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paris
Helferlein
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Post Fri, 11.Jun.04, 22:40      Versagen und Depressionen Reply with quoteBack to top

Hallo,

ich habe in einer Prüfung versagt, heute habe ich das Ergebnis bekommen, dass heißt ich habe sie bestanden aber mit schlechten Noten.
Das macht mich so fertig und ich werde so depressiv. Ich fühle mich als totale Versagerin und ich kann nicht verstehen warum ich nicht gut sein kann.
Das war schon immer so bei mir, fast immer. Das schlimme ist das mich versagen und schlechte Noten in Prüfungen in totale Depressionen stürzen können, ich mich völlig wertlos fühle und meine Existenzberechtigung sogar anzweifle. Mein Verstand sagt mir zwar,Noten geben keine wirkliche Auskunft über den Wert eines Menschen. Meine Gefühle aber peinigen, zerreißen, hämmern auf mir ein und sagen ich bin sooo absolut miserabel.
Könnt ihr das verstehen?
Ich glaube es kommt daher, das mein Vater massiven Druck auf mich ausgeübt hat, er wollte immer das ich superintelligent bin und Mathematik studiere.(Hab dann später Informatik studiert, was mich total überfordert hat). Sogar in der 1. Klasse, ich war gerade mal 6 Jahre alt, hat er mich von sich weggestoßen und gesagt ich sei nicht seine Tochter, wenn meine Leistungen schlecht waren.
Das schlimme ist das ich diese Verachtung die er mir gegenüber hatte, jetzt in Eigenregie weiterführe und glaube jeder andere Mensch müsste mich auch verachten wenn ich schlecht bin.

Ach, ich weiß nicht wie ich mit meinen Gefühlen klar kommen soll, diese
schlechten Noten reißen alte Wunden in mir auf .


grüße
eine unglückliche
paris
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Post Sat, 12.Jun.04, 9:17      Re: Versagen und Depressionen Reply with quoteBack to top

Hallo paris,

im Grunde hast du dir ziemlich gut selbst erklärt, warum du so sehr enttäuscht von dir bist. Du hast auch schon rausgefunden, in welcher Richtung du suchen kannst.
Quote:
in der 1. Klasse, ich war gerade mal 6 Jahre alt, hat er mich von sich weggestoßen und gesagt ich sei nicht seine Tochter, wenn meine Leistungen schlecht waren.

Du willst perfekt sein. Du willst alles schaffen, was man von dir verlangt und wenn du nicht in dieses Schema passt, denkst du du wärest falsch. Deine Existenzberechtigung besteht nur so lange, wie du Leistung bringst und den Erwartungen (auch und inzwischen deinen eigenen) entsprichst. Du denkst vielleicht, du wärest nur liebenswert, wenn du Leistung bringst. Schaffst du es einmal nicht, glaubst du du wirst ausgegrenzt...mußt dann in Selbstvorwürfen schmoren.

Nur, heute hast du dein Leben selbst in der Hand...du darfst machen, was du willst. Du darfst dir kleine Ziele setzen, auch wenn andere sie lächerlich finden. Du darfst zwischendurch Luft holen und dich zurückziehen, du darfst die Kraft verlieren und es grade eben so schaffen. Deine Eltern stehen nicht mehr ständig neben dir. Ich weiß, dass sie einen mit ihren endlos langen Armen immer noch verfolgen und einem Schuldgefühle „einreden“, auch wenn man es verstandesmäßig begriffen hat.

Was möchtest du bekommen, wenn du Leistung bringst?,was sollen dir die anderen geben?

...schwierig finde ich wirklich, vom bloßen Verstehen dieser Zusammenhänge zum Gegensteuern und schließlich gesunden Loslösen zu kommen. Da reicht es meiner Meinung nach nicht, sich auf das hohe Roß von „ich hab´s durchschaut“ zu setzen. Ich vermute du musst die Zusammenhänge noch genauer durchleuchten und dann in nem langen Prozess all die kleinen Momente, in denen du deine eigenen Gefühle in Zusammenhang mit den „Wünschen“ deiner Eltern bringen kannst, in Kleinarbeit auflösen und dieses Loslösen von deren Vorgaben üben...verdammt anstrengend.

Ich wollte in den Schulen, Berufsausbildung und Studium auch immer gut sein...ne 2 war manchmal schon schwer zu verkraften. Im Studium bin ich aber auch an meine Grenzen gestoßen...einfach weil ich nicht besonders intelligent bin...hab zwischendurch fast abbrechen müssen und mir überlegt, was wichtiger ist. Das Studium schaffen oder an den unerfüllten eigenen Erwartungen zu zerbrechen. Ich musste meine Einstellung zu den Noten ändern, sonst wäre alles eine Qual geworden. Meine Technik war schließlich „soviel lernen wie notwendig“ u. mit der 80-20-Regel sinnvoll ist. Damit ein reines Gewissen zu haben und an der Notentafel nur darauf zu achten, ob ich bestanden hab oder nich. Hab einiges gerade noch so „mit Zielfoto“ bestanden, hab mich aber über schlechte Noten nicht mehr sehr geärgert, einfach weil der Anspruch, gut zu sein nicht mehr da war, nur noch der Anspruch „es zu schaffen“. Was war das Ende vom Lied? Ich weiß, dass ich nicht sehr helle bin, egal; ich war faul und das Studium wurde die schönste Zeit in meinem Leben...und...ich war in meinem FB der erste, der fertig war... Ich will damit nur sagen, dass es möglich ist, von diesem Streben nach Perfektionismus wegzukommen, in einigen Teilen ist mir das gelungen, in anderen noch nicht, es ist schwer.

Wenn du zu sehr unter diesem Druck leidest und selbst nicht diese Zusammenhänge auf ein erträgl. Maß aus dir rausbekommst, kann dir ne Therapie vermutlich sehr viel technische Hilfe geben. Ich wundre mich selbst wie schwer es bei dem Thema ist, vom scheinbaren Verstehen der Zusammenhänge, zum „Loslösen“ zu kommen, kann gut nachvollziehen, dass dir das zu schaffen macht.

Grüße Hiob

* 80-20-Regel kennst du? Wenn nicht...mit 20% des Lernaufwandes, schafft man ungefähr 80% des benötigten Ergebnisses, es ist also, so ne 2-3. Um die restlichen 20% des Ergebnisses zu bekommen, muss man aber noch 80% Lernaufwand investieren. Ist das nich Zeitverschwendung?
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paris
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Post Sat, 12.Jun.04, 15:15      Re: Versagen und Depressionen Reply with quoteBack to top

Danke Hiob,

ja ich glaube du kannst es sehr gut nachvollziehen.
An den eigenen unerfüllbaren Erwartungen zu zerbrechen, das ist genau das worauf ich anscheinend hinsteuere. Früher hatte ich diesen Irrweg nicht erkannt, dachte es sei ja richtig hohe Erwartungen an sich zu haben), heute erkenne ich ihn aber es ist zu fest in meiner Seele eingebrannt als das ich diese Erwartungen runterschrauben könnte. Wenn ich mich in Zukunft nicht mehr nach meinen Leistungen beurteilen soll, worüber soll ich mich dann definieren?
Da ist irgendwie eine leere, als ob ich dann in der Luft hänge, orientierungslos.
Ich glaube dass neben meinem Vater auch die Gesellschaft Anteil trägt an meinen Leistungswahn. Wir nennen uns doch sogar "Leistungsgesellschaft"! Da ist es wohl kein Wunder das man seinen Wert anzweifelt wenn man diese nicht erfüllen kann Von allen Ecken her verlangen sie doch nur Leistung, Leistung, Leistung....ich kann’s nicht mehr hören e, es ist zum k*****
Manchmal möchte ich frei durchatmen können und einfach nur Mensch sein.

Liebe Grüße
Eine frustrierte
paris

Übrigens: die 80-20 Regel kannte ich schon, aber mit Lernen habe ich sie nie in Zusammenhang gebracht. Ist aber eine gute Idee von Dir. Ich werds dass nächste mal beherzigen. Danke dir!
Smile
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