Alkoholiker in Hausgemeinschaft- was tun als Gruppe?

sporadischer Gast 8 Deutschland W, 31

Einer unserer Hausbewohner ist Alkoholiker.(Er denkt das übrigens nicht) Nach einem krassen Zwischenfall gestern Abend (er fiel völlig betrunken die Treppe herunter und war eine Weile bewusstlos und anschließend total orientierungslos und psychotisch) wissen nun mittlerweile auch alle Hausbewohner davon. Es ist nicht das erste Mal, dass wir jemanden mit einem Drogen- bzw. Alkoholproblem hier wohnen haben. (Die Androhung eines Rausschmisses bei nicht- Einhaltung eines öffentlich auferlegten Alkoholverbotes war letztes Mal schon nicht effektiv, gerade weil dies ja auch nicht unbedingt kontrollierbar ist.) Die Hilfsbereitschaft, die viele Leute hier zeigen ist zwar sehr nett gemeint ( und durchaus nicht selbstverständlich in einem Haus mit 100 Bewohnern), ich denke aber persönlich, dass sie ihn eher in seinem Tun unterstützt als dass sie wirklich hilfreich ist. So wurde er gestern von einigen Leuten in seine Wohnung verfrachtet und man kümmerte sich intensiv um ihn., sprach auf ihn ein (anstatt ihm den bestellten Krankenwagen zu überlassen) Auch gibt es Leute, die ihn liebevoll versuchen von der Wichtigkeit einer Therapie zu überzeugen.
Ich frage mich wie wir als Hausgemeinschaft darauf reagieren sollten. Denn die bisher praktizierten Maßnahmen sind ja eher fruchtlos.

Helferlein 61 Wien W, 29

Knallharte Regeln aufstellen:

entweder er hält sich daran (und entscheidet sich FÜR die Gemeinschaft)
oder er entscheidet sich FÜR den Alkohol, dann muss er aber auch die Konsequenzen für sein Verhalten tragen und seinen Part der Verantwortung übernehmen; sprich: er fliegt aus der Gemeinschaft. Ohne Wenn und Aber.

Einem Alkoholiker, der noch dazu nicht einsichtig ist, kann man mit "Streicheleinheiten" nicht helfen - man verzögert nur sein Leid! Dessen sollte man sich wirklich bewusst sein.

Alles Gute und viel Einsicht wünsche ich eurem Mitbewohner!

sporadischer Gast 8 Deutschland W, 31

Welche?
- öffentliche Veranstaltungen darfst du nur alkoholfrei besuchen?
- du darfst hier nur wohnen wenn du nichts trinkst?
Wir sind ein selbstverwaltetes Wohnheim mit Wohnungen und da es hier nicht wie in einer WG funktioniert und wir uns alle nicht täglich sehen, ist die Kontrolle der Konsequenzen schwierig. Es belastet auch niemanden weiter (außer seiner Freundin, die mit ihm lebt), so dass wir etwa beschließen könnten, dass wir (als Gruppe) so nicht weiterleben wollen würden. Beschlüsse werden auf einer Vollersammlung (100 Leute) gefasst und da sich hier niemand weiter belästigt fühlt, ist es unwahrscheinlich, dass er rausfliegt. (Rausfliegen ist hier überhaupt sehr schwierig... da das allgemeine Helfersyndrom in solchen Fällen ausbricht) Ich bin Heimsprecherin ( und gleichzeitig Kind eines Alkoholikervaters) und würde den Leuten gerne vermitteln was wir tun können und was wir auf jeden Fall lassen sollten ( und auf der anderen Seite will ich gar nichts mit dem Thema zu tun haben ) Ich weiß nicht was ich in der Rolle der Heimsprecherin sagen soll. Und ich weiß nicht wie ich mich als Alkoholikerkind abgrenzen kann. Zusätzlich stecke ich in der Geschichte mit drin, da xy (der der trinkt) + seine Freundin sich mich als Person des Vertrauens auserkoren haben. Rollendiskrepanz nennt man das wohl? Oder verlagertes Helfersyndrom? Egal. Mein Problem momentan ist, dass ich nicht weiß was ich tun soll.

Forums-Gruftie 609 Germany W, 54

Hallo Lebenslied,

so wie sich das Problem für mich darstellt, wird es wohl kaum möglich sein, diesen Mitbewohner aus dem Wohnheim auszuschließen. Da du ziemlich genau weißt, was zu tun und zu lassen ist, wäre vielleicht ein aufklärendes Gespräch mit den anderen Bewohnern sinnvoll. Erklär ihnen, dass gutes Zureden keinen Sinn hat. Dieser Mensch muss erst so tief unten sein, dass er selbst erkennt, dass es so nicht weitergehen kann. Ein Alkoholiker, der selbst noch abstreitet, einer zu sein, wird sich nicht helfen lassen.

Sprich vor allem mit seiner Freundin, rede Klartext, so dass sie der Realität ins Auge sieht, auch wenn's hart ist. Auch sie wird einsehen müssen, dass sie nichts tun kann. Ein Alkoholiker, der nicht einsieht, dass er krank ist und etwas ändern muss, wird alles in den Wind schlagen. Wirklich helfen kann ein Entzug, aber nur dann, wenn der Betroffene es selbst will.

Auch wenn du Heimsprecherin bist, bist du nicht für die Bewohner verantwortlich. Das muss dir klar sein, sonst wird es schwer sein, dich abzugrenzen.

LIebe Grüße
Nessa

Helferlein 118 DE , DO :-) M, 35

Ich würde überhaubt (persönlich) nichts (emotionales) investieren, sprich :Der kann mich mal.
Hatte selber auch so nen halb betroffenen Vater (+ Schwager), und weiß daher: Jegliche Zuwendung, jegliches Leiden (meinerseits), jegliche Hilfe ist vergebens !
Die anderen die sich um ihn kümmern mußt du sicher auch nicht schützen.
Lass sie diese Erfahrung(en) doch selber machen, erwachsene Menschen merken sowas oft schon ziemlich schnell, dass nix fruchtet. Rolling Eyes

In deiner Rolle als Ansprechpartnerin würde ich so oberflächlich (emotional) wie möglich/nötig sein.
Eben weil du nicht mehr in alte Rollen verfallen willst (Vater), mußt du dich schützen.
Soll er sich ne(n) andere(n) doofen suchen.
Basta.

sporadischer Gast 8 Deutschland W, 31

Vielen Dank für Eure Beiträge. Ich weiß eigentlich rein rational, dass es vergeblich Liebesmüh ist etwas verändern zu wollen, aber das muss sich noch bei mir festsetzen Sad

Wir haben ihm nun ein Notzimmer (Notzimmer sind 15 qm kleine Zimmer, die für 3 Monate vergeben werden können für derartige Anlässe) gegeben um seine Freundin zu entlasten, die gerade recht weit unten ist. Sie möchte nun klarstellen, dass sie in ihrer Umgebung keinen Tropfen Alkohol haben möchte, wenn er aber dennoch trinken möchte (wovon ich ausgehe), ist das Notzimmer die alternative Wohngelegenheit für ihn. Ich weiß nicht was das für eine Lösung ist und wohin sie uns führt. Irgendwie habe ich so ne Ahnung, dass durch diese Maßnahme (das evtl. Leben im Notzimmer+ den evtl. Missbrauch des Notzimmers als private Cocktailbar ) nun auch andere Leute mit von der Sache belästigt werden. Mir fiel aber nichts anderes ein.

Quote:

Auch wenn du Heimsprecherin bist, bist du nicht für die Bewohner verantwortlich. Das muss dir klar sein, sonst wird es schwer sein, dich abzugrenzen.

Bingo! aber ich kann mir nur sehr schwer ansehen, wie seine Freundin durch seine Sauferei zu Grunde geht... und da sie bei mir war und ich als Heimsprecherin in diesem Falle in der Lage bin Maßnahmen einzuleiten, konnte ich mich da nicht raushalten....

Quote:

In deiner Rolle als Ansprechpartnerin würde ich so oberflächlich (emotional) wie möglich/nötig sein.

Oberflächlichkeit bei diesem Thema ist zwar ein gutes Ziel, aber emotional für mich kaum ausführbar. Momentan laufen lauter bekannte Situationen vor meiner Nase ab und das berührt mich ganz automatisch.

Danke und viele Liebe Grüße Lebenslied

Helferlein 83 München W, 28

Hallo Lebenslied,
schön, dass Ihr Euch so viele Gedanken macht. Das ist in unserer Zeit häufig nicht der Fall.
Aber Alkoholismus ist wie viele andere derartige Störungen sehr schwierig anzugehen. Wenn Ihr so viel Zeit investieren wollt, könntet Ihr bei einer Beratungsstelle anfragen, welches Vorgehen sie empfehlen würden.

Oder Ihr tragt Infos zusammen zum Alkoholismus und schreibt ihm einen Brief, in dem Ihr versucht, ihm Eure Bedenken aufzuzeigen. Ihr müsstet den Mittelweg zwischen Konsequenz und Hilfsbereitschaft zeigen, was sicherlich sehr schwierig ist. Aber einfach wegsehen halte ich auch für falsch.

Auf jeden Fall sollte er sich nicht stigmatisiert und bevormundet vorkommen. Ach, es ist echt schwierig. Möglicherweise findet jemand den Zugang zu ihm und findet den Grund seiner Probleme heraus?

Ich wünsche Euch alles Gute,
wieselchen

sporadischer Gast 8 Deutschland W, 31

Hallo Wieselchen,
ja, vielleicht ist es keine schlechte Idee mal jemanden von der Drogenberatungsstelle einzuladen, der uns auf der Vollversammlung unsere falsche Hilfsbereitschaft ausredet?! Mal schauen ob sich von denen jemand bereit erklären würde. Ich ruf mal an.
lg

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