Kindesmissbrauch bei Freundin - wie helfen?

neu an Bord! 3 aachen M, 19

hallo zusammen!

ich habe ein problem: ich habe seit 2-3 wochen eine neue bekannte, die jetzt 19 jahre alt ist und mit 7 von ihrem stiefvater vergewaltigt wurde. sie wurde vor 3-4 monaten aufgrund einer seitdem zerrütteten vater-kind-beziehung von ihm dazu noch misshandelt worauf ihr auszug folgte.
das habe ich gestern erst erfahren.
ich habe ihr geraten sich dringend einer therapie zu unterziehen.
sie hatte erst einen richtigen freund vor einem halben jahr für ca. 2 monate, mit dem sie keinen sex hatte. ihr sind verständlicherweise sex und beziehungen sehr fremd; überspielt dieses jedoch im alltag perfekt mit einer immer fröhlichen laune, sodass niemand etwas merkt oder auch nur ahnt.
ihr abitur hat sie mit gleichgültigkeit aber absackenden leistungen zum glück noch bestanden, aber nun steht ihre ausbildung / ihr studium bevor. einen richtigen ehrgeiz und motivation hat sie jedoch nicht.
ich habe nun angst, dass sie viel wegwirft in ihrem leben und sie ihre jugend (wozu auch erste positive sexuelle erfahrungen gehören) verpasst.
was kann ich als eigentlich noch viel zu fremder und frischer freund (nicht partner!) tun außer sie unterstützend zu einer therapie zu bewegen? wird sie überhaupt jemals eine "normale" unberührte sexualität ausleben können?
kann man nach einer erfolgreichen, abgeschlossenen therapie überhaupt bei solch seelischen beeinträchtigungen von heilung sprechen oder wird sie ihr leben lang in gewissem grade davon verfolgt bleiben?

würde mich über informative antworten freuen!

danke schonmal!

Forums-InsiderIn 368 Österreich W, 27

Hallo Martin,
erstmal finde ich es gut, wie du darauf reagierst und wie du dich konstruktiv um deine Bekannte/Freundin kümmerst!

Du hast es richtig erkannt - was sie wirklich braucht, ist professionelle Hilfe. Sieht sie das nicht so? Bei mir musste der Leidensdruck auch erst mal groß genug sein, bevor ich mir die Realität und die Probleme überhaupt eingestehen konnte. Rolling Eyes

Was du darüber hinaus tun kannst, ist schwer zu sagen. Du kannst natürlich für sie da sein und zuhören, wenn sie darüber reden will. Viel mehr kannst du leider nicht tun. Das muss dann von ihr ausgehen.

Es gibt hier einen eigenen, eeeeeeeewig langen Thread zum Thema "Spätfolgen" und der Frage, ob Heilung möglich ist.
Ich persönlich glaube fest daran, dass eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität möglich ist. Ich persönlich muss auch fest daran glauben, dass ein richtig glückliches Leben möglich ist - sonst würde die ganze schwere Therapiearbeit die ich und viele andere leisten keinen Sinn machen. Dahinvegetieren konnte ich auch ohne Therapie. Wink

Und ja, ich glaube auch daran, dass erfüllte Sexualität möglich ist, erfüllende Beziehungen und ein gutes, gesundes Leben. Ich bemerke bei mir, trotz Einbrüchen die immer wieder kommen (stehe ja auch erst am Anfang), eine klare Verbesserung von vielen Problemen. Wenn du magst, lies doch mal in den oben erwähnten Thread rein.

Es ist auch wichtig, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. So ein Missbrauch zieht ja weite Kreise in einer Familie, und nur zu leicht kann es dadurch zu einer Wiederholung kommen.

Alles Gute für dich und deine Freundin,
Karen

neu an Bord! 3 aachen M, 19

Hallo Karen!

Erstmal ein dickes Dankeschön für deine ausführliche Antwort.
Du hast mir echt Hoffnung gemacht, dass meine Freundin auch ungeblendet noch einmal fröhlich sein kann!

Ich finds einfach schwer zuzusehen:
Sie ist ja davon überzeugt, dass eine Therapie notwendig ist und auch was bringen könnte, aber ich hab das Gefühl sie schiebt das auf, weil sie es nicht wahrhaben will. Es kommen dauernd Sprüche wie "Ja...hast ja recht...demnächst" oder aber "Bitte kein Mitleid", "Mir gehts gut" "Was solln das bringen..".
Man merkt also eindeutig, dass sie sich irgendwie in einer Sackgasse befindet, aus der sie alleine nicht rauskommen wird. Deswegen versuche ich ihr zu helfen (auch wenn ich sie erst 2-3 Wochen näher kenne). Gerade weil sie jetzt vor ihrer Zukunfts- und Lebensplanung (Ausbildung, Studium) steht.
Ein größeres Problem stellen da noch ihre Familienverhältnisse dar.
Mutter glaubt ihr kein Wort damit alles schön totgeschwiegen wird (so nach dem Motto "Augen zu, dann kann ich nix gesehen haben")...Stiefvater hat sie ja quasi rausgeekelt und dann hat sie noch eine 15-jährige Schwester (allerdings leiblich vom Stiefvater), die nächste Woche Geburtstag hat, weshalb meine Freundin sie besuchen fährt, weil sie sich unter Schwestern dann sehen wollen. Wie der Aufenthalt zuhause dann aussehen wird, ist fraglich. Darüber hinaus steht bei ihrem leiblichen Vater ein 9-monatiger Gefängnisaufenthalt an.
Alles in allem sehr niederschmetternd!
Ihre Freunde, die ihr bis zum Abitur vor 3-4 Monaten zur Seite standen, sind wegen Ausbildung etc. jetzt quer durch Europa verteilt, sodass sie komplett alleine dasteht. Daher versuche ich ihr auch zu helfen, selbst wenn ich sie nicht gut kenne.

Den Threat "Spätfolgen" hab ich gesehen, da wollte ich auch eigentlich reinposten, aber ich hab leider nicht auf "Antworten" geklickt sondern auf "neues Thema". Und somit war ich dann raus....!

Also erstmal danke an Karen und über noch weitere Unterstützungen würde ich mich freuen!

Forums-InsiderIn 368 Österreich W, 27

Ja, es ist von aussen vielleicht schwer zu verstehen, dass man den Schritt zur Therapie nicht machen kann, obwohl man es selbst erkennt, dass es richtig wäre. Bei mir war es aber genau so. Es ist nicht leicht sich wirklich einzugestehen was passiert ist und dass man es nicht länger "vergessen" kann. Man wurde ja auch so erzogen, dass man nicht darüber sprechen darf, oder es wurde einem gesagt, dass es ja gar nicht stimmt etc. Es braucht Zeit, bis man soweit ist.

Natürlich ist es besser, je früher man mit der Aufarbeitung beginnt, aber wenn es für deine Freundin Zeit ist, wird sie auch die Kraft haben. Und sie hat in dir ja jemanden, der sie dahingehend unterstützen wird.

Ich denke jetzt in schwierigen Therapiephasen oft, dass ich alles hinschmeissen möchte. Was mich dann unter anderem davon abhält ist der Gedanke daran, wie entschlossen ich war, als ich sie begonnen habe, und wie schlecht es mir damals gegangen ist. Wenn mich vorher jemand dazu überredet hätte und ich es innerlich nicht gewollt hätte, würde ich die Therapie vermutlich leichter abbrechen. Ausserdem wäre es schon eine Wiederholung, wenn du sie zu etwas "zwingen" würdest.

Also, hab Geduld und vertrau auf sie. Es ist alles in ihr, was sie braucht, um "heil" zu werden. Sie hat nur eben ihren eigenen Weg, der vielleicht noch ein bisschen Zeit braucht.

LG!
Karen

neu an Bord! 3 aachen M, 19

hallo karen!

ich habe ihr gestern gesagt dass sie sich besser professionelle hilfe nehmen sollte, zumal es ihr von ihren freundinnen bisher auch schon geraten wurde. aber ich glaube ich sollte dieses thema besser nicht zu oft ansprechen. sie hatte mir versprochen sich heute schonmal an ihren hausarzt zu wenden. ich weiß noch nicht, ob sies getan hat, aber ich werde sie zu nix überreden. an das zwangsgefühl hab ich noch gar nicht gedacht, da hast du recht. ich hoffe, indem ich mich einfach um sie kümmere, helfe ich am meisten. denn du hast schon recht, die therapie muss sie selber wollen und das nicht für mich tun. das allerdings habe ich ihr auch gestern gesagt. ich warte einfach mal geduldig ab.

aber eine unsicherheit habe ich schon noch: sie wirkt immer ganz gelassen und fröhlich. sie ist so eigentlich eine sehr flippige frau, der man ihre laune abkauft!!
aber ich bezweifel dass es ihr wirklich gut geht. oder kann das wirklich sein?
ich will sie ja nicht absichtlich damit runterziehen indem ich ihr ihre gelassenheit nicht mehr abnehme.
wie soll ich mich dahingehend verhalten?

lg zurück!
martin

Forums-InsiderIn 368 Österreich W, 27

Hm, also erstmal ist es nicht so ungewöhnlich, dass sie wie eine glückliche, "normale" junge Frau wirkt. Einerseits gibt es ja Phasen, in denen es einem wirklich gut geht, und andererseits hat man selbst vermutlich fast das größte Interesse daran, alle, einschließlich einem selbst, glauben zu machen, dass eh alles in Ordnung und kein Problem ist. Damit muss man nicht hinschauen auf den Schmerz und die Angst. Außerdem war man ja auch als Kind dazu gezwungen.

Ich denke, du solltest einfach ganz natürlich sein. Wenn du glücklich bist, sei glücklich, wenn du fröhlich bist, sei fröhlich, wenn dich ihr Verhalten nachdenklich macht, sei nachdenklich. Sie wird dich fragen was du denkst, wenn sie es hören will. Wenn sie es nicht hören will, kann es sein, dass sie sich erstmal von dir abwenden muss, um eben nicht hinschauen zu müssen. Man begegnet nicht gern seiner personifizierten inneren Stimme. Wink

Ich denke aber, sie wird erkennen, dass es dein Ernst ist, aus Sorge um sie. Ich bin den Menschen dankbar, die so offen für mich waren, dass ich es ihnen erzählen konnte.

Liebe Grüße,
Karen

Forums-Gruftie 626 wohnort W, 50

hallo martin,

karen hat dir viele ganz ganz wertvolle tipps gegeben. kann mich nur anschließen. diese gelassenheit und fröhlichkeit deiner freundin kann auch ein schutz sein. es ist wahrscheinlich der schutz, den sie noch braucht, um nicht in trauer/schmerz/verzweiflung/ect. zu versinken.

ich kenne das von mir. würde ich nicht lachen, so meine befürchtung, könnte ichnur noch weinen.

alles liebe und viel kraft für dich und schön, dass du für deine freundin da bist. eines möchte ich dir noch mitgeben: sich mit einer "überlebenden" einzulassen ist bestimmt nicht immer leicht, aber das leben könnte interessanter, tiefer, berührender, spannungsreicher werden. friend

mp

Forums-InsiderIn 339 Hessen W, 50

Hallo Martin,

erst mal schön, dass du hier schreibst und so um deine Freundin besorgt bist. Die beste Hilfe ist, ihr als guter Freund zur Seite zu stehen, jedoch wird sie erst zu einer Therapie entscheiden, wenn sie selber dazu bereit ist. Das ist ein sehr großer Schritt und ich persönlich habe 30 Jahre dazu gebraucht.

Zur Fröhlichkeit möchte ich dir sagen, dass ich ebenfalls ein recht fröhlicher und ausgelassener Mensch bin. Humor besitzt große Heilkraft. Meine Fröhlichkeit ist echt, ebenso meine Traurigkeit - will heißen, ich bin ein recht emotionaler Mensch. Das war vor der Therapie so und ist auch nach Therapie so. Es ist also durchaus möglich, sich trotz schrecklicher Erlebnisse seinen Lebensmut und die Fröhlichkeit zu bewahren.

Ich persönlich konnte immer wieder feststellen, dass Survivor recht starke Menschen sind, die sich nicht so leicht unterkriegen lassen.

In dem superlangen Thread, den Karen schon genannt hat, kannst du dich recht gut über Spätfolgen informieren.

Ich wünsche dir und deiner Freundin alles Gute.

lg
vita

Helferlein 136 Wien W, 28

Hallo Martin,

Find es echt toll das Du versuchst deiner neuen bekannten zu helfen...

Mein rat ist sie nicht ständig mit dem Thema zu konfrontieren,aber sie ist denk ich schon mal auf einen guten Weg wenn sie erkennt das sie eine Thera braucht und ohne schafft sie es nicht,es ist leider ein sehr langer weg bis man die erkenntnis dazu hat,aber wenn es mal soweit ist und sie vertrauen zur Thera hat ist der erste schritt schon mal getan,ich vermute mal sie erkennt noch nicht so recht das sie daran absolut schuldlos ist und warum eine thera machen wenn man im kopf hat ich hab selbst auch schuld dran?(so war es zumindest zum teil bei mir) wenn sie mit der thera beginnt sei einfach für sie da oft reicht es schon wenn man sich einfach alles von der seele reden kann für ausenstehende ist es dann oftmals nicht so einfach dann darauf was zu antworten,das ist aber nicht nötig einfach da sein reicht oft und hilft sehr,kann da natürlich nur von mir sprechen,biete ihr vielleicht an das sie dir mailen kann einfach mal drauf los schreiben oder sie soll es einfach nur für sich machen das kann manchmal echt gut tun...... ich wünsche ihr das sie den schritt zur thera schafft und endlich lebt....

zu deiner frage ob man durch mißbrauch ein erfülltes bzw. schönes leben genießen kann so kann ich dir das mit ja beantworten-ich hätte es nie für möglich gehalten aber es funktioniert wirklich ich bin seit knapp 9monaten mit meinem freund zusammen und ich genieße den sex total,klar es sind immer wieder momente da manchmal weine ich danach oder sag ihm er soll mich für einen moment einfach in ruhe lassen er weiß darüber bescheid und somit gehen wir beide damit recht gut um.es gibt nicht immer gute tage aber eine thera ist die einzige chance wieder am leben teil zu nehmen es ist ein verdammt harter weg mit vielen tiefen aber es lohnt sich so sehr wenn man erfolg hat,es wird nie ganz weg sein und immer wieder erinnerungen hoch kommen aber ich für mich akzeptiere es als teil meines lebens...

ich wünsche deiner neuen bekannten alles gute

sporadischer Gast 10 sfsffdg W, 30

hallo martin,
mein vorschlag wäre, ihr mal den link zu dem oben erwähnten thread zu geben "spätfolgen...", bzw grundsätzlich zu diesem forum hier.

mir hat das sehr geholfen, endlich zu verstehen dass es nicht nur mir so geht, dass da menschen sind, denen es so und ähnlich geht, auch zu kapieren dass ich da durch muss, wenn ich will das es besser wird.

hier kann sie auch erstmal anonym rumsurfen, lesen, posten, ohne druck oder zwang, wann immer ihr danach ist.

ich habe auch jahre gebraucht zu kapieren, dass kopf in den sand stecken nicht helfen wird. diese erkenntnis wurde ausgelöst unter anderem durch die richtige lektüre und durch diese erfahrungbericht in dem forum hier...

Ich dachte auch immer, das wird schon wieder, oder "ja, ich weiß eh, ich sollte...." aber ich hatte immer das gefühl dass ich damit allein stehe, oder dass das eh nicht so schlimm war, dass sich alles von alleine löst, wenn ich nur lange genug warte...

vielleicht könntest du ihr auch ein buch zum thema schenken, wenn du denkst das sie das positiv aufnimmt ("die unsichtbare wunde", "trotz allem",...)? Natürlich nicht als therapieersatz, aber vielleicht helfen Sie deiner bekannten zu erkennen was sie jetzt tun will, tun muss, was für auswirkungen die vergewaltigung auf ihr leben hat/haben kann.

Das sind nur dinge die mir früher geholfen hätten weiterzukommen, vielleicht kann sie etwas damit anfangen.

Alles liebe,
bf

sporadischer Gast 11 M, 32

Ich würde da gerne mal was anderes Wissen :

Auch in unserem Bekanntenkreis gibt es eine angeh. Verwandte, die als Kind vom Vater missbraucht wurde. Sie hat vor ca. 3 Jahren Flashbacks bekommen, da kam das ganze dann raus. Den Kontakt zum Vater hat sie abgebrochen, nur noch zu den Geschwistern hat sie Kontakt. Natürlich ist es innerhalb der Familie kein Thema (so was macht einen wütend), wie oben schon beschrieben, heile Welt aufrecht erhalten.

Nun kann es passieren, das wir ihren Vater auch so einmal treffen, wie soll man sich da verhalten ?? Ihm sagen, daß man alles weiß ??

Wir machen uns auch Gedanken, de in der Familie auch die Enkelkinder in Gefahr sein könnten, allerdings hat unsere Bekannte uns gebten mit niemanden darüber zu sprechen.

gruß

Michl

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