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Post Wed, 06.Apr.05, 23:47      Depressionen, Beziehungen und Leistungsbedürfnis Reply with quoteBack to top

Hallo Leute,

ich weiß leider nicht mehr weiter und will Euch daher hier um Eure Meinung zu meinem Problem bitten. Vielleicht findet sich ja jemand, dem es ähnlich geht. Ich bin dankbar für Anregungen in jeder Richtung.

Also, ich leide seit Jahren saisonweise an immer schwereren Depressionen. Immer wieder gibt es Phasen, in der mir der Kontakt mit fremden Menschen Angst macht. Mittlerweile nehmen diese Probleme so überhand, dass ich am Leben kaum noch Freude empfinden kann. Ich weiß nicht, wann ich überhaupt das letzte mal intensive Freude empfunden habe, aber es gab sie. Außerdem erlebe ich seit einiger Zeit immer wieder intensive Angst vorm Älterwerden. Ich fühle mich von Tag zu Tag minderwertiger und verurteile mich selbst für Unzulänglichkeiten, die eigentlich keine sind.

Vor kurzem habe ich das Buch „Grundformen der Angst“ von Riemann gelesen und bei mir selbst stark schizoide Präferenzen festgestellt (sowie hysterische). Auch einige Merkmale spezieller Sozialphobie würde ich bei mir selbst diagnostizieren, so das möglich ist.

Ich war in meiner Jugend recht schüchtern, hatte aber auch Phasen (so zwischen 20 und 25) mit einer Menge sozialer Aktivitäten. Charakteristisch für mich ist, dass ich mich nur dann unter Menschen begeben mag, wenn ich mir aufgrund bestimmter Leistungen ihrer Anerkennung sicher sein kann. Mitunter scheine ich fremde Menschen zu verunsichern, was ich überhaupt nicht möchte. Ich fühle mich unter Leuten mit herausragenden Fähigkeiten am wohlsten. Ich habe die Einstellung, dass unser Leben etwas absolut einmaliges ist, was man nicht verschwenden darf und dessen Möglichkeiten man auszunutzen verpflichtet ist.

Ich bin seit 5 Jahren verheiratet, die längste Zeit auch aufgrund äußerer Umstände unglücklich. Obwohl wir eine recht offene Beziehung führen, fühle ich mich ständig eingeengt; unglaublich gehemmt, Freundschaften zu knüpfen und zu halten; meinen Interessen nachzugehen, vor allem meine Möglichkeiten auszuschöpfen. Von einer Trennung habe ich bisher im wesentlichen wegen meines Kindes und aus Mitleid abgesehen. Andererseits kenne ich auch kaum eine Beziehung, die freier gestaltet ist. Meine Partnerin schätze ich als Freundin sehr. Trotzdem will ich einfach nur ausbrechen und fühle mich in meiner Beziehung sehr einsam. Mein Beziehungsideal sind zwei Individuen, die sich gegenseitig unterstützen und sich gegenseitig den größtmöglichen Freiraum geben.

Um die Widersprüchlichkeit zu illustrieren, keinesfalls um anzugeben: ich habe keinen objektiven Grund, mit mich zu verurteilen: ich habe zwei Uniabschlüsse, beide sehr gut, bin bei meinen Studenten beliebt (denke ich Wink), bin sportlich (wenn auch gehandicapt wegen Verletzungen), hatte bisher ein sehr bewegtes und abenteuerliches Leben. Ich habe Dinge erleben dürfen, von denen andere nur träumen können. Ich liebe es, meine Grenzen zu verschieben, und bin dabei auch bereit, einiges zu riskieren (bin bei meinen Abenteuern schon zweimal fast ums Leben gekommen). Teilweise fahre ich allein in Urlaub um meinen Abenteuerdrang auszuleben. Ich hatte sicher nicht sehr viele, aber doch erlesene und exzessive Liebschaften, an die ich gerne zurückdenke. Ich habe solange ich denken kann, kaum eine Zurückweisung von anderen, besonders von fremden Menschen erhalten.

Ich war mit meinem Problem beim Psychiater, welcher mir sagte, ich solle „dass ich schon so in Ordnung bin.“ Eventuell empfiehlt er eine Therapie, denkt aber, ich könne die Probleme auch selbst in den Griff kriegen. Das glaube ich mittlerweile nicht mehr. Die Depression nimmt immer mehr überhand und ich habe das Gefühl, ich könnte irgendwie die Kontrolle verlieren. Vielleicht erwarte ich aber auch nur zu viel vom Leben und muss akzeptieren lernen, dass es jenseits Ende 20 bergab geht…

So, das war wirklich viel Text; ich hoffe, ich hab Euch nicht zu sehr strapaziert. Ich würde mich freuen, wenn jemand schreiben würde…

Liebe Grüße
Der Abenteurer
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Nessa
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Post Thu, 07.Apr.05, 10:48      Re: Depressionen, Beziehungen und Leistungsbedürfnis Reply with quoteBack to top

Hallo abenteurer,

ich will nur mal ein paar Gedanken aufschreiben, die mir bei der Lektüre deines Beitrags gekommen sind...

Du hast in deinem Leben schon viel erreicht, hast fast nur Erfolge zu verzeichnen, d. h. es lief alles so, wie du dir das vorgestellt hast. Deine Ziele waren immer sehr hoch gesteckt, in jedem Bereich deines Lebens. Jetzt allmählich merkst du, dass du auf Dauer diesen hohen Idealvorstellungen nicht gerecht werden kannst und kommst dir minderwertig vor.

Quote:
Außerdem erlebe ich seit einiger Zeit immer wieder intensive Angst vorm Älterwerden. Ich fühle mich von Tag zu Tag minderwertiger und verurteile mich selbst für Unzulänglichkeiten, die eigentlich keine sind.
...
Ich habe solange ich denken kann, kaum eine Zurückweisung von anderen, besonders von fremden Menschen erhalten.
...
Vielleicht erwarte ich aber auch nur zu viel vom Leben und muss akzeptieren lernen, dass es jenseits Ende 20 bergab geht…

Genau das ist es. Du erwartest vor allem auch zu viel von dir und deinen Mitmenschen. Du hast Angst vor dem Leben, vor der Zukunft und vor unvorhersehbaren Ereignissen. Ob es mit Ende 20 bergab geht, ist eine Sache der Einstellung. Wenn du deine hoch gesteckten Ziele nicht revidierst, dann wirst du mit diesen Gedanken leben müssen. Wenn jeder Mensch diese Einstellung hätte, dann müsste man wohl mit Anfang 30 seinen Lebenswillen aufgeben, nur noch resignieren und auf den Tod warten (jetzt mal überspitzt ausgedrückt).

Quote:
Eventuell empfiehlt er eine Therapie, denkt aber, ich könne die Probleme auch selbst in den Griff kriegen. Das glaube ich mittlerweile nicht mehr. Die Depression nimmt immer mehr überhand und ich habe das Gefühl, ich könnte irgendwie die Kontrolle verlieren.

Über eine Therapie solltest du nachdenken und dir evtl. mal einen Termin für ein Vorgespräch geben lassen (bei einem Psychotherapeuten). Ich hoffe, du kannst ein bisschen etwas mit dem Beitrag einer relativ alten Schachtel anfangen, die sich weit jenseits der 30 befindet, aber nicht immer nur bergab unterwegs ist.

Liebe Grüße
Nessa
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Post Thu, 07.Apr.05, 19:13      Re: Depressionen, Beziehungen und Leistungsbedürfnis Reply with quoteBack to top

Hallo Nessa,

vielen Dank für Deine Antwort. Im Grunde genommen kann ich Deine Gedanken gut nachvollziehen und bin auch selbst schon zu ähnlichen Konsequenzen gekommen.
Andererseits bedeutet die Abschwächung und Umdefinierung von Zielen immer auch ein Stück Selbstaufgabe und führt damit sehr schnell wieder in den Abwärtskreislauf und in die Depression. Insbesondere dann, wenn man es nicht mit der Umdefinierung bis ins Unterbewusstsein schafft (und wie tut man das ?!)
Ich denke, es ist ein großes Problem der heutigen Gesellschaft, dass man die Ziele an niedriges eigenes Niveau anpasst und nicht das eigene Niveau den Zielen; ich habe Probleme damit, mich dem anzuschließen - aber das hast Du so auch sicher nicht gemeint.
Der vernünftigste Ansatz scheint mir zu sein, zu einer anderen Wahrnehmung meiner Umwelt zu kommen; weg von der Kopplung von sozialer Anerkennung und Leistung, weg vom "sich ständig herausgefordert fühlen."
Aber wie geht das? Gerade, wenn ein Verfallen in alte Mechanismen die beste "Belohnung" (nämlich soziale Anerkennung) bringt und dadurch maximal verstärkt wird?

Liebe Grüße
Der Abenteurer
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Nessa
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Post Fri, 08.Apr.05, 10:12      Re: Depressionen, Beziehungen und Leistungsbedürfnis Reply with quoteBack to top

Hallo abenteurer,

Quote:
Andererseits bedeutet die Abschwächung und Umdefinierung von Zielen immer auch ein Stück Selbstaufgabe und führt damit sehr schnell wieder in den Abwärtskreislauf und in die Depression.

Nicht unbedingt. Vielleicht ist es ein Stück Selbstaufgabe, aber das bedeutet deswegen nicht zwangsläufig, dass du depressiv wirst. Im Gegenteil - das Korrigieren deiner Idealvorstellungen macht dir das Leben leichter und führt dich (zumindest ein Stück weit) aus der Depression heraus. So war es jedenfalls bei mir. Wenn du herausfinden kannst, warum du dir diese hohen Ziele gesteckt hast und erkennst, dass sie dir und deinem Wesen vielleicht gar nicht entsprechen, dann ist das eine große Hilfe und ein Schritt in Richtung besserer Lebensqualität.

Quote:
Insbesondere dann, wenn man es nicht mit der Umdefinierung bis ins Unterbewusstsein schafft (und wie tut man das ?!)

Gute Frage. Bis ins Unterbewusstsein dringt das wahrscheinlich nicht so schnell, aber wenn du an dir arbeitest und deine korrigierte Einstellung mit der Zeit verinnerlichst, dann wird auch irgendwann dein Unterbewusstsein mitmachen.

Quote:
Ich denke, es ist ein großes Problem der heutigen Gesellschaft, dass man die Ziele an niedriges eigenes Niveau anpasst und nicht das eigene Niveau den Zielen; ich habe Probleme damit, mich dem anzuschließen - aber das hast Du so auch sicher nicht gemeint.

Nein, so habe ich das nicht gemeint. Es ist notwendig, Ziele zu haben, die natürlich auch anspruchsvoll sein dürfen, aber sie sollten realistisch bleiben und vor allem nicht fixiert und festgefahren, sondern flexibel und korrigierbar. Vor allem sollten sie zu dir passen und dir das Leben nicht schwerer machen, denn dann rückt die Depression wieder in greifbare Nähe. Wenn man nur noch seinen Zielen nachjagt, kann man das Leben nicht mehr genießen, und das ist ein wesentlicher Punkt, der das Leben angenehm und lebenswert macht.

Quote:
Der vernünftigste Ansatz scheint mir zu sein, zu einer anderen Wahrnehmung meiner Umwelt zu kommen; weg von der Kopplung von sozialer Anerkennung und Leistung, weg vom "sich ständig herausgefordert fühlen."
Aber wie geht das? Gerade, wenn ein Verfallen in alte Mechanismen die beste "Belohnung" (nämlich soziale Anerkennung) bringt und dadurch maximal verstärkt wird?

Das sind in der Tat alte Muster, die wahrscheinlich aus deiner Kindheit stammen. Du hast eben nichts anderes erfahren, als dass man Anerkennung nur durch Leistung (möglichst außergewöhnlicher Dinge) bekommt. Möglicherweise war diese Anerkennung, die du (auch heute noch) so dringend brauchst, ein Ersatz für etwas anderes, das dir gefehlt hat. Dass du auch heute noch sehr von der Reaktion deiner Mitmenschen abhängig bist, hat auch etwas mit Selbstbewusstsein zu tun. Das zu erkennen, ist die eine Sache, aber es zu ändern ist unheimlich schwer. Das geht nicht von heute auf morgen, sondern kann Jahre dauern... Möglichkeiten, das Problem anzugehen, gibt es viele... z. B. eine Therapie...

Liebe Grüße
Nessa
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