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Jennifer Levin
neu an Bord!
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deutschland W, 27
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Sat, 12.Feb.05, 20:56 Verlust einer Freundin/Kollegin |
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Hallo,
ich hoffe ich bin hier im Forum richtig. Vor 2 Tagen in der Nacht starb eine liebe Kollegin und Freundin von mir im Alter von 30 Jahren. Seit dem bin ich innerlich zerissen.Mich plagen jede Menge Schuldgefühle. Dazu muß ich erstmal die gesamte Geschickte erzählen. Wir arbeiteten ein Jahr lang direkt zusammen. Dann wurde eine Filiale unserer Firma geschlossen und die Mitarbeiter nachgezogen in unsere Büros. Es entstanden Spannungen zwischen uns allen und meine Kollegin hat dann ne Dummheit gemacht. Ne Zeitlang war ich sauer auf sie. Dann erfuhr ich, daß sie in Kürze zu einer anderen Filiale wechselt. Ich fasste mir ein Herz und redete mit ihr und brachte alles wieder zwischen uns ins Reine. Seit dem war alles wieder zwischen uns in Ordnung. Nur meine Kollegen hatten einen totalen Hass auf sie. Jetzt zu meinem Problem, meinen Schuldgefühlen. Ich hatte nie den Mut vor den anderen zu sagen, daß ich sie schätze. Ich habe sie nie in Schutz genommen wenn die anderen ablästerten hinter ihrem Rücken. Ich hatte Angst vor Ablehnung der Anderen. Das hat mich sogar soweit eingeschränkt, daß ich mich nicht richtig traute mit ihr auf der Weihnachtsfeier zu reden und zu feiern. Ich hasse mich so sehr dafür, daß ich so schwach bin. Meine Kollegin und ich haben uns eben nach Feierabend getroffen, geshoppt, Weihnachtsmarktbummeln usw. immer heimlich ohne das die Anderen es erfuhen. Einen Tag bevor Sie ins Krankanhaus ging haben wir nochmal telefoniert. Ich habe ihr Mut zugesprochen und sagte noch Unkraut vergeht nicht. Leider hatte ich nicht viel Zeit, deshalb habe ich das Gespräch kurzgefasst. Aber woher sollte ich das nur wissen. Ich hätte ihr so vieles gesagt. Das werde ich mir nie verzeihen. auch verzeihe ich mir nie, daß ich sie vor den Anderen nicht in Schutz nahm. Sie war doch so ein lebenslustiger Mensch. Sie konnte jeden in ihren Bann ziehen. Sie hat mich für so vieles begeistern können. Sie half mir den Stress mit meinem Freund besser zubeurteilen. Ich vermisse sie sehr und komme damit nicht klar, daß ich sie verloren habe ohne zu sagen was mir die Freundschaft bedeutetet. Diese Last wird mich ewig begleiten.
Ich werde auf der Beerdigung einen Brief mit ins Grab legen in dem ich ihr alles reinschreibe, was ich noch gerne gesagt hätte und hoffe nur daß der Schmerz irgendwann vergeht.
Das ich diese Zeilen schreiben konnte hat mir etwas geholfen. Vielen dank.
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Naomi
[nicht mehr wegzudenken]
2093
Wien W, 42
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Wed, 16.Feb.05, 13:51 Re: Verlust einer Freundin/Kollegin |
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liebe jennifer,
zuerst mal mein beileid wegen dem tod deiner freundin, ich fühle mit dir mit. woran ist sie denn gestorben?
wenn ein mensch stirbt, der einem nahe gestanden ist, ist es normal, dass man darüber nachdenkt, wie die beziehung war, und was man hätte besser machen können, aber man denkt auch darüber nach, was schön war. und man fühlt den schmerz über den verlust dieses menschen.
du hast momentan einen schock durch den tod deiner freundin. das ist normal. mir geht´s nach dem tod meiner beiden freunde (siehe thread "tod durch sinnloses überholmanöver") ähnlich. ich habe so seltsame gedanken, wie es sein kann, dass ich lebe und die beiden tot sind.
ich würde dir jedenfalls empfehlen, auf das begräbnis deiner freundin zu gehen, weil du mit diesem ritual den ersten teil der trauerphase mal abschließen kannst. die idee mit dem brief finde ich hervorragend. da kannst du dir einiges von der seele schreiben. vielleicht war es in der situation eures betriebes auch zu schwierig für dich, so ganz offen zu deiner freundin zu stehen. aber du hast jedenfalls erkannt, dass ihr fehler nicht unwesentlich durch den druck in eurer firma entstanden ist UND mit ihr über das vorgefallene geredet und dann eure freundschaft weiter gepflegt, und das alleine war für deine freundin sicherlich sehr wertvoll. nachdem was du geschrieben hast, haben viele andere nicht einmal eine klärung versucht. ich finde jedenfalls, dass du das großartig gemacht hast. man kann dinge immer besser machen, aber du bist eben nicht als perfekter mensch auf die welt gekommen. manche dinge lernt man erst mit der zeit. du darfst nicht vergessen, wenn du dich für jemand anderen einsetzt, auf den alle anderen kollegInnen hinhacken (es ist ja für die kollegInnen oft so einfach, ein feindbild zu haben, dann sind sie selbst "fein raus"), ist die gefahr gar nicht so klein, dass du selbst ins "schussfeld" kommen könntest. sowas kann man aushalten, wenn man in der hinsicht stark genug ist, aber da muss man sich dessen halt schon bewusst sein, um das aushalten zu können. diese angst zu überwinden ist halt nicht ganz einfach. da gibt´s ein afrikanisches sprichwort: "du kannst keine tränen trocknen, ohne selbst nass zu werden". aber ich finde, du hast viel mehr bewusstsein als deine kollegInnen. hast du dir diesen aspekt auch schon mal angesehen?
falls es dir hilft, kannst du über den plötzlichen tod deiner freundin und deine trauer auch mit einem(r) seelsorger(in) sprechen oder in einer beratungsstelle mit einem(r) psychologen(in). das könnte dir sicher helfen. ich würde dir auf jeden fall raten, dass du die trauer zuläßt und sie nicht unterdrückst.
ich wünsche dir alles gute und viel kraft für die nächste, sicher nicht einfache zeit.
lieben gruß, naomi
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_________________ I beg your pardon, I never promised you a rose garden.
Last edited by Naomi on Wed, 16.Feb.05, 17:04; edited 4 times in total |
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Mory
Helferlein
51
München W, 38
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Wed, 16.Feb.05, 15:08 Re: Verlust einer Freundin/Kollegin |
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Liebe Jennifer,
ich kann Dich so gut verstehen!
Am 02. Januar starb meine allerliebste Oma, im Alter von fast 92 Jahren - das hat mich erschüttert wie nichts zuvor und nichts sonst in meinem Leben. Von meiner Mutter weiß ich, daß die Oma noch nach mir gefragt hatte - und ich hatte sie die letzten Monate noch besuchen wollen, aber auch hier: wenig Zeit, viel Stress... Am 02. Januar hätte ich eigentlich heimfahren und dann eben auch die Oma besuchen wollen - doch in jener Nacht starb sie. Ich habe mir Vorwürfe gemacht und hatte Schuldgefühle Tag und Nacht: ach hätt ich der Oma doch nur früher und deutlicher gesagt...
... aber wäre sie nicht gestorben, es wäre mir so nicht bewußt geworden, was sie mir wirklich bedeutet hat. Es war, als sie noch lebte, etwas, das keiner Worte bedurfte. Es hätte auch keine gegeben. Es war, wie es war, und das war - perfekt, ich kann's nicht anders sagen, natürlich ist nichts perfekt auf der Welt und ich mag den Ausdruck eigentlich gar nicht, aber hier kann ich's nicht anders sagen. Und ganz tief haben wir das immer gewußt, die Oma und ich. Wir waren uns dessen nur nie bewußt.
Und genauso glaube ich, ist das mit Deiner Freundin. Ihr habt euch gegenseitig und die Zeit miteinander "einfach nur" genossen, ohne es umständlich in Worte (die eh immer nur annähernd beschreibend sind) zu fassen.
Und Liebe/Zuneigung/Wertschätzung spürt man immer. Auch, wenn oftmals nicht bewußt.
Einen Brief mit ins Grab legen finde ich gut. Schreib alles hinein, was Dir jetzt so durch den Kopf geht. Sie wird es hören.
Liebe Grüße,
Mory
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_________________ Die wahrhaft Starken sind voller Zärtlichkeit.
Jiddu Krishnamurti |
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Naomi
[nicht mehr wegzudenken]
2093
Wien W, 42
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Fri, 18.Feb.05, 20:27 Re: Verlust einer Freundin/Kollegin |
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liebe jennifer,
für uns beide ist wohl auch schwer, dass wir uns von den freundInnen nicht mehr verabschieden konnten, weil sie einfach mitten aus dem leben gerissen wurden.
ausnahmsweise möchte ich hier einen text von dietrich bonhoeffer hereinstellen, weil er mir in diesem moment so gut gefallen hat.
"Kostbares Geschenk
Zunächst: Es gibt nichts, was uns die Abwesenheit eines uns lieben Menschen ersetzen kann und man soll dies auch gar nicht versuchen; man muss es einfach aushalten und durchhalten; das klingt zunächst sehr hart, aber es ist zugleich ein großer Trost; denn indem die Lücke wirklich unausgefüllt bleibt, bleibt man durch sie miteinander verbunden. Es ist verkehrt, wenn man sagt, Gott füllt die Lücke aus; er füllt sie gar nicht aus, sondern er hält sie vielmehr gerade unausgefüllt und hilft uns dadurch, unsere alte Gemeinschaft miteinander – wenn auch unter Schmerzen – zu bewahren. Ferner: je schöner und voller die Erinnerungen, desto schwerer die Trennung. Aber die Dankbarkeit verwandelt die Qual der Erinnerung in eine stille Freude. Man trägt das vergangene Schöne nicht wie einen Stachel, sondern wie ein kostbares Geschenk in sich. Man muss sich hüten, in den Erinnerungen zu wühlen, sich ihnen auszuliefern, wie man auch ein kostbares Geschenk nicht immerfort betrachtet, sondern nur zu besonderen Stunden und es sonst wie einen verborgenen Schatz, dessen man sich gewiss ist, besitzt; dann geht eine dauernde Freude und Kraft von dem Vergangenen aus. "
Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, in: „Gelassenwerden“, Hrsg. Rudolf Walter, Herder Spektrum, Freiburg im Breisgau, 1996
wünsche dir alles liebe und gute
lg, naomi
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_________________ I beg your pardon, I never promised you a rose garden. |
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