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pragmatik
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Post Tue, 09.Nov.04, 14:02      Der erste Schnee - Gedanken an einem Sonntagmorgen Reply with quoteBack to top

Der erste Schnee

Ein grauer Sonntagmorgen. Wie so oft scheint das geschlossene Fenster einen vor Kälte nicht schützen zu können. Ein Tag, den man gerne im Bett verbringen würde. Doch ein Lächeln findet sich auf so manchen Lippen, denn der erste Schnee fällt, noch nass und mit Regen vermischt, aber weiß und wohlig anheimelnd. Assoziationen sind es, die für das Lächeln eigentlich verantwortlich sind. Ein Zusammenspiel aus Erinnerungen. Glocken, die läuten, während man Hand in Hand durch einen verschneiten Park läuft. Das Kichern der Kinder, die sich mit ihren Freunden und Eltern eine Schneeballschlacht liefern. Das Glänzen in den Augen vor hell geschmückten Weihnachtsbäumen. „Thank God it’s Christmas“ schallt es aus dem Radio, während Mutter und Tochter Plätzchen ausstechen und vom Duft der schon im Ofen befindlichen Leckereien umgeben sind. Auch wenn der November erst seinen Anfang genommen hat, zieht all das an so manchem geistigen Auge vorüber. An einem grauen Sonntagmorgen, unter einer warmen Bettdecke. An der Seite eines geliebten Menschen.
Eine neue Jahreszeit steht bevor. Für einen frisch verliebten Menschen ist es auch der Beginn eines neuen Lebensabschnitts, der Beginn einer Beziehung, die einen erfüllt und neu zum Leben erweckt. Doch auch wenn man das Individuum betrachtet, darf der erste Schnee Anlass geben, über das Vergangene nachzudenken. Zu resümieren, was er von nun an bedeckt. Der Frühling wird die Schmelze bringen, doch was zum Vorschein kommt, kann ganz anders sein, als es noch der Herbst vorherzusagen schien. Wer bin ich ? Was bin ich ? Wie geht es mir ? Weiß ich, was besser sein könnte ? Weiß ich, dass ich mit vielem zufrieden sein kann ? Bin ich glücklich ? Kann ich abends ins Bett gehen und mich auf einen neuen Tag freuen ? Fragen, die man sich allenfalls selbst, wenn überhaupt beantworten kann. Vielleicht ist nachdenken auch der falsche Begriff. Können wir denn noch ins „hinein horchen“ ? Können wir noch fühlen und Gefühlen vertrauen ? Das Leben erfordert schauspielerisches Talent, einen Schutz vor Verletzung, Enttäuschung und Wahrheit. Doch wenn in ein Leben Gefühl einkehrt, z.B. das Gefühl der Liebe, das sich rational nie erklären lassen wird, dann haben wir einen Ort und eine Zeit, in der wir verletzlich sein dürfen, uns der Wahrheit stellen können und wohl auch den Alltag verkraften und verarbeiten können.
Gehen wir also zurück zu dem Fenster, das vor Kälte nicht zu schützen scheint. Es ist die Oberfläche, das uns Umgebende, das es nie können wird. Doch das uns Innewohnende ist von Geburt an dazu in der Lage, muss lediglich wieder zum Leben erweckt werden. Und wer liebt, der lebt – so machen wir das Fest der Liebe in wenigen Wochen doch zu einem Fest des Lebens und vertrauen wir auf unser Gefühl, wenn es um die Gestaltung dieses Lebens geht.

Wenn man schließlich aufgestanden ist, bemerkt man, dass der Schnee nicht liegen bleibt, dass er zum Teil zwar Straßen und Wiesen bedeckt, doch keine feste Grundlage hat. Sie muss die Zeit erst schaffen. Erstaunlich, welche Gedanken und hoffentlich bei vielen auch Wärme der Beginn der kalten Jahreszeit doch sowohl in unsere Häuser, als auch in uns selbst bringen kann. An einem Sonntagmorgen. An der Seite eines geliebten Menschen.
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