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Helferlein
52
Wien W, 22
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Sun, 28.Aug.05, 11:04 Gewalt in der Familie |
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Ich würde mich in diesem Beitrag gerne über Gewalt in der Familie austauschen, bzw. ob jemand Opfer von Gewalt war oder mitansehen musste, soweit ihr euch in einem Forum dazu äußern wollt.
Ich will diesen Beitrag auch dazu nützen mich diesem Thema ein bisschen zu stellen, ich denke nicht gerne darüber nach.
Bei mir war es so, dass mein Vater meine Mutter geschlagen hat und ich und meine Schwester das öfter mitansehen mussten. Das meiste habe ich vergessen, bzw. verdrängt, als Kind hat man scheinbar nicht so eine Kontrolle darüber und verdrängt sehr schnell. Interessant ist, dass meine Schwester die gleichen Erinnerungen behalten und verloren hat.
Ich habe das Gefühl, dass es mein Leben sehr beeinflusst hat, nicht nur in dem Sinne, dass ich jetzt psychisch krank bin, sondern auch mein Selbstbewusstsein, das Gefühl von Unsicherheit, meine Beziehungen, mein Problem mit Aggressionen usw.
Ich glaube immer, dass mein Vater schwer psychisch krank ist, er ist sich dessen aber nicht bewusst und redet sich ein er wäre "normal". Er hat zwei Persönlichkeiten, eine total nette, hilfsbereite, kindische Seite und eine andere, aggressive, bösartige verletzende Seite, die schwer zu beschreiben ist für Leute die ihn nicht kennen. Er selber merkt es nicht wenn er von einer zur anderen Seite umschwenkt. Dazu kommt, dass er nie Verantwortung übernimmt, er arbeitet schwarz um möglichst wenig Alimente zahlen zu müssen, fast alles hat meine Mutter bezahlt und gemacht.
Ich habe nach wie vor Angst vor ihm und ich vertraue ihm nicht, weil ich, wenn ich ihn anrufe nie weiß, wen ich am Telefon habe, das nette Kind oder den Teufel persönlich.
Meine Mutter hat sogar einmal erwähnt, dass wir Angst vor ihm haben, aber er war nur total verwundert, wusste nicht warum und ich glaube, er hat es mittlerweile schon wieder vergessen.
Ich habe auch Schuldgefühle, weil meine Mutter seit kurzem einen total netten Freund hat, der umso länger er hier ist viel mehr ein Vater für mich ist als mein eigener und dementsprechend habe ich auch mehr Vertrauen zu ihm und er steht mir eigentlich schon viel näher als mein eigener Vater. Schuldgefühle habe ich der netten Seite meines Vater gegenüber.
Ich werde das sicherlich in meiner Therapie ansprechen, aber derweil muss ich noch einige gegenwärtige Probleme bearbeiten und muss noch ein wenig damit warten, aus meiner Sicht gesehen. Deshalb habe ich derweil den Beitrag geschrieben und hoffe auf möglichst viele Antworten von Leuten die vielleicht ähnliches erlebt haben oder etwas dazu sagen möchten.
Lg, Nobody's Home
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Batziko
Helferlein
60
Heidelberg M, 30
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Mon, 29.Aug.05, 11:37 Re: Gewalt in der Familie |
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Hast Du eine Idee, was Deinen Vater so krank gemacht hat? Meinst Du, Du schaffst es ihm dafür zu verzeihen, was er alles verkehrt gemacht hat?
Ich habe eine sehr behütete Kindheit hinter mir. Das war höchstens in dem Sinne schädlich, als daß ich lange Jahre keinen Plan hatte, daß es sowas wie langeweile oder massivere Formen der Unzufriedenheit gibt.
Dafür kamen die Erkenntnisse dann später aus heiterem Himmel.
Mein bester Freund hatte sich umgebracht und ich hatte zu der Zeit keine Ahnung, daß man sowas freiwillig machen kann, wenn man nicht gerade gefoltert wird.
Inzwischen bin ich aufmerksamer geworden und habe 4 Freunde und Freundinnen (und auch mal mich selber) von der Idee oder Umsetzung überreden können es sein zu lassen.
Für mich war es damals Gewalt in der Familie, wenn ein Freund beim Mittagessen von seinen Eltern nicht erlaubt bekam ein Comic während dem Essen zu lesen...
also bin ich vermutlich der Falsche für die Frage..
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_________________ Gefahr erkannt - reingerannt! |
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Saron80
sporadischer Gast
20
Bayern M, 25
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Tue, 30.Aug.05, 22:05 Re: Gewalt in der Familie |
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Hallo Nobody's Home,
ich habe ganz ähnliche Erlebnisse wie du. Auch bei mir war es so, dass mein Vater meine Mutter geschlagen hat. Allerdings nur, wenn sowohl mein Vater als auch meine Mutter betrunken waren (und das war sehr oft, man kann sagen täglich der Fall). Natürlich prügelte mein Vater nicht jeden Tag, aber auch bei ihm gab es jene Ambivalenz in der Persönlichkeit, die du über deinen Vater berichtest.
Nüchtern war er der freundlichste und hilfsbereiteste Mensch, den man sich nur vorstellen kann. Betrunken allerdings war er cholerisch und aggressiv. Und wenn meine Mutter nun auch noch betrunken war und zu reden anfing, wie es viele Besoffene tun, reichte dies oft schon aus, meinen Vater in Rage zu bringen. Meine Mutter redete und redete weiter, mein Vater wurde immer aggressiver und aggressiver, bis es irgendwann krachte. Es waren nicht bloß Schläge, sondern mein Vater hat sie oft sogar gewürgt.
Und ich habe die ganze Sache meistens mit ansehen müssen. Ich bin übrigens Einzelkind, hatte also niemanden, mit dem ich meine Kindheit teilen konnte.
Ich kann mich erinnern, dass mein Vater bereits auf meine Mutter eingeprügelt hat, als ich fünf, sechs Jahre alt war - wahrscheinlich war ich noch jünger. Viele meiner Erinnerungen sind zu diffus, um mit Sicherheit Genaueres sagen zu können.
Als ich älter war und mit dem Kampfsport anfing, verteidigte ich meine Mutter, sobald es wieder losging. Ich habe meinem Vater immer wieder mit der Faust ins Gesicht geschlagen oder ihm Fußtritte verpasst.
Das schlimmste Vorkommnis fand statt, als mein Vater meine Mutter wiedermal würgte, nachdem er ein paar Mal auf sie eingeschlagen hatte. Ich riss meine Mutter los und schlug meinem Vater wieder ins Gesicht. In der Zwischenzeit griff sich meine Mutter einen ehernen Aschenbecher und zerschlug ihn auf dem Kopf meines Vaters. Da Betrunkene allerdings für Schläge gegen den Kopf unempfindlich sind, blieb mein Vater unbeeindruckt und ging wieder auf meine Mutter los. Als ich ihm daraufhin zwei Fußtritte in den Leib gab und ihm so drei Rippen brach, war der Spuk beendet. Notarzt musste gerufen werden, weil mein Vater zu ersticken drohte und eine Platzwunde am Kopf hatte (die Gelegenheit nutzte mein Vater - wenn auch eher unfreiwillig -, mit dem Rauchen aufzuhören. Bei der Untersuchung im Krankenhaus stellten die Ärzte dann ironischerweise fest, dass das Herz meines Vaters sowieso bereits stark angegriffen war O_o)
Selbstverständlich haben mich diese Erlebnisse, die ich seit frühester Kindheit miterleben musste, immens geprägt.
Stottern, Exhibitionismus, Autoritätsprobleme, Stimmungsschwankungen, Selbstwertproblematik, Verlustängste sind einige der Optionen, die ich dir anbieten kann und die mir auf Anhieb einfallen. Einige von ihnen habe ich in den Griff bekommen, andere machen mir noch heute zu schaffen, wiederum andere sind mir egal geworden. Bei den Schwierigkeiten, mit denen ich heute noch zu kämpfen habe, bin ich aber zuversichtlich, dass a) ich sie entweder in den Griff bekomme oder b) sie mir egal werden
Liebe Grüße
P.S. Wenn du Fragen an mich haben solltest, ich bin bei deiner heiteren Internet-Gruppentherapie dabei ;-p
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Release
Helferlein
52
Wien W, 22
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Thu, 01.Sep.05, 9:49 Re: Gewalt in der Familie |
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Batziko wrote: | Hast Du eine Idee, was Deinen Vater so krank gemacht hat? Meinst Du, Du schaffst es ihm dafür zu verzeihen, was er alles verkehrt gemacht hat? |
Ja, das ist mir total klar. Seine Mutter ist eine Katastrophe, die hat ihn brutal geschlagen wie er ein Kind war. Sein Vater war total nett und hat ihn ur gerne gehabt, aber er ist gestorben wie mein Vater 14 war.
Ich könnte ihm verzeihen, wenn er etwas dagegen tun würde, Therapie machen, oder zumindest verantwortungsvoll reagieren würde nachdem er uns gezeugt hat, aber er will sich lieber einreden, dass er normal ist und das meine Mutter ja eh so viel Geld hat und er sich um alles drücken kann. Selbst wenn meine Mutter so viel Geld hätte wäre es trotzdem seine Pflicht, die Hälfte der Kosten zu übernehmen und er betrügt uns ja schon seit Jahren indem er schwarz arbeitet und arbeitslos gemeldet ist.
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Release
Helferlein
52
Wien W, 22
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Thu, 01.Sep.05, 9:58 Re: Gewalt in der Familie |
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Hallo Saron 80 !
Zunächst wollte ich dir für deine Offenheit danken.
Du hast ja einiges erlebt, weil deine Eltern zusätzlich Alkoholiker waren. Ich kenne das nur dadurch, dass meine Mutter mal einen Freund hatte, der bei uns eingezogen ist und dieser war schizophren und Alkoholiker, aber ein wirklich hoffnungsloser Fall. Aber das waren nur 2 Jahre und ich war schon fast erwachsen.
Mein Vater hat meine Mutter schon vor meiner Geburt geschlagen. Der Scheidungsgrund war schließlich, dass er sie geschlagen hat, wie sie mich im Arm hatte und ich fast runtergefallen wäre. Paradoxerweise haben sie danach aber noch zusammengelebt bis ich 8 Jahre alt war.
Ich kann mich nicht daran erinnern jemals ein "Scheidungsopfer" gewesen zu sein, was ich weiß, war ich eher erleichtert darüber, dass meine Eltern nicht zusammen sind.
Wo finde ich diese Gruppe, von der du in deinem Beitrag gesprochen hast ?
Lg, Nobody's Home
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Saron80
sporadischer Gast
20
Bayern M, 25
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Wed, 07.Sep.05, 19:41 Re: Gewalt in der Familie |
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@ Nobody's Home
Ich fürchte, da hast du mich jetzt falsch verstanden. Ich bin in keiner Gruppe. Vielmehr habe ich die Bemerkung auf deinen Beitrag hier bezogen. Dein Beitrag als Gruppentherapie
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Thatwasme
Helferlein
60
Deutschland/München M, 45
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Thu, 08.Sep.05, 7:47 Re: Gewalt in der Familie |
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Hallo,
Ich habe ganz ähnliche Erfahrungen.
Ich kann mich nicht genau daran erinneren wie mein Vater wirklich war
(Ich habe ihn das letzte Mal gesehen, als ich 13 war, da müsste man doch genaue Erinnerungen haben? Anscheinend habe ich das meiste verdrängt)
- aber ich weiß dass er jähzornig und agressiv sein konnte. er hat meine Mutter desöfteren geschlagen.
Nach der Trennung meiner Eltern, kam ein halbes Jahr später der nächste Mann ins Haus. Wenn er nüchtern war, war er sympatisch ein richtig lieber Kerl, ich hatte ihn sehr gern.
Aber wenn er getrunken hatte verwandelte er sich in den Teufel in Person.
(gewalttätig, gehässig, aggressiv)
Es war so als ob in ihm 2 verschiedene Personen stecken würden...
Wenn er meine Mutter schlug, hat sie ihn noch gedeckt und gelogen, sie sei gestolpert oder ähnlich.
Sie hat für ihn die Zeche in den Lokalen gezahlt, sie hat ihn davor bewahrt inhaftiert zu werden.
Ich habe sehr unter meiner Kindheit gelitten. In der Schule wurde ich gehänselt.
Ich habe große Probleme mit meinem Selbstwert, leide unter meinen Stimmungsschwankungen.
Ich habe einige depressive Phasen hinter mir, als Teenager habe ich geritzt, dann hatte ich einen Perfektionswahn, Probleme mit Essen, war in der Arbeit bis zum Burnout überfordert (zum einen weil ich Probleme im Umgang mit Menschen habe, zum anderen durch meinen Perfektionismus)
Momentan bin ich dabei in der Therapie meine Vergangenheit aufzuarbeiten.
Kommt ihr mit der "Verarbeitung" voran? Was hilft euch?
LG
Thea
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Release
Helferlein
52
Wien W, 22
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Thu, 08.Sep.05, 9:57 Re: Gewalt in der Familie |
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Hallo Thea22 !
Ich werde das morgen in der Therapie zum ersten Mal ansprechen denke ich. Ich habe nämlich keinen Schimmer wie man soetwas verarbeiten soll und in der Psychoanalyse die ich früher gemacht habe, hab ich auf diese Frage auch keine Antwort gefunden, vielleicht finde ich ja jetzt eine in der VT.
Das mit dem starken Wechsel von Gut und Böse scheinen ja einige hier zu kennen. Wir sind zwar alle gut und Böse, aber bei diesen Menschen wie meinem Vater oder dem Freund der Mutter scheint das so extrem hin und herzuschwanken, dass man nicht mehr weiß ob man sie lieben oder hassen soll.
Bei mir kam es dann so, dass ich beides getan habe oder tue und viel Abstand zu meinem Vater nehme, was ziemlich leicht ist, weil er von selber nie anruft, es sei denn es gibt einen Grund. Aber das reißt einen irgendwie auseinander und man bekommt nie das Gefühl von Sicherheit in seinem Leben.
Und was tust du um das zu verarbeiten ? In welche Therapie gehst du, wenn ich fragen darf (damit meine ich die Form)
Lg, Nobody's Home
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Release
Helferlein
52
Wien W, 22
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Thu, 08.Sep.05, 9:58 Re: Gewalt in der Familie |
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@ Saron80 :
*lol* ja manchmal habe ich ein bisschen eine lange Leitung, alles klar. Ich dachte jetzt es gibt ein Gruppentherapieforum hier dass ich übersehen habe
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Thatwasme
Helferlein
60
Deutschland/München M, 45
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Thu, 08.Sep.05, 13:42 Re: Gewalt in der Familie |
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Hallo!
Ich mache eine Gesprächstherapie.
Ich bin draufgekommen, wie wenig Gefühle ich bei mir zugelassen kann. Momentan versuche ich, zu lernen meine Gefühle zu bemerken: (zum Beispiel "jetzt im Moment fühle ich mich gerade müde/angespannt/etc.")
Das ist gar nicht so selbstverständlich wie es sich anhört!
Ich neige zum Beispiel stark dazu mich übermäßig zu verausgaben, einfach weil ich nicht wahrnehme, dass ich müde bin.
In zwischenmenschlichen Beziehungen gebe ich mir Mühe, einfach zuzulassen. Bei meinem Freund zeige ich entweder die kalte Schulter oder ich klammere fast schon.
Nun versuche ich mehr das JETZT zu genießen, ohne Angst vor Morgen oder Gestern.
Wenn's nur so leicht wäre...
Alles im allem glaube ich dass mir oft das rechte MITTELMASS fehlt.
Schwanken wir auch so, wie wir es vom Vater erlebt haben??
LG
Thea
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Release
Helferlein
52
Wien W, 22
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Thu, 08.Sep.05, 16:56 Re: Gewalt in der Familie |
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Thea22 wrote: | Hallo!
Ich mache eine Gesprächstherapie.
Ich bin draufgekommen, wie wenig Gefühle ich bei mir zugelassen kann. Momentan versuche ich, zu lernen meine Gefühle zu bemerken: (zum Beispiel "jetzt im Moment fühle ich mich gerade müde/angespannt/etc.")
Das ist gar nicht so selbstverständlich wie es sich anhört!
Ich neige zum Beispiel stark dazu mich übermäßig zu verausgaben, einfach weil ich nicht wahrnehme, dass ich müde bin.
In zwischenmenschlichen Beziehungen gebe ich mir Mühe, einfach zuzulassen. Bei meinem Freund zeige ich entweder die kalte Schulter oder ich klammere fast schon.
Nun versuche ich mehr das JETZT zu genießen, ohne Angst vor Morgen oder Gestern.
Wenn's nur so leicht wäre...
Alles im allem glaube ich dass mir oft das rechte MITTELMASS fehlt.
Schwanken wir auch so, wie wir es vom Vater erlebt haben??
LG
Thea |
Ja, ich glaube schon. Mir geht es da in vielen Dingen wie dir.
Beim Studieren bin ich immer ein absoluter Perfektionist gewesen und habe mich so zu Tode gearbeitet, dass ich irgendwann garnichts mehr konnte und nur mehr depressiv war. Ich habe jetzt im Laufe einer Langzeittherapie gelernt, dass es auch ein Mittelmaß zwischen zu viel tun und garnichts tun gibt.
Und ich bin überhaupt total zwiegespalten, nur fällt es mir im Gegenteil zu meinem Vater auf. Ich frage mich auch, wie man eigentlich dazu kommt, so zu werden wie man eigentlich überhaupt nicht sein will, selbst wenn man dieses Verhalten von einem Elternteil gesehen hat. Aber ich habe immer darunter gelitten, warum müssen jetzt andere Leute darunter leiden, obwohl ich mich dagegen wehre ?
Und das mit Gefühlen zulassen verstehe ich, vor allem wenn es um unangenehme Gefühle geht ... und das Mittelmaß zu finden zwischen garnichts mehr fühlen und sich von Gefühlen übermannen lassen.
Lg, Nobody's Home
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Saron80
sporadischer Gast
20
Bayern M, 25
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Fri, 09.Sep.05, 16:10 Re: Gewalt in der Familie |
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Was mir auch immer Gedanken gemacht hat: Ich hatte stets Angst, wie mein Vater zu werden.
Es kam öfters vor, dass ich jähzornig wurde, obwohl ich diese cholerischen Anfälle mit Hilfe des Sports in den Griff bekommen habe. Aber die Angst, selbst ein Schläger zu werden, hat bisher meine gesamten Beziehungen durchzogen.
Ich habe ziemlich alles dafür getan, um nicht wie mein Vater loszuprügeln. Das Ergebnis war, dass ich auf die meisten meiner Freundinnen wie ein Weichei, ein Konfliktvermeider und ein Drückeberger gewirkt haben muss. Lieber habe ich in einem Streit nachgegeben, als dass die Situation so eskaliert, dass es tatsächlich zum Zuschlagen kommen könnte. Wenn ich wütend war, habe ich lieber auf Gegenstände eingeschlagen. Einmal ging eine Glasscheibe in der Tür zu Bruch, weil ich vor lauter Wut nicht richtig zielen konnte (ich wollte eigentlich gegen den Holzrahmen der Tür schlagen).
Dann geschah es, dass ein Streit tatsächlich mal heftiger wurde, woraufhin ich meine damalige Freundin zu hart anfasste (allerdings nicht zuschlug). Später offenbarte sie mir, dass es ihr gar nicht schlecht gefiel, wie ich reagiert hatte. Das Ergebnis war, dass ich immer wieder handgreiflich wurde, auch zuschlug (aber nie ins Gesicht), bis sie die Schnauze dann doch voll hatte und mir sagte, dass ich sie nie wieder schlagen solle. Das hab ich seit dem Zeitpunkt auch nicht mehr gemacht. Ich konnte das Schlagen einfach auf Knopfdruck abstellen. *g*
An solchen Erlebnissen merke ich, dass ich unter einer solch starken Verlustangst leide, dass ich so gut wie alles tue, um den Verlust mir geliebter Personen zu vermeiden. Allerdings merke ich auch, dass es von Beziehung zu Beziehung besser wird.
An einer Sache habe ich allerdings noch zu knabbern: Mein Vater sagte früher immer, dass ich sein Handeln verstehen werde, wenn ich größer sei. Nun ja, nun bin ich größer und ich meine zu wissen: Wenn ich solch eine Frau wie meine Mutter kennenlerne, besteht wohl eine große Gefahr, dass ich tatsächlich wie mein Vater werde. Aber das ist bloß eine Mutmaßung.
Liebe Grüße
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Thatwasme
Helferlein
60
Deutschland/München M, 45
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Fri, 09.Sep.05, 16:20 Re: Gewalt in der Familie |
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Hallo Nobody's Home,
Hallo Saron,
Ich habe gestern noch viel darüber nachgedacht.
Vielleicht liegt unser Fehler gerade darin, dass wir unbedingt alles BESSER machen wollen als unsere Eltern.
Ich hab' das schon bei einigen Leuten beobachtet, dass deren Kinder wieder auf andere Art leiden: Ich kenne da ein Paar mit Kind.
Beide Elternteile hatten eine schwere Kindheit und sind von deren Eltern vernachlässigt worden, also versuchen sie es beim Kind besser zu machen. Beide denken quasi rund um die Uhr darüber nach, wie sie das Kind am besten erziehen sollen. Und das um jeden Preis.
Beide kontrollieren und regulieren ihr Kind auf jede erdenkliche Art und Weise. Der Bub ist 8 und MUSS spätestens um Acht Uhr Abends ins Bett (OHNE AUSNAHME). Das Kind muss selbst bei Sonnenschein mit Haube und Jacke raus, obwohl es dann schwitzt.
Ich hoffe du verstehst was ich jetzt meine: Es besteht die Gefahr, dass man sich darauf versteift, auf jeden Fall alles richtig zu machen.
Dann kann es passieren, das man am Leben "vorbeilebt", und sich in der Haltung versteift und verbittert, wenn man nicht 100 % besser macht als die Eltern es getan haben.
Das mag sich jetzt absurd anhören, aber ich bin überzeugt dass alle (eben auch unsere Eltern) versuchen das Beste aus dem Leben zu machen, und die Fehler der Eltern nicht zu wiederholen. Aber manchmal fixieren sich Menschen auf Standpunkte und Weltsichten, was sie zum ersten zum Scheitern bringt, und was zweitens katastrophale Auswirkung auf deren nähestes Umfeld hat.
Ich hatte als Kind immer das Gefühl von meiner Mutter total in Stich gelassen zu werden. Nie wurde ich gelobt, selten wurde ich umarmt, obwohl ich es dringend gebraucht hätte.
Meine Mutter ist der Ansicht das Bestmöglichste an uns weitergegeben zu haben (Sie hat zum Beispiel nicht auf eine Höhere Schule gehen dürfen, also war sie mit voller Kraft dahinter, dass ihre Kinder es tun).
- Aber sie hat dabei übersehen, dass jeder von uns Kindern total ANDERES gebraucht hätte...
Selbst bei meinem Vater habe ich wage Erinnerungen, dass er versucht hat uns Kindern etwas von der Welt zu zeigen (er hatte selbst nie die Chance dazu)...
Ich will jetzt nicht die Fehler der Eltern rechtfertigen. Ich will aufzeigen, dass jeder Mensch gerne geliebt sein will, und Ideale hat
- der Weg zum "Ausnahmezustand" ist ein langer, mit viel Schicksalsschlägen gepflasterter. Ich bin mir sicher dass auch unsere Eltern einmal Opfer waren.
- was hilft das uns
Aus den Fehlern der Eltern lernen, ohne uns an starren Strukturen festzuklammeren. Es nicht gleichtun, aber auch nicht das krasse Gegenteil machen.
Ich denke wir sollen nicht vergessen, dass wir nicht perfekt sind, und dass die 100% Quote kaum zu erreichen ist, und wir daher auch Fehler machen DÜRFEN.
Bei mir nimmt das viel Druck, weil ich sonst schnell dazu neige es AUF KEINEN FALL!! wie die Eltern zu machen. (Meine Mutter ist fast ein "Messie" / Ich neige dazu die Wohnung unter ALLEN Umständen sauber zu halten)
Ich denke, dass ich mit dieser Sicht offener für die Wirklichkeit bleiben kann, und dass auch die Erwartungen an andere dadurch realistischer sind, als wenn ich mich darauf verkrampfe perfekt zu sein/werden.
Weil ein Moment muss nicht perfekt sein, um ihn schön und intensiv erleben zu können. Und wer sein Leben genießt der strahlt es auch auf andere aus....
LG
Thea
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Saron80
sporadischer Gast
20
Bayern M, 25
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Sat, 10.Sep.05, 14:23 Re: Gewalt in der Familie |
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Thea22 wrote: | Ich bin mir sicher dass auch unsere Eltern einmal Opfer waren. Thea |
Natürlich waren sie das. Aber wohin mit der Wut und der Enttäuschung? Es gibt zwei Möglichkeiten: Wut und Enttäuschung entweder gegen die Umwelt oder gegen sich selbst richten. Oder?
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Thatwasme
Helferlein
60
Deutschland/München M, 45
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Mon, 12.Sep.05, 9:05 Re: Gewalt in der Familie |
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Hallo Saron,
Tut mir Leid, ich bin am Freitag total wenig auf dein Posting eingegangen.
Ich hab' mir total den Kopf wegen dem Hin und her pendeln zerbrochen. Sorry -
Quote: | Dann geschah es, dass ein Streit tatsächlich mal heftiger wurde, woraufhin ich meine damalige Freundin zu hart anfasste (allerdings nicht zuschlug). Später offenbarte sie mir, dass es ihr gar nicht schlecht gefiel, wie ich reagiert hatte. Das Ergebnis war, dass ich immer wieder handgreiflich wurde, auch zuschlug (aber nie ins Gesicht), bis sie die Schnauze dann doch voll hatte und mir sagte, dass ich sie nie wieder schlagen solle. Das hab ich seit dem Zeitpunkt auch nicht mehr gemacht. Ich konnte das Schlagen einfach auf Knopfdruck abstellen. *g*
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Ich denke dass du deine Aggressionen gut in Griff hast.
Sicher - zuschlagen macht die Situation nicht besser - Bei handfestem Streit mit jemanden den ich sehr mag, passiert es mir aber auch, das ich den anderen am liebsten eine auflegen würde.
Mein Therapeut hat zu mir gemeint, dass es wichtig ist regelmäßig Dampf abzulassen, bevor der innere Druck zu stark ist.
Ich darf Nein sagen, auch schlecht aufgelegt sein, sagen was ich mir denke. Er hat gesagt, dass es in den zwischenmenschlichen Beziehungen nicht darauf an kommt, immer einer Meinung zu sein. Sondern, dass Menschen erst dann geschätzt werden, wenn sie zeigen, wie sie sind.
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