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Jeannie
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Post Thu, 29.Jul.04, 17:48      Einstellung zu Psychotherapie Reply with quoteBack to top

mag sein, das ist ein sehr heißes thema - gerade in einem forum wie diesem - aber es liegt mir schon so lange am herzen, dass ich es einfach einmal ausformulieren möchte. es ist nicht als kritik an psychotherapie gemeint, denn ich halte viel davon. aber es ist auch nicht ein bekenntnis dahingehend, alle menschen, die als therapeuten tätig sind, für unfehlbare heiler oder wegbegleiter zu halten.
mir liegt wirklich viel an diesem thema und ich möchte weder jemanden damit provozieren noch sonstwie ungut damit wirken. es ist einfach eine diskussionsgrundlage, die mich beschäftigt. wenn niemand drauf einsteigen möchte - auch gut. ich wollte es mir nur einmal von der seele schreiben.
ich lese hier viele beiträge von menschen ganz unterschiedlichen alters (damit hat's nichts zu tun), die eine therapie an der person des therapeuten fest machen. d.h. therapie = was mir hilft = diese person. und werden dazu auch noch in den meisten fällen von anderen ermutigt (....wenn's dir schlecht damit geht, sprich es an, bleib dran, alles andere wäre abwehr usw. usw.....) als wäre alles, was man in therapien als unangenehm empfindet, unabdingbare folge des heilungsprozesses.

so sehe ich das aber gar nicht. ich sage keinesfalls, dass es nicht auch unangenehme und äußerst deprimierende erkenntnisse in einer therapie geben kann. man ist ja schließlich dazu dort, um tiefergehende probleme zu lösen. aber wenn ich mich in konflikte mit der person des therapeuten verstricke, auf die dieser auch noch ohne wohlwollen reagiert - dann ist für mich der zeitpunkt gekommen, um zu gehen.

gute therapie ist für mich, verstanden zu werden und so weit mit mir mitgehen zu können, um daraus hilfe zu finden. sicherlich nicht, etwaige urteile der therapeuten einstecken zu müssen, weil die andere vorstellungen von einem guten leben haben wie ich - und nicht verstehen können, warum ich sie nicht verwirklichen kann. das hilft mir genau null.

alles, was ich mir von einer therapie erwarte, ist, dass dieser mensch, der mir gegenüber sitzt, versteht, warum ich nicht anders kann als ich tue. und mir dann dabei hilft, es für mich selbst besser zu machen.

das wird er aber nur können, wenn er mich total respektiert, wie ich bin. denn anders kann ich ja nicht sein....

aber oft habe ich den eindruck, dass hier so eine art "autoritätsgläubigkeit" abläuft - "er wird schon wissen, was für mich gut ist". und das finde ich fatal. damit wird viel eigenständigkeit an einfach eine neue person im leben abgegeben, die sagen soll, wo's lang geht. aber das KANN sie nicht für einen selbst.

lg
jeannie
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vilareal
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Post Thu, 29.Jul.04, 18:43      Re: Einstellung zu Psychotherapie Reply with quoteBack to top

Liebe Jeannie!

Was du da schreibst halte ich für sehr interessant. Und auch für ein schwieriges Thema.

Quote:

das wird er aber nur können, wenn er mich total respektiert, wie ich bin. denn anders kann ich ja nicht sein....

aber oft habe ich den eindruck, dass hier so eine art "autoritätsgläubigkeit" abläuft - "er wird schon wissen, was für mich gut ist". und das finde ich fatal. damit wird viel eigenständigkeit an einfach eine neue person im leben abgegeben, die sagen soll, wo's lang geht. aber das KANN sie nicht für einen selbst.


Das halte ich für sehr, sehr richtig. Das ist doch eine Art "Forderung nach Gleichberechtigung zwischen Therapeuten und Patienten", oder (im ganz weitesten Sinn)? Diese ist tatsächlich wichtig. In bestimmten Konstellationen.

Ich glaube aber, dass man auch hier wieder sehr hinsichtlich der Symptomatik und der Art der Störung unterscheiden muss.

Nehmen wir das Beispiel Depression. Das kann jeden betreffen. Sie tritt irgendwann auf und vergeht irgendwann wieder. Wenn man sie behandelt vergeht sie (hoffentlich) schneller. In diesem Fall ist der Therapeut schlicht Begleiter der aufgrund seiner Ausbildung zur Verbesserung des Zustands beitragen kann.

Es gibt aber auch Störungen (und ich spreche aus eigener Erfahrung) die sich von früher Kindheit bis tief in das Erwachsenenleben hineinziehen. Ich denke an Persönlichkeitsstörungen (damit kenne ich mich aus eigener leidvoller Erfahrung ein wenig aus). Bei solchen Problemen geht es meines Erachtens schon auch um eine Art "Erziehung". Dazu ist nicht umbedingt Autoritätsgläubigkeit notwendig. Aber schon sowas wie Vertrauen in einen Lehrer.

Weisst du, ich habe im Rahmen meiner stationären Aufenthalte Menschen kennengelernt, für die eine Messerstecherei praktisch zur alltäglichen Kommunikation gehört. In so einem Fall macht es wenig Sinn sich gegenüberzusetzten und zu sagen "Ich verstehe schon, dass du nicht anders kannst".

Das mag ein extremes Beispiel sein. Aber ich finde dass es zeigt, dass auch hier nicht eindeutig geantwortet werden kann.

Für meine Art von Problematik ist es unerlässlich, dass der Therapeut eine gewisse Autorität hat. Keine uneingeschränkte. Aber er muss derjenige sein, der mir lernt was gut ist und was nicht. Wenn ich so einen Therapeuten nicht gehabt hätte würde ich heute nicht vor dem PC sitzen und solche Beiträge schreiben können.

lg,
v.
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Helene T.
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Post Thu, 29.Jul.04, 19:04      Re: Einstellung zu Psychotherapie Reply with quoteBack to top

Hi!

Ich habe diese "Diskussion", es war eigentlich ein Vorwurf meinerseits, vor sehr vielen Jahren auch schon mal mit dem Dr. Pernhaupt geführt, der den "Grünen Kreis" für Drogensüchtige gegründet hat. Ich fand das Konzept mit den starken Hierarchien einfach schrecklich!
Und damals hat er mir klipp und klar erklärt, nicht ganz wörtlich, aber wer seinen Tonfall noch im Kopf hat...: Schau Mädchen, du hast Menschen gehabt, die dir als Kind erklärt haben was richtig und was falsch ist. Du hast gelernt, dass das was du tust auch Konsequenzen für andere Menschen hat und hast gelernt damit umzugehen. Du bist ein glückliches Mädl! Andere sind nicht so glücklich, die müssen es erst lernen, egal wie alt sie jetzt sind!
Und jetzt bin ich traurig, weil es mir hochkommt, dass er nicht mehr lebt. Er fehlt mir.

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Liebe Grüße aus Wien,
Helene
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Annemarie
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Post Thu, 29.Jul.04, 19:15      Re: Einstellung zu Psychotherapie Reply with quoteBack to top

Anm.: Da keine konkreten Beispiele angeführt sind, dieses Thema also zur allgemeinen Diskussion in den Raum gestellt wurde, habe ich es in die Plauderecke verschoben.

Liebe Jeannie,

ich glaube, ich verstehe, was Du sagen willst.

Aber genau so allgemein möchte ich sagen, daß es in meiner Verantwortung liegt, den für mich richtigen Therapeuten zu finden. So, wie ich hier schon oft gelesen habe: Die Chemie muß stimmen Smile

Nach meinen eigenen Erfahrungen kann ich so rückblickend nur staunen, wie zu jeder Zeit der für mich richtige Mensch da war.

Der erste Therapeut hat mir geholfen, das kleine "Lichtlein" in mir wieder zu finden. Er war sehr liebe- und verständnisvoll, aber auch sehr autoritär. Zu dieser Zeit war es, glaube ich, aber auch für mich sehr wichtig.

Dann kam die Therapeutin. Wow! ... das Leben wurde wieder zu spüren. Ich konnte mich selbst wieder entdecken. Vieles wurde wieder leichter und klarer. Autoritär? ... Manchmal sagte sie: "Und das verbiete ich Ihnen ...!
Embarassed Ich mußte da jedesmal herzlich lachen. Da sitze ich (damals) 40jährige Frau und mein gegenüber verbietet mir was mit ernstem, strengen Ton .. Laughing War köstlich. Gehalten habe ich mich trotzdem dran Smile
Naja ... wir sehen uns nun noch alle 2 Monate, obwohl ich das Gefühl habe, diese Zeit ist um ...

Nun bin ich bei einem Therapeuten, der mir das gibt, was ich gerade jetzt brauche. Ich darf genau so sein, wie ich bin. Da gibt´s nur reden, Zusammenhänge erklären, aber kein Werten. Kein Druck, kein Zwang.

So gesehen, liebe Jeannie, denke ich schon, daß es u. a. die Person ist, die mir hilft. Deshalb wende ich mich ja an eine solche, weil ... ansonsten würde es ja vielleicht reichen, in mein Tagebuch zu schreiben, etc. So sehe ich das zumindest.

Jeannie wrote:
aber oft habe ich den eindruck, dass hier so eine art "autoritätsgläubigkeit" abläuft - "er wird schon wissen, was für mich gut ist".


Manchmal ist es aber auch so. Draufkommen kann ich aber nur, wenn ich mich mal darauf einlasse und dann entscheide .... am Ende liegt es dann sowieso bei mir, was ich wie draus mache.

Alles Gute, Jeannie und liebe Grüße,

Annemarie

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vilareal
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Post Thu, 29.Jul.04, 19:32      Re: Einstellung zu Psychotherapie Reply with quoteBack to top

@Annemarie

Du bringst das wieder mal perfekt auf den Punkt. Es muss sich jeder seinen Therapeuten suchen. Und das kann dann Autoriät bedeuten, Begleitung, vielleicht sogar Bevormundung (weiss nicht, vielleicht auch das). Wichtig ist, dass man seines findet. Eben das, was einen weiterbringen kann.

Dumm ist nur, wenn man nicht mehr in der Lage ist, sich das zu suchen. Das gibts nämlich auch. Dann wirds sehr, sehr problematisch. Aber das ist ein anderes Thema.
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Jelka
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Post Thu, 29.Jul.04, 19:34      Re: Einstellung zu Psychotherapie Reply with quoteBack to top

Mir fällt dazu mein Therapeut aus der Klinik ein. Der hat gesagt, es sei eigentlich völlig egal, worüber wir reden, wichtig sei nur die Beziehung zwischen uns.

So wie ich das verstanden habe, ist es in meiner Therapie wichtig, dass ich gewisse Eltern-Kind-Erfahrungen, die mir fehlen, in der Therapie über den Therapeuten "nachhole".

Insofern ist es da schon wichtig, dass ich Probleme, die ich in dieser Beziehung habe, erzähle, damit wir dann gemeinsam damit umgehen können. Nur so kann ich lernen. Für mich gehört es dann auch dazu, dass ich Eigenständigkeit abgebe, damit ich sie anschließend wirklich erlernen kann. Es gehört auch dazu, dass ich zwischendurch abhängig von ihm bin, damit ich mich dann abnabeln kann. Dazu gehört auch, dass wir Konflikte miteinander austragen.

Ich denke, vilareal hat es schon ganz gut erklärt, es kommt vermutlich auf das Problem an, wie mit der Therapeuten-Patienten-Beziehung umzugehen ist.
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Sidney
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Post Thu, 29.Jul.04, 20:00      Re: Einstellung zu Psychotherapie Reply with quoteBack to top

Hallo Jeannie,

Ich finds auch toll, dass du das Thema ansprichst. Und du schreibst mir quasi von der Seele...

Zuerst möcht ich sagen, ich hab nichts gegen Therapie, egal welcher art. Mach ja selber eine, welche aber nicht sehr gut läuft...

Quote:
aber es ist auch nicht ein bekenntnis dahingehend, alle menschen, die als therapeuten tätig sind, für unfehlbare heiler oder wegbegleiter zu halten.

Da haste recht. Da hab ich auch schon die Erfahrung gemacht, das manche Therapeuten denken, sie seien perfekt, unfehlbar etc. Und manchmal, sorry dass ich dass so sagen muss, haben manche Therapeuten ein grösseres Problem als ihre Patienten. Klar, hat jeder seine Probleme auch Therapeuten. Aber ich finde es schlimm, wenn ein Therapeut von sich denkt, er sei fehlerlos, und dies dann auch noch voller stoltz 'präsentiert'

Was ich auch schlimm finde, sind solche, die ihren Klienten sachen einreden, bis der Klient die eingeredeten Dinge auch noch glaubt, und somit noch tiefer sinkt. -Ein Therapeut ist doch dafür da um zu helfen, um einem aus der Sch**** zu helfen. Und nicht um einem da noch tiefer reinzureiten. Und von da finde ich, sollte man die Therapie abbrechen, oder sich einen neune Therapeuten suchen...

Und ein Therapeut sollte einem auch respekt entgegenbringen, und einem ernst nehmen. Weil wenn man da seine Sorgen von der Seele redet, und nicht ernst genommen wird, kommt man sich echt kacke vor. Als ich bei meinem Therapeuten über mein SvV sprach, nahm er das irgendwie gar nicht wahr, wollte nur die Wunden sehen, und wissen, womit ich das mache. Ich kam mir vor wie der letzte dreck.

Ich will meinen Therapeuten hier nicht schlecht darstellen. Und habe persönlich auch nichts gegen ihn. Aber ich fühl mich bei ihm einfach nicht wohl. Und das ist auch ein Grund. man sollte sich bei seinem Therapeuten wohl fühlen, und das wichtigste, man sollte sich selbst sein können.

LG, Sid
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ashira36
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Post Thu, 29.Jul.04, 20:03      Re: Einstellung zu Psychotherapie Reply with quoteBack to top

Hi Jeannie!

Hm, ist und bleibt wohl "dein Thema", was? Wir haben da ja an anderer Stelle schon drueber diskutiert.

Aber ich mag noch zwei Gedanken hinzufuegen:

Es ist voellig normal, dass andere Menschen in bestimmten Bereichen mehr wissen, mehr Erfahrung haben etc. Dass sie damit fuer mich zu einer Autoritaet werden koennen. Was nicht heisst, dass sie damit die Erlaubnis haben, autoritaer zu handeln. Autoritaet und autoritaer sind zwei Paar Stiefel. Anscheinend schwierig auseinanderzuhalten. Und es aendert nichts, absolut nichts an meinem Wert als Person, wenn ich das anerkenne.

Und das andere: hab grad den Artikel gelesen ueber Gehirnforschung, den Herr Fellner in nem anderen thread ("innere Bilder") erwaehnt.
Da heisst es:
Gerhard Roth wrote:
"(..) Blosse Appelle an die Einsicht bleiben wirkungslos, denn sie aktivieren allein die Netzwerke des bewusstseinsfaehigen cortico-hippocamplen Systems ... Dies bedeutet generell, dass Einsicht allein nicht zu einer Verhaltensaenderung fuehrt, und dass man sich ueber Einsicht nicht selbst therapieren kann.
Der Psychotherapeut hingegen kann (...) mithilfe der Erzeugung enes "emotionalen Aufruhrs" auf das Unbewusste des Patienten einwirken und damit Veraenderungen subcorticaler limbischer Zentren bewirken."
(die limbischen Zentren sind zustaendig fuer die Emotionen und unser Verhalten und besonders schwer veraenderbar.)

Nun, mancher "emotionale Aufruhr", den Therapeuten bewusst verursachen, wird anscheinend von dir sehr schnell vorverurteilt. So kommt es mir wenigstens vor.

Ich bin dankbar fuer die "emotionalen Aufruhre", die es in meiner Therapie gab, auch wenn sie manchmal heftig aufgestossen haben.

gruss ashira
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ashira36
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Post Thu, 29.Jul.04, 20:17      Re: Einstellung zu Psychotherapie Reply with quoteBack to top

Hi Sidney!

Wenn du dich nicht wohlfuehlst bei deinem Therapeuten, ist es wichtig zu klaeren, warum, und gegebenenfalls zu wechseln. Das spricht dir hier keiner ab.
Aber es ist auch einfach so, dass hier viele die Erfahrung gemacht haben, (und ich schliess mich da voll mit ein!!!), dass ein klaerendes Gespraech mit dem Therapeuten oder der Therapeutin oft nochmal ein ganz anderes Licht auf die Sache wirft.
Dein Therapeut ist ja bald vom Urlaub wieder da, schau es dir mit ihm an, und wenn es dich dann nicht befriedigt, dann denk an Wechsel - aber versuch es vorher anzusprechen - das bringt dich egal wie es ausgeht weiter.

alles gute

ashira
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Stöpsel2
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Post Thu, 29.Jul.04, 23:00      Re: Einstellung zu Psychotherapie Reply with quoteBack to top

Hallo Jeannie,

Quote:
....wenn's dir schlecht damit geht, sprich es an, bleib dran, alles andere wäre abwehr usw. usw.....


Etwas anzusprechen heißt ja, sagen womit es mir nicht gut geht und dann gemeinsam rausfinden, woran das liegt. Das "alles andere wäre abwehr" damit kann ich nichts anfangen, hab ich so auch noch nicht gehört, hört sich für mich eher negativ an, würde ich deshalb auch nicht sagen.
Etwas anzusprechen, womit man nicht klarkommt, was soll daran verkehrt sein? Jemand sagt etwas, meint es ganz anders, als es bei mir ankommt. Das kann tausend Gründe haben, einer davon ist, daß der Th. ein Idiot ist, aber wenn der Th. einem sympathisch ist, ist das doch eher unwahrscheinlich und na ja, man macht ja die Therapie, weil man selber Probleme hat, die Wkt., daß es an einem selbst liegt, ist da ja schon recht hoch. Und die Chance rauszufinden, daß es ein blödes anderes Mißverständnis ist, muß ich dem Therapeuten wie jedem anderen Menschen doch auch zugestehen. Aber das geht nur, indem ich es anspreche, nicht indem ich vorverurteile und mich zurückziehe.

Quote:
sicherlich nicht, etwaige urteile der therapeuten einstecken zu müssen, weil die andere vorstellungen von einem guten leben haben wie ich


Nee, aber das wird ein Therapeut auch nicht machen, Dir seine Vorstellungen vom guten Leben aufdrängen.
Mein Therapeut sagte neulich zu mir, ich solle nur das behalten was mir hilft und alles andere vergessen. Und tja, damit hab ich schon Schwierigkeiten...

Quote:
aber oft habe ich den eindruck, dass hier so eine art "autoritätsgläubigkeit" abläuft - "er wird schon wissen, was für mich gut ist".


Also, wenn Du unter Autoritätsgläubigkeit verstehst, daß man blind macht, was einem der Therapeut sagt, ohne eigenen Sinn und Verstand, kann ich Deine Kritik verstehen. Aber es ist zu Bedenken, daß er manches besser weiß aufgrund seiner Kompetenz (mag das Wort lieber als Autorität) und wenn Du die anzweifelst, mußt Du es ja nicht so machen, wie er das meint. Du kannst so lange stur bei Deiner Meinung bleiben, bis er Dich überzeugen kann oder bis Du Dir denkst, das bringt so nix und hörst lieber auf. Aber keiner kann Dich zwingen, eine Meinung anzunehmen, ein Verhalten zu zeigen, was Du nicht willst. Insofern ist der Begriff Autorität dann auch fragwürdig.

Na, ich bin ja selbst so mißtrauisch, hätte nicht gedacht, daß andere ähnlich drauf sind. Wink Ich hab in der Vergangenheit mit meinem Th. da auch arge Probleme gehabt und mich oft gefragt, warum ich mir das antue, kann mir gut vorstellen, daß es woanders nciht so krass ist. Na ja, ich weiß nicht, ob das jetzt vorbei ist, aber ich glaub schon, daß wir zusammen rauskriegen, woran das liegt. Ich tue mich z.B. schwer damit, daß mein Th. alles auf meine Vergangenheit schiebt, ich weiß, daß es AUCH daran liegt, aber ich will bei manchen Sachen nicht einsehen, daß das das einzige sein soll. Ich bin überzeugt, daß es AUCH an ihm liegt. Na ja, er hat dann angeboten, alles auf Video aufzunehmen und daß wir uns das gemeinsam ansehen (hat bisher noch nicht stattgefunden). Wahrheitsfindung Wink Jedenfalls kann ich nicht behaupten, daß er meine Eindrücke völlig abtut.

Viele Grüße
Stöpsel
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Jeannie
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Post Thu, 29.Jul.04, 23:43      Re: Einstellung zu Psychotherapie Reply with quoteBack to top

nun ja, es ist schon ein thema, das mich oft beschäftigt. gar nicht, weil ich selber so etwas schon öfter erlebt hätte (im grunde nie – dafür bin ich wohl nicht der typ), sondern weil ich nicht nur als betroffene, sondern auch als sehr interessierte zugang zu solchen themen suche.

prinzipiell glaube ich auch, dass vieles für klienten gut sein kann – etwas mehr führung oder doch in erster linie förderung des eigenen gespürs.
aber da gehört eines dazu: der therapeut muss gut sein und es muss für denjenigen passen, der sich an ihn wendet.

und genau das ist der punkt, über den ich reflektiere.
kennt ihr das milgram-experiment? „wissenschaftler“, die als autoritätspersonen auftraten, wiesen die versuchspersonen an, andere, die etwas lernen mussten bei fehlern mit stromstößen zu bestrafen. je mehr fehler, desto härter sollte die bestrafung sein. ab einem gewissen punkt wimmerten die lernenden und wanden sich vor schmerzen. aber die autoritätspersonen wiesen an, weiter zu machen (alles gestellt). und die versuchspersonen machten weiter – auch wenn an ihnen hautwiderstand und schweißabsonderung gemessen wurden und manche schon höllisch unter stress standen, weil ihnen das nicht behagte. die allerwenigsten standen auf und sagten, dass sie da nicht mehr mittun wollten.

das ist eigentlich der punkt, auf den ich hinaus will. nicht nur bei ärztlichen diagnosen (die oft genau so in frage zu stellen sind und man sich besser mehr meinungen dazu einholen sollte) sondern auch bei therapeutischen interventionen ist doch eine gewisse mündigkeit angebracht.
aber wenn ich dann von fast haarsträubenden verhaltensweisen lese und die klienten ohnehin schon vollends zweifel daran haben, lese ich hier immer wieder: besprich das doch mit deinem therapeuten, es wird sich schon klären… das kann ich einfach nicht nachvollziehen. was ist, wenn der therapeut seinen job einfach nicht gut macht? sind wird dann nicht so wie die versuchspersonen im milgram-experiment? es gibt gute therapeuten, keine frage, aber nicht nur - auch keine frage.
lg
jeannie
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Post Fri, 30.Jul.04, 9:36      Re: Einstellung zu Psychotherapie Reply with quoteBack to top

Jeannie wrote:
aber wenn ich dann von fast haarsträubenden verhaltensweisen lese und die klienten ohnehin schon vollends zweifel daran haben, lese ich hier immer wieder: besprich das doch mit deinem therapeuten, es wird sich schon klären… das kann ich einfach nicht nachvollziehen.


Wohin sonst? Ein Forum kann kein Therapiersatz sein. Ein Mensch der sowieso schon total verunsichert ist, wie soll der auch, wenn hier einige Meinungen auf ihn einprasseln - und einige davon sind genau so großer Quatsch wie das möglicherweise haarsträubende Verhalten - erkennen können, was für ihn das passende ist? Solche Themen hier zu "verhandeln" wird das Problem wohl eher vergrößern, keinesfalls lösen.
Ihn/sie zu den Eltern schicken? - Die sind wohl in vielen Fällen die Basis dieser Fehlverhalten.
Natürlich gibt es auch Idioten unter den Therapeuten. Aber ich kenne keinen, der einem Klienten willentlich Schaden zugefügt hat, denn das Milgram-Experiment kennt nun wirklich schon jeder. Natürlich gibt es auch Therapieschaden. Aber in den meisten Fällen klappt es und es ist sinnvoll einen orientierungslosen Menschen einfach zu sagen: besprich das mit deinem Therapeuten!

_________________
Liebe Grüße aus Wien,
Helene
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Post Fri, 30.Jul.04, 9:53      Re: Einstellung zu Psychotherapie Reply with quoteBack to top

ja, helene, du hast schon recht. so war das auch nicht gemeint. ich dachte dabei gar nicht an das gros der klienten, sondern an die fälle, wo es wirklich angebracht ist, mal kritischer zu reflektieren. ich kenne einfach ein paar geschichten, wo das in einen therapieschaden ausarten hätte können. das gibt's halt auch. und ich dachte, das muss man eben genau so sagen wie immer nur, es wird schon passen.
ich meine das als konstruktive kritik, nicht als böse an therapie, denn, wie gesagt, ich halte selber viel davon und bin froh, mir da hilfe holen zu können, wenn ich sie brauche.
es geht mir nicht um ein entweder-oder, sondern vielmehr um ein sowohl-als-auch. also darum - wie du geschrieben hast - dass es sehr wohl auch ein "paar idioten" (so hätte ich es grade nicht ausgedrückt) unter therapeuten gibt. es geht auch nicht darum, dass ein therapeut willentlich seinen klienten schaden zufügt, wahrscheinlich merken's die, die's tun, gar nicht, sondern darum, dass die richtung, die ein therapeut vorgibt, einfach die komplett falsche für einen selbst sein kann, dass er zu wenig verständnis aufbringen kann und dem klienten seine ansichten raufdrückt. und da fängt's für mich an, gefährlich zu werden. irgendwie sollte das doch auch im bewusstsein von klienten verankert sein - dass auch das möglich ist. es gibt so viele unkritische menschen, die alles schlucken (nur deshalb erwähnte ich das milgram-experiment - und das kennt nicht jeder, so ist das nicht).
lg
jeannie
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urmel
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Post Fri, 30.Jul.04, 10:04      Re: Einstellung zu Psychotherapie Reply with quoteBack to top

Hallo ihr lieben,

überlege gerade, ob ich hier meine grundsätzlichen gedanken zur therapie schreibe und merke, das geht gar nicht. als erste glaube ich, dass alle patienten letztendlich immer die experten für sich selbst sind. mir ist klar, dass unterschiedliche "krankheitsbilder" unterschiedliche starke interventionen erfordern. trotzdem glaube ich, dass es jedem menschen weitestgehend möglich ist, für sich zu entscheiden (auch wenn entscheidungen nicht immer nachvollziehbar sind), was er gerade zu welchem zeitpunkt braucht und tut.

ich selsbt wünsche mir in meiner therapie manches mal mehr autorität und merke gleichzeitig beim kleinsten hinweis darauf, dass ich mich dann wieder zurückziehe, arme therapeutin Sad .

auf dem "therapeuten-markt" gibt es ebenso schwarze schafe wie in jedem anderen bereich, in dem menschen tätig sind. das fatal daran ist, dass die konsequenzen für die betroffenen patienten/klienten oftmals sehr gravierend sind und deren notlagen ausgenutzt und im schlimmsten fall noch verstärkt werden. und dann finden sich im therapeutenkreis selten kollegen, die solchen missbräuchen öffentlich und massiv entgegen treten. hier gibt es wohl noch viel zu tun.

wünsche euch allen vertrauensvolle beziehungen zu euren therapeuten und einen verantwortlichen umgang von deren seite

ein lieber gruß
urmel

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weil du mir zeit und stille schenkst,
wenn ich leer und ausgebrannt bin
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Jeannie
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Post Fri, 30.Jul.04, 10:34      Re: Einstellung zu Psychotherapie Reply with quoteBack to top

hallo urmel,
ich finde deinen beitrag sehr zutreffend. denn genau das ist es, was ich im grunde sagen wollte. schwarze schafe gibt's eben überall und das sollte man einfach (auch) bei einer therapie einbeziehen. das macht zwar alles ein wenige komplizierter, weil man sich nicht blind darauf verlassen kann, aber gerade das zu wissen, finde ich gut und realistisch.

und ich meine, das wissen nicht alle. eben weil die folgen für den betreffenden sehr dramatisch sein können, sollte man es aber wissen.
es gehört zum leben, dinge auch in frage zu stellen, selbst wenn sie von einem "experten" kommen. ich habe das mein leben lang getan und empfinde es als ganz normal. ich weiß, dass ich nicht automatisch unrecht habe, nur weil ich keine expertin bin. aber für mich selbst bin ich sie. und darin werde ich in meiner therapie derzeit sehr bestärkt, was ich unheimlich gut finde.

lg
jeannie
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