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downdeep
sporadischer Gast
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Hamburg M, 26
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Mon, 03.Oct.05, 12:10 Sexsucht als "kumulierte Vernachlässigung"? |
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Vor ein paar Wochen gab es im fernsehen einen Bericht über ein Buch eines Psychotherapeuten über Sexsucht im weitesten Sinne. Es hieß, glaube ich, "Wenn Sex süchtig macht".
Ein Fallbeispiel sollte die Sexsucht veranschaulichen. Ein Mann in den zwanzigern schaute sich jeden Tag stundelang Pornos usw. an. Er schämt sich sehr, konnte nicht mehr arbeiten und schließlich "niemandem mehr in die Augen sehen". Das Leben ist nach eigener Aussage "zur Hölle" geworden. Totale soziale Isolation.
Der autor ist der Meinung, daß die ursachen für dieses Verhalten in der Kindheit zu suchen sind. Es komme z.B. bei Personen vor, die nach einer Trennung der Eltern als Partnerersatz herhalten mußten, sehr früh sehr stark in eine Ersatzpartnerbeziehung mit großen Emotionen eingebunden waren. Dieser starken emotionalen Verbundenheit steht aber eine "Vernachlässigung" in entscheidenden Momenten der emotionalen Bedürftigkeit des Kindes (z.B. Einsamkeit) gegenüber, die das Kind als starke Belastung und Not empfindet. Wenn das Kind nun das erste Mal sexuelle Empfindungen erfährt, erlebt es erstmals ein starkes, genuin eigenes Gefühl, das sich aus sich selbst heraus generiert und nicht abhängig von der erdrückenden Ersatzpartnerfunktion ist. Ein Gefühl, dessen Intensität dem nahe kommt, was das Kind sich immer wünschte aber nie bekam. Der Grundstein für spätere Probleme mit der Sexualität und dem Leben sei damit gelegt.
In einem Aufsatz einer Psychoanalytikerin las ich, daß sie die als Widerstand gedeutete Sexualisierung der therapeutischen Beziehung als Folge einer "kumulierten Vernachlässigung" versteht.
Ich möchte die Frage stellen, ob es in diesem Forum Menschen gibt, die sich als sexsüchtig erleb(t)en und die mit den geschilderten Ursachen etwas anfangen können.
Vielleicht gibt es auch Menschen, die mit dem Begriff "Sexualisierung des Alltags" oder "übermäßige Sexualisierung der Fantasie und Gedanken" etwas anfangen können.
Wieviel Sexualisierung ist ok.? Wieviel Sexualisierung brauchen wir, um einen Partner zu finden? Sind wir verklemmt? Oder ist dort tatsächlich eine ungesunde Entwicklung bei einigen?
Besonders würden mich die Erfahrungen von Menschen interessieren, die ein großes, leidvolles Problem mit Sexualität hatten, dieses aber überwunden haben und Besserung in dieser Hinsicht erreichen konnten. Wie habt Ihr dies geschafft? Wie lange hat es gedauert? Wie hat sich ein Ausweg aus der "hölle" ergeben?
Ich hoffe, dieser tread kann eine Diskussion über ein Thema anstoßen, das, soweit ich es überblicke, immer mehr in den Vordergrund der problematisierten gesellschaftlichen Entwicklung rückt....
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Vienna
Helferlein
55
planetearth M, 43
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Mon, 03.Oct.05, 13:57 Re: Sexsucht als "kumulierte Vernachlässigung"? |
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interessantes thema!
meine geschichte ist in groben zügen im forum nachzulesen, ich will sie nur kurz zusammenfassen:
ich bin seit 9 jahren mit einer frau zusammen, der sex nie so richtig wichtig war. ich hingegen hatte immer ein sehr sexuelles leben. unser problem also: ich will öfter als sie. oder ich sollte vielleicht schreiben, wollte öfter als sie, denn in den letzten monaten habe ich festgestellt, dass meine lust stark nachgelassen hat, bis hin zu leichten depressiven verstimmungen und einer leichten form der erektilen dysfunktion.
ich habe täglich onaniert und auch seiten im internet besucht, da ich mir gedacht habe, ich müßte meinen trieb ausleben um nicht verrückt zu werden. nachträglich gesehen hätte ich wohl doch ein wenig differenzieren sollen, aber ich bin gerade dabei mich mit mir auseinander zu setzen*gg*
ob ich sexsüchtig bin oder war, kann ich nicht sagen, aber dass ich meinen alltag sexualisiert habe, steht für mich fest. zum glück haben wir in unserer beziehung eine sehr gute gesprächsbasis und so bin ich zuversichtlich, dass wir dieses problem auch gemeinsam lösen können.
wo nun also die "gesunde lust" endet und die sexsucht beginnt, ist wohl individuell, bei mir zumindest dürfte ich die grenze überschritten haben und durch onanieren und visuellem sexkonsum in eine, ich sag mal, sexuelle frustration geraten sein.
einen echten ausweg kann ich (noch) nicht vermelden, aber einige dinge hab ich mir schon zurecht gereimt und versuche diese auch zu leben:
reden-reden-reden
zum urologen gehen und abklären, ob organisch alles ok ist bei mir.
mal eine geraume zeit auf visuelle reize aus dem net verzichten und auch nicht mehr täglich onanieren.
viel sport treiben.
versuchen gesund zu leben.
sollten diese, zugegeben nicht sehr kreativen vorschläge fruchten, dann werd ich darüber berichten.
bis dahin viel glück an alle
vienna
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retep
Helferlein
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Niederösterrreich M, 44
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Mon, 03.Oct.05, 14:01 Re: Sexsucht als "kumulierte Vernachlässigung"? |
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Hier geht es m.E. um zwei Dinge, die fürs Erste nichts miteinander zu tun haben: Sexualität und soziale Vereinsamung.
Der Mensch ist ein soziales Wesen und seine Sexualität ist darauf ausgerichtet.
Solange man seine Wünsche gemeinsam mit Anderen ausleben kann, sehe ich keine Gefahr einer "Übersexualisierung".
Besorgniserrgend wird's dann, wenn man - wie das geschilderte Beispiel veranschaulicht - in zunehmender Vereinsamung und ausschließlich allein mit seinen Wünschen leben muß. Darum ist es wichtig zu lernen, soziale Beziehungen eingehen zu können.
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erikk
neu an Bord!
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Berlin M, 29
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Mon, 24.Oct.05, 21:22 Re: Sexsucht als "kumulierte Vernachlässigung"? |
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Hallo,
das Buch ist von Kornelius Roth und ich habe es gelesen nachdem es hier im Forum empfohlen wurde. Alles in allem ist es sehr informativ und der Autor absolut kompetent was das Phänomen Sexsucht angeht. Es ist allerdings nur eine Sichtweise auf das Problem und was mich stört oder womit ich als Betroffener nicht konform gehe, ist, dass man Sexualität therapieren kann. Und selbst wenn es ginge, wäre Sexualität langweilig und leblos.
Was einem da bleibt, ist also der Entzug. Man kann versuchen, sexsüchtigmachendes Verhalten (porno sites, bezahlten sex haben) abzustellen, aber die Fantasie bleibt bestehen. Man kann auch versuchen, eine normale Beziehung einzugehen wenn man jemanden findet, aber die auslösenden Fantasien bleiben weiter vorhanden. Dabei meine ich vor allem sexuellen Neigungen (Paraphilien) - S/M und Fetisch sind wohl noch die harmloseren zu deren Vertreter ich mich (29) zähle. Aber man denke z.B auch an Pädophilie.
Der entscheidende Punkt sind also die Phantasien im Kopf, die die sexuelle Erregung auslösen und von frühkindlichen Erfahrungen geprägt sind (um es mal zusammenzufassen, da ich in den Details dazu absolut überfragt bin). Es wurde ja schon angesprochen, dass Missbrauchsgefühle eine nicht unwesentliche Rolle dabei spielen.
Nun zu mir: Gehöre wahrscheinlich zu einer grossen Gruppe der latent Sexsüchtigen, dh. es bringt mich nicht um, aber es macht mir hin- und wieder schwer zu schaffen. Habe eine starke Affinität zu Fetischen wie Leder und Schuhen und diese Jahreszeit ist extrem quälend für mich, da ich in einer Grossstadt lebe und täglich "angefixt" werde. Ich versuche also enthaltsam zu bleiben, was mir nur äusserlich gelingt, aber nicht in meinem Kopf. Damit werde ich gerade mal wieder zum Starrer, der sich von visuellem Höhepunkt zu Höhepunkt hangelt. Ich wünschte die weiblich Mode wäre etwas weniger sexualisiert.
Dazu bin ich noch in eine Beziehung integriert, die mich ein wenig vor Einsamkeit bewahrt, aber mich sexuell nicht glücklich macht, weil mir die stimulierenden Dinge irgendwie fehlen. Kann sein, dass ich für einen Moment glücklich bin, wenn ich mit ihr zusammen bin. Da sie aber eher ein zurückgezogener Typ zu sein scheint sind unsere Treffen eher kurz und auf ein- bis zweimal die Woche beschränkt, was für mich bitter und vorteilhaft zu gleich ist, da auch ich aufgrund meiner Unzufriedenheit mir eine Vertiefung der Beziehung irgendwie nicht vorstellen kann.
vg
erikk
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Lucipher
sporadischer Gast
10
Düren , 26
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Mon, 07.Nov.05, 1:51 Re: Sexsucht als "kumulierte Vernachlässigung"? |
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Hm ... Also meine Gedanken kreisen ständig um Sex :/
Ich hatte aber als Kind sowohl Mutter als auch Vater.
Das erste mal wurde ich in der Grundschule mit Pornoheften erwischt.
Und seit dem hab ich mir eigentlich alles angesehen verschiedenes auch gemacht was legal ist.
Ich könnte mir ein Leben ohne Pornographie nicht vorstellen selbst mit Freundin.
Ich kann es mir nicht vorstellen zu heiraten oder Kinder gross zu ziehen.
Ich kann mir auch nicht vorstellen mit einer Partnerin länger als 2 Jahre zusammen zu sein.
Ich suche immer den neuen kick .. und wenn ich den im richtigen Leben nicht finde dann hol ich ihn mir auf video .. so einfach ist das.
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_________________ !!~~ Als Arschloch wird man nicht geboren .. dazu wird mann gemacht ~~!! |
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Laurentius
sporadischer Gast
7
Bayern M, 30
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Fri, 23.Feb.07, 0:29 Re: Sexsucht als "kumulierte Vernachlässigung"? |
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Hi, ich bin "Sexsüchtig" (schon mit ca. 15). Es ist ein Zweischneidiges Schwert.
Viele Männer die schon anfang 40 kaum noch Interesse an Sex haben, wünschen sich wieder "potent" zu sein. So potent, wie es mal vor paar Jahren waren.
Manchmal projezieren Psychotherapeuten Konflikte die sie selber hatten oder noch haben auf ihre Patienten. Wie die eigene Inpotenz, Sexomanie, Homosexualität, Masochismus e.t.c
Nun, jeder sollte in der Lage sein selbst zu entscheiden wann die Grenze überschritten ist.
Wenn ich z.B jeden Tag und dazu den gesamten Tag nur Sex hätte bzw. mich nur noch mit Sexuellen Gedanken beschäftigen würde und alle andere Verpflichtungen vernachlässigen würde, dauert es nur wenige Wochen bis es zu einer Tragödie kommen würde.
Die Sexsucht selbst ist aber nicht springende Punkt! Die Sucht selbst, ist das Problem. Es muss kein Sexomanie sein! Nein, es könnte auch Spielsucht, Aklholsucht, Drogensucht und und und sein.
Ich hoffe ich habe mich verständlich ausdrücken können.
Man kann mit allem übertreiben, ganz egal was es auch ist.
Eine Fausregel sagt: In Maßen ist alles erlaubt.
Grüße Laurentius
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Laurentius
sporadischer Gast
7
Bayern M, 30
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Fri, 23.Feb.07, 0:48 Re: Sexsucht als "kumulierte Vernachlässigung"? |
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Habe ganz vergessen auf Deiner Ursprüngliche Frage einzugehen
Ja, das kann ich Dir zumindest bestätigen und viele andere auch.
Angenommen das Gehirn ist die Hardware eines Computers.
Ohne die nötige Software (in dem Fall intakte Beziehung zu den Eltern) reicht ein Betriebssystem (nennen wir es einfach mal Unterbewusstsein) nicht aus.
Der PC samt einem Betriebssytem ohne Software läuft zwar stabil, ist leider aber unnützig.
Anders gesagt: Das Kind ist die Software, die Eltern das Betreibsystem.
Sie brauchen sich gegenseitig. Eltern brauchen Kinder, Kinder Eltern. Ist dies nicht der Fall sucht man sich Eltern wie auch Kinder früher der ein Ersatz. Da Familie bzw. Partnerschaft eine Symbiose ist.
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Jetlag
Forums-InsiderIn
363
Deutschland M, 41
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Sat, 24.Feb.07, 11:35 Re: Sexsucht als "kumulierte Vernachlässigung"? |
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Quote: | Wieviel Sexualisierung ist ok.? |
O.K. ist es, wenn die Lebensqualität nicht leidet.
Wer übertrieben sexualisiert, der ist kaum noch in der Lage, seine anderen Bedürfnisse, die er ja auch noch hat, befriedigen zu können. Wer einseitig fokussiert ist, der vernachlässigt integrale andere Dinge.
Cheers
Jetlag
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