Gewaltausbrüche

sporadischer Gast 7 München M, 31

Hallo, ich hatte gestern einen Gewaltausbruch und habe meine kleine Tochter geohrfeigt als diese beim Wickeln das Schreien anfing. Diese ist gerade mal knapp 2 Monate alt, und ich war sehr schockiert von mir, da ich eigentlich dachte ein fröhlicher und sehr geduldiger Mensch zu sein. Ich erkenne mich in dieser Tat überhaupt nicht und leide gerade sehr darunter. Das alles hat viele Denkprozesse in mir ausgelöst, ich schäme mich unendlich und könnte eigentlich nur noch heulen. Ich hatte 2 malig Anzeigen wegen Körperverletzung gehabt, die ich eigentlich bisher immer auf exzessiven Alkoholkonsum zurückführen konnte (ich bin kein Alki, zwischen beiden Taten lagen 2 Jahre), wo ich aber denke, dass meine Aggression sich über längere Zeit aufgebaut und dort kanalisiert hatte. Alkoholmisbrauch war jetzt nicht der Fall, ich war bei vollem Bewusstsein, meine Freundin hat das mitbekommen und will mir zu Recht unser Kind nicht mehr geben, bzw. hat sie mir klar gemacht, dass sie mich bei einer Wiederholung sofort verlassen würde, was ich gut verstehen kann. Ich bin zur Zeit sehr unter Druck, da ich alleine für die Familie aufkommen muss, unzufrieden in meinem Beruf bin, Existenzängste habe, unausgeglichen bin und mich auch sonst ziemlich "klein" fühle. Ich wollte immer ein perfekter Vater sein und habe mich an meinem Perfektionswahn völlig übernommen. Ich schlucke Stress immer in mich hinein und bin völlig unfähig meine Bedürfnisse auszudrücken, da ich es allen Menschen recht machen will. Vor allem will ich von allen Menschen akzeptiert und gemocht werden, und das ist eine Hürde die ich schwerlich meistern kann und eigentlich ja auch nicht sollte. Ich bin anderen Menschen gegnüber völlig verunsichert und zerfetze mir meine Nagelbetten, vor allem meine Daumen. Ich leide unter einem schuppenden Hautexzem welches ich immer wieder bewusst aufkratze. Da ich keinen Ausweg finde und große Angst habe meine Familie oder meinen Verstand zu verlieren wende ich mich mal an Euch, damit Ihr mir vielleicht Tipps geben könnt ob ich eine Therapie brauche, und wenn ja was für eine. Meine Gedanken hören nicht auf um diese Tat zu kreisen, ich fühle mich extremst Niedergeschlagen, möchte aber jetzt mein Leben umkrempeln auf das so eine Schweinerei nienie wieder passiert. Ich liebe doch mein Kind und will dass es gesund und froh aufwächst. Meine Kindheit war nie von Gewalt geprägt, sondern ganz im Gegenteil war ich immer und bei allen Familienmitgliedern ein sehr geliebtes Kind.

Über Eure Hilfe würde ich mich freuen.

Helferlein 38 österreich W, 26

hallo,

ich glaube deine Lebensumstände sind keine Entschuldigung für das, was du gemacht hast.

Wenn du dein Leben nicht im Griff hast, kannst du dich kaum, um ein Kind kümmern. Du solltest versuchen zuerst dein Leben auf die Reihe zu bekommen und damit meine ich deine Arbeit, deine Krankheit,... - zumindest eine Familienberatung oder dgl. solltest du auf jeden Fall in Anspruch nehmen.

Nimm dir Zeit für dich.
Wann hast du das letzte Mal nur etwas für dich gemacht?
Wenn du für den Unterhalt zuständig bist, dann sollte möglichst deine Freundin die Hausarbeit und die Kindererziehung übernehmen (auch in der Nacht). Oder arbeitet deine Freundin auch?

Ich arbeite auch neben meinen Kindern und ich weiß, es ist oft sehr stressig. Aber ich nutze das Spielen mit den Kindern zum Abschalten von meiner Arbeit. Nur zum Unterschied zu dir bereitet mir meine Arbeit Freude, die hilft mir und stärkt mich.

Sei lieb zu deiner Tochter!
Es ist normal, dass Babys einmal schreien, sie können sich noch nicht anders mitteilen.
Habe Geduld mit ihr.

sporadischer Gast 7 München M, 31

Danke für Deine rasche Antwort. Meine Freundin ist sehr lieb und hat mir dieselben Tipps gegeben. Sie liebt mich sehr und beide möchten wir eigentlich zusammen glücklich bleiben, daher hat sie mir jetzt die Hausarbeit abgenommen, die hatte ich bisher gemacht, aufräumen, saubermachen, abspülen, kochen, windeln wechseln, alles halt. Dieselbe Frage (Wann hast du das letzte Mal nur etwas für dich gemacht?) hatte Sie mir auch gestellt, und mir fiels einfach nicht ein. Heute hat Sie mich gefragt was ich heute für mich vor hätte zu tun und ich musste lange nachdenken, mir fiel nix ein. Verstehe mich nicht falsch, ich versuche ja nicht eine Entschuldigung für meine Tat zu finden, aber einen Erklärungsversuch, da ich es nicht fassen kann.
Heute Nacht habe ich das erste mal im Wohnzimmer geschlafen, damit ich zumindest eine Nacht durchschlafen kann. Ich hab halt bei allem bisher ein schlechtes Gewissen gehabt, weil ich mir dachte, dass sie eh genug zu tun hätte, und ich müsse ihr so viel wie möglich abnehmen. Ich will ja lieb zu meiner Tochter sein, traue mich aber im Augenblick nicht an sie heran, meiner Freundin ist es ja auch nicht so recht jetzt. Und ich weiss ja auch, dass Babys bis zu einem gewissen Alter ja auch nicht anders kommunizieren können als durch Schreien, aber wenn man alles rational durchdringen könnte gäbs wohl so gut wie keinen Grund mehr dieses Forum oder eine Therapie zu besuchen.

Warum eine Familientherapie? Was passiert da?

Forums-Gruftie 609 Germany W, 54

Hallo donpablo,

ich finde es gut, dass du sofort die "Notbremse" gezogen hast und versuchst, dem Grund für deinen Ausbruch auf die Spur zu kommen. Aber: Auch wenn du klar erkannt hast, dass so etwas nie wieder vorkommen darf, kannst du dir nicht hundertprozentig sicher sein, dass es nicht doch wieder passiert.

Du sprichst einige Dinge an, die dich im Moment belasten:

Quote:

Ich bin zur Zeit sehr unter Druck, da ich alleine für die Familie aufkommen muss, unzufrieden in meinem Beruf bin, Existenzängste habe, unausgeglichen bin...
...
Ich wollte immer ein perfekter Vater sein und habe mich an meinem Perfektionswahn völlig übernommen. Ich schlucke Stress immer in mich hinein und bin völlig unfähig meine Bedürfnisse auszudrücken, da ich es allen Menschen recht machen will.
...
Ich bin anderen Menschen gegnüber völlig verunsichert und zerfetze mir meine Nagelbetten, vor allem meine Daumen. Ich leide unter einem schuppenden Hautexzem welches ich immer wieder bewusst aufkratze.
...
Meine Gedanken hören nicht auf um diese Tat zu kreisen, ich fühle mich extremst Niedergeschlagen...

Ich finde, du hast sehr gut deine Schwachstellen erkannt - ein erster Schritt, etwas zu ändern. Es wäre sicher gut, Stress abzubauen und etwas für dich selbst zu tun, aber ob das allein reicht, weiß ich nicht. Ich würde dir empfehlen, mal einen Termin für ein Vorgespräch bei einem Psychotherapeuten zu machen. So könntest du klären, ob eine Therapie und auch welche Art von Therapie dir helfen könnte.

Liebe Grüße
Nessa

Helferlein 83 München W, 28

Hallo donpablo,
ich kann deine Gefühle sehr gut verstehen. In deinem Fall sehe ich sehr, sehr große Chancen, dass du das Problem in den Griff bekommst. Die Gründe dafür sind, dass du in der Lange bist einzuschätzen, dass das, was du gemacht hast falsch ist. Du bereust es und hast auch schon ein paar Gründe analysiert, die ich auch in der Tat als Auslöser für Deine Reaktion sehe. Natürlich kannst du es nicht rückgängig machen - dafür aber besser. Ich finde es großartig, dass du hier so offen das Erlebnis schilderst, das ist ein guter erster Schritt.
Du merkst selbst, dass du dich in manchen Situationen nicht unter Kontrolle hast. Es ist nicht einfach, sich diesbezüglich zu ändern, aber du wirst es schaffen. Versuche vielleicht zunächst mal, dir darüber klar zu werden, dass Überlegenheit und auch Hilflosigkeit - was sich bei dir in Form von Aggressivität geäußert hat - sich auch anders ausdrücken kann: In dem Vermögen, mit schwierigen Situationen fertig zu werden. Achte in der nächsten Stressituation genau auf dich und deine Gedanken. Versuche - auch wenn es schwierig ist - weder aggressiv zu werden, noch davonzulaufen. Das wäre nämlich auch nicht gut. Im Falle deiner Tochter weißt du, dass sie natürlich als kleines Baby noch nichts versteht und manchmal wirklich "nervig" ist. Versuche, anders damit umzugehen. Wenn sie weint, nimm sie auf den Arm und sage dir, dass sie hilflos ist und dich nicht bewusst nerven will. Versetze dich in ihre Lage: Irgendwas gefällt ihr nciht, und sie kann es nur durch Schreien äußern!! Wenn sie sich dann beruhig, hast du es geschafft. Du hast das Problem auf andere Weise gelöst und das ist echt etwas wert.
Du kannst das auch auf andere Situationen übertragen: Wenn dich (erwachsene ) Mitmenschen ärgern, reagiere mal anders. Überlege dir, warum sie vielleciht unfair oder negativ sind. Vielleicht haben sie auch Probleme. Rede mit ihnen, anstatt selbst grob zu werden.

Es gibt auch die Möglichkeit, Anti-Aggressionstrainings zu machen. Ich sehe aber - wie schon gesagt - bei Dir gute Chancen, dass du es ohne schaffst, weil du ein intelligenter und selbstreflektiver Mensch zu sein scheinst.

Ich drücke dir die Daumen und wünsche dir alles erdenklich Gute!

das wieselchen

Helferlein 38 österreich W, 26

Ich habe vorerst von einer Beratung und nicht von einer Therapie gesprochen. Bei einer Beratung könnt ihr wertvolle Tipps erhalten, auch was die Erziehung und Pflege eures Kindes anbelangt. Zu vieles Schreien könnte auch darauf basieren, dass deine Freudin, falls sie stillt, sich falsch ernährt.

Ein schlechtes Gewissen brauchst du meiner Meinung nach nicht haben, immerhin übernimmst du einen großen und wichtigen Part der Verantwortung - und das ist der Lebensunterhalt.

Ich habe schon öfters gehört, einmal schlagen ist einmal zuviel und daher solltest du etwas unternehmen, auch wenn du deinen Fehler erkannt hast und es bereust. Zumindest solltest du lernen mit Agression umzugehen, vor allem wenn du bereits schon zwei Strafen wegen Körperverletzung hattest.

Du hast sehr viel Glück eine so liebe Freundin zu haben.
Ich wünsch dir und deiner Familie alles Gute für eure Zukunft

sporadischer Gast 7 München M, 31

Vielen Dank, Ihr lieben...macht mir sehr viel Mut...
Ich habe vor mich nächste Woche beom Männerhaus vorstellig zu machen um mich beraten zu lassen. Frage auch heute noch bei einer Tai-Chi Schule bei mir in der Nachbarschaft an zwecks körperlich-seelischem Ausgleich. Habe gestern ein Vorstellungsgespräch bei einer Agentur gehabt, die mich evtl. fest einstellen würden, was mir extremst Druck (da Freiberufler) nehmen würde, sah sehr positiv aus. Trotzdem bin ich extremst traurig immer wieder und muss mich sehr anstrengen um normale Dinge erledigen zu können. Wir waren gestern bei einem befreunden Paar mit zwei Kindern, das hat mich extremst fertig gemacht, weil ich ein Urvertrauen so misbraucht habe und mich und meine Familie um die Möglichkeit gebracht habe eine "normale" Beziehung zu haben. Die Bilder meiner Tat kommen immer wieder und rauben mir extremst viel Energie. Auch schmerzt es mich meiner Tochter nicht näher kommen zu können, aber das ist eine allzu normale Konsequenz die ich einfach mit Demut hinnehmen muss. Da ich wie gesagt sehr viel Glück habe mit meiner Verständnisvollen Freundin will ich auch überhaupt nicht klagen. Diese ist heute zu einer anderen Familie gegangen und hat mir "verboten" irgendetwas im Haushalt zu machen, ich soll heute nur etwas für mich machen. Es klingt vielleicht eigenartig, aber diese ganze Hölle der letzten Tage hat meine Liebe zu meiner Freundin auf eine sehr starke Weise erhöht, obwohl ich mich ziemlich zurückziehe, aus einem schlechten Gewissen heraus. Es ist sehr eigenartig und schwierig gegenüber anderen damit entgegen zu treten, nix zu sagen und bei Lob und Zuspruch denke ich mir immer "Wenn Ihr nur wüsstet, was in mir ausgebrochen ist...". Ich habs niemandem ausser einem guten Freund erzählt, bei allen anderen bringen wir Ausflüchte, ich glaube dass meine Freundin die berechtigte Angst hat, dass sich alle von uns abwenden würden wenn sie wüssten was passiert ist, gerade weil wir ziemlich nette Beziehungen zu anderen frischgebackenen Eltern aufgebaut haben. Wir werden sehen, wie meine Mutter morgen auf die Situation bei uns zu Hause reagieren wird, die is ja nicht doof. Aber ich denke, dass auf Dauer hin nix hilft und ich es zumindest den engen Freunden beichten muss. Es ist ja alles noch nicht so lange her, obwohl diese Niedergeschlagenheit mir ein gefühl vermittelt als sei sie schon immer da gewesen, die Zeit wird zeigen ob und wie ich damit klar komme. Bis dahin will ich die Zähne zusammenbeissen.

sporadischer Gast 7 München M, 31

ach ja und zum Stillen, kann ich nur sagen, dass wir schon während der Schwangerschaft extremst darauf geachtet haben was sie isst, das fällt wohl aus. Ich vermute, dass sie dreimonatskoliken hat, viel Gase, viel Pressen, viel Unruhe...was die Pflege und das ganze drum herum angeht, ist meine Freundin einsame Spitze, sie hat viel Geduld, eine tolle Routine und genug Liebe für beide...

Helferlein 83 München W, 28

Hallo donpablo,
toll, die Idee mit dem Tai Chi!!! Finde ich echt super.
Ich möchte dir gerne noch sagen, dass die in der Allgemeinheit herrschende Vorstellung vom Urvertrauen nicht mehr so angesehen ist in der Psychologie, wie es den Anschein hat. Mit anderen Worten: Obwohl der Vorfall natürlich moralisch nicht sonderlich toll war, hat das auf keinen Fall das Verhältnis zu deiner Tochter auf Dauer zerstört! Mach da weiter, wo du vor dem Vorfall aufgehört hast: Zeige ihr deine Liebe und kümmere dich um sie! Die Bewältigung deines Problems solltest du natürlich in Angriff nehmen, aber das darf nicht zwischen dir uns deiner Tochter stehen.
Ich würde es an deiner Stelle auch nicht zu vielen Menschen erzählen - außer wenn es DIR etwas bringt. Es klang nämlich ein wenig so, als ob du es aus Buße machen möchtest - um dich dafür zu betstrafen. Tu das leiber nicht. Es geht keinen etwas an, und du musst dich vor keinem außer deiner Frau und deiner Tochter dafür rechtfertigen.
Das nur ein Tip von mir. Ich habe Hochachtung vor deiner gewissenhaften Einstellung und sende dir
liebe Grüße

wieselchen

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