen wortwörtlich die Wörter |
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Naibaf wrote: |
ich bin ein Soziologiestudent im 3. Semester und eigentlich mit einem dementsprechend großen Wortschatz ausgestattet, ...
Wie erkennt man Intelektuelle oder solche die es gerne wären? Schulbuchantwort: An ihrem Willen zur Abgrenzung gegen alles ordinär, vulgär durchschnittliche. Leider gibt es da keine Grenzen nach oben, abgrenzen kann man sich so lange, bis man irgendwo alleine auf einem kalten und windigen Gipfel steht. Da muss auch einen niemand verstehen, dort oben ist ja keiner.
... also da das Intelektuelle die dominierende Rolle meines Lebens ist, versuch ich damit auch bei meinen ausser-akademischen Kontakten mich selbst darzustellen.
... dass ich weg kommen muss von dieser einseitigen Dominanz des intelktuell-sein-Wollens. |
Wieso definierst du dich denn nur über Intellektualität? Das finde ich etwas angestrengt anstrengend... . Es gibt - auch als Student - Themen, die genau so wichtig sind. Zum Beispiel nicht "einsam auf einem kalten, windigen Gipfel stehen". ... oder habe ich deine verschachtelten Sätze vielleicht nicht genau genug gelesen? Jedenfalls wäre das mein Gesamteindruck...
... Der eigentlich mit deinem ersten Satz schon klar wurde: "ich bin ein Soziologiestudent im 3. Semester und eigentlich mit einem dementsprechend großen Wortschatz ausgestattet," - DEMENTSPRECHEND ... also ein großer Wortschatz geht nicht zwangsläufig einher mit einem 3-semestrigen geisteswissenschaftlichen Studium. Das bist einfach du . Ich studiere auch, schon länger, aber würde in meiner Vorstellung nicht sagen: "ich studiere, habe einen dementsprechend großen Wortschatz und bin intellektuell."
Gruß, Stern
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tanzendes_irrlicht
Moderatorin
2129
NRW W, 30
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Mon, 31.Oct.05, 8:14 Re: Mir fehlen wortwörtlich die Wörter |
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Hallo Naibaf,
manchmal sind Wortfindungsstörungen nicht psychisch bedingt sondern neurologisch (s. Broca Zentrum). Hast du das abchecken lassen?
Lg,
Irrlicht
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_________________ Toleranz ist, wenn sich die Menschheit in die Menschlichkeit verliebt. C.M. |
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