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ichbinich
Forums-InsiderIn
153
österreich W, 35
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Sat, 09.Jul.05, 12:16 kann mich nicht mehr einschätzen |
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hallo,
über drei jahre dauert nun meine depressionsgeschichte. nun geht es mir seit dem letzten schweren rückfall zu beginn dieses jahres wieder einigermaßen gut. aber eben nur einigermaßen. ich tröste mich damit, immer wieder, dass es eben langsam geht , dass ich schon viel erreicht habe. mein arzt sagt ähnliches, und auch meine therapeutin. trotzdem beschleichen mich zweifel, dass ich nie wieder ganz ohne depressionen sein werde. dass ich einfach nur das potential in mir habe bis zu diesem punkt und nicht weiter. an diesem punkt war ich schon mehrmals, aber so richtig den sprung zu einem leben, wie ich mir das wünschen würde, habe ich nie geschafft. damit meine ich vor allem die schlechten gedanken, den wunsch, alleine zu sein, die angst, alles nicht mehr zu schaffen, das dauernde gefühl, alles ist noch zu anstrengend. ich funktioniere, aber es kostet mehr kraft als es sollte. allein zu funktionieren, das kann doch auf die dauer nicht genung sein?!
erst kürzlich habe ich mir eingestanden, dass das noch immer depressive züge sind. und doch bin ich mir nicht sicher. ständig frage ich mich, ob ich vielleicht einfach nur im falschen job bin. ob ein anderer mich nicht so auslaugen, mir nicht so viel kraft kosten würde. aber ich habe nicht den mut, zu wechseln, denn wenn es nicht so ist, dann kostet ein wechsel mir zu viel kraft, die ich nicht habe. ich weiß, es gibt kein netz im leben, und ich muss ins kalte wasser springen, um gewisse dinge herauszufinden. aber ich habe immer noch angst, dass ich mir zu viel zumute und dann irgendwann vor dem nichts stehe.
was mir auch sehr zu schaffen macht, ist, dass ich durch meine starke zurückgezogenheit viele freunde und bekannte verloren habe in den letzten jahren. es regt sich jetzt manchmal die lust, wieder unter menschen zu sein, aber dann ist es zu anstrengend und schwierig, weil niemand mehr da ist... sind es dann nicht die umstände, viel mehr als ich?
ich kann mich einfach nicht mehr einschätzen. ich weiß nicht, wie viel unzufriedenheit und erschöpfung normal ist, wie oft ein anderer mensch traurig ist, was ihm im vergleich mit mir schwerer oder leichter fällt.
ich frage mich gerade, warum ich das wissen will. tatsache ist doch, dass es mir so nicht genug, nicht gut genug ist. ich denke, ich will wissen, wie viel geduld ich noch haben muss und ob ich wirklich noch hoffnung haben darf, dass "es" noch wird...
ich weiß, niemand kann mir das sagen. aber ich habe hier schon oft anregungen bekommen, die mir sehr weitergeholfen haben.
ichbinich
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_________________ werde der, der du bist (nietzsche) |
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carö
Forums-InsiderIn
456
Deutschland W, 38
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Sat, 09.Jul.05, 13:24 Re: kann mich nicht mehr einschätzen |
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liebe ichbinich,
dich mal trösten mag, kann deine sorgen gut verstehen.
was du ansprichst ist derzeit als große machtvolle angst wieder in mir nach oben gekrochen... was, wenn ich es nicht schaffe in meiner begrenzten therazeit „soweit“ zu sein, dass ich leben kann und nicht nur funktioniere und nicht nur so „vor mich hindümple“... ich will mehr! ich will leben.
die frage, wie viel unzufriedenheit und erschöpfung du haben darfst und wie viel geduld du haben musst und wie viel hoffnung du haben darfst .. sind schon teil des ganzen destruktiven „spiels“ da steckt ganz viel von dem leistungsdruck dahinter, der das leben so unlebendig werden lässt. wer sollte dir dies denn „erlauben“ ? du verlagerst diese existenziellen fragen nach aussen auf eine imaginäre kraft, die dein leben zu bestimmen scheint. das ist eine illusion. steckt da nicht viel angst vor dem selbst leben dahinter ? zeit und geduld mit dir selbst kannst nur du dir geben. auch das hinterfragen der strukturen, die dein denken und fühlen bestimmen, ist deine ureigene aufgabe... es wird niemand geben, mit dem du dich zufriedenstellend wirst „vergleichen“ können, weil du einzigartig bist. nicht die frage, wie viel normal ist, ist wichti, sondern wie du dich als ganzen menschen mit schwächen und stärken, mit freude und mit traurigkeit, akzeptieren kannst. ich gewinne den eindruck, dass du fast gewaltsam deine gefühle weghaben willst und dein körper und deine seele „danken“ es dir, indem sie „zumachen"... depression, erschöpfung... du nimmst dich und deine gefühle noch nicht wirklich ernst, du bist nicht wirklich gut zu dir... du verlangst, du forderst, du vergleichst, du stellst massstäbe auf... unsere seele ist viel „klüger“ als wir. sie verweigert sich einfach solchem druck...
ich könnte mir vorstellen, dass alles leichter und lebendiger wird, je mehr du zulässt einfach die ichbinich zu ein, die nun mal ist wie sie ist... ich glaube, dass in dem mass das leben zurückkehrt, indem man es nicht mehr einfordert.
diese fragen, „wie viel ist normal ?“ sind allein fragen, das äußere betreffend... der mensch ichbinich ist da gar nicht mehr zu finden.. der mensch ichbinich hat auf der eigenen party mit dieser haltung nur wenig spass.
ich hoffe, das klingt nicht von oben herab. ich schreibe das, weil ich mich mit dir im fast selben boot fühle... (scheinbar... zumindest hat es dieses gefühl bei mir ausgelöst)
versuche gerade auch wege zu finden für das, was sich nicht erzwingen lässt, aber wo ich bisher noch keine anderen möglichkeiten kennengelernt habe. das zauberwort heisst, glaub ich, loslassen... je leichter man etwas nimmt und nicht erzwingen mag, desto eher wird es sich als geschenk von selbst einstellen... ich verzweifle manchmal auch fast an dieser scheinbar unüberwindlichen hürde... und glaube aber mittlerweile, dass ich meine bisherigen krücken wegwerfen muss... alles, was kontrolle, fordern und anspruchshaltung bedeutet, ist die hürde, die mich an mir selbst scheitern lässt... ach ich denke und fühle und denke... igendwann werde ich das rätsel lösen nur nicht aufgeben, liebe ichbinich...
und ich weiss aus meiner eigenen erfahrung heraus mir mir selbst, wie schwer es ist, das leben leicht zu nehmen... klingt paradox... und das ist es wohl auch. je mehr man sich anstrengt, desto weniger lebendigkeit kann sich einstellen... o.k. ich weiss auch nicht wie es geht, aber ich bin entschlossen, es herauszufinden mit einem ich willichwillichmussichwill wirds halt sicher nicht gehen.
liebe grüße
caroline
P.S. bin mir jetzt gerade nicht sicher, ob du mit meinem geschreibsel etwas anfangen kannst, oder ob ich doch mehr für mich und von mir selbst geschrieben habe... war nur das, was mir so spontan einfiel
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_________________ Der Kopf ist rund, damit die Gedanken die Richtung ändern können. |
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ichbinich
Forums-InsiderIn
153
österreich W, 35
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Sat, 09.Jul.05, 13:43 Re: kann mich nicht mehr einschätzen |
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hallo caroline,
schön, dich wieder zu lesen!
oh ja, ich kann mit deinem "geschreibsel" viel anfangen.
ich habe im bereich psychosomatische beschwerden ganz ähnliche antworten erhalten. je öfter ich es höre, desto eindringlicher ist es für mich und desto mehr verstehe ich auch, wie es zu mir passt: zu viel zu wollen, zu müssen aus mir heraus, zu viel zu kämpfen. und mir damit selbst den weg zu versperren.
wie ich es anders machen soll, mir fehlt jegliche ahnung.
ich versuche ja gerade, so eine richtige pause von allem zu machen. sehe meine therapeutin erst im herbst wieder, habe mir vorgenommen, mir einen schönen sommer zu machen, ohne einen neuen job suchen zu wollen, ohne große wenden von meinem leben zu erwarten, einfach nur den sommer verbringen, so nett wie möglich. aber wenn ich ganz ehrlich bin, steckt da ein riesiger arbeitsauftrag drinnen: "normal" zu werden.
ich bin so traurig gerade, weil ich nicht weiß, wie ich das machen soll, dieses loslassen, wie ich da herauskommen soll. es kann ja nicht bedeuten, dass ich mich jetzt einfach total hängen lasse?!
vielleicht muss ich mir erst mal klar werden, WAS ich denn da loslassen soll... sich zu bemühen, sich nicht zu bemühen ist eine dermaßen paradoxe handlung, an der ich selbstverständlich laufend scheitere...
mögen deine und meine sorgen das richtige mit uns machen...
ganz liebe grüße
ichbinich
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_________________ werde der, der du bist (nietzsche) |
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ichbinich
Forums-InsiderIn
153
österreich W, 35
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Sat, 09.Jul.05, 13:46 Re: kann mich nicht mehr einschätzen |
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oh, sehe gerade, ich bin in der hierarchie aufgestiegen.
irgendwie auch schade. ich war gerne helferlein.
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_________________ werde der, der du bist (nietzsche) |
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