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Schnuppe
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Post Thu, 01.Jul.04, 22:52      Therapie - Preis zu hoch? Reply with quoteBack to top

Ich hadere gerade mit meiner Therapie. Abgeschlossen, mir geht es gut. Ich habe keine Albträume mehr, will mich nicht mehr umbringen, weine nicht mehr stundenlang am Tag, keine Flashbacks und kann abends wieder ausgehen. Ich fühle wieder. Lachen, Liebe Freude, Traurigkeit, Wut - alles was dazu gehört.
Und ich habe erkannt das ich keinen Zugang zu meinen Eltern finden werde, nie einen hatte.Hasse mich nicht mehr so abgrundtief weil ich es nicht schaffe so liebenswert zu sein das meine Eltern mich auch lieben. Erkenne das es nicht meine Schuld war das ich ihnen nie genügte.

Ich hab meine Grossfamilie idealisiert, meinen Grossvater der die Finger nicht von mir lassen konnte meine Eltern denen es egal war ob ich mich jede Nacht in den Schlaf weinte wegen des Missbrauchs im Wald durch einen Fremden. "Ja wir haben gemerkt das es Dir schlecht ging, aber wir haben beschlossen das Du keine Hilfe brauchst, das gibt sich ja wieder" (waren ihre Worte als ich sie letztes Jahr drauf ansprach). Tiefschläge, Sie verletzen mich noch immer. Sie haben beschlossen, nicht mit mir darüber zu reden. Sie haben beschlossen das ich das alleine schaffe. Sie haben beschlossen das ich zur Polizei gehe und ihn anzeige. Sie haben beschlossen das es so banal ist das ich keine Hilfe brauche. Sie haben entschieden was gut für mich ist... Und was ist mit mir?

Als es mir noch schlecht ging, da hatte ich zumindest noch eine Familie. Ich habe mich zwar nicht aufgehoben gefühlt, weder be/geschützt noch geborgen, aber ich wusste ja auch nicht warum und ich konnte meinen Eltern wenigstens belanglose Sachen erzählen, mit ihnen reden...
Jetzt kann ich nicht mal mehr das, jetzt weiss ich ja warum ich mich immer so einsam fühlte warum ich soviele verrückte Sachen machte (über die Dachschrägen der Hochhäuser laufen immer am Abgrund, durch einen See schwimmen obwohl ich es gerade erst vor 3 wochen gelernt hatte und die Strecke viel zu weit war, durch die Abwasserkanäle klettern...), ich wollte eine emotionale Reakt. Ich wollte Ihnen nicht egal sein. Nicht vergeblich warten das sie zu einer meiner Wettkämpfe kämen. Entäuschung, Traurigkeit, Wut und ihre Entrüstung als ich mich doch tatsache einmal traute zu fragen warum sie nicht gekommen waren, obwohl ich sie gebeten habe "Was denkst du Dir? Wir mussten doch die Suppe zum Mittag machen"

Familie? Was ist das? Lieblosigkeit und emotionale Vernachlässigung kann keine Therapie je heilen. Keine Therapie kann mir eine Famile geben die ich mir so sehr wünsche. Keine Therapie kann dieses Loch in meinem Herzen stopfen das so sehr weh tut. Sie hat mir die Augen geöffnet und ja, dadurch geht es mir besser, bin egoistischer geworden, kann mich abgrenzen und selber schützen, vor meinem Grossvater aber auch vor meinen Eltern. Ich habe erkannt wie sie wirklich sind, habe sie durch die Therapie völlig verloren. Sie hat mir mein Idealbild, kaputt gemacht, diese Seifenblase die ich um mich herum aufgebaut hatte, weil die Realität zu schrecklich war, jetzt habe ich nicht einmal mehr das. Ich hasse meine Eltern kaum noch für das was sie mir angetan haben, sie sind mir fast egal geworden und ich weiss nicht was schlimmer ist. Ich empfinde nichts für sie. Würden sie sterben, ich wäre kurz traurig und dann erleichtert, das ich nicht mehr mit ihnen reden muss. das sie weg sind diese leeren Hüllen.
Therapie? Ja. Aber ich frage mich ob der Preis den ich gezahlt habe nicht zu hoch war. Manchmal denke ich es wäre besser nicht zu wissen, weil es so weh tut.
Ich habe noch immer Essstörungen, alleine komme ich da wohl nicht raus. Aber ich habe Angst genauer hinzusehen, Angst vor einer erneuten Therapie, was diese noch zu Tage fördern könnte. Ob Ruhen lassen und nicht wissen, mit den "Störungen" leben lernen nicht manchmal besser ist?
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Kara
Helferlein
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Post Fri, 02.Jul.04, 6:22      Re: Therapie - Preis zu hoch? Reply with quoteBack to top

Hallo Schnuppe,

ja, Therapie ist eine gnadenlose Sache. Und sie endet nicht mit der letzten Stunde - manchmal geht es dann erst richtig los.
Bei mir war die Therapie auch nur die Theorie und jetzt kommt die Praxis, das Umsetzen.
Eine Therapie kann die Menschen nicht verändern, aber sie verändert Dich.
Es ist eine harte Sache, die (berechtigte!) Enttäuschung über Deine Eltern einzugestehen und sich zu trauen, sie zu fühlen. Das tut mit Sicherheit weh und das geht auch nicht so schnell vorbei. Aber jetzt bist Du frei, zu entscheiden, wie Du ihnen gegenübertreten willst.
Du erlebst alle Schwierigkeiten mit Deinen Mitmenschen vielleicht bewusster, aber Du bist frei, Dich zu wehren.
Manchmal scheint der Preis vielleicht hoch, aber all das war schon vor der Therapie da, nur so verschleiert, dass Du es nicht erkennen konntest. Gelitten hast Du trotzdem.

Ich wünsche Dir alles Gute und dass Du durch diese grosse Enttäuschung gut hindurchkommst.

Alles Liebe

Kara
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Schnuppe
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Post Fri, 02.Jul.04, 13:23      Re: Therapie - Preis zu hoch? Reply with quoteBack to top

mir ging es gestern abend voll mies, seit langem mal wieder und heute morgen wollte ich am liebsten überhaupt nicht aufstehen.
schlafen, schlafen, schlafen und blos nicht die Augen aufmachen...hab sie immer wieder zugekniffen
Aber es hilft ja nix, also bin ich aufgestanden und hab alles erledigt was ich heute machen musste und dabei die ganze Zeit geweint. Zu Hause beim Frühstück und sagar auf der Strasse, es war mir so scheissegal.
Am liebsten hätte ich heute morgen jemanden geschlagen vor lauter Wut und Traurigkeit. Meinen Mann weil er immer so nett zu mir ist und ich das gar nicht ertrage oder meinen sohn Embarassed weil er so quengelig war
Dabei können die zwei gar nix dafür und sind die Menschen die mir am nächsten stehen, die am meisten für mich da sind Embarassed
Ich hab es dann endlich geschafft mit meinem Mann darüber zu reden(na gut hab kein Wort rausgekriegt und ihn hier an das forum verwiesen Neutral - er sollt es lesen, ich konnte nicht aussprechen was in mir vorging)
Er hat mich in den Arm genommen. Danach wars endlich okay.
Ich habe früher so viel geweint, stundenlang (6,8?) und ich wusste nie warum, war so hilflos. Seit der Therapie weiss ich wenigstens in welchen Situationen(Auslöser) ich traurig bin und kann es zulassen, dann ist es auch irgendwann wieder okay. Es ist nicht mehr bedrückend zu weinen, sondern erleichternd und befreiend.
Vieleicht ist es ja jetzt eine Form der Verarbeitung Confused , Ich hoffe jedenfalls das es mit der Zeit leichter wird auch das Reden darüber.

Schnuppe
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Neuling
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Post Fri, 02.Jul.04, 17:54      Re: Therapie - Preis zu hoch? Reply with quoteBack to top

Hallo Schnuppe

Habe deinen Beitrag gelesen. Gaaanz, ganz schön finde ich die Reaktion deines Mannes!! DAS ist jetzt deine Familie: dein Mann und in dein Sohn. Sie können dir nun endlich die Geborgenheit, Wärme und Sicherheit geben, die du bei deiner "Ursprungsfamilie" vermisst hast. Lässt sich darauf aufbauen?? Vergessen wird man solche Verletzungen nie können, aber vielleicht etwas "verschmerzen"? Du hast jetzt in der Therapie so viel aufgearbeitet, so viel in die Vergangenheit geschaut, vielleicht brauchst du nun zuerst wieder mal Luft zum Atmen, Leben, damit du auch wieder Kräfte tanken kannst. Manchmal tut es gut, die Vergangenheit für eine gewisse Zeit zu verdrängen, nicht darin zu versinken, auch die positiven Seiten des Lebens wieder zu sehen (und diese Lichtblicke gibt es ja zum Glück in deinem Leben!). Eine neue Therapie kannst du immer noch später aufnehmen, dann wenn es für dich der richtige Zeitpunkt ist. Es braucht immer Mut und Kraft, so schwere Erlebnisse der Vergangenheit anzusehen und zu verarbeiten - du kannst stolz auf dich sein. Ebenso wichtig scheinen mir aber auch die "Verschnaufspausen", so sie für dich richtig sein.

Ich wünsche dir noch vieeel Freude mit deiner kleinen Familie!
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Stöpsel2
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Post Sat, 03.Jul.04, 0:20      Re: Therapie - Preis zu hoch? Reply with quoteBack to top

Hallo Schnuppe,

ich glaube, das Gefühl, keine richtige Familie zu haben, hättest Du auch so irgendwann bekommen. Wenn Du um Dich rum mitkriegst, was für ein herzliches Verhältnis andere zu ihrer Familie haben. Und all die Auswirkungen von Lieblosigkeiten, daraus entwickelten Ängsten usw., das kann man nicht einfach ausblenden. Irgendwann hat das reale Auswirkungen aufs Leben, spätestens das hättest Du mitgekriegt. Und sei froh, daß Dich die Therapie vor schlimmeren Auswirkungen bewahrt hat.
Na ja, das ist jetzt mit Sicherheit kein Trost. Als ich vor einigen Jahren eine Therapie gemacht habe, habe ich erkannt, daß meine Fähigkeit, viel zu verstehen, viele Zusammenhänge und damit probleme auf der Welt zu erkennen, mich unglücklich machen. Auch Dinge, die ich in der Therapie erfahren habe (ich glaube, da hab ich das erste Mal überhaupt den Zusammenhang meiner probleme zu meinen eltern erkannt). Damals hab ich mir auch gewünscht, ich wüßte nicht soviel. Heute denk ich mir, die Dinge sind eben so wie sie sind, durch wegsehen werden sie nicht ungeschehen. Aber man kann lernen, damit zu leben, sie zu akzeptieren, andere Sichtweisen darauf zu bekommen. Das braucht eben seine zeit. Ich könnte mir vorstellen, daß es zu viele Erkenntnisse auf einmal waren, d.h. du brauchst halt einfach ein bißchen länger, um alles zu verdauen.
Bei mir ist es ähnlich (wenngleich wohl nicht so krass wie bei Dir). Habe durch meine Eltern viel im Leben falsch gemacht, es war auch ein eher liebloses Verhältnis, merke jetzt die Auswirkungen davon in voller Wucht, und als ich letztens in der Therapie kurz das Verhältnis zu meinen Eltern angesprochen habe, meinte mein Therapeut, daß es wohl nicht viel Sinn macht, mit meinen Eltern das Gespräch zu suchen, da sie schon sehr alt sind. Das finde ich schon sehr bitter, nicht nur die auswirkungen aushalten zu müssen, sondern ihnen nicht mal sagen zu können, was falsch lief. Und wie Du sagst, keine Therapie kann Lieblosigkeit heilen.
Aber sonst schließe ich mich Deiner Vorrednerin an, Du hast jetzt Deine eigene Familie, Du kannst dort viel bekommen, was Dir fehlt. Im Laufe der Jahre wird Deine eigene Familie wichtiger werden, Deine Herkunftsfamilie unwichtiger. Und wie ist Dein Verhältnis zu der Familie Deines Partners? Mir hat das früher auch gutgetan, von der Familie meines Partners so herzlich aufgenommen zu werden.

Viele Grüße
Stöpsel
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ashira36
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Post Fri, 09.Jul.04, 16:00      Re: Therapie - Preis zu hoch? Reply with quoteBack to top

Hi Schnuppe!

Mir geht dein post von letzter Woche immer noch nach und heute habe ich ein bisschen Zeit zum Antworten.

Also bei mir ging es letztes Jahr mal ganz stark um das Verzeihen. Mein Therapeut hat da ziemlich darauf hingearbeitet, dass ich auch die positiven Seiten meiner Eltern wahrnehmen kann. Bei meiner Mutter war das leichter, aber auch ein ziemlicher innerer Kampf, bei meinem Vater ging das wohl ein halbes Jahr. Aber irgendwann hat es wie einen Schalter umgelegt, bei beiden, und bei meinem Vater war es sogar so, dass ich dann foermlich von GUTEN Erinnerungen ueberschwemmt wurde.
Klasse, oder?
Sollte man meinen.
Ich sah dann meine Eltern wieder nach fast 2 Jahren. Ich wusste es vorher schon: nur ich habe mich veraendert, sie nicht..... Aber ich hatte mich doch so darauf gefreut und ich wollte ihnen ja nun anders begegnen und ganz sicher...
Und es ging kraeftig in die Hosen. Ich wurde so aggressiv, als ich es dann einfach so voll merkte: SIE haben sich nicht geaendert.
Mein Therapeut verglich mich danach mit einem Jugendlichen, der eine neue Entdeckung gemacht hat und nun die ganze Welt bekehren will. Ich habs ja verstanden, aber enttaeuscht war ich trotzdem (ent-taeuscht, von einer Taeuschung geheilt).
Dieses Verzeihen hatte auch nicht den Effekt, dass damit alle Kindheitswunden ein fuer alle Mal bearbeitet gewesen waeren. Leider auch nicht. Da bin ich immer noch dran.

Aber beim Lesen deiner Geschichte denke ich: wenigstens der Ansatz war drin, einen neuen Umgang zu finden.
Inzwischen spuere ich mehr Nachsicht mit meinen Eltern, ich glaube, meine Erwartungen an sie habe ich nun endgueltig begraben. Und es ist nun so, dass eher ich fuer sie da bin als sie fuer mich.
Meine Familie, meine Heimat ist nicht mehr bei ihnen, die baue ich mir selber auf und in meinem selbst-aufgebauten fuehle ich mich auch wohl.

Das war mein Prozess. Ganz anders. Vielleicht gibt es dir irgend einen Denkanstoss?

Ganz lieber Gruss und alles Gute

ashira
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