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Sandkorn
sporadischer Gast
21
Bayern M, 47
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Mon, 22.Nov.04, 0:47 Was ist eigentlich Demut? |
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Hallo Ihr hier im Forum,
mich beschäftigt zur Zeit der Begriff "Demut". Ausgangspunkt dafür war/ist meine "Wahrnehmbarkeit" in sozialen (Gruppensituationen). Weniger schwafelig ausgedrückt bedeutet das, dass ich es nicht schaffe (auch in intensiven Gruppensituationen) so viel von mir zu zeigen, dass ich für meine Mitmenschen ein "greifbarer" Mensch werde.
Beispiel: ich bin in einer psychoaktiven Selbsthilfegruppe, die vom Instrumentarium her eigentlich jedem Gruppenmitglied gleiche und gerechte Chancen bietet, sich und seine Anliegen zu artikulieren (z.B. durch gerecht verteilte Redezeiten, und eine ganze Menge mehr). Es gibt sogar die Möglichkeit, wenn man das Gefühl hat, man bekomme zu wenig Aufmerksamkeit (Lob/Schmuseeinheiten), um Aufmerksamkeit zu bitten. In diesem Falle würde man von der Gruppe Aufmerksamkeit erfahren.
Nur: ich merke, dass ich in eine Ereigniskette komme. Es fällt mir schwer, Dinge von mir zu erzählen, die mich wirklich berühren. Vor der Gruppe in die Nähe des Weinens zu kommen ist für mich sehr "bedrohlich" - ich würde mich damit "ausliefern", ich würde nicht mehr souverän sein. Andere Leute in der Gruppe können viel offener sein als ich. Sie werden greifbarer und kommen viel mehr in Beziehung zu den anderen Gruppenmitgliedern. Das berührt natürlich auch Zusammenarbeitsstrukturen, usw. - das Ergebnis: ich fühle mich öfters allein in der Gruppe. Das tut mir sehr weh (in der Gruppe könnte ich das so nicht sagen - hier in der Anonymität schon) - eigentlich ist mir an einem solchen Punkt ziemlich nach Heulen zumute, denn ich erlebe diese Situation öfters. Wäre auch ziemlich gut, wenn ich weinen könnte, aber vor dem Weinen steht bei mir noch ein Wächter (habe seit dem 10. Lebensjahr nicht mehr ...und stehe jetzt etwas vor 50) und der aktiviert in mir den Stolz. Ich fühle mich dann sehr gekränkt, erwarte dann eigentlich, dass meine Mitmenschen erkennen, was mit mir los ist und ein bischen auf mich zugehen (habe aber auch schon übersehen, wenn es einem anderen deftig schlecht ging - ich erkenne also, dass ich da ungerecht bin). Nun, meine Mitmenschen erkennen es nicht, wenn es mir schlecht geht (weil ich da alle Jalousien runterlasse und die "Fassade pflege" - und somit auch niemanden eine reele Chance gebe). An diesem Punkt werde ich dann immer sehr bitter. Ich fühle mich missachtet und -zu meiner Schande muss ich es gestehen- ich werde manchmal überheblich und verachte auch mal meine Mitmenschen für Ihre mangelnde Sensibilität. An diesem Punkt wieder an die Gruppe ranzukommen ist für mich ein psychischer Kraftakt, den ich aber meist schaffe, weil ich doch viel Kraft habe und es auch gewohnt bin, mich selber wieder aus dem Sumpf zu ziehen. Aber - ich werde immer wieder denselben Mechanismus durchleben, wenn ich nicht lerne, die Kette an einer Stelle zu durchbrechen.
Ein Gruppenmitglied (mag ich gerne) hat mir in einem Gespräch über meine Schwankungen in der Nähe zur Gruppe den Begriff "Demut" mitgegeben. Und ich fühlte sofort, dass dieser Begriff sehr viel mit mir zu tun hat, dass hier noch ein Lernfeld für mich steckt. Bloß: ich habe irgendwie ein Gefühl für den Begriff, aber ich könnte ihn nicht beschreiben. Zum Beispiel glaube ich, dass es Demut bedeutete, diesem Menschen die Chance zu geben, mir den Begriff zu erklären, mich als Lernenden von ihm einzuordnen. Statt dessen suche ich im Internet. Ist wohl nicht sehr demütig! Ganz große Probleme mit "Unterordnung"!
Wie geht es Euch mit dem momentan nicht sehr angesagtem Begriff "Demut"? Ist dieser Begriff interessant für Euch? Fühlt Ihr etwas dazu? Könntet Ihr den Begriff annäherungsweise definieren?
Grüße Euch alle
Sandkorn
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mizzy7
Forums-InsiderIn
284
Berlin W, 40
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Mon, 22.Nov.04, 8:56 Re: Was ist eigentlich Demut? |
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im etymologischen Wörterbuch finde ich den Eintrag: Demut/ mhd. diemout ist eine Abstraktbildung zu ahd. thiomuoti (um 800) mit der Bedeutung "dienstwillig", das in seinem ersten Kompositionsglied germ *pewa- "Sklave, Knecht" enthält. In christlicher Tradition ist die Bereitschaft zur Unterwerfung positiv mit "Niedrigkeit, Bescheidenheit" verknüpft. Diese Bedeutungselemente verbinde ich auch in meinem Verständnis mit "Demut". Therapeutisch gesehen kann es vielleicht gegen (aufgesetzte) Überheblichkeit, die wie (bei Dir??) oft soziale Unsicheheit kompensiert, wirken. Aber wie steht es mit dem Wörtchen "demütigen"? Das gehört doch offensichtlich auch dazu. Bescheidenheit ist für mich ein Wert, dem ich sehr zwiespältig gegenüberstehe. Ich bin einerseits distanziert und oft arrogant, dann stelle ich mir manchmal vor, Bescheidenheit könnte das Mittel der Wahl sein, um den anderen näher zu kommen. Aber ich weiß doch auch, dass meine Kälte ein Ergebnis tiefer Selbstunsicherheit ist, die ich auch spüren kann. Ich fühle gleichzeitig Überheblichkeit und Selbstabwertung. Was ist mir da mit Bescheidenheit geholfen? Es wäre doch so wichtig, mich mehr wertzuschätzen, anzunehmen, so dass ich nicht immer der Anerkennung von außen hinterherrennen muss.
lg
m.
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Expat
Helferlein
107
Berlin und Pattaya M, 66
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Mon, 22.Nov.04, 10:13 Re: Was ist eigentlich Demut? |
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Ich glaube ich bin ein eher dominanter Typ, aber mit dem Begriff "Demut" verbinde ich etwas Positives. Etwas achten, akzeptieren und vielleicht sogar genießen, was höher ist, als man selbst. Ich nähere mich mit Demut der Musik von Bach und aber auch von Beethoven, jedem auf andere Weise. Wenn man das weiterführt, könnte man sich allem Lebenden mit Demut nähern, weill jeder wertvoll und lehrreich sein kann. Die Annahme, dass andere sich niveaumäßig unter einem befinden, mag falsch sein, ist also als gedankliche Voraussetzung in der Kommunikation nicht fruchtbar.
In einer psychologischen Selbsthilfegruppe kann man aus jeder Situation möglicher Weise etwas lernen, auch aus den eigenen Fehlleistungen. Ich galube daher, man sollte sich da auch nicht zu sehr oder aber gar nicht verbiegen.
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_________________ Freundliche Grüße von Expat! |
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Löwenmäulchen
sporadischer Gast
17
Deutschland W, 37
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Mon, 22.Nov.04, 10:44 Re: Was ist eigentlich Demut? |
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Für mich steckt auch eher etwas Positives in der Demut. Zunächst einmal -Mut. Der Mut, mich zu zeigen, wie ich bin. Das Kleine, verletzliche, aber genauso auch meine echte Stärke. Mich weder künstlich klein, noch künstlich gross machen, um etwas zu vermeiden.
Und auch der Mut mein Haupt zu neigen, vor etwas oder jemandem das / der grösser ist als ich.
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Scheindal
Helferlein
61
Wien W, 29
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Mon, 22.Nov.04, 19:02 Re: Was ist eigentlich Demut? |
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Demut ist auch eines meiner "Hauptziele"... es ist nicht so, dass wenn man die Demut einmal angenommen hat, es ein leichtes ist, demütig zu bleiben; nein, man muss sich täglich aufs Neue dafür entscheiden.
Demut ist für mich dem Stolz, der Arroganz, aber auch dem Eigenwillen und der Eigenliebe genau entgegengesetzt.
Demut ist Mut zum Einfach-Sein, zum Einfach-man-selbst-Sein.
Demut ist ein "Ich riskiere" - riskiere so zu sein, wie ich bin - auch auf die Gefahr hin, verletzt zu werden oder verletzlicher zu werden, angreifbarer.
Demut ist die Schwester der Liebe.
@ Sandkorn: dein Beispiel, dass du dir den Begriff gleich von ihr hättest erklären lassen können anstatt im I-net zu stöbern, passt hier recht gut... ich denke also, dass du die Bedeutung der Demut verstanden hast. Man vergibt sich nichts, von einem Mitmenschen zu lernen, zu zeigen, wieviel man NICHT weiß und nicht kennt. Und wahre Demut hätte sich nicht nur den Begriff erklären lassen, sondern sich auch voll Freude für diesen Tipp und die Belehrung bedankt.
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Sandkorn
sporadischer Gast
21
Bayern M, 47
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Tue, 23.Nov.04, 22:13 Re: Was ist eigentlich Demut? |
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Viele Grüße an Euch alle,
ich freue mich, dass Ihr für dieses Thema Interesse zeigt und mir Antworten gegeben habt. Vielen Dank! In jeder Eurer Antworten finde ich Stoff zum Nachdenken.
Für mich ist der Begriff eigentlich sehr überraschend zum Thema geworden durch diese Anregung innerhalb meiner Männergruppe. Ich glaube, ich hätte ansonsten dem Begriff eigentlich keine weitere Beachtung geschenkt. Auf den ersten Blick scheint er eher in der religiösen Welt angesiedelt zu sein (bzw. kennt man ihn am ehesten aus kirchlichen Äußerungen). Ob ich mich jetzt über längere Zeit mit der Demut auseinandersetzen werde, weiß ich noch nicht, denn ich habe an vielen Bereichen zu arbeiten.
Dennoch: im Moment erscheint mir ein intensiveres Einlassen für mich lohnenswert. Demut als Haltung scheint ein Schlüssel zu sein, der helfen kann sich zu öffnen, bereit macht, sich als Lernenden zu begreifen. Jetzt fallen mir eigentlich gerade viele Bereiche ein, in denen Demut auch als wichtige Voraussetzung zum Fortschreiten angesehen wird; beispielsweise Kampfsportarten mit philosophischem Hintergrund. Auch dort betrachten sich Meister und Schüler in Demut als Lernende.
Klingt relativ wirr, was ich hier schreibe. Mir geht gerade auf, wie wichtig der Begriff Demut (oder die Haltung Demut??) eigentlich ist und wie wenig reflektiert dieser Begriff ist (von mir - und ich vermute, von vielen meiner Mitmenschen auch). Wir kennen viele Teilaspekte (Bescheidenheit, Offenheit, Bereitschaft anzunehmen, usw.), fehlt uns evtl. der Blick fürs Ganze?
Die Auseinandersetzung mit Demut scheint wieder einmal ein Prozess zu sein, der auf ein lebenslanges Lernen hinausläuft. Habe ich die Zeit dafür (gibt es Wichtigeres)? Darauf erwarte ich natürlich jetzt keine Antworten - vielleicht würden sich einem demütigen Menschen diese Fragen gar nicht stellen - er/sie würde einfach mit dem Anfang beginnen und dann weitersehen?
Zwei Gedanken noch:
Demut ohne kritische Wachheit scheint mir sehr gefährlich zu sein. Die Begriffe schließen sich aber m.E. nach nicht gegenseitig aus.
@mizzy: Du schreibst: "Aber wie steht es mit dem Wörtchen "demütigen"? Das gehört doch offensichtlich auch dazu."
Es ist wirklich interessant, dass es sich hier um das selbe Wort handelt - aber ich sehe Demut leben und jemanden demütigen eigentlich als zwei völlig unterschiedliche Vorgänge. Ich glaube nicht, dass man durch Demütigungen ein demütiger Mensch wird, zumindestens in der Regel nicht. Und ich glaube auch nicht, dass ein demütiger Mensch einen Mitmenschen demütigen will.
Ich bin, wie Ihr seht, mit dem Thema noch sehr im Unklaren. Aber ich glaube/fühle, dass es für mich lohnenswert ist, mich mit Demut auseinanderzusetzen. Vielleicht werde ich die nächste Zusammenkunft unserer Gruppe dazu nutzen mit Unterstützung dessen, der mir diese Anregung gegeben hat, am Thema zu arbeiten.
Ich danke Euch für Eure Antworten
Liebe Grüße
Sandkorn
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Expat
Helferlein
107
Berlin und Pattaya M, 66
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Wed, 24.Nov.04, 2:49 Re: Was ist eigentlich Demut? |
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Liebes Sandkorn,
Im Grunde hast du ja schon einen sehr demütigen Nick.
Ich glaube, um Demut sich zu bemühen, ist sinnlos. Demut
ist das Ergebnis ganz anderer Denkprozesse und Erlebnisse.
Da kann man sich nich reinzwingen und auch nicht
reingezwungen werden. Deshalb ist "demütigen" das richtige
Wort. Da soll mit Gewalt etwas erreicht werden, was freiwillig
nicht da ist.
Ein weiteres Schlüsselwort ist für mich: Intuition. Auch da ist es
sinnlos, sich zu viel mit dem Wort zu beschäftigen. Und doch,
wenn man viel davon besitzt, ist man aus dem Schneider.
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_________________ Freundliche Grüße von Expat! |
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R3VO
Helferlein
122
Norddeutschland M, 18
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Tue, 21.Dec.04, 21:36 Re: Was ist eigentlich Demut? |
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Ich würde sagen Demut ist eine Haltungsform gegenüberetwas, bei der der Demütige seinem Gegenüber einen weit höheren Wert zuspricht, als sich selbst.
Das kann positiv sein, wie zum Beispiel bei dem Beispiel mit der Musik, bei dem man Selbige als etwas Höheres anerkennt und "genießt", wenn man als Schüler die Autorität eines Lehrers anerkennt(kann natürlich bei einem Lehrer, der seinen Beruf verfehlt hat, auch schlecht sein) oder aber auch negativ, wenn man "Demütigungen" von Anderen bedingungslos akzeptiert, wenn das Fremdbild zum Selbstbild wird, und man sich selbst aufgibt, z.B. in einer Beziehung, wo der eine Partner den anderen unterdrückt, und dieser jenes akzeptiert, obwohl er leidet.
Demütigungen ist das Blosstellen eines Anderen in der Öffentlichkeit, also etwas ethisch negatives.
Ich persönlich denke, es hat viel mit dem Selbstbewusstsein zu tun, ob und wie man handelt. Wenn man man von anderen gedemütigt wird, erkennt man seine eigenen Stärken nicht mehr und lebt fremdbestimmt in Demut(im negativen Sinne). Hier ist wohl auch der Schlüssel von Demut zu Demütigung.
Wenn man allerdings zu feige ist, seine Schwächen zu zeigen und desshalb überheblich reagiert, dann ist das auch negativ.
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Wandersmann
sporadischer Gast
11
NRW M, 19
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Wed, 22.Dec.04, 22:00 Re: Was ist eigentlich Demut? |
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Hier mein kleiner psychoanalytischer Erklärungsansatz von Demut
Für mich ist Demut eine noch größere Tugend als Mut.
Demut ist die Fähigkeit, einen Einfluss von Außen, der von meiner normalen Handlungsroutine abweichen würde, einfach wegzustecken, zu akzeptieren oder vielleicht auch guthzueißen. Dieser fremde Einfluss darf dazu nicht in meiner Liste der unerwünschten oder gehassten Einflüsse stehen, denn dann wäre die Unterordnung kein Demut sondern Regression, was wiederum das Ich belasten würde. [Wenn mir jemand diesen ungewollten Einfluss aufzwingt werde ich gedemütigt]
Die "Liste der unerwünschten oder gehassten Einflüsse" ist bei jedem so ziemlich verschieden. [Warscheinlich auch der Grund für alle Kriege]
Beispielsweise wäre es ziemlich schwer für mich demütig zu sein, wenn irgendein Spinner ankommt und mich durch die Gegend schubst. Eher würde ich zurückschubsen und aggressiv werden oder mich einkauern und weinen (gedemütigt sein). In so einer Situation demütig zu sein, dass ist die Kunst die niemand kann, aber können sollte.
In dem Beispiel ist der Unterschied zwischen demütig und gedemütigt sein sehr gut zu erkennen. Gedemütigt sein resultiert immer aus der Handlung anderer und ist negativ. Demut kommt immer von mir selbst und ist positiv und erstrebenswert.
Gruss,
der Wandersmann
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Elumina
sporadischer Gast
23
W, 33
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Mon, 24.Oct.05, 21:00 Re: Was ist eigentlich Demut? |
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Hallo Sandkorn,
hast du Fortschritte hinsichtlich Demut gemacht? Wenn ja, wie hast du es angefangen? Wie gelingt es dir, mit Demut deinen Alltag zu leben?
Entschuldige, wenn ich so unvermittelt und zeitverzögert diese Fragen an dich stelle, aber das Thema Demut beschäftigt mich aktuell sehr und ich fand deinen Beitrag hier im Forum und hoffe, in dir einen "Fortgeschrittenen" gefunden zu haben, der mir einen Rat geben kann.
Hast du einen Rat für mich?
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Lisa29
[nicht mehr wegzudenken]
1071
Bayern W, 32
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Tue, 25.Oct.05, 12:32 Re: Was ist eigentlich Demut? |
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Mir läuft es kalt den Rücken herunter wenn ich das Wort Demut auch nur lese. Aber das kommt wohl daher, daß ich in einem Pfarrhaus großgeworden bin.
Und da war "Demut" das ganz große Ziel.
Allerdings auf sehr defensive Art und Weise. Es bedeutete z.B. den "Feind" nicht zu hassen, sondern anzulächeln, dem Feind noch die andere Wange hinhalten wenn er einen schlägt.
Es hieß "Asche auf dem Haupt des Feindes zu sammeln", indem man sich nicht wehrt. Und zwar NIE! Egal was ein anderer einem tut und welche Demütigungen man erfährt, sollte man dem Feind ins Gesicht lächeln und den Kopf senken,weil ich weiß Gott wird über ihn Gericht stehen. BÄÄÄÄÄÄÄHHHHHH, da krieg ich heute noch Ausschlag, wenn ich mich dran erinnere. Mein Vater läßt solche Sprüche auch immer noch los und glaubt fest daran.
Also man soll praktisch über keinen richten und sich nicht wehren aus Demut vor Gott, weil der wird den Feind am Ende richten. Also kann man sich auch gleich nochmal schlagen lassen und zu Tode foltern lassen, weil Gott wird am Ende Gericht halten mit dem Feind. Man soll immer alles einstecken aus Demut vor Gott.
Bei uns zu Hause war es praktisch etwas positives wenn einem ein anderer übel mitspielte, weil dann konnte man wieder mal das Haupt senken und Demut üben vor Gott und auf seine Gerechtigkeit beim jüngsten Gericht hoffen. Je mehr man gelitten hatte, umso besser. Indem man sich wehrt gegen "Feinde", greift man Gott vor und erlaubt sich selbst über den Feind zu richten und ihn zu strafen, indem man sich wehrt. Und damit handelt man dann schlimmer als der Feind selbst, weil man indem man sich wehrt mit Gott auf die gleiche Stufe stellt und denkt man wäre befähigt über andere Menschen zu richten.
Bei der Erziehung kann man sich vorstellen was ich für Schwierigkeiten ich damit habe mich überhaupt mal zu wehren gegen jemanden. Sich wehren hieß bei und Gott gegenüber nicht demütig zu sein.
So ein Stuß.
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Elumina
sporadischer Gast
23
W, 33
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Tue, 25.Oct.05, 19:54 Re: Was ist eigentlich Demut? |
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Hallo Lisa29,
was du schilderst, hört sich für mich eher nach Selbstverleugnung an. Tut mir leid, wenn dir unter der Überschrift "Demut" dieser Stuß verkauft wurde.
Ich hatte eher im Sinn, dass jeder Mensch (oder zumindest die allermeisten) etwas weiß oder kann und man jederzeit daran denken sollte und niemandem mit Geringschätzung oder Arroganz begegnen sollte.
Das Beispiel von Sandkorn, dass er - statt einfach zu fragen was Demut ist - aus Stolz ('Ich muß doch niemanden fragen! Das weiß ich doch selbst oder finde es selbst heraus!') im Internet danach sucht trifft sehr gut den Kern, finde ich. Das ist es, was ich mir abgewöhnen will, diese Arroganz, niemanden um Hilfe bitten zu wollen. Das meine ich mit Demut.
Dennoch finde ich in deiner Schilderung auch einen Aspekt von Demut, der mir richtig erscheint. Laß mal die subjektive Klassifizierung von "Feind" weg. Sieh einfach einen Menschen, der dir eine schmiert. Klar, deine Perspektive ist Schmerz, aber wie sieht die Perspektive des Schlagenden aus? Vielleicht hat er gerade einen schizophrenen Schub und sieht in dir einen Zombie, fürchtet sich total vor dir und schmiert dir deswegen eine. Oder er schmiert dir eine, um dich vor größerem Unheil zu bewahren, z.B. davor, dass dich jemand als seinen Freund identifiziert und dir daraus Nachteile entstehen.
Was ich damit sagen will ist: urteile nicht über die Handlungen anderer Menschen, deren Motive du nicht kennst. Das geht so in Richtung der Demut, die ich meine.
Was du schilderst ist Erziehung zur Selbstverleugnung und Härte gegen sich selbst. Gefühlskälte und Verweigerung der Anerkenntnis vitaler Bedürfnisse haben nichts mit Demut zu tun. Wer das behauptet redet wirklich Stuß! Insofern gebe ich dir recht und ich verstehe deinen Zorn. Das hat aber nichts mit dem zu tun, was mich bewegt.
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Selene
Forums-InsiderIn
242
neben der Spur W, 27
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Mon, 31.Oct.05, 18:39 Re: Was ist eigentlich Demut? |
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Hallo,
beim Lesen dieses interessanten Threads sind mir ein paar Gedanken gekommen, die ich kurz loswerden möchte.
Das christliche "die andere Wange hinhalten", nicht über andere richten usw., also Demut fand ich schon immer sehr interessant. Aber ich glaube es ist ein zweiseitiges Schwert bzw. man muss die inneren Beweggründe kennen. Wenn einer sich schlagen lässt z.B. und die andere Wange hinhält kann das, wenn er sich aus Angst schlagen lässt eher Zeugnis der Würdelosigkeit sein. Wenn er es aber bewusst tut, dann erduldet er es zwar auch, aber er ist dabei aktiv und überlegen und eher ein Heiliger als ein Würdeloser.
Es ist also alles eine Frage der inneren Einstellung, aber ich glaube, man muss sehr stark sein, um demütig und trotzdem selbstbestimmt zu leben. Denn von außen kann man es nicht von Passivität, Opportunismus, Kuschen usw. unterscheiden. Es KANN aber durchaus etwas anderes sein. Wie und ob das aber für Normalsterbliche lebbar ist, weiß ich auch nicht.
Viele liebe Grüße
Selene
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_________________ I know a cat named Easter/ He says will you ever learn
You're just an empty cage girl/ If you kill the bird |
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breezer
sporadischer Gast
29
Deutschland M, 44
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Tue, 01.Nov.05, 18:12 Re: Was ist eigentlich Demut? |
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Das Gegenteil von "Demut" sehe ich in "Übermut". Und ich denke, aus diesem Begriffspaar heraus kann man die Bedeutung und den Sinn von Demut am ehesten verstehen.
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Elumina
sporadischer Gast
23
W, 33
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Tue, 01.Nov.05, 19:44 Re: Was ist eigentlich Demut? |
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Hallo, Selene und breezer, vielen Dank für eure Beiträge!
@Selene
Beim Lesen deiner Gedanken kam mir die Frage in den Sinn: Was ist, wenn ich SAGE, ich hätte mich bewusst schlagen lassen (ganz gleich ob ich dabei Angst fühlte oder nicht)? Kann ein Außenstehender unterscheiden, ob ich demütig oder würdelos bin? Was meinst du?
@breezer
Übermut ist für mein Empfinden noch zu positiv konnotiert (vielleicht, weil ich an kindlichen Übermut denke...), Arroganz finde ich treffender.
Die Idee, ein Begriffspaar zur Verdeutlichung zu wählen, finde ich gut.
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