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Gloria
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Post Mon, 23.Sep.02, 13:36      macht es noch Sinn? Reply with quoteBack to top

Hallo,
vor sechs Jahren hatte ich nach einem Verkehrsunfall einige Panikattacken, worauf ich eine Psychotherapeutin aufsuchte. Anfänglich meinte sie ich würde keine Therapie sondern nur eine Beratung brauchen. Als dann eine starke Abhängikeit zu meiner Mutter und meiner Schwester zu Tage trat, kam es doch zur Therapie. So ging ich vier Jahre fast wöchentlich hin. Irgendwann sagte sie mir die Therapie wäre schon lange abgeschlossen und wir würden nur noch Beratung machen. Von Mutter und Schwester hatte ich mich in relativ kurzer Zeit vollständig abgenabelt und die Therapie tat mir sehr gut, doch nach fast drei Jahren wusste ich eigentlich nicht mehr, was ich besprechen soll. Da ich auch eine Abhängikeit zur Therapeutin erkannte, was ich ihr auch sagte, wollte ich nicht mehr hingehen, doch den Absprung habe ich nicht gewagt und sie hat mich nie entlassen. Als ich vor einem Jahr ein Kind bekam, nahm ich das zum Anlass die Therapie zu beenden. Holte mir jedoch gelegentlich Rat. Vor drei Monaten tauchte ein Problem auf, auf das ich ängstlich und unsicher reagierte, deshalb ging ich wieder hin. Sie sagte mir, mir würde nichts fehlen. Wenn man wegen mal schlecht drauf oder ängstlich sein jemanden behandeln müsse, so müsste die ganze Menschheit in Behandlung gehen. Ich war sehr erleichtert über das, aber später stellte ich mir die Frage, warum bin ich dann fast sechs Jahre dort hin gegangen, wenn ich völlig normal bin.
Irgendwie habe ich jetzt einen totalen Hass auf die Therapeutin.
Ja, und jetzt habe ich in den nächsten Tagen ein Treffen, wo eine Person dabei ist, die mir sehr feindlich gegenübersteht. Das dumme ist, dass ich mich vor diesem Treffen total fürchte. In letzter Zeit wurde mir auch zweimal in der Kirche schlecht, dass ich sie verlassen musste. Das ist mir schon lange nicht mehr passiert. Ich stelle mir die Frage, ob ich wieder in Therapie gehen sollte. Doch wenn diese sechs Jahre nicht geholfen haben, hat es dann überhaupt noch einen Sinn? Oder ist es normal, dass ich mich vor dem Treffen füchte und mich in der Kirche unwohl fühle.
Entschuldigung, dass es so lang gerworden ist.
Ich wäre sehr dankbar, wenn Sie mir etwas dazu sagen könnten.
Gloria
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r.l.fellner
Psychotherapeut
Psychotherapeut


Posts 1589
Wohnort Wien
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Post Wed, 25.Sep.02, 0:22      Reply with quoteBack to top

Sehr geehrte Gloria,

aus der Ferne ist naturgemäß eine Beurteilung, wie und warum Ihre Therapeutin zu den verschiedenen Einschätzungen, die Sie beschrieben haben, gelangte, nicht möglich. Es scheint jedoch mehrmals vorgekommen zu sein, daß sie Ihre Sorgen als weitaus weniger psychotherapeutisch behandlungsbedürftig einstufte als Sie selbst. Dies führte jedoch (jedenfalls ist nichts anderes aus Ihrem Beitrag herauszulesen) nicht dazu, daß Sie dieser Einschätzung widersprachen oder gar eine(n) Therapeutin(en) suchten, bei dem(r) Sie sich besser aufgehoben und verstanden fühlten (beides wäre ja möglich gewesen), sondern Sie schreiben u.a. von Erleichterung, die Sie aufgrund dieser Einschätzung verspürten, und blieben de facto insgesamt fast 6 Jahre in ihrer Betreuung.

Insofern neige ich dazu, zu vermuten, daß die laufenden Gespräche mit Ihrer Therapeutin in der Mehrheit durchaus ihren unterstützenden Wert für Sie hatten. Weshalb aber dann aber Ihre Einschätzung, daß diese 6 Jahre nicht geholfen haben?

Sollten Sie zu diesem Urteil aufgrund der Vorfälle in der Kirche gekommen sein: nun, Rückfälle können bei Panikattacken durchaus vorkommen, und es ist in solchen Fällen wichtig (wie überhaupt bei Angststörungen, Panikattacken etc.), möglichst frühzeitig [wieder] in eine Therapie einzusteigen. Oft genügt dann schon eine recht kurze Behandlungszeit, um wieder zu Stabilität zu finden (will sagen: vorerst symptomfrei zu werden - die eigentliche Arbeit an den Ursachen dauert meist ein gutes Stück länger, weshalb man sollte die Therapie keinesfalls vorschnell bzw. "vorfreudig" beenden sollte).

Sollten Sie unsicher sein, ob Sie zur Bearbeitung der aktuellen Schwierigkeiten wieder zu Ihrer bisherigen Therapeutin gehen sollen, so möchte ich Ihnen empfehlen, Ihrem Gefühl zu folgen: fühlten Sie sich bei ihr gut aufgehoben, so sollte der logische nächste Schritt selbstverständlich der sein, sie wieder zu kontaktieren.
Haben Sie aber das Gefühl, in der Therapie könne zB. über Ihre eigentlichen Ängste oder Konflikte nicht gesprochen werden oder auf diese würde nicht genügend eingegangen, so sollten Sie sich nach einem(r) Therapeuten(in) umsehen, die(der) dies tut. Es ist nicht empfehlenswert, hier Kompromisse einzugehen.

Alles Gute für Ihre Entscheidung!
Richard L. Fellner

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Gloria
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Post Wed, 25.Sep.02, 13:42      Reply with quoteBack to top

Sehr geehrter Herr Fellner,
es ist wirklich ein Glück, dass es Ihre Seiten gibt.
Ganz herzilch möchte ich Ihnen für Ihre ausführliche Antwort danken.
Sie haben völlilg recht, habe mich bei meiner Therapeutin gut aufgehoben gefühlt und mir heute wieder einen neuen Termin geholt. Es ist nur so, dass ich denke, in sechs Jahren müsste doch die Ursache gefunden und behoben sein. Wahrscheinlich ist mein Problem, meinen psychischen Zustand wirklich immer schlimmer einzuschätzen, als er tatsächlich ist.
Na, ja wir werden ja sehen...
Jedenfalls nochmals vielen Dank, Gloria.
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