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Gernschi
Helferlein
76
Österreich M, 25
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Sat, 15.Feb.03, 19:31 Vereinsamung |
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Hallo. Ich bin zum allerersten Mal hier. Ich bin froh, diese Forum gefunden zu haben, denn ich bin schon sehr verzweifelt, weil ich echt nicht mehr weiß. wie es weitergehen soll. Von den ganzen Beiträgen, die hier gepostet wurden, bin ich stark beeindruckt, denn ich hätte nicht gedacht, dass es einen Platz im Internet gibt, an dem all diese heiklen Themen ernsthaft und vor allem hilfreich abgehandelt werden. Kompliment an alle Verantwortlichen, Initiatoren und Teilnehmer!!!
Ich sage vor allem "Danke", dass ich drübergestolpert bin, denn somit entzündet sich doch wieder ein kleines Fünkchen Hoffnung, dass ich Kontakt zur Außenwelt finde bzw. verstanden zu werden.
So. Was ist nun mein Problem?
Im Prinzip alles. Es gibt wohl kaum ein Gebiet, bei dem ich nicht irrsinnige Schwierigkeiten habe. Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht einmal, wo ich anfangen soll. Daher werde ich einfach einen Gedanken nach dem anderen, der sich in meinem Gehirn einschleicht, kundtun, ohne dass ein logischer Aufbau nachzuvollziehen ist. Okay? Anders weiß ich mir momentan leider nicht zu helfen. Ich bitte um Verzeihung.
Tja. Es schaut folgendermaßen aus: Vor mittlerweile vier Jahren hat sich mein älterer Bruder das Leben genommen. Aus einer Depression heraus. Ich stand damals ganz knapp vor der Matura und hab das Ereignis einfach nur verdrängt, bzw. leichtfertig akzeptieren wollen. Zumindest nach außen hin galt ich als gefestigt und stark. In den ersten Wochen unternahm ich mit Schulfreunden soviel wie die folgenden vier Jahre nicht mehr. Über den Selbstmord meines Bruders sprach ich kaum bis gar nicht. Ich wollte niemandem zur Last fallen, langweilen oder nerven.
Die Matura hab ich übrigens mit ausgezeichnetem Erfolg bestanden. Als Vorzugsschüler war es eine Selbstverständlichkeit für mich, das beste Ergebnis der Klasse zu erreichen. Aber im Anbetracht der Umstände konnte ich mich nicht einmal darüber freuen. Denn der Verlust meines Bruders war durch nichts wettzumachen. Ich war wie ausgepumpt. Wollte nur meine Ruhe haben. In gewisser Weise sehnte ich mich nach einer Auszeit. Das war aber nicht möglich. Denn ich musste sofort anschließend Zivildienst verrichten, was mir an sich Spaß gemacht hat. Nur habe ich mich auch dort verausgabt. Ich wollte alles zur Zufriedenheit aller Anwesenden erledigen. Alles musste perfekt sein, auch wenn es sich um eine nichtige Kleinigkeit gehandelt hat.
Obwohl es mir ein Anliegen gewesen wäre, hab ich so gut wie nie ein Wort über meinen Bruder verloren (jeder kannte ihn, denn er war selbst ein RK-Mitglied), weil mir die Sache peinlich war. Weil ich nicht wusste, wie man reagieren würde. Ob die Kollegen davon betroffen seien oder ob sie kein Verständnis dafür hätten. Im Prinzip wollte ich nichts anderes als "ein wenig darüber zu reden". Nur: Ich versuchte es nicht einmal, weil ich mir dachte: "Im Prinzip bringt´s eh nichts. Sie können ihn nicht wieder lebendig machen. Wahrscheinlich glauben sie nur, dass ich Mitleid ernten will...."
Somit fraß ich alles in mich hinein, wurde melancholisch, depressiv, zog mich zurück und verkümmerte langsam aber doch. Das Ende des Zivildienstes war im großen und ganzen auch das Ende meines Lebens. Denn seither hab ich den Anschluss nicht mehr geschafft. Ich weiß bis heute nicht, wo mein Platz im Leben ist, wer ich eigentlich bin. Wo ich hin will. Ich bin von Psychotherapeut zu Psychotherapeut gegangen, ohne dass es tatsächlich geholfen hat. Den einzigen menschlichen Kontakt, den ich habe, sind meine Eltern, an denen ich nur etwas auszusetzen habe. Während ich dankbar sein sollte, dass sie mich nicht schon längst "aus dem Haus getreten haben", halte ich ihnen nur vor, was sie alles falsch gemacht haben oder wo sie versagt haben. Ich komme mir vor wie ein pubertierender Teenager, der nicht erwachsen werden will. Wenn ich in den Spiegel sehe, dann sehe ich da keinen 22 jährigen, erwachsenen jungen Mann, der weiß, wo es lang geht, sondern ein unreifes "Etwas".
Ich hasse mich selbst für meine Unfähigkeit. Kein Mensch wird mir die ANtworten auf meine ganzen Fragen liefern können, nur ich ganz alleine. Aber dazu bin ich nicht einmal selbst imstande.
Ich könnte das Ganze beliebig lange fortsetzen. Aber diese Selbstanprangerungen helfen nichts. Naja, zumindest hat man sie mal etwas aus dem Kopf gebracht. Ob das irgendjemanden interessiert, ist natürlich eine andere Frage.....
Was gibt´s noch zu sagen: Ich bearbeite meinen Körper mit dem Stanleymesser, kratze die Haut auf, bis sie blutet und reiße mir einzelne Haare aus ( Brust, Bauch, Beine und Schambereich), die ich dann kaue und schlucke. Meine ganzen Verhaltensabnormitäten spielen sich im Verborgenen ab, nur habe ich Angst, dass ich sie auchin der Öffentlichkeit unbewusst praktiziere, ohne dass ich es merke.
Ich habe Angst zu verweichlicht, verweiblicht oder gar schwul zu sein, weil sich die einzigen Kontakte auf ein paar Mädchen beschränken. Manchmal glaube ich sogar, dass in mir eine Frau steckt. Ach, verflucht, das sind alles so bescheuerte Überlegungen, die mir tagein-tagaus durch den Kopf ghen, dass ich zu vernünftigem Gedankengut nihct mehr in der Lage bin.
Ich könnte noch dutzende absurde Praktiken anführen, aber ich mach hier Schluss, sonst wird´s zu lang, oder zu peinlich.
G.
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Time
[nicht mehr wegzudenken]
2687
Deutschland W, 70
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Quote: | sonst wird´s zu lang, oder zu peinlich.
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ZU peinlich geht nicht, okay?
ich antworte dir später, aber ich bin sehr sicher, dass du ganz viele leute finden wirst, denen es genau so geht.
glaubs mir einfach
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Gernschi
Helferlein
76
Österreich M, 25
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Hallo Langstrumpf!
Vielen Dank für deine vorsichtige und einfühlsame Art, zu antworten. Ich weiß das zu schätzen, ehrlich.
Mittlerweile habe ich kein Problem mehr über das Sterben zu reden. Die Sache ist ja immerhin schon vier Jahre her. Aber der Schmerz bleibt nach wie vor und die Frage Warum? bleibt halt nach wie vor offen. Das Ganze Nachdenken bringt im Prinzip nichts, aber man fängt eben immer wieder damit an (das ist es auch, was bei den Zeitgenossen nicht unbedingt positiv ankommt. Sie meinen dann, man schiebt alles auf den Selbstmord des Bruders oder möchte bemitleidet werden. Das ist aber nicht der Fall. Man wird schlicht und einfach nicht fertig mit dem Geschehen).
Der Tod meines Bruders hat in mir entweder eine Depression ausgelöst oder einen bereits vorher vorhandenen melancholischen Charakterzug um das Zig-fache verstärkt. In miener Vorstellung habe ich mich schon irrsinnig oft getötet, weil ich den Druck nicht aushalte, der auf mir lastet: Mit meiner Depression bin ich für meine Familie ja die nächste tickende Zeitbombe. Alle lebenständig in Angst, dass sich der jüngste Sohn auch noch umbringen könnte. Die Gefahr ist groß, das gebe ich zu. Denn seit langem gibt es im Prinzip nichts, was mir das Leben lebenswert erscheinen lässt. Aber ein zweiter Selbstmord macht es auch nicht besser. Somit bleibt mir nur die Hoffnung, dass es mal besser wird (bisher ist leider nur das Gegenteil eingetreten) und dass ich irgendwann ein Leben mit klaren Gedankengängen und ohne Depressionen führen kann.
Noch etwas: Ich schäme mich ja selbst dafür, das Wort "Depression" auszusprechen. Denn es wird ja kaum ernst genommen in unserer Gesellschaft. Die meisten Menschen ziehen es ins lächerliche oder stellen einen hin als Simulant. Man lacht darüber. Aber niemand ist davor gefeit. So schnell kann sich alles wenden. Das bedenken allerdings die wenigsten. Ein körperliches Leid wird bedauert, ein seelisches wird verachtet oder ignoriert. Die Menschheit belügt sich oft selbst.
Gernschi
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Apollon
Forums-InsiderIn
213
M,
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Probier's mit einer Familienaufstellung nach Bert Hellinger.
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Gernschi
Helferlein
76
Österreich M, 25
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Danke für den Tipp. Aber was ist das genau?
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Apollon
Forums-InsiderIn
213
M,
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Sag ihm: "Ich achte Deine Entscheidung, und Du bleibst für mich mein Bruder."
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