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FreundinKaty
neu an Bord!
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Stuttgart W, 23
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Sun, 03.Apr.05, 22:18 Mein Kumpel wurde vergewaltigt - wie helfen? |
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Hallo,
meinem guten Kumpel (19) ist etwas schlimmes passiert.
Im Sommer hat er im Urlaub jm. kennen gelernt und sie wurden Freunde. Als ihn dieser bei ihm besuchte, wurde er von ihm vergewaltigt, während er schlief.
Seitdem plagten meinen Kumpel Alpträume und er konnte kaum schlafen. Dabei ist mein Kumpel ein sehr selbstbewusster, fröhlicher Mensch, der sich auch zu wehren weiß. Seitdem vor Jahren seine Freundin beim Autounfall ums Leben kam, lässt er jedoch keine Probleme mehr an sich herankommen.
Dennoch fühlt er sich nach wie vor von diesem Menschen bedroht. Der Vergewaltiger rief seitdem jeden Tag bei ihm an und meinte, wenn er nicht zu ihm ins Ausland kommen würde, würde er zurückkommen. Das bedrückte meinen Kumpel.
In der Tat kam der Fremde vor ca. 2 Wochen zurück. Mein Kumpel ließ ihn eines Tages rein und sie sprachen sich aus. Vier Tage lang ging das gut, bis sich der ganze Vorfall erneut wiederholte. Im Schlaf wurde er angebunden und vergewaltigt. Und obwohl sich mein Kumpel versuchte zu wehren, half es nichts. Als ihn der Täter losband, eskalierte die Geschichte ... das Ergebnis ist eine Gehirnerschütterung und eine gebrochene Hand. Das macht ihm schon seit einer Woche zu schaffen. Aber nicht nur das. Immer noch plagen ihn Alpträume. Mindestens 1x pro Nacht, manchmal auch 2 oder 3x. Und der Täter ruft jeden Tag an und bedroht ihn. Mein Kumpel hört sich das nicht an und legt immer auf. Er meint, ich solle mir keine Sorgen machen, es wird schon wieder. Aber die mache ich mir trotzdem.
V.a. muss er noch im Frühjahr dieses Jahres in das Land reisen, wo er den Menschen kennen gelernt hatte. Er ist besorgt deswegen, da der Täter in dem Land sehr gute Bekannte hat, die ihn sofort in Kenntnis setzen, wenn er das Land betritt. Aus Anonymitätsgründen kann ich hierzu nicht mehr sagen. Mein Kumpel meinte nur heute zu mir: Ich möchte ihm dort auf keinen Fall begegnen. Ich denke, der Täter wäre vielleicht noch zu mehr fähig, will lieber aber nicht daran denken.
Ich kann mich nicht in das Leben meines Kumpels einmischen. Das mag er überhaupt nicht. Er weiß selbst was er will und lässt sich da von keinem reinreden. Dennoch mach ich mir Sorgen. Große Sorgen sogar.
An der Tatsache, ob er ihm erneut begegnen wird oder nicht, kann ich leider nichts ändern. Aber wie kann ich meinem Kumpel helfen, seine Alpträume loszuwerden und die Geschichte zu verarbeiten?
Ich bedanke mich schon mal für euere Hilfe.
Freundin Katy.
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chrisrudi
Helferlein
87
Oberösterreich M, 27
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Mon, 04.Apr.05, 8:14 Re: Mein Kumpel wurde vergewaltigt - wie helfen? |
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Hi!
Klingt wirklich arg, was du da erzählst. Kenne das in ähnlicher Art, da ich als kleiner bub jahrelang sex. missbraucht und gefoltert wurde.
Als ich älter war, dachte ich, ich sei homosexuell, also begab ich mich auch auf die Suche nach einem Mann, der mit mich in die Welt der gleichgeschlechtlichen Liebe einführen könnte. Leider stiess ich dabei wieder auf einen Täter, der mich dann mehrmals innerhalb einer Stunde vergewaltigte. Er lauerte mir noch ein zweites Mal auf, aber da konnte ich mich wehren. Hab seither glücklicherweise ovn ihm nichts mehr gehört oder gesehen.
Wichtig für ihn wäre, dass er weiß, dass er nicht der einzige Mann auf der Welt ist, dem das passiert!, dass er schuldfrei ist, dass er immer noch ein Mann ist und nicht "kein Mann mehr ist", weil er zu schwach war um sich zu wehren ("Männer sind stark und können sich wehren, ich konnte mich nicht wehren, also bin ich schwach und kein richtiger Mann mehr"), denn Täter haben die Eigenschaft, bestimmte Situationen perfektest für sich zu nutzen und auch die Opfer dazu zu bringen sich nicht zu wehren, ausserdem ist eine Wehr oft risikoreicher, also entscheidet mann/frau sich oft dazu sich doch nicht zu wehren.
Gleichzeitig rate ich, dass er eine Therapie besuchen sollte (siehe mal www.maennerberatung.at) bzw. wwenn er das nicht kann zumindest Selbsthilfebuch für Männer, die Opfer sexueller Gewalt waren zu lesen - "Auch Indianer kennen Schmerz". Ist zwar ein wenig für Männer, welche als Kinder sex. missbraucht wurden, aber Vergewaltigung schneidet auch bei erwachsenen Männern sehr tiefe Wunden ins Herz, da bestimmte Geschlechtsabhängige Erzhiehungsdenkmuster noch dazu kommen (siehe mein Beispiel über kein Mann mehr sein können).
Es gibt noch ein zweites Buch, welches ich zu Hause liegen habe, kann mich hier vor diesem Pc, wo ich jetzt gerade sitze (also nicht zu Hause) nicht erinnern, wie der genaue Titel war, irgendwie "Buch für männliche Opfer sexueller Gewalt".
Falls er sich halbwegs sicher fühlt bzw. den Mut dazu hat, kann er auch Anzeige erstatten (er wurde ja auch körperlich verletzt, wodurch ein Nachweis etwas leichter wäre). Eine Anzeige würde ich aber nur mit Hilfe vom weissen Ring bzw. mit Hilfe von Beratern sex. Missbrauchs-Anlaufstellen durchführen, da diese die rechtlichen Wege, Schritte kennen und ihm so dabei durchhelfen könnten.
Übrigens kannst du ihm mal sagen, wie mutig er ist: denn knapp nach der Taterfahrung darüber sprechen können, zeigt, wie mutig er schon ist, sein schweigen zu brechen und darüber zu reden!
Hoffe ein wenig geholfen zu haben.
lg
chrisrudi
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FreundinKaty
neu an Bord!
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Stuttgart W, 23
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Mon, 04.Apr.05, 19:09 Re: Mein Kumpel wurde vergewaltigt - wie helfen? |
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Hallo Chrisrudi,
vielen Dank für deine Hilfe. Leider kann ich von deinen Vorschlägen nicht so viel umsetzen.
Mein Kumpel ist bisexuell, war einst in einen Mann schwer verliebt und mit ihm auch zusammen. Warum es nichts längeres wurde, weiß ich jedoch nicht. Im Moment ist er jedoch mit einer Frau verheiratet (seit Januar diesen Jahres).
Er hat ein großes Selbstvertrauen und fühlt sich nicht schwach. Er trainiert in seiner Freizeit zwei Kampfsportarten, die ihm Ausgleich bringen. Von daher kann er sich auch wehren. Nur sein Vergewaltiger war und ist (aufgrund einer speziellen Ausbildung) stärker. Dennoch hat auch dieser in der Nacht einiges abbekommen.
Mein Kumpel hat eine soziale Ader. Er weiß, dass er nicht der einzige ist, der vergewaltigt wurde. Er hat auch z.B. mit einem 13jährigen Jungen geredet, der ebenfalls sexuell missbraucht wurde. Auch anderen Menschen, die Probleme haben, wendet er sich zu und hilft ihnen. Er tut dabei echt sein bestes.
Ich denke, sein eigenes Problem lässt er aber nicht so wirklich an sich rankommen. Ich denke, dass das u.a. der Grund ist, warum er das nicht verarbeiten kann. Dazu kommen natürlich die andauernden Drohungen.
Er denkt, er kommt damit klar ... und er denkt, er ist stark. Daher würde er einen Buch- oder Therapie-Vorschlag sicher als eine Beleidigung auffassen. Denn er will nicht wie ein Kind behandelt werden. Er denkt immer, er kommt schon alleine klar.
Mein Kumpel ist auch ein Mensch, der zu seinen Gefühlen steht und es nicht einsieht, sie zu verstecken. Er sagt immer zu mir: "Auch ein Mann darf weinen, denn auch Männer haben Gefühle". Ich denke, dass er mir das erzählt hat, hat weniger mit Mut, sondern eher mit wachsendem Vertrauen zu tun. Was er nicht so leicht kann, ist Vertrauen zu schenken. Er meint, immer wenn er es jm. schenkt, kommt der große Knall und er wird enttäuscht. Daher ist er in dieser Hinsicht sehr vorsichtig. Selbst mir spricht er "nur" ein 80 %iges Vertrauen zu.
Mein Kumpel hat Bekannte bei der Polizei. Er jobbt dort bereits und wird im Sommer eine Ausbildung bei der Polizei anfangen. In dieser Hinsicht kennt er sich in Sachen wie Anzeigen sehr gut aus. Ich habe ihm das zwar vorgeschlagen, er ist jedoch nicht darauf eingegangen. Ich denke, er will nicht seine Schwäche zeigen ... auch wenn es keine ist. Auch Organisationen wie der Weiße Ring sind ihm durchaus bekannt.
Das was ich aber tun werde, ist, ihn nochmals auf die Anzeige anzusprechen. Ich werde ihm klar machen, dass er dadurch nicht sein Gesicht verliert und auch keine Schwäche zeigt. Und ich werde ihm klar machen, dass es mutig war, mir das zu berichten.
Würde mich freuen, wenn ihr mir noch ein paar Tipps geben könntet. V.a. was seine Alpträume angeht.
Danke,
Freundin Katy.
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chrisrudi
Helferlein
87
Oberösterreich M, 27
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Tue, 05.Apr.05, 6:44 Re: Mein Kumpel wurde vergewaltigt - wie helfen? |
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Hi!
Du schreibst:
Quote: |
Er denkt, er kommt damit klar ... und er denkt, er ist stark. Daher würde er einen Buch- oder Therapie-Vorschlag sicher als eine Beleidigung auffassen. Denn er will nicht wie ein Kind behandelt werden. Er denkt immer, er kommt schon alleine klar
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Das meinte ich eigentlich mit "sich schwach fühlen" - "kein Mann mehr sein". Ich bezog das weniger auf körperliche Stärke oder Schwäche. Aber durch einige geschlechtsspezifische Erziehungsmuster kommt hinzu, dass viele Männer mit den eigenen Problemen alleine fertig werden wollen oder denken, dass sie das können, denn das ist etwas, was schon von klein an von ihnen verlangt wurde. Bei deinem Freund wirkt es so, als hätte er zwar eine recht moderne Erziehung genossen ("Männer dürfen weinen"), aber leider gibt es Muster, die auch durch die Umgebung sehr stark geprägt werden - sehr viel wird dabei vom Kindergarten bzw. Schule übernommen - "he was bist du den für ein Weichei", "Bist du ein Mädchen oder was..." sind nur eine der vielen Sprüche, die gerne in Schulklassen von Buben zu Buben ausgesprochen werden. Gleichzeitig kommt hinzu, dass dieses Denken von Vergewaltigungsopfern auch sehr oft generell (also Mann und Frau) übernommen wird, damit ja keiner mitbekommt, wie sehr mann/frau darunter leidet.
Ja, es hat auch mit Vertrauen zu tun, dass er mit dir darüber spricht, aber sehr wohl auch mit Mut und Stärke, denn die Angst, die durch solche Erlebnisse erzeugt wird, hat auch die Nebenwirkung, alles zu verbergen bzw. zu verheimlichen, was mit dem Erlebnis zu tun hat, also wird auch geschwiegen. Sich gegen diese Angst stellen zu können und doch mit jmd. darüber zu reden, dass ist Mut und Stärke.
Und sich professionelle Hilfe holen, ist keine Schwäche! Er hat ja auch für das Schreiben und Lesen lernen einen Lehrer/eine Lehrerin/die Eltern gehabt. Bei psychischen Problemen verhält es sich ähnlich: Die, die das profesionelle Wissen haben, lehren uns, wieder ein angenehmes, positives Leben haben zu können. Das ist keine Schwäche, sondern sogar eine Stärke, denn wer anerkennt, profesionelle HIlfe zu benötigen, hat seine eigenen Probleme angenommen, etwas was viel Kraft und Stärke benötigt um überhaupt zu dieser Einsicht zu gelangen.
Wegen den Alpträumen:
Also generell empfehle ich ihm ein Tagebuch zu führen, in das er all seine Gefühle und Gedanken seines Tages hineinschreiben kann - ein Buch, dass nur für ihn selbst bestimmt ist. Dadurch kommt er auf bestimmte Gedanken- bzw. Verhaltensmuster drauf, die sich auf dieses Erlebnis zurück verfolgen lassen können. Gleichzeitig kann er so viele Gedanken (denn viele seiner Alltagsgedanken werden sich vermutlich über diese Vergewaltigungen drehen) endlich mal wo loswerden, so drehen sie sich nicht ewig im Kopf herum, sondern sind "ausgepsochen" - auch wenn es nur aufgeschrieben ist.
Bei den Alpträumen verhält es sich ähnlich: Ein Traumtagebuch führen, also hat er einen Alptraum, so soll er diesen direkt nach dem Aufwachen, also wo er sich da noch genau daran erinnern kann, aufschreiben. Oft ist es auch so möglich, die ständig aufkommenden Gedanken über diesen Traum auf Papier bringen, sie also aussprechen und dieses Gekreise der Gedanken aufheben, sodass er danach weiter schlafen kann. Ausserdem bekommt er mal eine kronologische Erzählung, um was es bei seinen Alpträumen genau geht. Kann er nachher immer noch nicht schlafen, so gibt es eine ganze Menge an Tips bei Schlafstörungen, zB kurzer Spaziergang, ein kleines Glas Wasser trinken (abern icht alles auf einmal, sondern in kleinen Schlucken), auch Malen hilft. Er sollte auch vor dem Schlafengehen keine stressmachenden Bücher lesen oder Filme sehen (also keine Psychothriller, keine Horrorfilme, keine Krimis), denn dadurch werden Trigger (Auslöser, die an die traumatischen Erlebnisse erinnern) ausgelöst.
Hoffe dir jetzt mal ein wenig geholfen zu haben.
lg
chrisrudi
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chrisrudi
Helferlein
87
Oberösterreich M, 27
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Tue, 05.Apr.05, 6:51 Re: Mein Kumpel wurde vergewaltigt - wie helfen? |
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Hi!
hier mein zweiter Teil (da meine Antwort schon zu lange war):
Wegen der Anzeige: Nein es ist keine Schwäche eine zu erstatten, aber trotzdem ist das mit vorsicht zu geniessen (daher auch mein Rat das mit dem Weissen ring gemeinsam zu tun), denn die Angst ist es, was viele bzw. die meisten vor Anzeigen abhält. Die angst, nochmals alles erleben zu müssen und das ist etwas was durch Anzeigen und Gerichtsprozesse passiert. Denn durch die Verhöre der Polizei bwz. dem Zeugenstand, dem Prozess muß Opfer alles nocheinmal punktgenau erleben. Denn das ist ja etwas, was ja beim Verhör bzw. Zeugenaussage verlangt wird: Erzähle im Detail was er/sie dir angetan hat.
Das ist einer der Gründe, warum ich meine Täter nicht anzeigen kann, da ich schon genug psychische Probleme jetzt habe, würde ich noch dazu verhört werden müssen oder in einen Zeugen stand treten, würde ich das nicht überleben bzw. würde in einer Psychiatrie landen.
Daher ist es ratsam, Anzeige bzw. Gerichtsprozesse in Begleitung durchzuführen. Damit meine ich aber nicht nur Menschen, die sich rechtlich gut auskennen, sondern Menschen, die die Probleme von Opfern sexueller Gewalt kennen und ihnen daher auch psychische Begleitung/Unterstützung geben können. Und dazu gehören zwar einige wenige Beamte der Polizei, da sie zwecks Verhörtrainings sehr wohl psychologisch geschult sind, aber sie haben zumeist nicht das Feingefühl, dass oft bei Opfern sexueller Gewalt notwendig ist.
lg
chrisrudi
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