Armut, Luxus und Luxusprobleme

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mio
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Beitrag Mo., 16.09.2019, 21:36

Das kenne ich jetzt wiederum nicht.

Aber es hat eher was von angebratenem Kartoffelbrei, nur halt "fester" und durch die vielen Zwiebeln und die eher grober gestampften Kartoffeln deutlich würziger und auch ein bisschen "stückiger" (je nach Fettmenge). Der Clou ist halt die Säure dazu, die dem ganzen auch eine gewisse "Frische" gibt. (Weshalb für mich auch Gurkensalat gut passt, weil der das ergänzt/abrundet, aber das ist nicht wirklich klassisch.) Kommt aus Franken, genauer Unterfranken und ist dort eben so ein traditionelles arme Leute Essen. Ich könnte mich da reinlegen.

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Möbius
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Beitrag Mo., 16.09.2019, 22:36

Also ich weiß nicht, was die Leute haben. Ich lebe seit 2011/12 als "Sozialrentner" (der die kleine Rente mit Sozialgeld aufstocken muß) in dem Zustand, den man hier Armut nennt und komme damit ganz hervorragend zurecht. OK - meine Armut ist ne Art Armut de Luxe. Ich habe dank meiner Gehbehinderung die "Krüppelkarte" für den ÖPNV, was äusserst angenehm ist, bekomme von einer mildtätigen Stiftung regelmässig "Weihnachts- und Urlaubsgeld", was überschlägig einen 100er extra im Monat ausmacht und habe überdies einen wirklich guten Freund, der ziemlich wohlhabend ist. Weil er seine glücklichen Verhältnisse u.a. auch ein paar guten Tipps von mir verdankt (ich war im früheren Leben mal Wirtschaftsanwalt gewesen), ist er mir gegenüber ziemlich großzügig und das nehme ich auch gerne an, weil es eben auf Gegenseitigkeit beruht.

Aber trotzdem: die meisten Armen sind selbst zum arm-sein zu doof und genau deswegen kommen sie mit ihrer Armut nicht klar. Ein Grund dieser Zudoofheit ist, daß die meisten Armen niemals selbständig waren. Sie wissen nicht, was Liquiditätsplanung heißt und wenn sie "Rückstellung" hören, kommt höchstens ein "hä?" Sie wissen auch nicht, wie man seine Rechte wahrt - gegenüber Ämtern und Behörden und auch Privaten, die allerlei unberechtigte Forderungen stellen. Nicht jede Rechnung, die im Briefkasten landet, muß man auch (voll) bezahlen. Aber das muß man wissen, wie man unberechtigten Forderungen entgegen tritt. Aber sie wissen es nicht, woher auch? Wir leben in einer Gesellschaft, in der wirtschaftliches - "ökonomisches" - Denken und Handeln immer noch verachtet wird, weil sowas "kapitalistisch" also böse sein soll. Man denkt und handelt statt dessen in "Werten" und woher das Geld dafür kommt, macht man sich keine Platte. Der Staat und "die Gesellschaft" machen einem das ja seit unvordenklichen Zeiten vor. Schulden machen ist mega-in. Das nennt man dann: "Verantwortung für die künftigen Generationen". Pffft.

Was wirklich glücklich macht, kostet nichts oder nur sehr wenig, während das, was viel Geld kostet, letztlich zu nichts taugt, ausser dazu, den Drang zu erzeugen, noch mehr Geld auszugeben. Aber das sehen die Leute "narzisstisch passiv", wie die meisten Leute nun mal sind, einfach nicht ein. Vielleicht muß man mal - wie ich selbst - "das alles" gehabt haben, um wirklich zu begreifen, das "das alles" wirklich nix bringt ? Es bringt nur "unwirklich" etwas - nämlich das für den Moment tief beglückende Gefühl, der Norm genügt zu haben - unter den Folgen leidet man dann Jahre, Jahrzehnte und manchmal ein Leben lang. Ein drastisches Beispiel sind die Hochzeiten, die in unseren Zeitläuften immer "amerikanischer" gefeiert werden. Das kriege ich in der warmen Jahreszeit fast jedes WE mit, weil auf einer meiner Fahrradrouten so ein Hochzeitspalast in so einem Park liegt, wo sich die Festgesellschaft dann tummelt. Man sieht es ihnen an: nicht nur die Anzüge sitzen verdammt schlecht, sondern dieses ganze Brimborium passt einfach nicht - aber "das alles" verschlingt zehntausende, wovon sich die sodann wirklich armen Hochzeiter bis zur Scheidung niemals erholen werden …

Wir leben in einem Zeitalter "sozialer Mobilität", was die Folge hat, daß jeder nach oben schielt und sein aktuelles Leben der Karriere anpasst, die er vor sich sieht. Man lebt so, als sei die "Beförderung" schon erfolgt - und verschuldet sich dementsprechend. Das nennt man "Niveau". Kommt es tatsächlich zum Aufstieg, dann wiederholt sich das: n=n+1. Der Kontokorrent wird dann nicht ausgeglichen, wie man sich selbst eingeredet hatte, sondern "ausgebaut". Am Ende steht dann die Verbraucherinsolvenz, bzw die "Regelinsolvenz", wenn man genügend Millionen an Schulden aufgebaut hat.

Ich habe auch so eine Regelinsolvenz hinter mir. Bis heute weiß ich nicht, wieviele Schulden ich damit "reguliert" habe. So um die 100.000 rum müssten es gewesen sein … aber das ist mir heute sowas von egal ...


mio
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Beitrag Mo., 16.09.2019, 23:32

Möbius hat geschrieben: Mo., 16.09.2019, 22:36 Also ich weiß nicht, was die Leute haben.
Weisst Du das wirklich nicht? Oder täuschst Du nur an? ;-)

(Ich weiss es denke ich, aber wenn ich es sage, dann wird es BBBÖÖÖÖSSSSEEEE...)

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Malia
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Beitrag Di., 17.09.2019, 16:51

Ich hab auch ein Beispiel aus meiner Kindheit für die Auswirkung von "Armut" :
Einmal war wieder kein Geld im Haus.
Da gab mir die Mutter einen Zettel und schickte mich damit zur Sparkasse.
Unterwegs las ich den Zettel, mit dem die Mutter bat, das Konto überziehen zu dürfen und dass man mir Geld geben sollte.
Ich gab den Zettel am Schalter ab und konnte beobachten wie die Mitarbeiterin zu einem Kollegen ging, wie sie sich unterhielten, zu mir sahen dabei.
Ich habe mich furchtbar geschämt, auch, weil der Zettel voller Rechtschreibfehler war.
Ob ich Geld bekommen habe, weiß ich nicht mehr.
Nur an die Scham erinnere ich mich deutlich.
„Moralisten sind Menschen, die sich dort kratzen, wo es andere juckt.“
Samuel Beckett

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Philosophia
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Beitrag Di., 17.09.2019, 17:06

Ich musste die Klamotten meines großen Cousins tragen, aber das hat damals nicht dazu geführt, dass ich unglücklich war - das kam eher durch meine Beziehungserfahrungen in der Kindheit.
"Das einzig Wichtige im Leben sind die Spuren der Liebe, die wir hinterlassen, wenn wir gehen." - Albert Schweitzer

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Broken Wing
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Beitrag Di., 17.09.2019, 18:22

Niemand will wirklich arm sein oder behindert, dass man damit leben kann und auch glücklich bestreite ich nicht.
Beginne den Tag mit einem Lächeln, dann hast du es hinter dir. [Nico Semsrott]

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Broken Wing
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Beitrag Di., 17.09.2019, 18:23

Philosophia hat geschrieben: Di., 17.09.2019, 17:06 Ich musste die Klamotten meines großen Cousins tragen, aber das hat damals nicht dazu geführt, dass ich unglücklich war - das kam eher durch meine Beziehungserfahrungen in der Kindheit.
Das verstehe ich nicht. Auch nach mehrmaligem Drüberlesen.
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Malia
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Beitrag Di., 17.09.2019, 18:32

Broken Wing hat geschrieben: Di., 17.09.2019, 18:22 Niemand will wirklich arm sein oder behindert, dass man damit leben kann und auch glücklich bestreite ich nicht.
und: bist du es?
„Moralisten sind Menschen, die sich dort kratzen, wo es andere juckt.“
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mio
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Beitrag Di., 17.09.2019, 18:50

Mich hat es auch nicht unglücklich gemacht die Klamotten meiner Brüder oder aus der Verwandtschaft tragen zu müssen. Ich hatte aber schon auch eigene und durfte auch wählen und aussuchen, es wurde mir nicht alles "aufgedrückt", es gab einfach nur bestimmte Regeln.

Meine Mutter hat mir mal erzählt dass sie als Kind ihr erstes wirklich EIGENES Kleid zur Konfirmation bekam und für sie war das ein unfassbar großes Ereignis. Sie hat es gehasst immer die Sachen der anderen tragen zu müssen.

Meiner Meinung nach liegt das zum einen am "Zwang" dem man ausgesetzt wird wenn man null Mitspracherecht hat und zum anderen daran, dass man sich so "unbedeutend" vorkommt wenn man gar nichts eigenes haben darf. So, als stünde es einem nicht zu etwas zu bekommen.

Mit finanziellen Mitteln hat das meiner Meinung nach aber weniger zu tun sondern es ist eher eine Frage des Umgangs miteinander und der gegenseitigen Haltung.

Ich hab als junger Teenie zB. von mir aus "Altkleidersäcke" und den "Faschingsschrank" zu Hause nach "alten" Klamotten durchforstet und geplündert, aber ich hab mir auch nur genommen was mir gefallen hat. Später bin ich leidenschaftlich gerne auf Flohmärkte und in Secondhandläden gegangen. Es war einfach individueller und hatte halt auch "Geschichte" so ein "altes" Kleidungsstück zu tragen. Ich habe aber generell eine Affinität zu Dingen mit Geschichte.

Mich hat es schon als Kind fasziniert wenn ich wusste damit hat schon die und die und die gespielt oder das gehörte mal dem und dem und dem. Das war wie eine Schatzkammer für meine Phantasie.

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Broken Wing
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Beitrag Di., 17.09.2019, 19:01

@ Malia: Was soll ich sein? Arm, behindert oder glücklich oder alles zusammen? Vom Einkommen her falle ich nicht unter die gängigen Armutsdefinitionen, mehr geht natürlich immer.

Behindert, das sicher.

Glücklich, das würde kaum jemand von mir behaupten.
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mio
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Beitrag Di., 17.09.2019, 19:15

Auch das Unglück kann glücklich machen würde ich mal meinen. Also wenn man es entsprechend zelebriert.

Das findet sich zB. in der "süßen" Melancholie wieder.

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Noenergetik
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Beitrag Di., 17.09.2019, 20:00

Wir hatten oft nicht genug zu essen.
Über gebrauchte Klamotten habe ich gar nicht nach gedacht.
Zur Sparkasse musste ich zwar nicht, aber mal anschreiben lassen im Geschäft kam schon vor.


mio
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Beitrag Di., 17.09.2019, 20:22

Das mit dem das Kind zur Sparkasse schicken finde ich zB. unter aller Kanone.

Nicht, weil man um Geld/Kredit "bitten" muss, sondern weil das feige dem Kind aufgehalst wurde. Das wäre für meine Begriffe klar die Aufgabe der Eltern gewesen.

So kann man "Scham" und "Peinlichkeit" auch umverteilen. Bah.

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Broken Wing
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Beitrag Di., 17.09.2019, 20:29

Keine Ahnung. Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht. Frage mich gerade, in welchem Buch mir begegnet ist, dass der Protagonist seine Ausgabe von 'Die Welt als Wille und Vorstellung' aus therapeutischen Gründen entsorgen musste. ;-)
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Noenergetik
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Beitrag Di., 17.09.2019, 21:11

Guter, guter Schopenhauer!

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