Leben um zu arbeiten ?

sporadischer Gast 20 Süddeutschland W, 24

Hallo,
ich habe das Gefühl, dass das Leben an mir vorbei läuft und ich nur noch lebe um zu arbeiten, aber nicht arbeite, um zu leben. (Dabei bin ich mir sicher, dass es anderen noch schlechter geht als mir). Sad

Morgens um sechs stehe ich auf, dann fahre ich eine Stunde bis zur Arbeit, arbeite dann bis um kurz nach fünf und bin frühestens um sechs Uhr abends wieder zuhause. Bis das Abendessen vorbei ist, ist der Tag gelaufen. Keine Zeit für Hobbies. Das höchste der Gefühle ist ein paar Seiten eines Buches in der Badenwanne zu lesen, noch kurz Wäsche aufzuhängen oder zu bügeln, und gegen zehn, halb elf muss ich dann schon wieder ins Bett, da ich sonst morgens nicht raus komme.
So geht das fünf Tage die Woche, und Samstags und Sonntags bin ich so platt, dass ich ausser Haushalt nichts weiteres fertig bringe. Confused

Dazu kommt, dass ich seit einigen Monaten eine extreme Abneigung hinsichtlich meines Jobs entwickelt habe. (Ich bin Admin, Sekretärin und Innendienst gleichzeitig, vertrete außerdem den Sachbearbeiter und muss alle "Zusatzarbeiten" erledigen, die sonst keiner macht). Meinem Chef habe ich schon deutlich gemacht, dass mir das alles zu viel wird und ich nicht mehr kann. Er hat sich im Gespräch sehr sozial verhalten und Besserung versprochen, die jedoch bis heute nicht eingetroffen ist. Mehrere Kollegen waren in den letzten Wochen auf Schulung, weswegen nun weniger los ist. Aber die Zeit wird wieder kommen, in der alle wieder da sind, und dann geht alles wieder von vorne los. Auch meine Kollegen sind überlastet, doch unser Chef sagt nur "Tja, dann muss man eben mal die Ärmel hochkrempeln! Ich war gestern auch bis 19:00 Uhr hier!" (Dafür überzieht er seine Pausen aber auch maßlos..). Kurzum, es interessiert keinen, nicht mal den Betriebsrat, dass wir überlastet sind. Das wäre doch jetzt überall so.
Ich kann von Glück reden, dass ich einen so verständnisvollen Partner habe, der mich so gut er kann unterstützt. Aber das ändert nichts an meiner Situation, dass ich das Gefühl habe, alle anderen hätten ca. 10 Stunden mehr pro Tag zur Verfügung als ich. Mein Leben besteht nur noch aus arbeiten, Auto-fahren und schlafen. Irgendwie trostlos.
Ein neuer Job kommt auch nicht in Frage.. ich habs fast ein Jahr lang versucht, etwas anderes zu finden.. nix.. . (Mal davon abgesehen, dass mir keiner so viel bezahlen würde, wie mein jetziger Arbeitgeber.. und ich brauche das Geld.. leider).. . Sad

Ich würde liebend gerne mal wieder krank werden, aber leider hält alles, was irgendwie ansteckend aussieht, einen automatischen Sicherheitsabstand zu mir ein. Einfach so zum Arzt gehen und zu sagen, dass ich nicht mehr kann, kommt mir so hypochondrisch vor... ich befürchte, vom Arzt ausgelacht zu werden und sage mir selbst, dass doch alles gar nicht so schlimm ist und ich das irgendwie schaffe.
Geht es jemandem evtl. ähnlich ?

Vielen Dank.

Grüße

Azahara

Forums-InsiderIn 354 Deutschland W, 33

Hallo,

ich kenne das, was Du meinst.
Im Moment bin ich zwar noch Studentin, aber ich bewerbe mich jetzt auch schon und hoffe, dass ich dieses Jahr noch anfange zu arbeiten. Ich hoffe das aber eigentlich nur wegen des Geldes. Habe vor dem Studium eine Ausbildung gemacht und war abends und am Wochenende nur depressiv und habe viel geschlafen. Leider war das Klima dort auch nicht gut (wurde gemobbt). Ich denke, dass auch viel damit zusammenhängt,ob man sich am Arbeitsplatz wohlfühlt.

Kann Dir leider auch nicht wirklich was raten. Habe selbst Angst, dass es mir wieder so schlecht geht, wenn ich arbeite Sad

Kann ja auch sein, dass ich 'ne Stunde oder so fahren muss, das wäre für mich auch noch ein zusätzlicher Stressor. Bin überhaupt nicht belastbar!
Frage mich auch, wie viele andere das machen, dass sie sich sogar noch das Wochenende vollpacken. Nun ja, ich brauche viel Zeit für mich.
Du kannt ja auch noch den Thread "Arbeit vs Zeit für mich" weiter unten lesen, da wirst Du auch sehen, dass Du nicht alleine bist mit dem Problem. Vielleicht findest Du da ja noch einen Tipp.

Liebe Grüße!
Karola

sporadischer Gast 20 Süddeutschland W, 24

Hallo Karola,

vielen Dank für Deine Antwort *freu*
Den Beitrag "Arbeit vs Zeit für mich" habe ich gelesen. Gut zu wissen, dass es auch anderen so geht. Vorher konnte ich nicht richtig zuordnen, ob ich einfach nur so labil bin und mir das einbilde oder ob ich tatsächlich ein Problem damit habe, so wenig Zeit zu haben.
Ich war lange Zeit in Spanien und beneide die Menschen dort, die eine ganz andere Arbeitsmoral haben als wir in Deutschland. Zumindest an der Ostküste. Die fangen gegen acht, halb neun Uhr morgens an zu arbeiten, machen ab ca. halb zwei Uhr Mittagspause, dann um drei/vier Uhr gehts weiter. Die Arbeit ist mehr über den Tag verteilt, aber man hat wegen der langen Mittagspause doch mehr Zeit für sich. Man hat mittags auch mal Zeit zum einkaufen gehen. Oder man fährt heim und legt sich für ne Stunde hin.
Hach, das wär doch zu schön... Sad

(Eine Halbtagsstelle mit gleichem Gehalt würde mir schon reichen.. *seufz*)

Wer kann sich schon vorstellen, die nächsten vierzig Jahre so weiter zu machen ? Tag ein, Tag aus, bis auf die wenigen Urlaubstage, die man im Jahr hat. Mittlerweile bin ich sogar schon auf Schüler bzw. deren Ferien neidisch. Confused

Ist das etwa das Leben, das einem als Arbeitnehmer vorbestimmt ist ?

Am meisten ärgere ich mich noch über mich selbst: ich habe einen Job, ein Auto, eine Wohnung, einen Partner und müsste glücklich sein. So vielen Menschen gehts schlechter, und ich meckere trotzdem.
Weil ich weiss, dass ich irgendwann nimmer kann.

Ich finde allerdings auch, dass das alles viel mit Motivation zu tun hat. Unser Chef z.B. motiviert uns nie, sagt uns nie "Hey, das habt ihr toll gemacht". Wir kriegen nie ein Lob,immer nur oben drauf. Würde man uns richtig motivieren, würden wir alle bestimmt auch lieber zur Arbeit kommen.

Ich drücke Dir die Daumen, dass es bei deinem nächsten Arbeitsplatz besser läuft und Du keine fiesen Kollegen mehr hast, mit denen Du auskommen musst. Wink

Liebe Grüße

Azahara

Forums-InsiderIn 354 Deutschland W, 33

Hallo Azahara,

Du bist auf keinen Fall nur so labil. Ich nehme mal an, dass Du auch psychische Probleme hast, sonst wärst Du ja nicht in diesem Forum, oder? Dann kann man auch keine Maßstäbe wie bei "Gesunden" anlegen. Meine Thera sagt mir auch immer, wie toll es ist, dass ich trotz meiner vielen Probleme jetzt mein Studium geschafft habe, auch wenn es sehr lange gedauert hat. Am Anfang konnte ich das auch nicht sehen, habe mich immer mit den anderen verglichen, die viel später angefangen haben und mich dann alle "überholt" haben.

Ich muss jetzt noch ein Praktikum für mein Studium machen, was in der Regel auch bezahlt wird. Würde das am liebsten ja auch halbtags machen, damit ich mehr Zeit für mich habe. Außerdem mache ich ja, wie gesagt, eine Therapie und da habe ich auch schon Angst, dass ich dann nicht mehr regelmäßig kommen kann, weil die Nachmittagstermine natürlich sehr begehrt sind. Oder dass ich total kaputt von der Arbeit zur Therapie hetze und kaum was gegessen habe usw. Das sind natürlich dann keine guten Bedingungen, um noch über schwierige persönliche Probleme zu sprechen! Von daher würde ich am liebsten halbtags das Praktikum machen, aber dann würde es 2 Jahre dauern. Sad

Und eigentlich wollte ich das schon schnell durchziehen, evtl. mache ich hinterher sowieso was anderes.

Liebe Grüße,
Karola

sporadischer Gast 22 Steiermark W, 42

Wenn Dir manches an Dir und Deinen Lebensumständen nicht gefällt, liegt es nur in Deiner Hand, das zu ändern.
Um eine nachhaltige Veränderung zu erreichen, musst Du zuerst über die Kraft der Gedanken und Deines Unterbewusstseins Bescheid wissen. Denn dort findet man den Schlüssel zur „Schatzkammer seiner verborgenen Fähigkeiten“.

sporadischer Gast 12 Schweiz W, 21

Ich hab vor etwas mehr als 3 Jahren meine Berufslehre begonnen. Hm ich glaub das war vorletzten Sommer, da fühlte ich mich genau gleich wie du. Hab während dem Arbeiten aus dem Fenster geschaut und mich darüber aufgeregt, dass das Leben an mir vorbei zieht.
Die Arbeitszeiten hab ich auch etwa gleich wie du, das kann ich nachvoll ziehen.
Was ich getan hab:
Ich steh jeden Tag eine Stunde früher auf und geh auch eine Stunde früher arbeiten (ich weiss nicht, ob du das auch kannst). Somit bin ich Abends früher Zuhause und glaub mir, eine Stunde am Abend mehr macht viel aus.
Zusätzlich hab ich mir ein paar neue Hobbies zugetan, beispielsweise einen Sportverein am Wochenende, einfach dass ich andere Gedanken habe. Dann mail ich während dem Arbeiten des öfteren mal mit Freunden von mir, so können wir täglich uns austauschen, was uns gerade bewegt, ob wir gerade gerne Arbeiten oder einen Anschiss haben.

Unterdessen geh ich wieder super gerne Arbeiten. Ich freu mich sogar richtig darauf. Das wird sicher auch bei dir mal wieder kommen, aber es kann eine Weile gehen (bei mir war glaube ich etwa ein Vierteljahr).

Ach ja, versuch mehrmals im Jahr in Urlaub zu fahren. Das ist immer eine super Motivation, wenn du während dem Arbeiten an deinen nächsten Urlaub denken kannst .

Viel Glück dabei

sporadischer Gast 20 Süddeutschland W, 24

Hallo,
es stimmt, dass man es nur selbst erreichen kann, dass sich etwas verändert. Aber manchmal kann man sich weder vorwärts noch rückwärts bewegen und muss ausharren. Als freiheitsliebender Mensch macht einen das schon fertig.

Morgens früher aufstehen wäre eine Möglichkeit. Ich darf aber frühestens um 07.00 Uhr anfangen und müsste dafür um 05:30 Uhr aufstehen. Das wäre eine halbe Stunde früher als sonst, aber da ich sowieso bis mindestens 16:30 Uhr im Geschäft sein muss (Dienstplan) bin ich so oder so frühestens um 17:45 Uhr zuhause (direkter Weg).

Mehrmals Urlaub im Jahr ist eine schöne Vorstellung, finanziell aber leider nicht machbar *seufz* Das einzig positive an meinem Job sind meine Kollegen - wir verstehen uns wirklich gut. Meine monatliche Entlohnung für meine Mühen empfinde ich aber trotzdem immer mehr wie eine Schmerzengeldzahlung als eine Gehaltszahlung Wink

Meine persönliche Lösung ist, dass ich für die nächste Zeit Überstunden mache wo es nur geht, um die dann wieder abfeiern zu können, wenn ich wieder merke, dass ich nicht mehr kann.

Nebenbei versuche ich mich selbständig zu machen und hoffe, in ein zwei Jahren meinem Arbeitgeber Tschüss sagen zu können und mein eigener Chef zu sein. Ich weiss, dass das sehr optimistisch ist, aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt, nicht wahr ? Wink

Gut zu wissen, dass ich damit nicht alleine bin. Vielen Dank für die netten Antworten Very Happy

Grüße

Azahara

sporadischer Gast 12 Schweiz W, 21

Na siehst du, das ist ja schon mal ein Anfang Smile

Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Glück und Zuversicht für die Zukunft. Irgendeinen Weg gibts immer...

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