sweetknuddelteddy
Helferlein
116
Wien W, 15
|
Sun, 27.Mar.05, 13:23 Sie und das Spiegelbild |
|
Sie steht vor einem Schaufenster.
Sie hebt ihren Kopf, der Blick trifft den des Spiegelbildes.
Unsicher mustert sie, was sie sieht.
Wer ist das?, fragt sie.
Rate mal, antwortet das Spiegelbild.
Ich kenne dieses Mädchen nicht, sagt sie.
Tatsächlich?, fragt das Spiegelbild.
Wer ist sie?, fragt sie.
Schau sie dir an, sagt das Spiegelbild.
Das tue ich ja, meint sie.
Was siehst du?, fragt das Spiegelbild.
Leere Augen. Schmale, spröde Lippen.
Abgetragenes Gewand. Schmutzige Schuhe.
Blasse Haut. Dunkles, wirres Haar.
Hängende Schultern. Harte Gesichtszüge.
Ist das alles?, fragt das Spiegelbild.
Nein, sagt sie.
Dann sag mir doch, was du noch siehst, fordert das Spiegelbild.
Dieses Mädchen hat ein Messer in der Hand, berichtet sie.
Was macht das Mädchen mit dem Messer?, fragt das Spiegelbild.
Das Mädchen nimmt das Messer und…, erzählt sie.
Und…?, fragt das Spiegelbild.
Jetzt sticht es zu, flüstert sie.
Blut rinnt über die Klinge, schildert sie.
Wessen Blut?, fragt das Spiegelbild.
IHR Blut!, ruft sie.
Rotes Blut, sagt das Spiegelbild.
Sie ist nicht tot, staunt sie.
Nein, sie ist nicht tot, bestätigt das Spiegelbild.
Aus der roten Klinge formt sie eine Rose, berichtet sie.
Was bedeutet diese Rose?, fragt das Spiegelbild.
Leben, sagt sie.
Sie dreht sich um und wartet erst gar nicht auf die Antwort des Spiegelbildes.
Sie lebt noch, das hat ihr das Spiegelbild gezeigt.
|
|
|