Hat jeder eine 2. chance verdient?

neu an Bord! 3 Innsbruck W, 28

Hallo,

ich bin neu hier, habe mich schon bei vielen posts durchgelesen und habe jetzt einfach das bedürfnis auch meine geschichte loszuwerden und vielleicht bekomme ich ja auch ein paar tipps von euch...

Ich wohne derzeit bei einem freund? Warum? Weil mein Freund mich letzte woche bedroht hat und versucht hat, mich zu vergewaltigen. Das Problem ist (ich kann schon eure statements lesen, warum verteidigst du ihn, die antwort ist: ich liebe ihn noch!), dass er vor zwei monaten gekündigt wurde, ohne grund - personalabbau. Seit dem ist er alleine zu Hause, kümmert sich um den Haushalt und versucht vergeblich eine neue Arbeit zu finden, er ist absolut nicht ausgelastet und verfällt in Depressionen. Er hat keine Freunde und niemanden ausser mir mit dem er reden kann, da er neu in der Stadt ist und niemanden kennt.

Ich kam immer später nach Hause, war total müde, weil es bei mir jobmäßig total stressig war. ER klammerte sich immer mehr an mich, bis ich ihm sagte, dass ich auch zeit für mich brauche, sachen für mich allein tun muss, auch zeit zum abschalten brauche. Er gab mir diesen Freiraum.

An diesem besagten Abend, wollte er mit mir kuscheln, aber ich war zu müde und zu fertig. Ich drehte mich um und wollte schlafen. Er war total angetrunken und rastete plötzlich total aus, das hatte er vorher noch nie getan. Er packte mich, drehte mich um, setzte sich auf mich und schrie, dass ich nie zeit für ihn hätte, dass ich ihm nie zuhöre. Ich wollte aufstehen, meine sachen packen und weggehen, doch er hielt meine hände fest und blieb auf mir sitzen, dass ich mich nicht bewegen konnte.

Je mehr ich versuchte, mich zu wehren und loszureisen, desto stärker hielt er mich fest - mir tut heute noch alles weh. Dann versuchte er mich zu küssen und schlußendlich auch noch mich zu vergewaltigen, ich wehrte mich, ich biss ihn in die wange und trat ihn in die *eier*, er ließ nicht ab, bis ich ihm etwas vorwarf (ich weiss nicht mehr genau was), dann begann er zu weinen, von mir abzulassen und redete wie ein wasserfall. Ich hörte ihm zu, hatte furchtbare angst, dass er mir was antun würde und wollte aber am liebsten einfach nur weg. Als ich ihn endlich soweit hatte - um 03.00 Uhr morgens, dass er mich freiwillig gehen lies, ging ich.

Ich rief einen Freund an und war dann zwei Tage bei ihm. Doch ich hielt es nicht aus und wollte wieder zurück zu ihm, das habe ich dann - trotz heftigen Diskussionen mit dem Freund - gemacht. Mein Freund war überglücklich, dass ich wieder komme.

Als ich jedoch dann in der Wohnung war, war ich starr vor Angst, mein Herz raste, ich war total verkrampft und es war mir unmöglich, dort zu schlafen, weil ich mich davor fürchtete, was vielleicht alles passieren könnte. Seit dem bin ich wieder in der Wohnung eines Freundes und denke darüber nach, ob mein Freund eine 2. chance verdient hat - ich will sie ihm ja gerne geben, denn ich glaube, dass ihm das nicht mehr passieren wird (er ist auch gleich schon am nächsten tag zu einer therapie gegangen und trinkt seit dem keinen alkohol mehr), ich weiss nur nicht, wie ich das vertrauen wieder aufbauen kann.

Mein Problem ist, dass ich vor ca. 1 1/2 Jahren von meinem damaligen Freund geschlagen wurde, ich bin dreimal wieder zu ihm zurückgekehrt, bis er mir dann beim 4. Mal die Nase gebrochen und mir eine Gehirnerschütterung verpasst hat (ich war 4 Monate im Krankenstand, konnte nicht schlafen und hatte Kopfschmerzen, Panikattacken und alles mögliche), ich war ca. ein 3/4 Jahr alleine, nicht fähig, mich auf irgendeine beziehung einzulassen, bis ich meinen jetzigen freund traf.

--> Jetzt bin ich verzweifelt, weil ich nicht weiss, was ich machen soll und weil ich nicht will, dass mir jemals so etwas wieder passiert, ich bin mir nicht sicher, ob wir das schaffen können - weiss vielleicht irgendjemand einen Rat???

sporadischer Gast 24 Berliner Umland M, 21

Hallo gismo24.
Erst einmal herzlich willkommen im PT-Forum, wir hoffen es hilft dir weiter.
Ich kann dir nur meine Meinung zu diesem Thema sagen, ob mein Rat dir nun wirklich weiterhilft kann ich dir nicht versichern.
Es ist nachvollziehbar, dass dein Freund momentan nicht ausgelastet ist, aufgrund seines problematischen beruflichen Umfeldes und auch den fehlenden Freunden. Jedoch gerechtfertigt keine noch so schwere Phase im Leben solch ein Verhalten.
Dass du trotz alledem zu ihm stehst find ich persönlich verständlich, da du ihn liebst.
Auch find ich deine Reaktion richtig als erstes Abstand zu gewinnen , d.h. bei einem guten Freund vorübergehend Unterschlupf zu finden. Doch langfristig solltest du dem Problem nicht aus dem Weg gehen, sondern dich diesem stellen.
Dein Freund ging zu einer Therapie, meiner Meinung nach das einzig richtige wenn man es aus eigener Kraft nicht mehr schafft diese Situation zu bewältigen. Mein Vorschlag: Geht zusammen zu einer Therapie (Paartherapie), denn auch durch dein hier beschriebenes, mir nachvollziehbares Verhalten der Unsicherheit gegenüber deines Partners, welches vermutlich im Zusammenhang zu deiner damaligen Beziehung steht, ist es gut dich von einem Therapeuten beraten zu lassen.

Ich wünsch euch viel Erfolg.
Liebe Grüße...

Helferlein 83 München W, 28

Hallo Gismo,
ich finde Deine Stärke bewundernswert. Auch dass Du ihm verzeihen könntest.
Das mit der Vergewaltigung ist ein harter Brocken. Die meisten Vergewaltiger tun dies nicht mal, um sexuelle Bedürfnisse zu befriedigen, sondern aus dem Wunsch heraus, Macht auszuüben. Dein Freund fühlt sich im Moment sicherlich psychisch nicht gut wegen des Jobverlusts und zweifelt an allem. Er ist alleine zu Hause und du "darfst" arbeiten. Wenn Du nachhause kommst, hast Du dann oft keinen Nerv mehr, wobei er doch so sehnlich auf Dich gewartet hat...
So stellt es sich sicherlich aus seiner Sicht dar. Sein Zusammenbruch nach dem Vorfall und der Therapiebeginn zeige, dass es nicht ER war an jenem Abend. Man darf es natürlich nicht so einfach entschuldigen! Aber ich persönlich würde ihm sicherlich - unter einigen Voraussetzungen - noch eine Chance geben.

Woran Ihr arbeiten könnt:
- an seinem Selbstwert: Er kommt sich sicherlich nutzlos vor. Aber er macht doch den Haushalt! Frauen beanspruchen, dass dies endlich auch als Vollzeitjob gewürdigt wird - das gilt umgekehrt auch. Du solltest ihm also zeigen, dass es eine tolle Leistung ist.
Zusätzlich dazu kann er vielleicht neue Hobbies ergreifen. Er kann die berufliche (erzwungene ) Auszeit auch positiv sehen und benutzen, um sich fortzubilden, neue Sportarten zu lernen,etc.... Das bringt ihm etwas (Entspannung, neue Kompetenzen, je nachdem) und macht sich auch gut im Lebenslauf. Wenn er z.B. eine neue Sprache lernt, ist das ein gutes Zeichen für Engagement bei seinem neuten Arbeitgeber.

- Jetzt aber zum Wichtigsten: Eure BEziehung hat einen Knacks. Das ist nur zu gut verständlich. Eine Paartherapie - oder Beratung - halte ich auch für eine ganz gute Idee, denn Euer Leben hat sich durch die Arbeitslosigkeit schon sehr verändert.

Er wartet jetzt sicherlich auf ein Zeichen von Dir. Sprich doch mit ihm. Falls Du (noch) nicht zu ihm zurückkommen willst, dann sprich über Deine Ängste - aber auch Deine Liebe zu ihm. Arbeitet an der Neuorganisation Eures Zusammenlebens (wenn Du noch willst).

Ich sehe gute Chancen und bin mir eigentlich sicher, dass es nie wieder passieren wird.

Alles Liebe,
Jessica

neu an Bord! 3 Innsbruck W, 28

... erst mal vielen Dank für Eure Antworten.

Das mit der Paartherapie ist vielleicht wirklich eine gute Idee, aber ich bin im Moment wirklich hin und her gerissen. Kann ich mir jemals sicher sein, dass das nie wieder passiert. Menschen, die das machen, versprechen doch immer wieder, dass es nicht mehr vorkommen wird, dass es ein Ausrutscher war, irgendwie habe ich das Vertrauen verloren und möchte es ihm aber so gerne wieder schenken.

Mein Problem ist auch, dass ich dadurch mein Selbstwertgefühl und mein Selbstvertrauen verloren habe, ich denke mir, dass wirklich alle mit mir machen können, was sie wollen und ich kann mich nicht einmal dagegen wehren. Ich war noch nie bei einer Therapie, kann man mir da auch helfen, mein Selbstvertrauen und mein Selbstwertgefühl wieder herzustellen?

Ich bin total verzweifelt, weil ich auf der anderen Seite noch eine chance will und auf der anderen seite einfach total verletzt, eingeschüchtert und ängstlich bin.

Wieselchen, warum bist du dir so sicher, dass es nicht mehr vorkommen wird??

Helferlein 83 München W, 28

Hallo Gismo,
also: In einer Therapie wird natürlich auch an Deinem Selbstwertgefühl gearbeitet.

Ich denke deswegen nicht, dass er es nochmal tun wird, weil er so reagiert hat, wie Du es beschrieben hast: Er ist total zusammengebrochen und wieder aufgewacht. Der Therapiebeginn zeigt, dass er wirklich von sich erschrocken war. Ich vermute, dass diese Erkenntnis für eine eine dermaßen große Lehre war, dass es eben nicht mehr passiert. Aber gut - ich kenne ihn nicht und möchte mir auch kein (falsches?) Urteil anmaßen.

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