Author |
Message |
Harte_Nuß
Helferlein
35
Österreich W, 41
|
Mon, 28.Jun.04, 7:58 Vater ist für mich nur ein Wort |
|
Hallo liebes Forum!
Bevor ich heuer eine neue Therapie begann, hatte ich letztes Jahr im November es mit Homäopathie versucht. Bei einer praktischen Ärztin, die sich spezialisiert hat.
Wir hatten ein fast dreistündiges Gespräch und sie hat, im Nachhinein gesehen, einiges durcheinander gebracht. Einen mir wichtigen Teil möchte ich gerne hier hereinschreiben und wäre froh, auch andere Meinungen dazu zu hören.
Es geht um meinen Vater. Er war Alkoholiker, nach Handgreiflichkeiten sorgte meine Tante dafür, daß sich meine Eltern scheiden ließen. Da war ich 4 Jahre alt. Trotzdem kann ich mich an so einige Szenen, Enttäuschungen, aber auch an sein im Grunde gutes Herz erinnern.
Nun habe ich ihn zufällig noch 2 mal in meinem ganzen Leben gesehen und kannte ihn nichtmal. Meine Mutter klärte mich jedesmal hinterher auf, wer denn das war. Irgendwann vor ca. 10 Jahren lag er dann mit Leberzirrhose im Sterben, kannte niemanden mehr. Da wurden wir (mein Bruder und ich) für unsere Verwandten plötzlich interessant. Wir sollten kommen.
Nein, nichts für mich. Begräbnis? ... Nein, auch kein Interesse. Er war nie da, wir hätte ihn gebraucht. Er war für mich fremd. Das Wort Vater ist für mich nur ein Wort. Ich wollte wirklich nicht und es war für mich zu diesem Zeitpunkt so in Ordnung. Würde es heute so sein, würde ich es genau so machen. Nicht aus Wut sondern einfach, weil es für mich so paßt.
Weil die Homäopathien mein Verhalten als so schlimm empfunden hat ... sie meinte, man würde ja auch zu beinah Fremden auf ein Begräbnis gehen ... wußte ich zwar immer noch, daß es für mich richtig war, aber die Gedanken daran, ob nicht doch ich ein furchtbarer Mensch bin, lassen mich seither nicht los. Deshalb habe ich es in meiner letzten Therapiestunde zum Thema gemacht.
Auch meine Therapeutin meinte, daß ich mich nicht falsch verhalten habe, sondern jeder sein eigenes Recht hat, sich auf seine eigene Art zu Verabschieden.
Das Gespräch hat zwar gut getan, trotzdem bin ich mir unsicher und hätte gerne auch andere Meinungen oder ähnliche Erfahrungen gehört.
Bedenken habe ich besonders in die Richtung, daß ich meinem Vater gegenüber, ob er jetzt leben würde oder eben tot ist, überhaupt keine Gefühle habe. Nicht mal, als ich vor zwei Jahren das erste mal zu dem Friedhof gefahren und an sein Grab gegangen bin. Ich las seinen Namen und habe mich so richtig bemüht, irgend ein Gefühl zu bekommen ... da war nichts. Das tut mir leid.
Liebe Grüße von
Der_Nuß
|
|
|
|
|
Werbung |
|
Helene T.
Forums-Gruftie
897
Wien W, 47
|
Mon, 28.Jun.04, 10:11 Re: Vater ist für mich nur ein Wort |
|
Hallo Nuß!
Harte_Nuß wrote: | Weil die Homäopathien mein Verhalten als so schlimm empfunden hat ... sie meinte, man würde ja auch zu beinah Fremden auf ein Begräbnis gehen ... wußte ich zwar immer noch, daß es für mich richtig war, aber die Gedanken daran, ob nicht doch ich ein furchtbarer Mensch bin, lassen mich seither nicht los. Deshalb habe ich es in meiner letzten Therapiestunde zum Thema gemacht. |
Homöopathie kann vieles, aber nicht für dich trauern wie es für dich passend ist. Und, Homöopathen sind zwar häufig auch auf dem psychischen Bereich gut drauf, aber sie sind einfach keine Profis auf dem Gebiet. So ist es auch erklärlich, dass ein Homöopath nicht nur eine Situation falsch einschätzt, sondern auch wertet, was ein Therapeut nach Tunlichkeit unterlassen wird.
Mein Vater ist nun seit 8 Jahren tot, ich hatte bis zu seinem Tod einen mehr oder weniger guten Kontakt, aber ich habe seinetwegen bis heute noch keine Träne vergossen, höchstens in der Therapie aus Wut und Verzweiflung. Das heißt nicht, dass er so ein schlechter Vater war, mich mehr misshandelt hätte als es für die damalige Zeit üblich war, es war die Zeit wo die "gesunde Watschen" noch approbates Erziehungsmittel war, er war mir nach seinem Tod eigentlich egal, während der Therapie sicher nicht, jetzt ist er es wieder.
Möglicherweise werde ich irgendwann um ihn trauern, ich weiß es nicht. Aber ich mache mir deshalb keine Kopfzerbrechen. Er hat sein Leben gelebt - zum Teil auch als Alkoholiker, ich meines ohne dieser Belastung. Mehr gibt es da heute nicht mehr für mich dazu zu sagen.
Wenn ich mir da deine Situation ansehe, ich kann dein Verhalten sehr gut nachvollziehen. Möglicherweise wirst du einmal neugierig, wer er war. Wenn dir danach ist, dann lass dich von niemandem daran hindern deine Nachforschungen zu betreiben. Es ist dein gutes Recht. Aber wenn das nicht kommt ist das genau so o.k. Es ist dein Leben das du nach deinem dafürhalten für dich einrichtest. Was jemand anders davon hält ist deren Sache, nicht deine. Wenn die Homöopathin damit eine Problem hat , dann soll sie sich selbst deswegen behandeln, nicht dich.
Als Tipp, wenn du irgendwann mal den Zugang zu deinem Vater suchst, wenn du sie nicht hast, vielleicht treibst du noch Fotos auf wo du gemeinsam mit ihm drauf bist, oder zumindest wo er alleine drauf ist in unterschiedlichen Lebensphasen. Heb sie einfach auf. Mehr als dass du sie irgendwann wegwirfst kann nicht passieren.
So, drück dir die Daumen für deine Zukunft!
|
_________________ Liebe Grüße aus Wien,
Helene |
|
|
|
Regenbogengelb
Forums-InsiderIn
459
Österreich W, 20
|
Mon, 28.Jun.04, 11:59 Re: Vater ist für mich nur ein Wort |
|
Sonnenscheinendes Hallo!
Quote: | Ich wollte wirklich nicht und es war für mich zu diesem Zeitpunkt so in Ordnung. Würde es heute so sein, würde ich es genau so machen. Nicht aus Wut sondern einfach, weil es für mich so paßt.
|
Und das ist gut so! Es passte so für dich... und das ist das wichtigste!
Quote: | Ich las seinen Namen und habe mich so richtig bemüht, irgend ein Gefühl zu bekommen ... da war nichts. Das tut mir leid.
|
Kann gut verstehen, dass dir das leid tut...aber Gefühlsqualitäten entwickeln sich aus Erfahrungen und solche gab es ja nur sehr wenige mit deinem Vater, wie ich aus deinem Schreiben entnehme.
Du bist kein böser Mensch, du hast nur menschlich auf eine Situation reagiert....
Schicke dir gaaanz viele Sonnenstrahlen,
LG,
Ela
|
_________________ Viel Sonne im Herzen und Harmonie in der Seele! |
|
|
|
Vollversager
Helferlein
33
M, 15
|
Mon, 28.Jun.04, 19:51 Re: Vater ist für mich nur ein Wort |
|
Ela hat Recht, eine Beerdigung ist für die Angehörigen da, um sich zu verabschieden, und nicht für den Toten. Somit ist dies alles völlig in Ordnung, so lange es für dich in Ordnung ist.
MfG W
|
|
|
|
|
Werbung |
|
Harmattan
Forums-InsiderIn
312
NÖ W, 33
|
Mon, 28.Jun.04, 20:14 Re: Vater ist für mich nur ein Wort |
|
Hallo Harte Nuß!
Auch für Homöopathen gibt es die Grundregel, dem Patienten vorurteilslos und ohne Wertung gegenüberzutreten. Hier ist das deiner Ärztin offenbar nicht gelungen.
(Vielleicht sollte sie mal eine Arzneimittelprüfung mit Hyoscyamus machen, damit sie ein bißchen den "Moralischen" verliert. )
Ich finde dein Verhalten schwer in Ordnung. Du gehst nach deinem Inneren, statt dich nach äußeren Konventionen zu richten und zu heucheln, was nicht ist.
LG
H.
|
|
|
|
|
Harte_Nuß
Helferlein
35
Österreich W, 41
|
Tue, 13.Jul.04, 10:57 Re: Vater ist für mich nur ein Wort |
|
Hallo Ihr,
danke für Eure Antworten! Meine Antwort kommt erst heute, weil ich bei manchen Themen etwas (viel) länger brauche, um mir für mich klar zu werden, was zutrifft.
Helene T. wrote: | er war mir nach seinem Tod eigentlich egal, während der Therapie sicher nicht, jetzt ist er es wieder. |
So könnte das zutreffen. Komisch, für meine Therapeutin ist das Thema "Vater" mit ein paar Sätzen gegessen , für mich aber nicht. Sie will zu meiner Mutter, aber ich werde da jetzt dran bleiben, um endlich mal ein Thema abzuschließen. Dann ist er mir vielleicht auch wieder egal, oder was auch immer dabei rauskommt.
Helene T. wrote: | Möglicherweise wirst du einmal neugierig, wer er war. Wenn dir danach ist, dann lass dich von niemandem daran hindern deine Nachforschungen zu betreiben. |
Eigentlich kenne ich ihn ja, weil ich ja immer wieder mal irgendwelche Geschichten über ihn gehört habe. Irgendjemand hätte ihn in der Nähe gesehen, mit meinem Bruder hatte er dann und wann heimlich Kontakt (auch Briefkontakt), er hat sich auch mit 17 oder 18 bei unserer Mutter durchgesetzt und ihn zu Hause besucht. Das war auch eine große Enttäuschung für ihn, weil alles, was in den Briefen stand gelogen war.
Soll heißen, daß meine Ohren schon jedesmal neugierig gespitzt waren. Selbst das Thema "Vater" anschneiden wurde von meiner Mutter ja jedesmal abgewürgt. Sie meinte dann nur, daß ich ja eh zu ihm ziehen könnte ...
Ela wrote: | Und das ist gut so! Es passte so für dich... und das ist das wichtigste! |
Ja, Ela, daß ist wahr, es paßt für mich wirklich, auch jetzt. Drum verstehe ich auch nicht, warum ich mich so verunsichern lasse, auch jetzt
Harmattan wrote: | Auch für Homöopathen gibt es die Grundregel, dem Patienten vorurteilslos und ohne Wertung gegenüberzutreten. Hier ist das deiner Ärztin offenbar nicht gelungen. |
Das stimmt, das hat sie nicht. Ich habe viele ihrer Wertungen zu spüren bekommen. Das ist für mich grundsätzlich nicht schlimm. Ich denke drüber nach und versuche, für mich Gutes daraus zu ziehen. Das Beste, was ich aus ihrem Gespräch gezogen habe, ist, mich wieder in kompetente Hände zu begeben und daß ich von ihr "geheilt" bin ... so gesehen war es kein Fehler
Quote: | (Vielleicht sollte sie mal eine Arzneimittelprüfung mit Hyoscyamus machen, damit sie ein bißchen den "Moralischen" verliert. ) |
Den Vorschlag sollte ich ihr vielleicht noch machen
Liebe Grüße noch Euch allen von
Der Nuß
|
|
|
|
|
Werbung |
|
|
|