11 Jahre

Fragen und Erfahrungsaustausch zu Phobien, Zwängen, Panikattacken und verwandten Beschwerden.
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JoeJoe
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11 Jahre

Beitrag Sa., 02.06.2012, 04:18

Seit 11 Jahren bin ich in Behandlung. Nie konnte mir jemand bei meiner "Angsterscheinung" helfen.
Ich habe den jeweiligen Therapeuten immer meine Problematik erklärt, aber auf die nun finale Diagnose "Panikstörung kam dabei nie jemand! Wie kommt das?
Diagnosen hatte ich viele (Depression, ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung, Psychose, einer behauptete ich simuliere...) und alle Behandlungsmethoden waren abgeschmettert.
Dann erklärt mir nun nach 11 jahren, ich bin jetzt 26 und hatte aufgrund meiner Panikstörung massive Probleme in Schule und bisher auch im Studium, mein derzeitiger Therapeut nun, dass ich womöglich eine Panikstörung hätte, obwohl meine Symptome damit eigentlich nicht zusammenpassen. Ich solle das durchpeitschende Adrenalin aushalten, denn nach 20-30 Minuten sei dieses im Körper wieder abgebaut und ich könnte endlich arbeiten/lernen.

Und ich muss sagen...

Es half! Ich bin fassungslos.
Nach 11 Jahren endlich etwas das mir hilft,damit ich täglich arbeiten kann und nicht nur einmal alle zwei Monate (In einem Studium echt beschissen, wie man sich vorstellen kann).
Worüber ich mich nun maßlos ärgere, warum hat das nie jemand früher entdeckt? Ich weiß noch, dass ich einmal in der Psychiatrie war, da fragte mich die Stationsärztin auch, ob ich enn Panikattacken hätte... Ich fragte, wo der Unterschied zwischen Angst und Panik sei...
Antwort: "Ja, wenn Sie Panikattacken/panikstörung hätten würden Sie's schon merken..."

Unfassbar, dem war jedenfalls nicht so.
Ich weiß den Unterschied heute noch nicht, ich weiß aber, das dieses 20 Minuten-Aushalten funktioniert.
Nur die 11 jahre meines lebens kriege ich nicht wieder.

Ich wollte mich mit meinem ersten Post hier einfach mal auskotzen und fragen, wie sowas an den verdammten Begrifflichkeiten Angst/Panik scheitern kann.

Schönes Forum, wichtiges Forum!

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Elfchen
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Beitrag Sa., 02.06.2012, 07:51

hallo lieber joe

erstmal herzlich willkommen im forum!

wahnsinn, was du berichtest! aber weisst du was? ich täte den 11 jahren nicht weiter nachweinen sondern mich freuen, dass du einen weg für dich gefunden hast. es bringt nämlich nichts, und hindert dich nur am glücklich vorwärts gehen. schau nach vorne in eine gute zukunft, frei von panik und geniesse dein leben, so gut es geht!
Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben. Epiktet

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mitsuko
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Beitrag Sa., 02.06.2012, 08:44

Hallo,

schon erstaunlich, dass der Begriff nie gefallen ist. Immerhin sind Panikattacken sehr weit verbreitet und es handelt sich ja auch nicht gerade um einen Geheimtipp, die Angst zulassen zu lernen.
JoeJoe hat geschrieben: (Depression, ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung, Psychose, einer behauptete ich simuliere...)
Mal abgesehen von der depperten Simulationsidee, hängen oft solche Diagnosen ja zusammen und ich habe die Panikstörung tatsächlich immer für einen Zusatzeffekt von anderen Schwierigkeiten gehalten, der allerdings sehr mächtig ist und für den Betroffenen alles andere überschattet. Dennoch müssen Angstattacken meiner Meinung nach so schnell es geht angegangen werden, gerade weil sie so lähmend sind. Insofern hast du wohl leider wirklich sehr viel Pech gehabt mit den Menschen, die dich da behandelt haben.

LG
mitsuko

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Nico
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Beitrag Sa., 02.06.2012, 08:51

Warum willst du dir jetzt mit deinem Nachtrauern nach den deiner Meinung nach verlorenen Jahren wieder alles kaputt machen ?
Nimm lieber die Erfahrungen aus diesen Jahren mit und mach was daraus.
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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JoeJoe
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Beitrag So., 03.06.2012, 00:21

Danke für die Antworten! Ich merke jetzt shon nach kurzer zeit, dass sich meine alltägliche lebenqualität absolut verbessert. den einen tag latsche ich durch die stadt und bin so von glückshormonen durchflutet, dass ich das gefühl habe ich würde entspannt durch die stadt surfen... ein solches oder ähnlcihes gefühl hatte ich schon seit meiner jugend nicht mehr, tz...

noch eine andere frage -
ich kann das leider nicht mehr als neuen thread die woche einsetzen:
Meine Therapeutin erzählte mir letzt, dass sie nachdem sie alle begonnenen Patienten zu Ende gebracht habe, sich wieder ihrer kleinen tochter widmen wolle. Kann ich absolut nachvollziehen.
Danach erzählt sie aber von sich aus, sie wolle, wenn sie denn wiederkomme, eh nur noch für privatpatienten da sein, weil sie sonst noch ne kassenlizenz machen müsste...

mein beunruhigender verdacht: warum erzählt sie mir das von sich aus? will sie mir als patienten/ kassenpatienten damit subtil eine reinhauen? (im sinne von "bleiben sie dann bloß weg!") wir hatten uns immer gut verstanden, ich hatte eh nicht vor ihr nach der therapie groß nachzuhängen, da ich weiß, dass mir das nicht gut tut. dann so ein seltsamer subtiler angriff? oder bilde ich mir alles ein?

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mitsuko
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Beitrag So., 03.06.2012, 06:11

Wieso eine reinhauen?
Sie sagt, dass sie dann nicht mehr für dich als Therapeutin zur Verfügung steht. Finde ich schon eine wichtige Information.

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Wanderer77
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Beitrag So., 03.06.2012, 09:30

hallo, das klingt sehr interessant, was du schreibst.

darf ich fragen, wie denn in den 11 jahren genau deine symptome waren?
ich versuche nämlich auch, mich diesen paniksituationen zu stellen, bin mir aber nicht sicher, obs wirklich "nur" panik/angst ist, oder ob eine psychose mit rein spielt (merkwürdig unreales erleben).

daher würde ich gern wissen, wie du deine erkrankung erlebt hast.

mfg wanderer


Jenny Doe
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Beitrag So., 03.06.2012, 09:46

Hallo JoeJoe,

auch mich würde sehr interessieren, welche Symptome zu hattest.

Depression und ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung sind Störungen, die leicht mit einer Angstörung verwechselt werden können, weil sowohl bei der Angstörung als auch bei der ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung Vermeidungsverhalten auftrit. Und bei einer Depression zieht man sich depressionsbedingt aus Aktivitäten zurück, wie bei der Angststörung, bei der man sich aus Angst zurückzieht.
Wir müssen das Leben loslassen, das wir geplant haben, damit wie das Leben leben können, das uns erwartet (Joseph Campbell). Manche Leute glauben, Durchhalten macht uns stark. Doch manchmal stärkt uns gerade das Loslassen (Hermann Hesse).

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JoeJoe
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Beitrag So., 03.06.2012, 17:13

angefangen hat alles von einem auf den anderen tag als ich mit 15 plötzlich meinen vater verlor. auf meine mutter als unterstützung konnte und kann ich heut nicht setzen, sie hat mich und meinen vater stets kaltblütig und gewalttätig behandelt. da es nicht gut für den eigenen status war so einen seltsamen, kranken sohn zu haben, wie sie mir gern sagte, hat sie mich folglich wie dreck behandelt und sich für mich geschämt. womöglich hat sich wegen ihr auch mein vater vielleicht umgebracht. irgendwann nachts hat er das auto gegen ne wand gesetzt. ich habe mit meiner "erzeugerin" heute auch nichts mehr zu tun und belasse es sehr gerne dabei.

seit der todeswoche konnte ich jedenfalls plötzlich keinerlei leistung mehr bringen in der schule:
sobald ich den stift ansetzte begann diese "angsterscheinung" wie ich das jahrelang nannte. mir wird schwindelig, mein ganzer körper verkrampft sich massiv, keine luft, habe keinerlei kontrolle mehr über meine gedanken (ich denke eigentlich gar nichts mehr in dem moment), ich zittere innerlich, will losschreien, ein zustand, als ob mir eine säge durchs gehirn fährt. extreme ermüdung und leere am ende des tages... die depressionen drückten sich dann eben in der ständigen frustration, ermüdung und totaler antriebslosigkeit aus. auch angst vor der angst war dein ein symptom.
mein selbstwert war die jahre über im keller, das thema depression war in den jahren noch nicht so medial präsent wie heute, folglich hat mich in der folge jeder meiner so genannten freunde nur noch wir dreck behandelt. ich habe nach jahren einen alten blogeintrag gefunden in dem ehemalige mitschüler sich genüßlich über meine erfolglosigkeiten, aussehen, angst lustig machten. heute kann ich kaum noch auf menschen zugehen, bin sehr ängstlich, sozusagen "smalltalkunfähig".
ich konnte dann in den letzten zwei jahren aber tatsächlich mal ne freundin finden und mich etwas öffnen. gescheitert ist es dann aber an meiner angst zu vertrauen, ich bin extrem misstrauisch geworden gegenüber menschen. lasse ich wen an mich ran, habe ich sofort das gefühl er will mich hinter meinem rücken früher oder später fertigmachen. leider sind dieses misstrauen und die misanthropie oft genug zurecht vorhanden gewesen, wie ich manchmal erst nach jahren erfahren habe.

und das ist vielleicht auch das problem @mitsuko
das thema vertrauen ist ein ständiger aggressor zwischen mir und meiner therapeutin. war das ein subtiler schlag gegen mich? habe ich recht zur annahme, dass ich meinem therapeuten nerve, er mich in wirklich hasst und mir deswegen sowas erzählt?
das mit dem ratschlag des panikaushaltens war eher zufällig in nem nebensatz gefallen. sie war dann auch sehr überrascht und fast erschrocken als ich erzählte, dass diese taktik tatsächlich helfe nach zwei jahren erfolgloser therapie bei ihr, in der sie merklich auch schon den elan verloren zu haben schien mir helfen zu können.

jedenfalls kann ich erstmals wieder nach jahren überhaupt wieder richtig arbeiten und mein leben ein stück weit selbst gestalten.

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Phönixia
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Beitrag So., 03.06.2012, 17:20

Hallo joe,
bitte schreib noch umbedingt, wie du dsa gemacht hast 20 min Panikattacken aushalten.
Wie war das für dich. Hast du das auch in der öffentlichkeit ausgehalten. Hast das geübt.
Wenn es dir gehlfen hat, könnte es vielleicht anderen auch helfen.
Danke schon mal für deine Antwort

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JoeJoe
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Beitrag So., 03.06.2012, 17:40

in der öffentlichkeit passierte mir das manchmal auch.

schwierig... da ich irgendwann nie mehr verletzbar erscheinen wollte, habe ich gelernt den stoischen zu spielen: trainiert meine gesichtsmotorik in solchen angstmomenten zu minimieren, des weiteren den mund immer geschlossen halten, um die atmung nicht weiter hochzupushen, was bei mir sonst passiert. wenn ich denn sprechen muss, immer genau auf den klang meiner stimme konzentrieren (hab ich so aus nem schauspielkurs übernommen, vielleicht sogar mit der stimme spielen, wenn es geht). ansonsten... versuchen mit stetem blick auf die uhr diese 20-25 minuten "zu überleben". DIE UHR IST ALS ANKER SEHR, SEHR WICHTIG! ich hatte ohne dieses wissen immer das gefühl gegen einen gottgleichen dämon kämpfen zu müssen... danach beruhigt sich der körper tatsächlich wieder von allein. dieser dämon ist nicht unbesiegbar.

ich habe jahrelang immer feedback bekommen, dass man mir meine angst/panik nie anmerken würde. ich wäre immer ruhig und würde bei problemen immer sachlich bleiben. pff, wenn die wüssten...
Zuletzt geändert von JoeJoe am So., 03.06.2012, 18:34, insgesamt 1-mal geändert.

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Wanderer77
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Beitrag So., 03.06.2012, 18:18

sehr interessant...bei mir wäre das problem, dass ich immer das gefühl bekomme, mich in diesen 20 minuten in mir zu verlieren irgendwie, also gedankenabbrüche vor allem..sowas kenne ich garnicht von mir.

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JoeJoe
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Beitrag So., 03.06.2012, 18:48

der versuch ist's wert, denke ich.

kann mir wer tipps geben, wie ich mit meinem misstrauensproblem umgehen könnte?

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Wanderer77
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Beitrag Mo., 04.06.2012, 09:48

hallo joe, kannst du denn konkretisieren, worin dein misstrauensproblem besteht? generell misstrauen anderen gegenüber? oder das nichtwissen, wie bemerkungen ( z.b. eben von der therapeutin wegen der kassenpatienten) gemeint sind?

mfg wanderer

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JoeJoe
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Beitrag Mo., 04.06.2012, 23:05

Beides durchaus. einerseits fällt es mir schwer generell erst mal jemanden an mich ranzulassen. wenn ich dann wen an mich ranlasse, hab ich in der folge ständig angst die person werde meine gutmütigkeit zwangsläufig ausnutzen. mich betrügen, mich anlügen... irgendwann kreisen meine gedanken nur noch darüber und ich steigere mich rein.
oder habe ich doch recht mit meinem misstrauen? ich kann das nicht im geringsten einschätzen.

woran erkennt man das man jemandem trauen kann - wie macht ihr das?

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