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Muriella
sporadischer Gast
11
Norddeutschland W, 31
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Sat, 17.Jul.04, 23:48 Interessen sind futsch |
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Hallo,
ich bin seit fast einem Jahr wegen einer Angststörung bzw. Panikattacken in Behandlung und mache ziemlich gute Fortschritte. Was mich aber zurzeit gerade ziemlich nervt, ist die Tatsache, dass ich kaum weiß, was mich interessiert.
Die Störung brach vor ca. 2 Jahren aus, als ich während meiner Ausbildung an sehr autoritäre Vorgesetzte geriet, was - zusammen mit einer kaum bewältigbaren Menge an Arbeit und Stress - plötzlich Erinnerungen aus meiner Vergangenheit wieder wachrief. Es ging mir sehr schlecht, ich habe insbesondere während der Endprüfungsphase eine Panikattacke nach der anderen gehabt und zeitweise sogar Suizidgedanken gehabt bzw. Gedanken, die leider sehr viel mit Selbsthass zu tun haben. Insgesamt habe ich, fürchte ich, mehr Zeit mit Angsthaben verbracht als mit Dazulernen in Bezug auf meine Arbeit, und bin im zweiten Jahr in meiner kleinen Wohnung regelrecht versumpft, weil ich den Haushalt nicht mehr auf die Reihe kriegte. Dabei handelte es sich eigentlich um eine Ausbildung in meinem Traumberuf, für den ich in Praktika vorher auch immer Talent gezeigt habe und der auch im Nachhinein das Richtige für mich ist.
Ich hatte diese 2 Jahre über kaum Zeit, meinen Interessen nachzugehen, und jetzt stelle ich fest, dass sie fast vollends verschwunden sind. Die Ausbildung allein kann nicht der Auslöser sein, denn bereits während des Studiums davor war ich während der letzten paar Semester von zunehmender Langeweile geplagt: Ich war einsam und hatte irgendwann einfach keine Lust mehr, alles alleine zu machen - Kino, Theater, Malen usw. Seit ich meine Abschlussprüfung vor einem Dreivierteljahr mit Ach und Krach geschafft habe und dabei bin, mich wieder zu "aufzurappeln", stehe ich oft vor einem großen Loch in meinem Innern.
Ich erinnere mich, dass ich während der Ausbildung diese innere Leere bereits massiv versucht habe mit Essen zu füllen - ich wollte körperlich angefüllt sein, um mich nicht so leer zu fühlen. Als mir dieser Mechanismus auffiel, habe ich mehr aufs Essen geachtet, und seit einiger Zeit ist es fast wieder normal geworden. Nun habe ich aber mehrere Wochen lang Urlaub und langweile mich ganz furchtbar; ich habe auch wieder - in Maßen - begonnen, aus Langeweile zu essen; ich halte mich da aber vorerst nur an Obst, das klappt schon.
Mein Freund, mir dem ich zusammenwohne, und ich unternehmen zwar schon so einiges, und ich gehe auch mal allein weg, was ich inzwischen sogar mal ganz nett finde, aber es begeistert mich kaum etwas - wenn es doch mal passiert, dann ist es ein kurzes Aufflackern und dann wieder weg. Das passt gar nicht zu mir, denn eigentlich bin ich ein sehr treuer, beständiger Mensch, der nicht zu "halben Sachen" neigt. Ich fühle mich auch oft wie ein fünftes Rad am Wagen - ein altes Problem - und finde Leute oft ganz nett, aber es ist eigentlich selten so, dass ich das Gefühl habe, jemanden wirklich gerne kennen lernen zu wollen - letzteres ist auch eher untypisch für mich.
Ich habe meinem Therapeuten vor einiger Zeit mal davon erzählt, und er meinte, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Interessen wiederkommen - das mag sein, aber ich finde die Langeweile jetzt im Moment gerade sehr belastend, und ich habe für einige Wochen keine Therapie.
Ich habe versucht herauszufinden, was ich mag - alte Platten angehört zum Beispiel, oder letztens bin ich in eine Bibliothek gegangen und habe bewusst meine "inneren Antennen" ausgerichtet. Ich kenne es aus der Vergangenheit so, dass mir dann, wenn ich zwischen den Regalen durchgehe, plötzlich etwas - ping! - ins Auge springt, das mich interessiert. So etwas passiert überhaupt nicht mehr, oder ich schlage ein Buch auf, beginne zu lesen, und nach ein paar Absätzen hab ich schon keine Lust mehr. Ganz schön ätzend, denn ich möchte meinen Freund als "Entertainer" auch nicht überbelasten.
Hat vielleicht jemand ähnliche Erfahrungen gemacht und/oder evtl. einen Tipp, wie ich mir da helfen kann...?
Muriella.
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Ninchen1983
sporadischer Gast
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5737 Menziken W, 20
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Fri, 06.Aug.04, 14:04 Re: Interessen sind futsch |
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Liebe Muriella,
ich kenne diese Lustlosigkeit nur zu gut. Mein Tipp an dich ist etwas völlig verrücktes oder spontanes zu tun. Hat dein Freund auch Ferien? Hast du genug Geld um in die Ferien zu fahren?
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Muriella
sporadischer Gast
11
Norddeutschland W, 31
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Mon, 09.Aug.04, 8:54 Re: Interessen sind futsch |
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Hallo,
ja, ich bin mit meinem Freund die letzten 14 Tage im Urlaub gewesen. Es war schön, und ein paar Dinge sind mir schon aufgefallen, die ich mag - Wir sind am Mittelmeer gewandert, ich mag es, in glasgrünem Wasser zu schwimmen (Wer mag das nicht? ), und anscheinend gefällt mir vieles, was mit Natur zu tun hat bzw. die Sinne anspricht - Streicheltiere zum Beispiel, oder Gewürze und Farben - ich hab vor ein paar Tagen hingebungsvoll für einen Bekannten die Wohnung gestrichen . Kunst mag ich auch, aber da merke ich, dass sich die Richtung geändert hat - ich mochte mal Jugendstil bzw. Art Deco sehr, aber heute find ich diese Stilrichtungen eher langweilig, und ich hab noch keinen Ersatz gefunden.
Was Verrücktes bzw. Spontanes - mach ich eigentlich oft. Beziehungsweise hab ich oft Ideen für sowas, aber die Vernunft schleicht sich schnell wieder dazwischen und verbietet es mir bzw. diskutiert so lange, bis ich keine Lust mehr drauf habe
Ich habe das zwar erkannt und versuche die Vernunft bzw. das schlechte Gewissen in seine Schranken zu weisen, wenn das nötig ist, aber das ist wohl etwas, was erst nach längerer Zeit wirklich funktioniert... *seufz*
Muriella.
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Muriella
sporadischer Gast
11
Norddeutschland W, 31
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Wed, 25.Aug.04, 14:51 Re: Interessen sind futsch |
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Hallo,
heute hatte ich eine Therapiesitzung, in der wir auch mal wieder über dieses Interessenproblem sprachen; dabei meinte mein Therapeut, dass es u.a. damit zusammenhängt, dass ich mich immer wieder "verliere": in Wut über etwas, sodass ich letzten Endes vor lauter (berechtigten!) Anschuldigungen und einem umfassenden Wutgefühl kaum mehr einen wirklichen Adressaten oder EINEN klaren Grund für die Wut nennen kann; manchmal beim Reden, indem ich mich oft in Details verliere, bis ich überlegen muss, was ich denn sagen wollte; bei Entscheidungen über die Gestaltung des Abends (Kino oder Essen gehen oder eine Freundin anrufen oder in die Badewanne gehen oder lesen oder mit meinem Freund Rommé spielen oder oder oder..., ohne dass ich zu irgendwas richtig viel Lust habe.
Er meinte, dass ich mich anscheinend oft "nicht richtig spüren" kann - was so an Reizen von außen oder an Ideen von mir selbst kommt, bleibt wie in einer Art Watteschicht um mein Inneres stecken, wenn man das bildlich beschreiben will...hm... Da hat er schon eindeutig Recht, aber...
Vielleicht kann ich ja in ein paar Tagen ja schon etwas mehr damit anfangen, aber im Moment bin ich doch etwas ratlos:
Wie "spürt" man sich denn selbst? Oder wie kann man das lernen (mal abgesehen davon., dass man sich selber immer wieder signalisiert, dass man wirklich alles tun darf, was man möchte, und dass jeder Wunsch okay ist)...? *kopfkratz* *grübel*
Für Anregungen oder Erfahrungen wäre
Muriella
dankbar...
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Nachtfalke
Helferlein
138
Wien M, 40
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Fri, 27.Aug.04, 1:01 Re: Interessen sind futsch |
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Hallo Muriella,
ich kenne das Gefühl sich selbst nicht zu spüren. Es ist Teil einer Depression. Aber ich glaube du bist am richtigen Weg. Das Mittelmeer, Streichelzoo, Natur alles Dinge die Dich ansprechen, auch in der Therapie arbeitest Du gut mit. Was Du brauchst ist noch etwas Geduld, Du wirst Dich wieder spüren wenn Du Dein Selbstwertgefühl steigerst und Dich gegenüber der Umwelt mehr öffnest. Dann spürst Du auch wieder Deine Wünsche und Bedürfnisse und setzt Dich dafür ein.
Versuche Dich dafür zu interessieren, wie es Deinen Mitmenschen geht und was so in der Welt los ist. Mach auch das eine oder ander Hobby wieder, auch wenn es Dich anfangs langweilt, denn die Freude kommt erst mit der Zeit wieder. Wenn Du spontan auf etwas Lust hast, mach es gleich und finde keine Ausreden, warum es nicht geht. Das sind kleine Feuer, die Du zum Lodern bringen musst. Die Menschen verändern sich auch Du, vielleicht hast Du auch neue Interessen.
Einmal nichts zu tun ist auch okay, das brauchst Du um Dich mental zu entspannen und die depressiven Gedanken loszulassen.
Je mehr sich die Depression lichtet, desto mehr spürst Du Dich wieder.
Servus
Nachtfalke
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sonnenkind
Helferlein
70
Bayern W, 28
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Fri, 27.Aug.04, 12:31 Re: Interessen sind futsch |
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Hallo!
Was bedeutet das, sich selbst nicht zu spüren?
Momentan ist es bei mir auch so, daß ich eigentlich auf Nichts richtig Lust habe bzw. muß ich mich für fast alle Dinge "aufraffen", sonst sitz ich lieber blöd rum oder ich lasse meine Zeit verplanen.
Wenn mich jemand fragt, ob ich dies oder jenes mitmache, dann bin ich fast immer dabei, aber von selbst mache ich ziemlich wenig.
Mein Problem liegt wohl auch darin, daß ich immer zu sehr auf die anderen Menschen fixiert bin und selber nicht weiß, was mir wirklich gefällt. Ich denke mir so oft, daß mich nur eine wirklich glückliche Beziehung erfüllen würde, aber ist dieser Gedanke nicht auch wieder Blödsinn?
Es heißt doch immer so schön, daß man nur lieben kann, wenn man sich selber liebt!?
Ich weiß nicht, ob ich das dann jemals schaffe???
Sonnenkind
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